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BFH 04.12.2012 - I B 72/12
BFH 04.12.2012 - I B 72/12 - Zur Beschwerdebefugnis im NZB-Verfahren
Normen
§ 57 FGO, § 107 FGO, § 115 Abs 1 FGO, § 122 Abs 1 FGO, § 145 FGO, § 35 Abs 7a GewO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 27. April 2012, Az: 6 K 341/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sind nur die in der Vorinstanz tatsächlich Beteiligten berechtigt. Die tatsächliche Beteiligung richtet sich grundsätzlich nach dem Rubrum des angefochtenen Urteils.
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2. NV: Lässt sich im Wege der Auslegung ermitteln, dass ein tatsächlich Beteiligter im vorinstanzlichen Urteil irrtümlich nicht als solcher aufgeführt worden ist, so ist auch dieser zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt.
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3. NV: Werden einem Vertreter ohne Vertretungsmacht in dem vorinstanzlichen Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt, wird er hierdurch nicht zum Verfahrensbeteiligten. Insbesondere liegt in der Auferlegung der Kosten keine konkludente Beiladung.
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4. NV: Ist die Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache unzulässig, kann nicht isoliert die Kostenentscheidung angefochten werden.
Tatbestand
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I. In der Sache streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden über Körperschaftsteuer, den Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegenüber der X-GmbH erlassen hat, an der der Beschwerdeführer mittelbar beteiligt ist.
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Die X-GmbH betrieb in den Streitjahren 2007 und 2008 ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Handel mit Fotoartikeln sowie der Betrieb eines Foto-Labors zur Entwicklung von Filmen, Herstellung von Vergrößerungen, Duplikaten, Internegativen und Reproduktionen war.
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Alleinige Gesellschafterin der X-GmbH war die Y-KG. An der Y-KG war die Z-GmbH als Komplementärin und der Beschwerdeführer als Kommanditist beteiligt. In den Streitjahren war der Beschwerdeführer als der alleinige Geschäftsführer der X-GmbH und der Z-GmbH in das Handelsregister eingetragen.
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Mit bestandskräftig gewordener Verfügung vom 30. März 2007 untersagte die Stadt A dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 7a der Gewerbeordnung (GewO) die selbständige Ausübung eines Gewerbebetriebs wegen persönlicher Unzuverlässigkeit. Die Untersagung erstreckte sich auf alle Gewerbe, die dem Anwendungsbereich des § 35 GewO unterliegen sowie auf alle Tätigkeiten als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person.
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Das FA kürzte mangels Vorlage von Unterlagen durch die X-GmbH in dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das 4. Quartal 2007 die beantragten Vorsteuern. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens führte das FA eine Außenprüfung bei der X-GmbH durch, deren Ergebnisse es der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2007 und 2008 zugrunde legte. Hierauf gestützt erließ das FA Bescheide für 2007 und 2008 über Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge.
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Die durch den Beschwerdeführer eingelegten Einsprüche verwarf das FA mit Einspruchsentscheidung als unzulässig. Das FA gab die Einspruchsentscheidung gegenüber dem Beschwerdeführer als Empfangsbevollmächtigten der Y-KG, die Alleingesellschafterin der führungslosen X-GmbH sei, bekannt.
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Daraufhin erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 unter Angabe der Steuernummer der X-GmbH und ihres Namens "als Vertreter der X-GmbH und hilfsweise als Vertreter der Gesellschafterin bzw. als Gesellschafter der Gesellschafterin" Klage gegen den Einspruchsbescheid. Das Schreiben verfasste der Beschwerdeführer auf einem Briefbogen, in dessen Kopf sein Name und seine Anschrift standen.
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Auf den Einwand der fehlenden Prozessfähigkeit der X-GmbH erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31. Dezember 2011, selbst zur Klageerhebung befugt zu sein, soweit die Bescheide "tatsächlich formgerecht zugestellt" worden sein sollten. Die Bescheide beträfen nicht nur die X-GmbH, sondern indirekt auch ihn. Es sei mit der Einleitung eines Haftungsverfahrens gegen ihn zu rechnen. Vor diesem Hintergrund dürfe auch er als Betroffener gegen die Bescheide vorgehen.
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Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 27. April 2012 6 K 341/11 ab. Es ging hierbei davon aus, dass die X-GmbH Klägerin war. Die Kosten des Verfahrens erlegte das FG dem Beschwerdeführer auf, weil dieser als vollmachtloser Vertreter aufgetreten sei.
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Mit seiner in eigenem Namen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen.
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Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
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1. Der Beschwerdeführer ist nicht befugt, gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.
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a) Beschwerdebefugt ist, wer berechtigt wäre, gemäß § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen das Urteil des FG Revision einzulegen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 1985 IX B 31/85, BFH/NV 1986, 346; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 6; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 11). Zur Einlegung einer Revision sind nur die in der Vorinstanz Beteiligten berechtigt (§ 115 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 57 FGO). Maßgebend ist insoweit die tatsächliche Beteiligung, die sich zunächst einmal nach dem Rubrum des angefochtenen Urteils richtet (BFH-Beschlüsse vom 30. Oktober 1990 IX R 122/85, BFH/NV 1991, 545, und vom 13. Februar 2003 VII B 215/02, BFH/NV 2003, 804).
