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BFH 09.08.2011 - VII R 2/11
BFH 09.08.2011 - VII R 2/11 - Vereinbarkeit einer in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater mit dem Beruf des Steuerberaters
Normen
§ 40 Abs 3 Nr 2 StBerG, § 48 Abs 2 StBerG, § 57 Abs 4 Nr 2 StBerG, § 58 S 2 Nr 5a StBerG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 27. Oktober 2010, Az: 2 K 1529/10, Urteil
Leitsatz
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Eine Tätigkeit als sog. Syndikus-Steuerberater ist mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar. Dies gilt auch dann, wenn durch die in Vollzeit ausgeübte Angestelltentätigkeit die selbständige Steuerberatertätigkeit nur als Nebenberuf ausgeübt werden kann.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übt eine Angestelltentätigkeit als Steuerreferent bei der X-AG aus und nimmt dort Aufgaben im Bereich Controlling und Steuern wahr, wie sie sich aus einer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung ergeben. Seine frühere Bestellung als Steuerberater ist am 1. August 2007 durch Verzicht erloschen.
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Im Juli 2009 hat der Kläger seine Wiederbestellung als Steuerberater beantragt. Er legte dabei Bescheinigungen seines Arbeitgebers X-AG vor, aus denen u.a. hervorgeht, dass er berechtigt ist, neben seiner Tätigkeit als Angestellter den Beruf des Steuerberaters auszuüben, "seine Dienstzeiten innerhalb der Flexibilisierungs-Bandbreiten einzuteilen" und geleistete Überstunden jederzeit als Freizeitausgleich abzubauen.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Steuerberaterkammer) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. März 2010 mit der Begründung ab, dass der Kläger eine mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbare Tätigkeit ausübe, da er durch sein Arbeitsverhältnis an einer berufskonformen Ausübung des Steuerberaterberufs gehindert werde.
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Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 744 veröffentlichten Urteil als unbegründet abgewiesen.
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Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen des § 58 Satz 2 Nr. 5a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für eine Bestellung erfülle. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich nicht, dass der Syndikus zusätzlich neben der Angestelltentätigkeit den Steuerberaterberuf in eigener Kanzlei ausüben müsse. Der Gesetzgeber habe bei der in § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 3 StBerG normierten Tätigkeitseinschränkung nicht die Doppelberufstheorie des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) im Blick gehabt. Während die BRAO die anwaltliche Tätigkeit des Syndikus-Rechtsanwalts nicht regele, sei in § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG unter Bezugnahme auf § 33 StBerG ausdrücklich klargestellt, dass der Syndikus-Steuerberater steuerberaterspezifische Vorbehaltsaufgaben ausüben muss. Daher sei die Übernahme der Doppelberufstheorie --wonach der Syndikus-Rechtsanwalt zwar zwei Berufe ausübe, jedoch nur die selbständige Tätigkeit als Rechtsanwaltstätigkeit anerkannt wird-- durch das FG verfehlt. Der Syndikus-Steuerberater sei stets --ob als Angestellter oder als Freiberufler-- Steuerberater. Auch könne wegen der Berufsfreiheit und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht die Eröffnung einer eigenen Kanzlei vom Syndikus-Steuerberater verlangt werden, da es keine Pflicht zur Berufsausübung in eigener Kanzlei gebe. Ferner sei durch die Freistellungserklärung seines Arbeitgebers nachgewiesen, dass die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung in eigener Kanzlei durch seine Tätigkeit als Angestellter nicht beeinträchtigt werde. Mangels Berufsausübungspflicht des Steuerberaters könne eine weitergehende Arbeitgeberfreistellungserklärung nicht verlangt werden. Schließlich seien durch die Entscheidung des FG die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.
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Die Steuerberaterkammer hält das FG-Urteil für im Ergebnis richtig. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Gesetzesbegründung sei davon auszugehen, dass § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG neben der Angestelltentätigkeit eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater voraussetze. Ferner bestünden Zweifel an einer unabhängigen Berufsausübung des Klägers, da die X-AG als dessen Arbeitgeber nur eine eingeschränkte Freistellungserklärung erteilt habe. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers seien unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids der Steuerberaterkammer vom 29. März 2010 und zur Verpflichtung der Steuerberaterkammer, den Kläger als Steuerberater wiederzubestellen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 3 Nr. 2 StBerG, wonach die Wiederbestellung zu versagen ist, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG), stehen der Wiederbestellung nicht entgegen.
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Die Tätigkeit des Klägers als Angestellter der X-AG ist nicht nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar, da die Voraussetzungen der --einzig in Betracht kommenden-- gesetzlichen Ausnahmevorschrift des § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG erfüllt sind.
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1. Nach der vom FG sinngemäß in Bezug genommenen Tätigkeitsbeschreibung übt der Kläger ausschließlich Aufgaben i.S. des § 33 StBerG bei der X-AG aus, weshalb die Voraussetzungen des § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG erfüllt sind (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2011 VII R 47/10, BFHE 234, 379; BFH/NV 2011, 1621).
