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BFH 03.06.2011 - VII B 203/10
BFH 03.06.2011 - VII B 203/10 - Zulassung der Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung - Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuern
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 69 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. August 2010, Az: 9 K 9059/08, Urteil
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war zusammen mit Herrn R Mitgeschäftsführer einer GmbH. Dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) hatte die GmbH bezüglich fälliger Lohnsteuern eine Einzugsermächtigung erteilt. Zudem hatte R gegenüber einer Bank eine Bürgschaftserklärung abgegeben, wonach er für den der GmbH in Höhe von 140.000 € gewährten Kontokorrentkredit zur Hälfte dieses Betrages bürge. Am 18. November 2002 ging beim FA die vom Steuerberater der GmbH erstellte Lohnsteueranmeldung für den Monat Oktober 2002 ein. Aufgrund der Einzugsermächtigung erfolgte die Abbuchung der geschuldeten Steuern am 22. November 2002. Am selben Tag kündigte R den mit der Bank geschlossenen Bürgschaftsvertrag mit sofortiger Wirkung, worauf die Bank die Lastschrift des FA stornierte. Am 11. Dezember 2002 stellte die GmbH einen Antrag auf Insolvenzeröffnung. Die vom Amtsgericht mit Zustimmungsvorbehalt eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalterin widersprach sämtlichen Lastschrifteinzügen. Das Insolvenzverfahren endete mit der Feststellung der Masseunzulänglichkeit. Die Insolvenzverwalterin teilte dem FA mit, dass mit einer Quote nicht zu rechnen sei. Daraufhin nahm das FA den Kläger und R nach § 69 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 34 AO für die Lohnsteuer Oktober 2002 nebst steuerlichen Nebenleistungen als Haftungsschuldner in Anspruch.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger es schuldhaft unterlassen habe, die Lohnsteuer für den Monat Oktober 2002 rechtzeitig anzumelden und an das FA abzuführen. Die Pflichtverletzung werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der für die GmbH tätige Steuerberater die Lohnsteueranmeldung verspätet zur Unterschrift vorgelegt habe und dass die GmbH höchstwahrscheinlich bereits am 11. November 2002 zahlungsunfähig gewesen sei. Angesichts der von der Insolvenzverwalterin per 28. Februar 2003 festgestellten Überschuldung der GmbH in Höhe von über 500.000 € habe der Kläger durch Kürzung der auszuzahlenden Löhne die entsprechende Lohnsteuer-Abführung für November 2002 sicherstellen müssen. Zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt bestehe auch ein adäquater Kausalzusammenhang, der nicht dadurch entfalle, dass die Insolvenzverwalterin Zahlungen der GmbH nach § 130 der Insolvenzordnung hätte anfechten können. Der maßgebliche Zeitpunkt der Pflichtverletzung liege zudem außerhalb des in § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung festgelegten Zeitraums.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen offensichtlicher Rechtsfehler und einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG habe nicht beachtet, dass der ihm vorgeworfene Pflichtverstoß für den Schadenseintritt deshalb nicht kausal gewesen sei, weil der Mitgesellschafter R den Bürgschaftsvertrag ohne sein Wissen gekündigt habe. Die daraufhin erfolgte Stornierung habe allein R zu verantworten. Der Kausalverlauf sei mit der "heilenden" Abbuchung des von der GmbH geschuldeten Betrages durch das FA unterbrochen worden.
Entscheidungsgründe
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II. Bei Zweifeln an der Erfüllung der Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erweist sich die Beschwerde jedenfalls als unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG bei seiner Entscheidungsfindung keinen schwerwiegenden Rechtsfehler begangen, der das Urteil als greifbar gesetzwidrig erscheinen lässt.
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1. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann dann in Betracht kommen, wenn das angefochtene Urteil auf einem so schweren Rechtsfehler beruht, dass sein Fortbestand das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnte (Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 2006, 226, BStBl II 2004, 896). Das ist der Fall, wenn sich die Entscheidung als objektiv willkürlich darstellt oder greifbar gesetzwidrig ist. Dafür reicht es jedoch nicht aus, dass sie im Ergebnis Zweifeln begegnet oder sogar eindeutig fehlerhaft ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. November 2004 I B 43/04, BFH/NV 2004, 707, m.w.N.). Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn das Urteil unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
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2. Im Streitfall weist das Urteil des FG einen solch schwerwiegenden Rechtsfehler nicht auf. Vielmehr beruht es auf nachvollziehbaren Erwägungen und Schlussfolgerungen, die rechtlich vertretbar sind und sachfremde Überlegungen nicht erkennen lassen. Dies trifft insbesondere auf die Rechtsansicht des FG zu, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem dadurch entstandenen Vermögensschaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass aufgrund der Rechtsprechung des BFH eine haftungsausschließende Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe nicht in Betracht kommt. Es entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass der Geschäftsführer in der Krise der GmbH --die nach den nicht angefochtenen Feststellungen des FG zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Oktober 2002 bereits vorlag-- die für die Lohnsteuer-Abführung erforderlichen Beträge bei der Lohnzahlung zurückbehalten muss. Frei von Willkür ist ferner die Annahme, dass ein Vertrauen in die Überbrückung von Liquiditätsengpässen --mögen sie auch durch das Verhalten eines Mitgesellschafters verursacht worden sein-- in der Risikosphäre des Geschäftsführers liegt. Erst recht ist es nicht greifbar gesetzwidrig, wenn das FG trotz der Kündigung des Bürgschaftsvertrags und der Stornierung der Lohnsteuerabbuchung von einem Verursachungszusammenhang zwischen der nicht fristgerechten Abgabe der Lohnsteueranmeldung bzw. der Nichtentrichtung des geschuldeten Betrags und dem Schadenseintritt ausgegangen ist. Zutreffend hat das FG schließlich hervorgehoben, dass zwischen dem Kläger und R keine schriftlich fixierte Aufgabenteilung vereinbart worden ist, die nach der Rechtsprechung des BFH die Haftung beschränken könnte. Somit waren beide Geschäftsführer der GmbH für die fristgerechte Anmeldung und Abführung der Lohnsteuern bzw. für eine evtl. vorzunehmende Kürzung der Löhne und sorgsame Mittelverwendung gleichermaßen verantwortlich. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der finanziellen Krise der GmbH, die schließlich zur Insolvenz führte.
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