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EuGH 07.04.2022 - C-668/20
EuGH 07.04.2022 - C-668/20 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) - 7. April 2022 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Einreihung von Waren – Positionen 1302, 3301 und 3302 – Extrahiertes Vanille-Oleoresin – Verbrauchsteuern – Richtlinie 92/83/EWG – Steuerbefreiungen – Art. 27 Abs. 1 Buchst. e – Begriff ‚Aroma‘ – Richtlinie 92/12/EWG – Verbrauchsteuerausschuss der Kommission – Kompetenzen“
Leitsatz
In der Rechtssache C-668/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Dezember 2020, in dem Verfahren
Y GmbH
gegen
Hauptzollamt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Krausenböck,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Y GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Bleier,
des Hauptzollamts, vertreten durch B. Geyer als Bevollmächtigte,
der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Perrin, M. Salyková und R. Pethke als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterpositionen 13021905, 33019030 und 33021090 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN) sowie des Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 21).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens zwischen der Y GmbH und dem Hauptzollamt (Deutschland) wegen der Verpflichtung der Klägerin des Ausgangsverfahrens, Zölle und Verbrauchsteuern auf die Einfuhr von Vanille-Oleoresin in das Gebiet der Europäischen Union zu entrichten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene internationale Übereinkommen eingeführt. Dieses internationale Übereinkommen wurde mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) genehmigt. Die KN beruht auf dem HS. Die KN übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS. Nur die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen.
Abschnitt A („Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN“) von Titel I („Allgemeine Vorschriften“) des Teils I der KN, der einführende Vorschriften enthält, bestimmt:
„Für die Einreihung von Waren in die [KN] gelten folgende Grundsätze:
Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.
…“
Teil II („Zolltarif“) der KN enthält einen Abschnitt II („Waren pflanzlichen Ursprungs“), der u. a. Kapitel 13 der KN („Schellack; Gummen, Harze und andere Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge“) umfasst, einen Abschnitt IV („Waren der Lebensmittelindustrie; Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig; Tabak und verarbeitete Tabakersatzstoffe“), zu dem u. a. Kapitel 22 der KN („Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig“) gehört, und einen Abschnitt VI („Erzeugnisse der chemischen Industrie und verwandter Industrien“), zu dem u. a. Kapitel 33 der KN („Ätherische Öle und Resinoide; zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel“) zählt.
Kapitel 13 der KN umfasst u. a. folgende Positionen und Unterpositionen:
„…
1301
Schellack; natürliche Gummen, Harze, Gummiharze und Oleoresine (z. B. Balsame):
1301 20 00
– Gummi arabicum
1301 90 00
– andere
1302
Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge; Pektinstoffe, Pektinate und Pektate; Agar-Agar und andere Schleime und Verdickungsstoffe von Pflanzen, auch modifiziert:
– Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge:
…
…
1302 19
– – andere
1302 19 05
– – – Vanille-Oleoresin
In Anmerkung 1 Buchst. ij zu Kapitel 13 der KN heißt es:
„Zu Position 1302 gehören insbesondere Süßholz-Auszug, Pyrethrum-Auszug, Hopfen-Auszug, Aloe-Auszug und Opium.
Zu dieser Position gehören dagegen nicht:
…
ätherische Öle, einschließlich ‚konkrete’ oder ‚absolute‘ Öle, Resinoide, extrahierte Oleoresine, destillierte aromatische Wässer und wässrige Lösungen ätherischer Öle sowie Zubereitungen auf der Grundlage von Riechstoffen der zum Herstellen von Getränken verwendeten Art (Kapitel 33)“.
Kapitel 22 der KN enthält die Position 2207 mit folgendem Wortlaut:
„2207
Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von 80 % vol oder mehr, unvergällt; Ethylalkohol und Branntwein mit beliebigem Alkoholgehalt, vergällt:
2207 10 00
– Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von 80 % vol oder mehr, unvergällt
2207 20 00
– Ethylalkohol und Branntwein mit beliebigem Alkoholgehalt, vergällt
Kapitel 33 der KN enthält u. a. folgende Positionen und Unterpositionen:
„…
3301
Ätherische Öle (auch entterpenisiert), einschließlich ‚konkrete‘ oder‚absolute‘ Öle; Resinoide; extrahierte Oleoresine; Konzentrate ätherischer Öle in Fetten, nicht flüchtigen Ölen, Wachsen oder ähnlichen Stoffen, durch Enfleurage oder Mazeration gewonnen; terpenhaltige Nebenerzeugnisse aus ätherischen Ölen; destillierte aromatische Wässer und wässrige Lösungen ätherischer Öle:
…
…
3301 30 00
– Resinoide
3301 90
– andere
3301 90 10
– – terpenhaltige Nebenerzeugnisse aus ätherischen Ölen
– – extrahierte Oleoresine:
3301 90 21
– – – von Süßholzwurzeln und von Hopfen
3301 90 30
– – – andere
…
…
3302
Mischungen von Riechstoffen und Mischungen (einschließlich alkoholische Lösungen) auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe, von der als Rohstoffe für die Industrie verwendeten Art; andere Zubereitungen auf der Grundlage von Riechstoffen von der zum Herstellen von Getränken verwendeten Art:
3302 10
– von der in der Lebensmittel- oder Getränkeindustrie verwendeten Art:
– – von der in der Getränkeindustrie verwendeten Art:
– – – Zubereitungen, die alle charakteristischen Aromastoffe eines Getränks enthalten:
3302 10 10
– – – – mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % vol
…
…
3302 10 90
– – von der in der Lebensmittelindustrie verwendeten Art
In den Anmerkungen 1 und 2 zu Kapitel 33 heißt es:
Zu Kapitel 33 gehören nicht:
natürliche Oleoresine und Pflanzenauszüge der Position 1301 oder 1302;
…
Als Riechstoffe im Sinne der Position 3302 gelten nur die Substanzen der Position 3301, die aus diesen Substanzen isolierten Riechstoffe sowie synthetische Aromastoffe.
