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BFH 18.04.2012 - VIII B 10/12
BFH 18.04.2012 - VIII B 10/12 - grundsätzliche Bedeutung offenbare Unrichtigkeit
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 FGO, § 129 AO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 21. November 2011, Az: 9 K 903/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Frage, "ob ein handschriftlicher Vermerk auf dem Eingabewertbogen zum Nachweis einer Änderung gemäß § 129 AO erforderlich ist", hat keine grundsätzliche Bedeutung .
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2. NV: Es ist höchstrichterlich geklärt, dass eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO auch dann anzunehmen ist, wenn in einem Steuerbescheid die von der Behörde beabsichtigte Anordnung eines Nachprüfungsvorbehalts versehentlich unterblieben ist .
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3. NV: Sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, dass dieses Vorgehen auf einer bewussten Entscheidung des den Bescheid erstellenden Bearbeiters beruht, kann die Anordnung des Vorbehalts im Wege der Berichtigung nachgeholt werden. Dass der unterlaufene Fehler aus dem bekannt gegebenen Bescheid selbst ersichtlich ist, verlangt § 129 Satz 1 AO nicht .
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet. Der Streitfall wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf. Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) erforderlich. Auch ist kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gegeben.
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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.
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Nach diesen Maßstäben hat die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) aufgeworfene Frage, ob ein handschriftlicher Vermerk auf dem Eingabewertbogen zum Nachweis einer Änderung gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) ausreichend ist, keine grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist höchstrichterlich geklärt, dass eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO auch dann anzunehmen sein kann, wenn in einem Steuerbescheid die von der Behörde beabsichtigte Anordnung eines Nachprüfungsvorbehalts versehentlich unterblieben ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 31. Juli 2002 X R 49/00, BFH/NV 2003, 2). Sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Vorgehen auf einer bewussten Entscheidung des den Bescheid erstellenden Bearbeiters beruht, kann deshalb die Anordnung des Vorbehalts im Wege der Berichtigung nachgeholt werden. Dass der unterlaufene Fehler aus dem bekannt gegebenen Bescheid selbst ersichtlich ist, verlangt § 129 Satz 1 AO nicht (BFH-Urteil in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400). Es ist überdies geklärt, dass die Frage, ob dem Finanzamt ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterlaufen ist, nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen ist und die Entscheidung hierüber im konkreten Fall eine Tatfrage ist, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 2).
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Das Finanzgericht (FG) hat sich auf der Grundlage der vorstehend genannten Rechtsprechungsgrundsätze unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls mit der Frage der offenbaren Unrichtigkeit auseinandergesetzt und im Ergebnis eine solche bejaht. Wenn die Kläger diese Würdigung beanstanden, wenden sie sich im Ergebnis gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung; die Zulassung der Revision kann damit nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289; vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753). Denn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG ist, wenn sie --wie hier-- möglich ist, für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Danach besteht im Streitfall kein über den Einzelfall hinausgehender weiterer Klärungsbedarf.
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2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das FG hat seiner Entscheidung keinen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt, der mit der von den Klägern angeführten Rechtsprechung nicht übereinstimmt. Wie vorstehend bereits ausgeführt, hat sich das FG auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH mit der Frage einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO auseinandergesetzt und die Tatbestandsvoraussetzungen des § 129 AO in tatsächlicher Hinsicht bejaht. Eine Divergenz ist demnach zu verneinen.
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Unbeachtlich ist ferner die Rüge der Kläger, es könne grundsätzlich nicht von einer offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen werden, wenn eine Zeugeneinvernahme erforderlich sei. Die Kläger übersehen, dass der BFH mit seiner Entscheidung in BFH/NV 2007, 1810 lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Gerichte nicht den jeweils tätig gewordenen Bearbeiter als Zeugen vernehmen müssen, sondern sich allein auf den Akteninhalt stützen können. Von diesen Grundsätzen ist auch das FG ausgegangen. Die vom FG durchgeführte Zeugenvernehmung hat insofern --ähnlich wie die aus der BFH-Entscheidung in BFH/NV 2007, 1810 ersichtliche Zeugenvernehmung-- lediglich zur Klärung des tatsächlichen Geschehensablaufes gedient, um auf Basis ausreichender tatsächlicher Feststellungen die Frage der offenbaren Unrichtigkeit gemäß § 129 AO beurteilen zu können. Eine Divergenz ergibt sich daraus nicht. Das gilt gleichermaßen für die in der Beschwerde genannte Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010 (5 K 98/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1757), in der das FG zum Ausdruck bringt, es komme vornehmlich auf den Akteninhalt an, dessen Überprüfung sich auf sofort verfügbare Daten und Akteninhalte beschränken müsse. Dass eine Zeugenvernehmung zur Klärung des tatsächlichen Geschehensablaufes unzulässig sein soll, folgt daraus nicht.
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3. Unbegründet ist auch die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör. Aus der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2011 ist zu ersehen, dass das FG nach durchgeführter Zeugenvernehmung sowohl das Ergebnis der Beweisaufnahme als auch die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert hat. Die Niederschlagung von Wortbeiträgen der Beteiligten ist daraus nicht erkennbar. Sollte die Sitzungsniederschrift den Ablauf der mündlichen Verhandlung nicht richtig wiedergegeben haben, wäre es Sache der Kläger gewesen, eine Protokollberichtigung oder -ergänzung gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 der Zivilprozessordnung zu beantragen (zur Beweiskraft des Protokolls vgl. BFH-Urteil vom 5. August 2004 VI R 90/02, BFH/NV 2005, 501; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 94 Rz 4, m.w.N.).
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