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Ist jedoch ein tatsächlich Beteiligter im Urteil irrtümlich nicht (als solcher) aufgeführt, steht das grundsätzlich weder einer Rechtsmitteleinlegung durch ihn noch seiner Beteiligung im Revisionsverfahren entgegen (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 FGO Rz 5). Seine unterlassene Benennung im FG-Urteil kann vom BFH (als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO) berichtigt werden (BFH-Urteil vom 7. Juli 1987 VII R 94/84, BFHE 150, 492, BStBl II 1987, 804; BFH-Beschluss vom 17. März 1987 VIII R 27/87, BFH/NV 1988, 374; Gräber/Ruban, a.a.O., § 122 Rz 1). Die Richtigstellung ist aber nicht Voraussetzung dafür, dass der tatsächlich Beteiligte des Klageverfahrens als Beteiligter des Revisionsverfahrens behandelt werden kann (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 122 FGO Rz 9; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 FGO Rz 5).
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Ob eine andere Person als die im Rubrum genannte Person tatsächlich Kläger des FG-Verfahrens war und deshalb als Beteiligter i.S. des § 115 Abs. 1 FGO beschwerdebefugt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2004 III B 115/03, BFH/NV 2005, 713; Beermann in Beermann/ Gosch, FGO § 115 Rz 23). Entscheidend ist, welche Person erkennbar durch die Beteiligtenbezeichnung betroffen sein soll (BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178; Senatsurteil vom 29. Januar 2003 I R 106/00, BFHE 201, 287). Dies ist anhand der Klageschrift und aus dem weiteren Klagevorbringen zu ermitteln (BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 545; Bergkemper in HHSp, § 122 FGO Rz 8). Von Bedeutung ist auch, wem gegenüber die streitbefangenen Bescheide ergangen sind (Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 23).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer im Streitfall mangels Beteiligtenstellung im FG-Verfahren nicht beschwerdebefugt.
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aa) In dem Rubrum des angefochtenen Urteils wird nicht er als Kläger bezeichnet. Klägerin in dem Verfahren vor dem FG war nach dem Rubrum vielmehr die X-GmbH.
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bb) Entgegen seiner Auffassung ist der Beschwerdeführer auch nicht der tatsächliche Kläger in dem FG-Verfahren, der rechtsirrtümlich in dem Rubrum des FG-Urteils nicht als Kläger bezeichnet worden ist. Im Streitfall ergibt sich anhand der Klageschrift und aus dem weiteren Klagevorbringen, dass die X-GmbH Klägerin des FG-Verfahrens war, wovon auch das FG zu Recht ausgegangen ist. Zwar hat der Beschwerdeführer die Klageschrift auf einem Briefbogen mit seinem Namen und seiner Adresse verfasst. Mit der Klageschrift focht er aber unter Nennung des Namens und der Steuernummer der X-GmbH Bescheide an, deren Inhaltsadressatin ebenfalls die X-GmbH war und die ihn selbst nicht beschwerten. Ausdrücklich erhob er zudem "als Vertreter der X-GmbH" Klage; die daneben "hilfsweise" erfolgten weiteren Benennungen der klagenden Person resultierten allein aus der Unsicherheit des Beschwerdeführers über seine eigene Rechtsstellung infolge der Gewerbeuntersagung. Der Beschwerdeführer wollte durch die Mehrfachbezeichnung Sorge tragen, jedenfalls die Rechtsstellung bezeichnet zu haben, in der er für die X-GmbH handeln durfte. Jedenfalls ließ er in den Bezeichnungen keinen Zweifel daran, dass er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit mit der X-GmbH für diese tätig werden wollte.
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Gegen diese Auslegung spricht nicht das Schreiben des Beschwerdeführers vom 31. Dezember 2011, in dem er ausführte, selbst Klage erheben zu dürfen, weil er indirekt persönlich von den Bescheiden betroffen sei. Dieses Schreiben ist allenfalls als die Erhebung einer weiteren (wenn auch unzulässigen) Klage des Beschwerdeführers zu werten, die selbständig neben das beim FG bereits anhängige Verfahren 6 K 341/11 treten würde und die Stellung der X-GmbH als Klägerin in diesem Verfahren nicht berühren könnte. Der Inhalt des Schreibens vom 31. Dezember 2011 dient nicht der weiteren Präzisierung der Klageschrift vom 24. Oktober 2011; vielmehr verfolgte der Beschwerdeführer mit dem Schreiben einen neuen prozessualen Ansatz, nachdem ihn das FA auf die fehlende Prozessfähigkeit der X-GmbH aufmerksam gemacht hatte.
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cc) Der Beschwerdeführer ist auch nicht dadurch zum Beteiligten des FG-Verfahrens geworden, dass ihm das FG die Kosten des Verfahrens auferlegt hat. Insbesondere liegt darin keine konkludente Beiladung (BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 1993 VIII R 55/92, VIII B 110/92, BFH/NV 1994, 334; vom 24. November 2011 IV B 85/10, BFH/NV 2012, 585).
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2. Die Beschwerde ist schließlich nicht deshalb zulässig, weil das FG dem Beschwerdeführer in seinem Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt hat, und der Beschwerdeführer insoweit beschwert ist. Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 145 FGO unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies schließt die Situation ein, dass der Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 585; vom 30. Januar 2012 VII B 187/11, BFH/NV 2012, 764; vom 28. Februar 2012 III B 55/10, BFH/NV 2012, 972). So liegt der Fall hier, denn die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Hauptsache mangels Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers keinen Erfolg.
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