…“
…“
…“
…“
Erläuterungen zur KN und Erläuterungen zum HS
In den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (ABl. 2019, C 119, S. 1, im Folgenden: Erläuterungen zur KN) steht zur Position 1302 Folgendes:
„Pflanzenauszüge der Position 1302 sind pflanzliche Rohstoffe, die beispielsweise durch Lösungsmittelextraktion gewonnen und nicht weiter chemisch modifiziert oder verarbeitet wurden. Allerdings sind inerte Hilfsstoffe (z. B. Antibackmittel) und eine Verarbeitung in Bezug auf eine Standardisierung oder eine physikalische Behandlung, wie Trocknen oder Filtrieren, zulässig.“
Die von der WZO veröffentlichten Erläuterungen (im Folgenden: Erläuterungen zum HS) sehen in Bezug auf Position 1302 vor:
„A. Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge
Zu dieser Position gehören Pflanzensäfte (pflanzliche Erzeugnisse, die gewöhnlich ohne äußere Einwirkung oder nach Anschneiden abgesondert werden) und Extrakte (pflanzliche Erzeugnisse, die aus dem ursprünglichen pflanzlichen Material mit Lösungsmittel extrahiert wurden), sofern sie nicht in Positionen mit genauerer Warenbezeichnung genannt oder inbegriffen sind (siehe die Liste der ausgeschlossenen Erzeugnisse am Ende des Abschnitts A).
Diese Säfte und Auszüge unterscheiden sich von den ätherischen Ölen, Resinoiden und extrahierten Oleoresinen der Position 3301 dadurch, dass sie, abgesehen von den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen, einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen enthalten (z. B. Chlorophyll, Tannine, Bitterstoffe, Kohlenhydrate und andere extrahierbare Stoffe).
Hierher gehören z. B.
…
(21) Vanille-Oleoresin (manchmal unzutreffend als ‚Vanille-Resinoid‘ oder ‚Vanilleauszug‘ bezeichnet).
Säfte sind im Allgemeinen eingedickt oder fest. Auszüge können flüssig, pastenförmig oder fest sein. Tinkturen sind in Alkohol gelöste Auszüge, die noch den zum Ausziehen verwendeten Alkohol enthalten. So genannte Fluidextrakte sind z. B. in Alkohol, Glycerin oder Mineralöl gelöste Auszüge. Tinkturen und Fluidextrakte sind im Allgemeinen auf einen bestimmten Wirkungswert eingestellt (z. B. Pyrethrum-Auszug, der durch Zusatz von Mineralöl in der Weise für den Handel standardisiert ist, dass er einheitlich einen Gehalt an Pyrethrinen von z. B. 2 %, 20 % oder 25 % hat). Feste Auszüge werden gewonnen durch Verdampfen des Lösemittels. Manchmal werden einigen dieser festen Auszüge neutrale Stoffe zugesetzt, um sie leichter pulverisieren zu können (z. B. Belladonna-Auszug, dem pulverisiertes Gummi arabicum zugesetzt ist) oder um sie zu standardisieren, d. h. auf einen bestimmten Wirkungswert einzustellen (z. B. Opium, dem bestimmte Mengen Stärke zum Einstellen auf einen bestimmten Morphingehalt zugesetzt sind). Der Zusatz solcher Stoffe zu derartigen Zwecken ist auf die Einreihung dieser festen Auszüge ohne Einfluss. Extrakte dürfen jedoch keinen zusätzlichen Extraktionszyklen oder Reinigungsverfahren wie der chromatographischen Reinigung unterzogen werden, die bestimmte Stoffe oder Stoffklassen in einem Ausmaß anreichern oder herabsetzen, das nicht allein durch eine anfängliche Lösungsmittelextraktion erreicht werden kann.
…
Die pflanzlichen Säfte und Auszüge dieser Position sind im Allgemeinen Rohstoffe für verschiedene Fabrikationszweige. Sie gehören nicht mehr zu dieser Position, wenn sie durch den Zusatz anderer Stoffe den Charakter von Lebensmittelzubereitungen, Arzneiwaren usw. erhalten haben. Sie sind auch von der Position ausgeschlossen, wenn sie hoch raffiniert oder gereinigt sind, z. B. mittels chromatographischer Reinigung, Ultrafiltration oder zusätzlichen Extraktionszyklen (z. B. Flüssig-Flüssig-Extraktion) nach der anfänglichen Extraktion.
