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BFH 10.01.2013 - III B 103/12
BFH 10.01.2013 - III B 103/12 - (Kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der vollen Sätze des § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG für in der Türkei wohnende Kinder)
Normen
§ 66 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 15. Mai 2012, Az: 5 K 118/11, Urteil
Leitsatz
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NV: Es ist bereits geklärt, dass türkische Staatsangehörige für ihre in der Türkei wohnhaften Kinder weder nach dem Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige noch nach dem Vorläufigen Europäischen Abkommen über soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11. Dezember 1953 Anspruch auf ein die Kindergeldsätze des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit übersteigendes Kindergeld haben .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine Ehefrau sind türkische Staatsangehörige. Sie sind die Eltern zweier im Juli 2001 und Februar 2004 geborener Kinder, für die der Kläger jeweils ab Geburt Kindergeld bezog. Die Familie lebte zunächst in Deutschland, wo der Kläger nichtselbständig beschäftigt ist. Am 21. September 2010 wurden beide Kinder in der Türkei eingeschult. Seit der Einschulung leben die Kinder in der Türkei zusammen mit den Großeltern und der Ehefrau des Klägers, die die Kinder in die Türkei begleitete. Die Schulausbildung in der Türkei soll bis zum Beginn der Berufsausbildung fortgesetzt werden. Vom 5. Juni 2011 bis 10. Juli 2011 hielt sich die Ehefrau des Klägers mit den Kindern im Inland auf. Vom 5. August 2011 bis 12. September 2011 verbrachte die gesamte Familie ihren Urlaub in der Türkei. In Deutschland verfügt der Kläger über eine 5-Zimmer-Wohnung mit ca. 110 qm, in der für beide Kinder ein Kinderzimmer zur Verfügung steht.
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Nach Einreichung der Schulbescheinigung setzte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit Bescheid vom 9. November 2010 das Kindergeld gemäß Art. 33 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit --deutsch-türkisches Abkommen-- (BGBl II 1965, 1169, BGBl II 1972, 1, BGBl II 1975, 373, BGBl II 1986, 1038) auf 5,11 € für das erste Kind und 12,78 € für das zweite Kind ab Oktober 2010 fest und verrechnete das für Oktober 2010 überzahlte Kindergeld mit dem hälftigen Betrag der ab November 2010 zu erbringenden Kindergeldzahlungen. Der hiergegen --auf Kindergeld in Höhe der vollen gesetzlichen Sätze des § 66 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG)-- gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Kinder ab der Einschulung weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gehabt hätten. Dem Kläger stehe daher nur ein Kindergeldanspruch nach den Sätzen des deutsch-türkischen Abkommens zu.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat einen Zulassungsgrund nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.
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1. a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wegen Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen sowie die Darlegung, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (z.B. Senatsbeschluss vom 16. August 2011 III B 155/10, BFH/NV 2012, 48).
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b) aa) Soweit der Kläger vorträgt, dass der Abstand zwischen den Kindergeldsätzen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG (184 €) und dem Kindergeldsatz nach dem deutsch-türkischen Abkommen (5,11 €) nicht dem tatsächlichen Unterschied der Lebenshaltungskosten in Deutschland und der Türkei entspreche, und zum Beweis hierzu die Einholung eines Sachverständigengutachtens anbietet, stellt er schon keine hinreichend bestimmte Rechtsfrage heraus.
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bb) Dasselbe gilt hinsichtlich des Vortrags des Klägers, dass sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung des Klägers gegenüber Kindergeldberechtigten, deren Kinder in Deutschland eine Schule besuchten, nicht ersichtlich seien, und eine solche Ungleichbehandlung dem erkennbaren Grundgedanken des Kindergeldrechts widerspräche. Zudem fehlt es insofern an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH. Danach ist bei der Rüge von Gleichheitsverstößen im Einzelnen auszuführen, ob und aus welchen spezifischen Gründen das Kindergeld hinsichtlich seiner Funktion, die steuerlich gebotene Verschonung des Familienexistenzminimums sicherzustellen, und/oder in seiner Funktion, eine soziale Förderung der Familie zu bewirken, als gleichheitswidrig angesehen wird (vgl. im Einzelnen Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2011 III B 111/10, BFH/NV 2011, 1897, und vom 14. August 2012 III B 58/12, BFH/NV 2012, 1977, m.w.N.).
