Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 12.10.2016 - C-340/15
EuGH 12.10.2016 - C-340/15 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 12. Oktober 2016 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Steuerrecht — Mehrwertsteuer — Sechste Richtlinie 77/388/EWG — Art. 4 Abs. 1 und 4 — Richtlinie 2006/112/EG — Art. 9 und 11 — Begriff ‚Steuerpflichtiger‘ — Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die ihre Produkte unter einer gemeinsamen Marke und über eine Kapitalgesellschaft vertreiben — Begriff ‚eigenständiger Unternehmer‘ — Versagung der Eigenschaft als Steuerpflichtiger — Rückwirkung — Sechste Richtlinie 77/388 — Art. 25 — Richtlinie 2006/112 — Art. 272 und 296 — Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger — Ausnahme von der Pauschalregelung — Rückwirkung“
Leitsatz
In der Rechtssache C-340/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juli 2015, in dem Verfahren
Christine Nigl u. a.
gegen
Finanzamt Waldviertel
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras (Berichterstatter), J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Frau Nigl u. a., vertreten durch Rechtsanwalt H. Nigl und J. Auer,
der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer, S. Pfeiffer und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2016
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 (ABl. 2004, L 168, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) und der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Angehörigen der Familie Nigl, sämtlich Gesellschafter dreier Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die jeweils Wein anbauen, und dem Finanzamt Waldviertel (Österreich) (im Folgenden: Finanzamt) wegen der Bestimmung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger und der Weigerung, auf diese Gesellschaften die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger anzuwenden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Sechste Richtlinie
Art. 4 („Steuerpflichtiger“) der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
…
(4) Der in Absatz 1 verwendete Begriff ‚selbständig‘ schließt die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.
…“
In Art. 25 („Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger“) der Sechsten Richtlinie heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Artikel anwenden.
…
(9) Jeder Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger von der Pauschalregelung auszunehmen, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Artikel 24 Absatz 1 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt.
…“
Mehrwertsteuerrichtlinie
Art. 9 Abs. 1 in Titel III („Steuerpflichtiger“) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“
Art. 10 dieser Richtlinie lautet:
„Die selbstständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.“
Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer … kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.“
Art. 296 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der Sonderregelung des Kapitels 1 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden.
(2) Jeder Mitgliedstaat kann bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Bestimmungen des Artikels 281 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt, von der Pauschalregelung ausnehmen.“
Österreichisches Recht
In § 2 („Unternehmer, Unternehmen“) des Umsatzsteuergesetzes 1994 (im Folgenden: UStG) heißt es:
„(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen derart eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen … verpflichtet sind;
wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine … juristische Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist. …
…“
Nach § 22 UStG wird bei nicht buchführungspflichtigen Unternehmern, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Umsätze ausführen, die Steuer für diese Umsätze mit 10 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt, wobei die Pflicht zur Buchführung gemäß den §§ 124 und 125 der Bundesabgabenordnung an die Höhe der Umsätze und den Wert des Betriebs anknüpft.
Zudem bilden nach § 1175 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs zwei oder mehrere Personen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenn sie sich durch einen Vertrag zusammenschließen, um durch eine bestimmte Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Dieser Vertrag unterliegt keinen Formerfordernissen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Seit dem Jahr 1998 sind die Kläger des Ausgangsverfahrens mittels dreier Gesellschaften bürgerlichen Rechts im Weinanbau tätig, wobei jede dieser Gesellschaften an verschiedenen Standorten Weingärten bewirtschaftet und mehrwertsteuerpflichtig ist. Die erste dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts wurde von Herrn Martin Nigl und Frau Christine Nigl, die zweite von Frau Gisela Nigl sen. und Herrn Josef Nigl und die dritte von Herrn Martin Nigl und Frau Gisela Nigl jun. gegründet. Im Zuge der Gründung der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts wurde kein schriftlicher Vertrag erstellt.
Um der gestiegenen Nachfrage nach Weinen des von Herrn Martin Nigl entwickelten Hochwertsegments gerecht zu werden, gründeten die Kläger des Ausgangsverfahrens im Jahr 2001 die Weingut Nigl GmbH (im Folgenden: Handelsgesellschaft). Diese Gesellschaft kauft im Wesentlichen Weine der Betriebe der Gesellschaften bürgerlichen Rechts ein, um sie an Wiederverkäufer weiterzuverkaufen, oder vertreibt sie im Namen und auf Rechnung der jeweiligen Gesellschaft bürgerlichen Rechts an Endverbraucher. Außerdem produziert sie Wein aus von Vertragswinzern zugekauften Trauben und betreibt ein Hotel samt Restaurant.
Die Gesellschaften bürgerlichen Rechts wurden bei öffentlichen Stellen gemeldet, u. a. beim Finanzamt, das diese Gesellschaften als eigenständige Steuerpflichtige führte, und zwar als umsatzsteuerliche Unternehmer bzw. ertragsteuerliche Mitunternehmerschaften.
Die Einnahmen und Ausgaben der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts werden getrennt über jeweils eigene Bankkonten abgewickelt. Die Gewinne werden innerhalb jeder Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter ihren Mitgliedern aufgeteilt und die Gesellschaften haben kein gemeinsames Vermögen und kein gemeinsames Bankkonto. Jede Gesellschaft bürgerlichen Rechts bewirtschaftet getrennt eigene oder zugepachtete Weingärten, beschäftigt Arbeitnehmer und verfügt über ihre eigenen Wirtschaftsgüter wie Traktoren oder Maschinen. 15 % bis 20 % der Betriebsmittel werden zentral über die Handelsgesellschaft eingekauft, dann unter den Gesellschaften bürgerlichen Rechts entsprechend den produzierten Weinmengen aufgeteilt. Die Betriebskosten der Gebäude und die Kosten für Gas und Strom werden am Ende des Jahres von der Handelsgesellschaft weiterverrechnet.