…
Zu dieser Position [gehören] nicht ätherische Öle, Resinoide und extrahierte Oleoresine (Position 3301). … Extrahierte Oleoresine unterscheiden sich von den Auszügen dieser Position darin, dass sie 1. gewonnen werden aus natürlichen zellulären rohen pflanzlichen Stoffen (meistens Gewürze oder aromatische Pflanzen), entweder durch organische Lösemittel-Extraktion oder durch überkritische Fluid-Extraktion und 2. die flüchtige[n] wohlriechende[n] Stoffe zusammen mit nicht-flüchtigen Aromastoffen enthalten, die den charakteristischen Geruch oder Geschmack der Gewürze oder aromatischen Pflanzen bestimmen.
Nicht zu dieser Position gehören auch die nachstehend genannten Waren pflanzlichen Ursprungs, die in Positionen mit genauerer Warenbezeichnung erfasst sind:
a) Natürliche Gummen, Harze, Gummiharze und Oleoresine (Position 1301).
…“
Zu Kapitel 33 heißt es in den Erläuterungen zum HS:
„1. Zu Kapitel 33 gehören nicht:
natürliche Oleoresine und Pflanzenauszüge der Position 1301 oder 1302;
…
2. Als Riechstoffe im Sinne der Position 3302 gelten nur die Substanzen der Position 3301, die aus diesen Substanzen isolierten Riechstoffe sowie synthetische Aromastoffe. …
Die ätherischen Öle und extrahierten Oleoresine der Position 3301 werden alle aus pflanzlichen Rohstoffen ausgezogen. …“
Zur Position 3301 heißt es in den Erläuterungen zum HS:
„…
Extrahierte Oleoresine, im Handel auch als ‚zubereitete Oleoresine‘ oder ‚Gewürzoleoresine‘ bekannt, werden aus natürlichen zellulären pflanzlichen Rohstoffen (meistens Gewürze oder wohlriechende Pflanzen) durch Ausziehen mit organischen Lösungsmitteln oder überkritischen Flüssigkeiten gewonnen. Diese Auszüge enthalten flüchtige wohlriechende Bestandteile (z. B. ätherische Öle) und nicht-flüchtige geschmackgebende Bestandteile (z. B. Harze, fette Öle, beißende oder scharfe Bestandteile), die den charakteristischen Geruch oder Geschmack des Gewürzes oder der Aromapflanze bestimmen. Der Gehalt an ätherischen Ölen dieser extrahierten Oleoresine ist den Gewürzen oder Aromapflanzen entsprechend sehr unterschiedlich. Diese Erzeugnisse werden hauptsächlich als Geschmack und Aroma gebende Stoffe in der Lebensmittelindustrie verwendet.
Nicht zu dieser Position gehören
Natürliche Oleoresine (Position 1301).
Pflanzenauszüge, anderweit weder genannt noch inbegriffen (z. B. in wässriger Phase extrahierte Oleoresine), die flüchtige Bestandteile und im allgemeinen (neben den Riechstoffen) einen weit höheren Anteil an anderen pflanzlichen Stoffen enthalten (Position 1302).
…
Ätherische Öle, Resinoide oder extrahierte Oleoresine enthalten zuweilen aus der Extraktion noch geringe Mengen an organischen Lösungsmitteln (z. B. Ethylalkohol); dieses bleibt jedoch ohne Einfluss auf ihre Einreihung.
Ätherische Öle, Resinoide und extrahierte Oleoresine, die durch Entfernen oder Zufügen eines Teils der Hauptbestandteile lediglich standardisiert worden sind, verbleiben in dieser Position, wenn die Zusammensetzung der standardisierten Erzeugnisse innerhalb des normalen Bereichs liegt, den Erzeugnisse dieser Art im natürlichen Zustand aufweisen. Ätherische Öle und Resinoide, die in einem solchen Umfang fraktioniert oder auf andere Weise modifiziert worden sind (ausgenommen das Entfernen von Terpenkohlenwasserstoffen), dass die Zusammensetzung des erhaltenen Erzeugnisses wesentlich von derjenigen der Ausgangsprodukte abweicht, sind jedoch ausgeschlossen (im [A]llgemeinen Position 3302). Ferner sind von dieser Position Erzeugnisse ausgeschlossen, die mit zugesetzten Verdünnungsmitteln oder Trägerstoffen, wie pflanzliches Öl, Dextrose oder Stärke aufgemacht wurden (im [A]llgemeinen Position 3302).
Eine Liste der wichtigsten ätherischen Öle, Resinoide und extrahierten Oleoresine ist den Erläuterungen zu diesem Kapitel als Anhang beigefügt.
…
Neben den vorerwähnten Ausnahmen gehören nicht zu dieser Position:
Vanille-Oleoresin, manchmal unzutreffend als ‚Vanille-Resinoid‘ oder ‚Vanilleauszug‘ bezeichnet (Position 1302).
