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BFH 20.12.2011 - VIII B 131/10
BFH 20.12.2011 - VIII B 131/10 - Verfahrensfehler bei Übergehen des Antrags auf Protokollberichtigung hinsichtlich der Entscheidung durch den Berichterstatter
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 164 ZPO, § 94 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 21. Juli 2010, Az: 7 K 3775/09 E, Urteil
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erheben u.a. die Besetzungsrüge. Sie hätten einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats nicht wirksam zugestimmt. Im Protokoll des Erörterungstermins vom 21. Mai 2010 heißt es allerdings wörtlich: "Die Beteiligten erklären ihr Einverständnis mit einer Berichterstattungsentscheidung und verzichten auf eine mündliche Verhandlung." Der Satz ist handschriftlich in das auf der Grundlage eines vorgedruckten Formulars geführte Protokoll offenbar vom Berichterstatter eingefügt worden. An dem Erörterungstermin hatte für die Kläger nur deren Prozessbevollmächtigter teilgenommen.
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Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2010 haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen lassen, sie stimmten einer "Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter" nicht zu. Im Erörterungstermin sei die Zustimmung zu einer Übertragung auf den Einzelrichter ausdrücklich unter den Vorbehalt der Zustimmung der Kläger gestellt worden.
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Das mit der Beschwerde angefochtene Urteil hat der Berichterstatter anstelle des Senats gefällt. Eingangs der Entscheidungsgründe wird dazu ausgeführt, die Kläger hätten einer Entscheidung durch den Berichterstatter ausweislich des Protokolls ohne Einschränkung zugestimmt. Aus dem Schriftsatz der Kläger vom 27. Juni 2010 ergebe sich nichts anderes. Die Kläger hätten insoweit den Unterschied zwischen einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter und einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats verkannt.
Entscheidungsgründe
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II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das angefochtene Urteil ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Das Finanzgericht (FG) hat verfahrensfehlerhaft in der Sache entschieden, ohne zuvor über den Protokollberichtigungsantrag der Kläger zu entscheiden.
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Haben die Kläger, wie hier mit Schriftsatz vom 27. Juni 2010, die Berichtigung des Protokolls beantragt, aus dem sich ihre Zustimmung zu einer Entscheidung des Berichterstatters ergibt, und machen die Kläger geltend, sie hätten einer Entscheidung durch den Berichterstatter entgegen dem Inhalt des Protokolls nicht wirksam zugestimmt, darf der Berichterstatter nicht in der Sache entscheiden, bevor er über den Antrag auf Protokollberichtigung entschieden hat. Übergeht das Gericht in dieser Situation den Antrag auf Protokollberichtigung, liegt darin ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), auf dem die Entscheidung beruhen kann.
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Der Antrag auf Protokollberichtigung ist zulässig. Er kann grundsätzlich ohne Beachtung einer bestimmten Frist und auch konkludent gestellt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag hier von einem professionellen Prozessvertreter formuliert worden ist. Dem Schriftsatz vom 27. Juni 2010 ist, auch wenn der Begriff "Protokollberichtigung" darin nicht fällt, eindeutig zu entnehmen, dass die Kläger die Richtigkeit des Protokolls über den Erörterungstermin vom 21. Mai 2010 insoweit bestreiten, als darin ihre Zustimmung zu einer Entscheidung eines Einzelrichters anstelle des Vollsenats dokumentiert ist. Die Kläger behaupten dazu, ihr Prozessbevollmächtigter habe eine dahin gehende Erklärung im Erörterungstermin nicht unbedingt, sondern nur unter dem Vorbehalt ihrer Genehmigung abgegeben. Aus dem Schriftsatz vom 27. Juni 2010 ergibt sich auch, dass die Kläger die Genehmigung versagt haben. Dass die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 27. Juni 2010 wörtlich nur die Zustimmung zu einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter angesprochen haben, ist dabei unerheblich. Aus dem Verlauf des Verfahrens ist zweifelsfrei ersichtlich, dass sich die Kläger mit ihrer Protokollrüge nur auf den vorausgegangenen Erörterungstermin und das dazu ergangene Protokoll beziehen konnten. Der Sinn des Antrags war trotz der nicht ganz fachgerechten Ausdrucksweise nicht zu verkennen. Eine unter einem Vorbehalt abgegebene Prozesserklärung ist grundsätzlich unwirksam.
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Über den Antrag der Kläger auf Berichtigung des Protokolls vom 21. Mai 2010 hat das FG noch nicht entschieden. Zwar hat sich das Gericht eingangs der Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Urteil mit der Frage beschäftigt, ob die Entscheidung (ausnahmsweise) durch den Berichterstatter anstelle des Senats getroffen werden durfte. Es hat sich jedoch insofern über den eindeutigen Sinn des Antrags im Schriftsatz vom 27. Juni 2010 hinweggesetzt, anstatt sich damit inhaltlich zu befassen. Die entscheidende Frage, ob der Klägervertreter im Termin am 21. Mai 2010 die Zustimmung der Kläger zu einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats nur bedingt, nämlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Kläger erklärt hatte, hat das Gericht nicht beantwortet.
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Der Antrag der Kläger auf Protokollberichtigung ist auch nicht aus anderen Gründen unbeachtlich. Die Kläger waren insbesondere nicht gehalten, die Berichtigung des Protokolls schon früher, etwa noch im Erörterungstermin am 21. Mai 2010 zu beantragen. Das handschriftlich auf der Grundlage eines Formulars vom Berichterstatter geführte Protokoll enthält hinsichtlich der hier streitigen Erklärungen nicht den Vermerk, dass die Erklärung den Beteiligten noch einmal vorgelesen und von ihnen genehmigt worden sei. Danach ist davon auszugehen, dass die Kläger vom genauen Inhalt des Protokolls erst durch die Zustellung einer Abschrift erfahren haben, so dass ihnen eine frühere Reaktion nicht einmal möglich war.
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