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Ob die vom BGH zum Syndikus-Rechtsanwalt vertretene sog. Doppelberufstheorie (vgl. BGH-Urteil vom 25. Februar 1999 IX ZR 384/97, BGHZ 141, 69) auf den Syndikus-Steuerberater zu übertragen ist, kann offenbleiben, denn das FG hat dies zwar angenommen, aber zu Recht darauf abgestellt, dass vom noch nicht als Steuerberater bestellten Kläger lediglich der Wille zu einer selbständigen beruflichen Tätigkeit als Steuerberater verlangt werden kann. An die Feststellung des FG, dass der Kläger einen solchen Willen habe und dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger insoweit nur eine Scheinerklärung abgegeben hat, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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2. Durch die Tätigkeit des Klägers als Angestellter der X-AG wird seine Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) nicht beeinträchtigt.
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Das FG hat dieser Regelung zu Unrecht entnommen, dass ein Syndikus tatsächlich und rechtlich in der Lage sein muss, eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater nicht nur gelegentlich als Feierabend-Steuerberater auszuüben.
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Ein Angestellter ist typischerweise an feste Arbeitszeiten gebunden und wird seinem Arbeitgeber auch den Großteil seiner Arbeitskraft (bei Vollzeit zwischen 38 bis 40 Stunden pro Woche) zur Verfügung stellen müssen. Jegliche weitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur außerhalb dieser --zumindest dem Umfang nach feststehenden-- Arbeitszeiten ausüben, so dass er zwangsläufig nicht in gleichem Umfang selbständig als Steuerberater tätig sein kann wie ein hauptberuflicher Steuerberater. Aber auch ein hauptberuflicher Steuerberater ist nicht an Mindestarbeitszeiten gebunden und kann die Anzahl und den Umfang seiner Mandate frei bestimmen. Da nichts anderes für einen "nebenberuflichen" Steuerberater gelten kann, kann von einem Syndikus-Steuerberater auch nicht eine selbständige Steuerberatertätigkeit in "nennenswertem Umfang" gefordert werden. Er ist vielmehr berechtigt, den Umfang seiner selbständigen Steuerberatertätigkeit der ihm neben dem Angestelltenberuf verbleibenden Zeit anzupassen. Die Steuerberaterkammer war daher nicht berechtigt, vom Kläger die Vorlage einer "umfassenden" Freistellungsbescheinigung der X-AG zu verlangen.
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Die Ansicht des FG, der Gesetzgeber habe einen Feierabend-Steuerberater nicht gewollt, findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/7077, Seite 33) einen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Angestelltentätigkeit des Syndikus-Steuerberaters ohne irgendeine Vorgabe zu ihrem Umfang als mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar angesehen, weshalb sie sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden kann (so auch Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 58 Rz 20, m.w.N.). Daher vermag der Senat nicht der Rechtsauffassung des FG zu folgen, die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung sei beeinträchtigt, weil der Kläger Pflichtenkollisionen zwischen seinem Hauptberuf und der Steuerberatertätigkeit "nicht eigenverantwortlich regeln" könne, nicht stets für seine Mandanten erreichbar sei und auch nicht zur Wahrnehmung von Terminen seinen Arbeitsplatz bei der X-AG jederzeit verlassen dürfe. Im Übrigen gibt es vielfältige technische Möglichkeiten (z.B. E-mail, Handy etc.), derer sich auch ein Syndikus-Steuerberater an seinem Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber bedienen und mittels derer er seine Erreichbarkeit für Mandanten sicherstellen kann.
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Das Berufsbild des Steuerberaters unterscheidet sich maßgeblich von dem des Rechtsanwalts (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2006 VII B 13/06, BFH/NV 2006, 1888, m.w.N.), welches nach dem Urteil des BGH vom 9. November 2009 AnwZ (B) 83/08 (Neue Juristische Wochenschrift 2010, 1381) von diesem allerdings verlangt, jederzeit und ohne Beschränkung durch ein Angestelltenverhältnis Gerichtstermine wahrnehmen, eilige Schriftsätze fertigen sowie Telefongespräche und alle sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeiten erledigen zu können. Das Berufsbild des Steuerberaters ist hingegen nicht durch dessen Möglichkeit geprägt, seinen Mandanten jederzeit und einschränkungslos zur Verfügung stehen zu können. Wie die Begründung zum Achten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BTDrucks 16/7077, Seite 33) zeigt, ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Berufsbilder der Anwälte und Steuerberater in einer Weise voneinander abweichen, die eine unterschiedliche berufsrechtliche Behandlung rechtfertigt. Wenn dieser diese Unterschiede zum Anlass genommen hat, statt (wie bei Rechtsanwälten gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO) eine umfassende Unvereinbarkeitsklausel zu formulieren, die Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater mit dem Beruf des Steuerberaters ausdrücklich für vereinbar zu erklären, dann folgt daraus, dass die vom BGH mit vorgenanntem Urteil für den Anwaltsberuf aufgestellten Vereinbarkeitskriterien auf das Berufsrecht der Steuerberater nicht ohne Weiteres übertragbar sind.
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Dass allein eine sich aus der Angestelltentätigkeit ergebende zeitliche Beschränkung der selbständigen Steuerberatertätigkeit geeignet ist, die Pflicht des Steuerberaters zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 2 StBerG) zu beeinträchtigen, ist nicht anzunehmen.
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