…“
Zur Position 3302 heißt es in den Erläuterungen zum HS:
„Hierher gehören, vorausgesetzt, dass sie Rohstoffe für die Riechmittelindustrie, für die Lebensmittelherstellung (in der Feinbäckerei und Konditorei, zum Aromatisieren von Getränken usw.) oder für andere Industrien, namentlich für die Seifenherstellung, sind:
…
Mischungen von extrahierten Oleoresinen untereinander.
…
Mischungen von einem oder mehr Riechstoffen (ätherische Öle, Resinoide, extrahierte Oleoresine oder synthetische Aromastoffe), denen Verdünnungsmittel oder Trägerstoffe, wie pflanzliches Öl, Dextrose oder Stärke zusätzlich beigefügt wurden.
Mischungen von Erzeugnissen anderer Kapitel (z. B. Gewürze), auch in Verbindung mit einem Verdünnungsmittel oder Trägerstoff, auch Alkohol enthaltend, mit einem oder mehreren Riechstoffen (ätherische Öle, Resinoide, extrahierte Oleoresine oder synthetische Aromastoffe), vorausgesetzt, [L]etztere bilden die Grundlage dieser Mischungen.
Erzeugnisse, die durch Entfernen eines oder mehrerer Bestandteile eines ätherischen Öls, Resinoids oder extrahierten Oleoresins erhalten worden sind und bei denen die Zusammensetzung wesentlich von derjenigen des Ausgangsmaterials abweicht, sind ebenfalls Mischungen dieser Position. …“
Die Richtlinie 92/83
In Art. 20 der Richtlinie 92/83 heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚Ethyalkohol‘
alle Erzeugnisse der KN-Codes 2207 und 2208 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vol., auch wenn diese Erzeugnisse Teil eines Erzeugnisses sind, das unter ein anderes Kapitel der [KN] fällt;
die Erzeugnisse der KN-Codes 2204, 2205 und 2206 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 22 % vol.;
Trinkbranntweine, gleichviel, ob sie gelöste Erzeugnisse enthalten oder nicht.“
Art. 27 der Richtlinie 92/83 gehört zu deren Abschnitt VII („Steuerbefreiungen“). In ihm heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten befreien die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse
…
zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet werden;
…“
Die Richtlinie 92/12
Art. 24 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnissen (ABl. 1992, L 76, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/12) sah vor:
„(1) Die [Europäische] Kommission wird von einem Ausschuss, dem Verbrauchsteuerausschuss, unterstützt.
(2) Die erforderlichen Maßnahmen zur Anwendung der Artikel 5, 7, 15b, 18, 19 und 23 werden nach dem Verfahren des Absatzes 3 getroffen.
…
(4) Über die Maßnahmen nach Absatz 2 hinaus prüft der Ausschuss die von seinem Vorsitzenden von sich aus oder auf Ersuchen des Vertreters eines Mitgliedstaats aufgeworfenen Fragen, die die Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen für den Verbrauchsteuerbereich betreffen.
(5) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.“
Richtlinie 2008/118/EG
Art. 43 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12 sieht vor:
„Die Kommission wird von einem Ausschuss, dem ‚Verbrauchsteuerausschuss‘, unterstützt.“
Art. 44 der Richtlinie 2008/118 bestimmt:
„Neben seinen Aufgaben nach Artikel 43 prüft der Verbrauchsteuerausschuss die von seinem Vorsitzenden von sich aus oder auf Ersuchen des Vertreters eines Mitgliedstaats aufgeworfenen Fragen, die die Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen über die Verbrauchsteuern betreffen.“
Die Leitlinie Nr. 458 des Verbrauchsteuerausschusses der Kommission vom 19. November 2003
Insbesondere aus der Leitlinie Nr. 458 des Verbrauchsteuerausschusses der Kommission vom 19. November 2003 geht hervor, dass „[d]ie Delegationen … fast einstimmig der Auffassung [sind], dass die Befreiung nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe e der [Richtlinie 92/83] vom Zeitpunkt der Herstellung oder der Einfuhr an für Aromen gewährt wird, die unter die KN-Codes 13021930, 21069020 und 3302 in der bei Annahme dieser Leitlinie gültigen Fassung fallen“.
Deutsches Recht
§ 130 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Branntweinmonopolgesetz – BranntwMonG) vom 8. April 1922 (RGBl. 1922 I, S. 335) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: BranntwMonG) bestimmt:
„(1) Branntwein sowie branntweinhaltige Waren (Erzeugnisse) unterliegen im Steuergebiet der Branntweinsteuer …
…
(4) Branntweinhaltige Waren im Sinn des Absatzes 1 sind andere alkoholhaltige Waren als die des Kapitels 22 der [KN], die unter Verwendung von Branntwein hergestellt werden oder Branntwein enthalten und deren Alkoholgehalt bei flüssigen Waren höher als 1,2 Volumenprozent, bei nicht flüssigen Waren als 1 Masseprozent ist.