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cc) Soweit der Kläger geltend macht, ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der vollen Sätze des § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG ergebe sich aus dem Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige --ARB 3/80-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1983, Nr. C 110/60), fehlt es an der notwendigen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats und an der Darlegung, weshalb trotz dieser Rechtsprechung weiterer Klärungsbedarf besteht. Mit Urteil vom 15. Juli 2010 III R 6/08 (BFHE 230, 545, BStBl II 2012, 883) hat der Senat bereits entschieden, dass der ARB 3/80 lediglich auf Art. 72 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), verweist, nicht indessen die Art. 73 und Art. 74 der VO Nr. 1408/71 für anwendbar erklärt. Es wird daher kein inländischer Wohnsitz von in der Türkei lebenden Kindern türkischer Staatsangehöriger fingiert. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass nach Art. 39 Abs. 3 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 (BGBl II 1972, 385, BGBl II 1973, 113) zum Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl II 1964, 509, 1959) Bestimmungen wie der ARB 3/80 die Zahlung von Familienzulagen lediglich für den Fall sicherstellen müssen, dass die Familie des Arbeitnehmers in der Gemeinschaft wohnhaft ist, nicht hingegen für den Fall, dass sie ihren Wohnsitz in der Türkei hat.
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dd) Auch hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes der unterschiedlichen Kindergeldsätze gegen das Gleichbehandlungsgebot des Vorläufigen Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen --Vorläufiges Europäisches Abkommen (VEA)-- vom 11. Dezember 1953 (BGBl II 1956, 507 und 528, BGBl II 1958, 18, BGBl II 1972, 175, BGBl II 1985, 311) setzt sich der Kläger nicht mit der Rechtsprechung des Senats auseinander. Mit Urteil in BFHE 230, 545, BStBl II 2012, 883 hat der Senat bereits entschieden, dass sich für einen türkischen Staatsangehörigen auch aus dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. d VEA kein Anspruch auf Kindergeld in Höhe der in § 66 Abs. 1 EStG vorgesehenen Sätze für seine in der Türkei lebenden Kinder ergibt. Denn die Regelungen über das einkommensteuerrechtliche Kindergeld, insbesondere § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG, sehen keine Ungleichbehandlung vor, die an die Staatsangehörigkeit der Eltern bzw. des Kindes knüpft.
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2. Ebenfalls nicht dargelegt hat der Kläger die Voraussetzungen einer Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Zur Darlegung einer Divergenz wäre insbesondere erforderlich gewesen, einen abstrakten tragenden Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüberzustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2000 III B 92/99, BFH/NV 2000, 1120, m.w.N.). Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung. Der Kläger hat zwar dargelegt, der Gerichtshof der Europäischen Union habe mit Urteil vom 4. Mai 1999 C-262/96, Sürül (Slg. 1999, I-2685) entschieden, dass für türkische Staatsbürger, die sich rechtmäßig als Arbeitnehmer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, die Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anwendbar sei. Er hat diesem Rechtssatz aber keinen abstrakten tragenden Rechtssatz aus dem angegriffenen FG-Urteil gegenübergestellt und die Abweichung herausgearbeitet. Tatsächlich hat das FG auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt auch nicht § 62 Abs. 2 EStG, sondern § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG angewandt.
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3. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, das FG habe zu Unrecht das weitere Vorliegen eines Wohnsitzes der Kinder im Inland verneint, rügt er im Kern nur eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung und unzutreffende Tatsachenwürdigung. Damit lässt sich die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510).
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