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EuGH 22.09.2022 - C-538/20
EuGH 22.09.2022 - C-538/20 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 22. September 2022 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 und 54 AEUV – Abzug von endgültigen Verlusten einer in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte – Mitgliedstaat, der aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf seine Besteuerungsbefugnis verzichtet hat – Vergleichbarkeit der Situationen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-538/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Oktober 2020, in dem Verfahren
Finanzamt B
gegen
W AG
Beteiligter:
Bundesministerium der Finanzen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
der W AG, vertreten durch Rechtsanwalt P. Dodos,
der deutschen Regierung, vertreten durch R. Kanitz und J. Möller als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch E. de Moustier und E. Toutain als Bevollmächtigte,
der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen, A. Laine und H. Leppo als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und V. Uher als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. März 2022
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Art. 49 und 54 AEUV.
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt B (Deutschland) und der W AG, einer in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaft, wegen der Weigerung des Finanzamts, die Verluste einer im Vereinigten Königreich belegenen und 2007 geschlossenen Betriebsstätte der W AG bei der Berechnung der von W für das Jahr 2007 geschuldeten Steuer zu berücksichtigen.
Rechtlicher Rahmen
Deutsches Recht
§ 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: KStG) bestimmt:
„(1) Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind die folgenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben:
1. Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung);
…
(2) Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte.
…“
Nach § 8 Abs. 2 KStG sind bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Art. III Abs. 1 des Abkommens vom 26. November 1964 zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung in der durch das Revisionsprotokoll vom 23. März 1970 geänderten Fassung (BGBl. 1966 II, S. 359; BGBl. 1967 II, S. 828 und BGBl. 1971 II, S. 46) (im Folgenden: DBA) sieht vor:
„Gewerbliche Gewinne eines Unternehmens eines der Gebiete werden nur in diesem Gebiete besteuert, es sei denn, dass das Unternehmen in dem anderen Gebiet eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt. Übt das Unternehmen durch eine Betriebstätte in dem anderen Gebiet eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte aus, so können die Gewinne in dem anderen Gebiete besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebstätte zugerechnet werden können.“
Art. XVIII Abs. 2 DBA sieht vor:
„Im Falle einer in der Bundesrepublik ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:
Von der Besteuerungsgrundlage der Steuer der Bundesrepublik werden die Einkünfte aus Quellen innerhalb des Vereinigten Königreichs und die innerhalb des Vereinigten Königreichs gelegenen Vermögensteile ausgenommen, die … im Vereinigten Königreich besteuert werden können …; die in Artikel VIII Absatz 1 genannten Gewinne werden aber nur dann ausgenommen, wenn sie im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind. Deutschland behält aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte und Vermögensteile bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
W ist eine Aktiengesellschaft, deren Hauptsitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland liegen. Sie betreibt eine Wertpapierhandelsbank. Im August 2004 eröffnete W eine Zweigniederlassung im Vereinigten Königreich. Da diese keine Gewinne erzielte, wurde sie von W im ersten Halbjahr 2007 geschlossen, so dass die steuerlichen Verluste dieser Betriebsstätte im Vereinigten Königreich nicht mehr vorgetragen werden konnten.
Da das Finanzamt B diese Verluste bei der Festsetzung der von W in Deutschland geschuldeten Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für das Steuerjahr 2007 unberücksichtigt gelassen hatte, erhob W Klage beim Hessischen Finanzgericht (Deutschland). Mit Urteil vom 4. September 2018 gab das Finanzgericht der Klage statt.
Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt B Revision beim Bundesfinanzhof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, ein.
Der Bundesfinanzhof führt aus, W sei zwar nach § 1 Abs. 1 und 2 KStG in Deutschland mit ihren sämtlichen Einkünften körperschaftsteuerpflichtig, doch seien die Verluste ihrer Betriebsstätte im Vereinigten Königreich nach Art. XVIII Abs. 2 DBA, wonach ausländische Einkünfte von der Körperschaftsteuer befreit seien, von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ausgenommen. Gleiches gelte für die Gewerbesteuer, da in den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes für die Berechnung der Bemessungsgrundlage dieser Steuer auf die Ermittlung der körperschaftsteuerpflichtigen Gewinne verwiesen werde. Auf dieser Grundlage müsse dem Rechtsmittel stattgegeben werden.
Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob bei der Berechnung der von W in Deutschland geschuldeten Steuer die Verluste der im Vereinigten Königreich belegenen Betriebsstätte von W nicht aufgrund der Niederlassungsfreiheit berücksichtigt werden müssten. Für den besonderen Fall, dass die Befreiung ausländischer Einkünfte in einem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehen sei, lasse sich aus der zuletzt auf das Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock (C-650/16, EU:C:2018:424), zurückgehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs nämlich keine eindeutige Antwort auf diese Frage entnehmen. Falls ja, möchte es auch wissen, unter welchen Voraussetzungen die Verluste der ausländischen Betriebsstätte als „endgültig“ im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen sind, wie die Höhe dieser Verluste zu bestimmen ist und ob die Pflicht zur Berücksichtigung dieser Verluste auch für die Gewerbesteuer gilt.
Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 43 in Verbindung mit Art. 48 EG (jetzt Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV) dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die es einer gebietsansässigen Gesellschaft verwehren, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte abzuziehen, wenn die Gesellschaft zum einen alle Möglichkeiten zum Abzug dieser Verluste ausgeschöpft hat, die ihr das Recht des Mitgliedstaats bietet, in dem diese Betriebsstätte belegen ist, und zum anderen über diese Betriebsstätte keine Einnahmen mehr erzielt, so dass keine Möglichkeit mehr besteht, dass die Verluste in diesem Mitgliedstaat berücksichtigt werden („finale“ Verluste), auch dann entgegenstehen, wenn es sich bei den betreffenden Rechtsvorschriften um die Freistellung von Gewinnen und Verlusten aufgrund eines bilateral zwischen den beiden Mitgliedstaaten vereinbarten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung handelt?
Falls die erste Frage zu bejahen ist: Sind Art. 43 in Verbindung mit Art. 48 EG (jetzt Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV) dahin auszulegen, dass sie auch den Rechtsvorschriften des deutschen Gewerbesteuergesetzes entgegenstehen, die es einer gebietsansässigen Gesellschaft verwehren, von ihrem steuerpflichtigen Gewerbeertrag „finale“ Verluste der in der ersten Frage bezeichneten Art einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte abzuziehen?
Falls die erste Frage zu bejahen ist: Können im Falle der Schließung der in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte „finale“ Verluste der in der ersten Frage bezeichneten Art vorliegen, obgleich die zumindest theoretische Möglichkeit besteht, dass die Gesellschaft erneut eine Betriebsstätte in dem betreffenden Mitgliedstaat eröffnet, mit deren Gewinnen die früheren Verluste gegebenenfalls verrechnet werden können?
Falls die erste und die dritte Frage zu bejahen sind: Kommen als vom Ansässigkeitsstaat des Stammhauses zu berücksichtigende „finale“ Verluste der in der ersten Frage bezeichneten Art auch jene Verluste der Betriebsstätte in Betracht, die nach dem Recht des Belegenheitsstaats der Betriebsstätte mindestens einmal in einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum vorgetragen werden konnten?
Falls die erste und die dritte Frage zu bejahen sind: Ist die Pflicht zur Berücksichtigung der grenzüberschreitenden „finalen“ Verluste der Höhe nach begrenzt durch diejenigen Verlustbeträge, die die Gesellschaft in dem betreffenden Belegenheitsstaat der Betriebstätte hätte ansetzen können, wenn nicht die Verlustberücksichtigung dort ausgeschlossen wäre?
Zu den Vorlagefragen
Erste Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 49 und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der eine dort gebietsansässige Gesellschaft die endgültigen Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von ihrem steuerpflichtigen Gewinn nicht abziehen kann, wenn der Ansässigkeitsmitgliedstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte verzichtet hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist mit der in den Art. 49 und 54 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424‚ Rn. 15).
Auch wenn die Bestimmungen des Unionsrechts über die Niederlassungsfreiheit ihrem Wortlaut nach die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen sollen, verbieten sie es ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert. Diese Erwägungen gelten auch dann, wenn, wie hier, eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft über eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424‚ Rn. 16 und 17 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Gesellschaften mit Geschäftsleitung oder Sitz in Deutschland nach § 1 Abs. 1 und 2 KStG mit ihren gesamten Einkünften körperschaftsteuerpflichtig sind. Wenn eine Gesellschaft mit Geschäftsleitung oder Sitz in Deutschland eine gewerbliche Tätigkeit über eine Betriebsstätte im Vereinigten Königreich ausübt, sind jedoch nach den Bestimmungen des DBA die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne von der Bemessungsgrundlage der von dieser Gesellschaft in Deutschland geschuldeten Körperschaftsteuer ausgenommen, wobei Deutschland die Gewinne bei der Festsetzung des Steuersatzes berücksichtigen kann, sofern sie im Vereinigten Königreich steuerpflichtig sind. Dasselbe gilt entsprechend für die einer solchen Betriebsstätte zuzurechnenden Verluste.
In einer solchen Konstellation haben die gebietsansässigen Gesellschaften bei der Ermittlung ihres steuerpflichtigen Einkommens einen steuerlichen Vorteil, der darin besteht, dass sie die Verluste einer gebietsansässigen Betriebsstätte berücksichtigen können. Diese Möglichkeit für Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte auszuschließen, begründet eine Ungleichbehandlung, die eine gebietsansässige Gesellschaft davon abhalten könnte, ihre Tätigkeiten über eine solche Betriebsstätte auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424‚ Rn. 18 und 19 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Zulässig ist eine solche Ungleichbehandlung nur, wenn sie objektiv nicht miteinander vergleichbare Situationen betrifft oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis dazu steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424‚ Rn. 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Vergleichbarkeit eines innerstaatlichen Sachverhalts mit einem grenzüberschreitenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den fraglichen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen (Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424, Rn. 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Was Maßnahmen eines Mitgliedstaats betrifft, die der Vermeidung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung der Gewinne einer gebietsansässigen Gesellschaft dienen, befinden sich Gesellschaften mit einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht in einer Situation, die mit der Situation von Gesellschaften mit einer gebietsansässigen Betriebsstätte vergleichbar wäre (Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424, Rn. 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Anders verhält es sich, wenn das nationale Steuerrecht selbst diese beiden Arten von Betriebsstätten für die Berücksichtigung der von ihnen erzielten Verluste und Gewinne gleichstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2014, Nordea Bank Danmark,C-48/13, EU:C:2014:2087, Rn. 24, und vom 17. Dezember 2015, Timac Agro Deutschland, C-388/14, EU:C:2015:829, Rn. 28).