…“
In § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG, der bis zum 31. Dezember 2017 in Kraft war und Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 in deutsches Recht umsetzte, hieß es:
„Erzeugnisse sind von der Steuer befreit, wenn sie gewerblich verwendet werden …
5. unvergällt zur Herstellung von Aromen zur Aromatisierung von
Getränken mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 1,2 Volumenprozent,
anderen Lebensmitteln, ausgenommen Branntwein und andere alkoholhaltige Getränke …“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens führte eine goldbraune, dünnflüssige, stark nach Vanille riechende Ware nach Deutschland ein, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % Trockenrückstand besteht und einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware). Bei der Herstellung einer solchen Ware wird zunächst ein Zwischenerzeugnis mittels Ethanol aus der Vanilleschote gewonnen (im Folgenden: Zwischenerzeugnis). Dieses dunkelbraune, stark riechende und zähflüssige Zwischenerzeugnis wird anschließend mit Alkohol und Wasser verdünnt, wodurch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware entsteht.
Am 10. Februar 2016 meldete die Klägerin des Ausgangsverfahrens diese Ware unter der Unterposition 33021090 der KN zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an.
Am 25. April 2016 vertrat das zuständige Hauptzollamt die Auffassung, dass die Ware in die Unterposition 13021905 der KN einzureihen sei und daher nach deutschem Recht auch der Branntweinsteuer unterliege. Daher erhob es Zölle und Verbrauchsteuern nach.
Das zuständige Finanzgericht (Deutschland) bestätigte, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware in die Unterposition 13021905 der KN einzureihen und die Erhebung von Zöllen und Verbrauchsteuern somit rechtmäßig sei. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen das Urteil des Finanzgerichts (Deutschland) Revision beim vorlegenden Gericht, dem Bundesfinanzhof (Deutschland), ein, da diese Ware nach ihrer Auffassung in die Unterposition 33021090 der KN einzureihen ist.
Das vorlegende Gericht äußert Zweifel, wie die Unterpositionen 13021905, 33019030 und 33021090 der KN sowie Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 auszulegen sind.
Zunächst stellt dieses Gericht erstens fest, dass die KN-Position 1302 Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge erfasse, sofern sie entsprechend den Erläuterungen zum HS nicht in Positionen mit genauerer Warenbezeichnung genannt oder inbegriffen seien. Diese Säfte und Auszüge unterscheiden sich nach diesen Erläuterungen u. a. von den Oleoresinen dadurch, dass sie, abgesehen von den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen, einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen enthalten.
Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Zwischenerzeugnis, das mittels eines Lösungsmittels aus Vanilleschoten gewonnen werde, möglicherweise als Pflanzenauszug angesehen werden müsse. Da dieses Zwischenerzeugnis anschließend stark mit Wasser und Alkohol verdünnt wird, hegt das vorlegende Gericht jedoch Zweifel, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware noch als Pflanzenauszug im Sinne der Position 1302 der KN angesehen werden könne.
Das vorlegende Gericht betont insbesondere, dass Pflanzenauszüge nach den Erläuterungen zum HS dann nicht mehr zur Position 1302 gehörten, wenn sie durch den Zusatz anderer Stoffe den Charakter von Lebensmittelzubereitungen erhalten hätten, und dass es, selbst wenn eine Verarbeitung in Bezug auf eine Standardisierung nach den Erläuterungen zur KN zu der Position 1302 einer Einreihung in diese Position nicht entgegenstehe, nicht sicher sei, ob eine so starke Verdünnung wie im Ausgangsverfahren noch als Standardisierung angesehen werden könne, auch wenn sie, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens vortrage, dazu diene, den Vanillingehalt auf 0,5 % einzustellen.
Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass extrahierte Oleoresine ausdrücklich von der KN-Position 3301 erfasst würden und dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware über die in den Erläuterungen zum HS genannten objektiven Bestandteile verfüge, was dazu führen könne, dass die Ware in diese Position eingereiht werde. Außerdem schließe Anmerkung 1 Buchst. ij zu Kapitel 13 der KN alle extrahierten Oleoresine aus Kapitel 13 und damit auch aus der Position 1302 der KN aus.
Das vorlegende Gericht weist jedoch auch darauf hin, dass Anmerkung 1 Buchst. a zu Kapitel 33 der KN umgekehrt klarstelle, dass Pflanzenauszüge der Position 1302 aus Kapitel 33 und damit aus der Position 3301 der KN ausgeschlossen würden.
Drittens fragt sich das vorlegende Gericht, wie die Position 3301 von der Position 3302 der KN abzugrenzen sei. Im Hinblick auf die Erläuterungen zum HS vertritt es die Auffassung, dass unter die Position 3302 nicht nur Mischungen mehrerer extrahierter Oleoresine fielen, sondern auch Mischungen von einem oder mehr Riechstoffen mit Verdünnungsmitteln erfasst würden, so dass diese Position insofern auch für die Tarifierung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware in Betracht komme, als im vorliegenden Fall Vanille-Oleoresin, das auf einem Riechstoff basiere, durch Hinzufügung von Alkohol und Wasser verdünnt worden sei.
Des Weiteren weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende branntweinhaltige Ware grundsätzlich der Branntweinsteuer gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BranntwMonG unterliege. Es sei jedoch noch zu prüfen, ob diese Ware unter die Steuerbefreiung des früheren § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG fallen könne, wobei die Antwort auf diese Frage eine Auslegung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 voraussetze, den diese nationale Bestimmung umgesetzt habe. Genauer gesagt sei zu bestimmen, was unter einem „Aroma“ im Sinne dieses Art. 27 Abs. 1 Buchst. e zu verstehen sei.
Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, der Verbrauchsteuerausschuss der Kommission sei in seiner Leitlinie Nr. 458 vom 19. November 2003 davon ausgegangen, dass eine solche Befreiung vom Zeitpunkt der Herstellung oder der Einfuhr an für Aromen gewährt werde, die unter die Unterpositionen 13021930, 21069020 und die Position 3302 der KN in der bei Annahme dieser Leitlinie gültigen Fassung fielen.
Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass diese Leitlinie eine Befreiung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware von der Branntweinsteuer verhindere, sollte die Ware in die Unterposition 13021905 oder die Position 3301 der KN einzureihen sein. Hingegen wäre diese Ware von der Steuer befreit, wenn sie in die Position 3302 der KN eingereiht würde, obwohl die unter diese Position fallenden Waren mehr Alkohol enthalten könnten als die unter die Position 3301 fallenden.
Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob der Verbrauchsteuerausschuss der Kommission den Anwendungsbereich des Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 in dieser Weise einschränken dürfe. Es geht nämlich davon aus, dass die diesem Ausschuss verliehenen Kompetenzen ihn nicht dazu ermächtigten, den Anwendungsbereich dieser Bestimmung einzuschränken.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Unterposition 13021905 der KN dahin gehend auszulegen, dass darin auch ein mit Ethanol und Wasser verdünntes, extrahiertes Vanille-Oleoresin, bestehend aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, bis zu 10 % (m/m) Wasser, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand und 0,5 % (m/m) Vanillin, einzureihen ist, obwohl nach der Anmerkung 1 Buchst. ij zu Kapitel 13 der KN extrahierte Oleoresine nicht zu Position 1302 der KN gehören?
Gehören zu den extrahierten Oleoresinen im Sinne der Unterposition 33019030 der KN Waren wie in der ersten Vorlagefrage beschrieben?
Ist die Unterposition 33021090 der KN dahin gehend auszulegen, dass Waren wie in der ersten Vorlagefrage beschrieben als eine Mischung von Riechstoffen oder eine Mischung (einschließlich alkoholischer Lösungen) auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe, von der als für die Lebensmittelindustrie verwendeten Art, einzureihen sind?
Gehören zu den Aromen im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 auch Waren der Unterposition 13021905 der KN oder extrahiertes Oleoresin der Unterposition 33019030 der KN?
Zu den Vorlagefragen
Zu den ersten drei Fragen
Mit seinen Fragen 1 bis 3, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die KN dahin auszulegen ist, dass eine Ware, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % Trockenrückstand besteht, einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist und dadurch hergestellt wird, dass man ein mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnenes Zwischenerzeugnis mit Wasser und Ethanol verdünnt, zur Unterposition 13021905, zur Unterposition 33019030 oder zur Unterposition 33021090 der KN gehört.
Vorab ist festzustellen, dass erstens die in Kapitel 13 der KN enthaltene Position 1302 der KN u. a. Pflanzenauszüge erfasst, wobei in der Unterposition 13021905 der KN speziell Vanille-Oleoresin genannt wird.
Zweitens gehören zu der Position 3301 der KN, die sich in Kapitel 33 der KN befindet, u. a. extrahierte Oleoresine, wobei die Unterposition 33019030 der KN insbesondere andere extrahierte Oleoresine als jene von Süßholzwurzeln und Hopfen erfasst.
Drittens fallen unter die Position 3302 der KN, die ebenfalls zu diesem Kapitel 33 gehört, u. a. Mischungen von Riechstoffen und Mischungen, einschließlich alkoholische Lösungen, auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe, von der als Rohstoffe für die Industrie verwendeten Art. Die Unterposition 33021090 der KN erfasst u. a. solche Mischungen, wenn sie zur Verwendung in der Lebensmittelindustrie geeignet sind.
Viertens ist darauf hinzuweisen, dass nach der Allgemeinen Vorschrift 1 der KN für die zolltarifliche Einreihung grundsätzlich der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend ist.
Im Licht dieser einleitenden Feststellungen ist erstens darauf hinzuweisen, dass zum einen nach Anmerkung 1 Abs. 2 Buchst. ij zu Kapitel 13 der KN unter die Position 3301 der KN fallende „extrahierte Oleoresine“ von der Position 1302 der KN ausgenommen sind und dass zum anderen nach Anmerkung 1 Buchst. a zu Kapitel 33 der KN „Pflanzenauszüge“ der Position 1302 der KN aus diesem Kapitel 33 ausgeschlossen werden.
Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware darf daher jedenfalls dann kraft des in Anmerkung 1 Abs. 2 Buchst. ij zu Kapitel 13 der KN vorgesehenen Ausschlusses nicht in die Unterposition 13021905 der KN eingereiht werden, die, wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, Vanille-Oleoresin erfasst, sondern ist als extrahiertes Oleoresin im Sinne der Position 3301 der KN oder als eine Mischung von Riechstoffen oder eine Mischung auf der Grundlage eines dieser Stoffe im Sinne der Position 3302 der KN anzusehen, wenn es sich bei dieser Ware nicht um einen Pflanzenauszug im Sinne der Position 1302 der KN handelt.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Die fragliche Ware scheint nämlich als Pflanzenauszug im Sinne der Position 1302 der KN und insbesondere als Vanille-Oleoresin im Sinne der Unterposition 13021905 der KN anzusehen zu sein.
Insoweit ist hervorzuheben, dass der Umstand, dass ausweislich der Erläuterungen zum HS die Position 1302 des HS nur Pflanzenauszüge erfasst, die anderweitig weder genannt noch inbegriffen sind, für sich allein und in Anbetracht dessen, dass die Ware unter Positionen mit genauerer Warenbezeichnung und insbesondere unter die Positionen 3301 und 3302 der KN fallen könnte, nicht ausschließt, dass eine Ware wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Pflanzenauszug im Sinne der Position 1302 der KN anzusehen ist.
Weder aus der Position 1302 der KN noch aus den sich auf sie beziehenden Anmerkungen ergibt sich nämlich, dass diese Position als eine subsidiäre Position anzusehen wäre – im Gegensatz zu gewissen Positionen der KN, die ausdrücklich auf ein solches Merkmal abstellen. Die Erläuterungen zum HS sind indessen nicht verbindlich und können daher weder den Bestimmungen der KN vorgehen noch deren Inhalt ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2016, Customs Support Holland, C-144/15, EU:C:2016:133, Rn. 28 und 47).
Jedenfalls geht aber aus den Erläuterungen zum HS hervor, dass im Hinblick auf die Position 1302 des HS die Positionen mit genauerer Warenbezeichnung, auf die Bezug genommen wird, diejenigen sind, die am Ende von Abschnitt A der betreffenden Erläuterung genannt werden. In der Liste der dort aufgeführten Erzeugnisse werden jedoch die Erzeugnisse aus den Positionen 3301 oder 3302 des HS nicht genannt.
Sodann ist erstens festzustellen, dass das in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannte Zwischenerzeugnis, obwohl es mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnen wurde, als Vanille-Oleoresin im Sinne der Position 13021905 der KN eingestuft werden kann.
Anmerkung 1 Abs. 1 zu Kapitel 13 der KN sieht nämlich ausdrücklich vor, dass „Pyrethrum-Auszug“ unter die Position 1302 der KN fällt. Nach den Erläuterungen zum HS wird dieser Auszug aber wie das in Rn. 24 des vorliegenden Urteils genannte Zwischenerzeugnis „durch organische Lösemittel-Extraktion“ gewonnen.
Außerdem erfasst die Position 1301 der KN u. a. natürliche Oleoresine. Dagegen ist Vanille-Oleoresin im Sinne der Unterposition 13021905 der KN als Pflanzenauszug anzusehen, der nicht auf „natürliche“ Weise, sondern mittels eines technischen Extraktionsvorgangs, namentlich durch ein Lösungsmittel, gewonnen wird.
Eine solche Auslegung wird auch durch die Erläuterungen zur KN hinsichtlich der Position 1302 bestätigt, in denen es heißt: „Pflanzenauszüge der Position 1302 sind pflanzliche Rohstoffe, die beispielsweise durch Lösungsmittelextraktion gewonnen … werden“.
Zweitens trifft es zwar zu, dass zur Gewinnung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, dieses Zwischenerzeugnis mit Ethanol und Wasser stark verdünnt wird. Es ist jedoch zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Pflanzenauszug, wie es in den Erläuterungen zur KN hinsichtlich der Position 1302 heißt, auch dann noch unter diese Position fällt, wenn er einer Verarbeitung in Bezug auf eine Standardisierung unterzogen wird.
Ebenso stellen die Erläuterungen zum HS hinsichtlich der Position 1302 klar, dass zu dieser Position auch „Fluidextrakte“ gehören, d. h. „in Alkohol … gelöste [Pflanzen-]Auszüge …, die im Allgemeinen auf einen bestimmten Wirkungswert eingestellt [sind]“, so dass sie im Handel einen einheitlichen Pflanzenauszugsgehalt in der Ware aufweisen.
Im Übrigen legen weder die Bestimmungen der KN oder des HS noch ihre Erläuterungen eine Höchstgrenze für die Mengen anderer Erzeugnisse fest, die zur Standardisierung des betreffenden Pflanzenauszugs verwendet werden können.
Daraus folgt, dass die Verdünnung eines Pflanzenauszugs, wenn sie dessen Standardisierung gewährleisten soll, nicht ausschließt, dass der so verdünnte Pflanzenauszug weiterhin unter die Position 1302 der KN fällt.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass nach Ansicht des Einführers der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware die Verdünnung des Zwischenerzeugnisses mit Alkohol und Wasser gerade dazu dient, den Vanillingehalt auf 0,5 % einzustellen und damit zu standardisieren.