Hat hingegen der Ansässigkeitsmitgliedstaat einer Gesellschaft aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens darauf verzichtet, seine Besteuerungsbefugnis hinsichtlich der Ergebnisse der gebietsfremden, in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte dieser Gesellschaft auszuüben, ist hinsichtlich der Maßnahmen, die der Ansässigkeitsmitgliedstaat zur Vermeidung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung der Gewinne – und entsprechend des doppelten Verlustabzugs – bei den ansässigen Gesellschaften getroffen hat, die Situation einer gebietsansässigen Gesellschaft mit einer gebietsfremden Betriebsstätte nicht mit der einer gebietsansässigen Gesellschaft mit einer gebietsansässigen Betriebsstätte vergleichbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, Timac Agro Deutschland, C-388/14, EU:C:2015:829, Rn. 65).
Durch das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock (C-650/16, EU:C:2018:424), wurde dieses Ergebnis nicht in Frage gestellt.
In Bezug auf die Verluste einer gebietsfremden Betriebsstätte, die jede Tätigkeit eingestellt hatte und deren Verluste in dem Mitgliedstaat, in dem sie tätig war, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn nicht hatten abgezogen werden können und nicht mehr abgezogen werden konnten, hat der Gerichtshof in jenem Urteil zwar entschieden, dass sich in Anbetracht des Ziels, den doppelten Verlustabzug zu vermeiden, die Situation einer gebietsansässigen Gesellschaft mit einer solchen Betriebsstätte von der Situation einer gebietsansässigen Gesellschaft mit einer gebietsansässigen Betriebsstätte nicht unterscheidet. Er hat hinzugefügt, dass die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft mit einer gebietsfremden Betriebsstätte, die endgültige Verluste erlitten hat, in gleicher Weise beeinträchtigt ist wie die einer Gesellschaft, deren gebietsansässige Betriebsstätte Verluste erlitten hat, so dass diese beiden Situationen in dieser Hinsicht vergleichbar sind (Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, EU:C:2018:424, Rn. 38 und 39).
In jener Rechtssache hatte jedoch der Ansässigkeitsmitgliedstaat der Gesellschaft, die die Berücksichtigung der endgültigen Verluste ihrer gebietsfremden Betriebsstätte beantragt hatte, nicht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen auf seine Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte verzichtet. Die Sache lag dort anders: Er hatte vielmehr unilateral entschieden, trotz seiner entsprechenden Befugnis die Gewinne und Verluste gebietsfremder Betriebsstätten gebietsansässiger Gesellschaften nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die betreffende Gesellschaft war der fakultativen Regelung der internationalen gemeinsamen Besteuerung beigetreten.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des DBA auf ihre Befugnis zur Besteuerung der Gewinne verzichtet hat, die von im Vereinigten Königreich belegenen Betriebsstätten erzielt werden, über die in Deutschland gebietsansässige Gesellschaften gewerblich tätig sind. Dasselbe gilt entsprechend für die Berücksichtigung der Verluste dieser Betriebsstätten.
Da die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf ihre Befugnis zur Besteuerung der Gewinne und Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte verzichtet hat, befindet sich eine gebietsansässige Gesellschaft mit einer solchen Betriebsstätte im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung der Gewinne – und entsprechend der doppelten Berücksichtigung von Verlusten – nicht in einer vergleichbaren Situation wie eine gebietsansässige Gesellschaft mit einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte.
Folglich liegt in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens keine Beschränkung der in den Art. 49 und 54 AEUV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit vor.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 49 und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der eine dort gebietsansässige Gesellschaft die endgültigen Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von ihrem steuerpflichtigen Gewinn nicht abziehen kann, wenn der Ansässigkeitsmitgliedstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte verzichtet hat.
Fragen 2 bis 5
Angesichts der Antwort auf die erste Frage sind die Fragen 2 bis 5 nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der eine dort gebietsansässige Gesellschaft die endgültigen Verluste ihrer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte von ihrem steuerpflichtigen Gewinn nicht abziehen kann, wenn der Ansässigkeitsmitgliedstaat aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte verzichtet hat.
Lycourgos
Rodin
Bonichot
Rossi
Spineanu-Matei
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. September 2022.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Vierten Kammer
C. Lycourgos
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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