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass es in den Erläuterungen zum HS hinsichtlich der Positionen 1302 und 3301 des HS heißt, dass sich Pflanzenauszüge der Position 1302 von den extrahierten Oleoresinen im Sinne der Position 3301 dadurch unterscheiden, dass sie für gewöhnlich, abgesehen von den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen, einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen als die extrahierten Oleoresine im Sinne der Position 3301 des HS enthalten.
Dies scheint bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware der Fall zu sein, da der Anteil an Trockenrückständen der Vanilleschote nach den Angaben des vorlegenden Gerichts darin neunmal höher ist als der Vanillinanteil.
Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass eine Ware, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % Trockenrückstand besteht, einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist und dadurch hergestellt wird, dass man zur Standardisierung ein mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnenes Zwischenerzeugnis mit Wasser und Ethanol verdünnt, zur Unterposition 13021905 der KN gehört.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 dahin auszulegen ist, dass Vanille-Oleoresin der Unterposition 13021905 der KN als „Aroma“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.
Art. 27 der Richtlinie 92/83 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse, insbesondere sofern sie zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nicht alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet werden, von der durch diese Richtlinie eingeführten Verbrauchsteuer befreien.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art. 27 ergibt, dass nur diejenigen Erzeugnisse, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/83 fallen, nach Art. 27 befreit werden dürfen. Dagegen ist es unerheblich, ob die fraglichen Erzeugnisse Teil einer Ware sind, die als solche nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juni 2008, Gourmet Classic, C-458/06, EU:C:2008:338, Rn. 35 bis 37, und vom 9. Dezember 2010, Repertoire Culinaire, C-163/09, EU:C:2010:752, Rn. 26).
Von den Zutaten der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware scheint nach Art. 20 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/83 in Verbindung mit der Position 2207 der KN nur Ethanol in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie zu fallen. Daher kann nur diese Zutat nach Art. 27 der Richtlinie von der Verbrauchsteuer befreit werden, vorausgesetzt, sie wird zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nicht alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. verwendet.
Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Aroma“ weder in der Richtlinie 92/83 noch in der KN definiert wird und seine Bedeutung und Tragweite daher entsprechend seinem üblichen Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen ist, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2014, Deckmyn und Vrijheidsfonds, C-201/13, EU:C:2014:2132, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In seinem üblichen Sinn bezieht sich der Begriff „Aroma“ auf eine Zutat, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht. Eine solche Auslegung steht im Übrigen auch nicht im Widerspruch zu der allgemeinen Systematik oder den Zielen der Richtlinie 92/83.
Daher ist Vanille-Oleoresin, sofern es einer solchen Definition entspricht, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen sein wird, als „Aroma“ im Sinne von Art. 27 dieser Richtlinie anzusehen, und auf das Ethanol, das es enthält, darf keine Verbrauchsteuer erhoben werden, wenn ein solches Aroma für die Bereitung von Lebensmitteln und nicht alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 % vol. bestimmt ist.
Diese Auslegung kann durch die vom vorlegenden Gericht erwähnte Leitlinie des Verbrauchsteuerausschusses der Kommission nicht in Frage gestellt werden.
Selbst wenn man nämlich annimmt, dass mit dieser Leitlinie Vanille-Oleoresine absichtlich vom Begriff „Aroma“ im Sinne von Art. 27 der Richtlinie 92/83 ausgeschlossen werden sollten, beschränkten sich die Kompetenzen dieses Ausschusses, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Leitlinie in Art. 24 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 92/12 festgelegt waren, darauf, Maßnahmen zur Durchführung der unionsrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Verbrauchsteuern zu erlassen, und gestatteten diesem Ausschuss nicht, diese Bestimmungen zu verändern und somit etwa die Tragweite des Begriffs „Aroma“ im Sinne dieses Art. 27 einzuschränken.
Außerdem erlauben die Kompetenzen des Verbrauchsteuerausschusses der Kommission, wie sie nunmehr in den Art. 43 und 44 der Richtlinie 2008/118, mit der die Richtlinie 92/83 aufgehoben wurde, festgelegt sind, diesem Ausschuss noch immer nicht, die Tragweite eines solchen Begriffs einzuschränken.
Nach alledem ist Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83 dahin auszulegen, dass Vanille-Oleoresin der Unterposition 13021905 der KN als „Aroma“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.
Kosten
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Ware, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % Trockenrückstand besteht, einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist und dadurch hergestellt wird, dass man zur Standardisierung ein mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnenes Zwischenerzeugnis mit Wasser und Ethanol verdünnt, zur Unterposition 13021905 der genannten Nomenklatur gehört.
Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 92/83/EWG vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin auszulegen, dass Vanille-Oleoresin der Unterposition 13021905 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Durchführungsverordnung 2015/1754 geänderten Fassung als „Aroma “ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.
Rodin
Lycourgos
Rossi
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. April 2022.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Neunten Kammer
S. Rodin
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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