Die Vinifizierung erfolgt getrennt nach den einzelnen Betrieben, die Abfüllung erfolgt jedoch über eine Gemeinschaftsanlage. Die von den Gesellschaften bürgerlichen Rechts produzierten Weine werden unter der gemeinsamen Marke Weingut Nigl durch die Handelsgesellschaft vertrieben und zu gemeinsam festgesetzten Preisen verkauft, wobei die von der Handelsgesellschaft gezahlten Kaufpreise durch Abschläge von ihren eigenen Verkaufspreisen ermittelt werden. Weder die Werbung noch die Website oder die Preislisten enthielten einen Hinweis auf die verschiedenen Betriebe oder die produzierenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Schließlich erbringt die Handelsgesellschaft sämtliche Verwaltungsarbeiten für Rechnung der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts.
Bis zum Jahr 2012 ging das Finanzamt davon aus, dass die Bewirtschaftung durch vier Steuersubjekte erfolge, nämlich die drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts und die Handelsgesellschaft.
Als Ergebnis einer im Jahr 2012 durchgeführten Außenprüfung gelangte das Finanzamt angesichts der engen wirtschaftlichen und organisatorischen Verflechtung der Gesellschaften bürgerlichen Rechts zu der Auffassung, dass deren Mitglieder seit dem Jahr 2005 eine einheitliche Personenvereinigung gebildet hätten. Nach Ansicht des Finanzamts liegt nur eine einzige Einkunftsquelle vor, deren Ergebnis den verschiedenen Mitgliedern der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts zuzurechnen sei.
Umsatzsteuerlich bestehen für das Finanzamt rückwirkend seit dem Jahr 2005 zwei steuerpflichtige Unternehmer, nämlich die aus den Mitgliedern der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete einheitliche Personenvereinigung und die Handelsgesellschaft. An alle Mitglieder der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts und an die Handelsgesellschaft wurden Umsatzsteuerbescheide adressiert und mit Entscheidung vom 18. Juli 2012 wurden die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts begrenzt.
Folglich stellte das Finanzamt die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger, von der die Gesellschaften bürgerlichen Rechts profitierten, in Frage.
Das mit Klagen zur Klärung der Frage befasste Bundesfinanzgericht (Österreich), ob die Kläger des Ausgangsverfahrens vier oder nur zwei Weinbaubetriebe als eigenständige Unternehmer führen, stellt fest, dass jedes Gebilde, das als solches nach außen auftrete und selbständig Leistungen im umsatzsteuerlichen Sinne erbringe, nach österreichischem Recht die Fähigkeit besitze, Unternehmer zu sein, selbst wenn es sich um eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung handle.
Außerdem weist es darauf hin, dass es bereits entschieden habe, dass mangels eines Antrags der Republik Österreich auf Konsultation des in Art. 29 der Sechsten Richtlinie genannten Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer ertragsteuerlich jeweils eigenständige Mitunternehmerschaften nicht einen einzigen umsatzsteuerrechtlichen Unternehmer bildeten, ganz gleich welche Verhältnisse oder Beziehungen zwischen ihnen bestehen mögen.
In diesem Zusammenhang hat das Bundesfinanzgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Zu den Vorlagefragen
Zunächst ist angesichts des Zeitraums, für den das Finanzamt feststellte, dass die Mitglieder der drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts eine einheitliche Personenvereinigung gebildet hätten, nämlich von 2005 bis 2012, festzuhalten, dass die jeweils einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und der Mehrwertsteuerrichtlinie anwendbar sind.
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie sowie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 10 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als solche gegenüber ihren Lieferanten, gegenüber öffentlichen Stellen und zu einem gewissen Grad gegenüber ihren Kunden eigenständig auftreten und von denen jede ihre eigene Produktion sicherstellt, indem sie im Wesentlichen ihre Produktionsmittel verwendet, die aber einen Großteil ihrer Produkte unter einer gemeinsamen Marke über eine Kapitalgesellschaft vertreiben, deren Anteile von den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts und anderen Angehörigen der betreffenden Familie gehalten werden, als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer anzusehen sind.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie und Art. 9 der Mehrwertsteuerrichtlinie als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis (vgl. u. a. Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, 235/85, EU:C:1987:161, Rn. 6, vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a., C-288/07, EU:C:2008:505, Rn. 27, und vom 29. Oktober 2009, Kommission/Finnland, C-246/08, EU:C:2009:671, Rn. 35).
Die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie und Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie verwendeten Begriffe, insbesondere der Begriff „wer“, verleihen dem Begriff „Steuerpflichtiger“ eine weite Definition mit dem Schwerpunkt auf der Selbständigkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Sinne, dass alle natürlichen und juristischen Personen, sowohl öffentliche als auch private, sowie Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit, die objektiv die Kriterien dieser Bestimmung erfüllen, als Mehrwertsteuerpflichtige gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2015, Gmina Wrocław, C-276/14, EU:C:2015:635, Rn. 28).
Zur Feststellung der Selbständigkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist zu prüfen, ob der Betroffene seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt, und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt (Urteile vom 27. Januar 2000, Heerma, C-23/98, EU:C:2000:46, Rn. 18, vom 18. Oktober 2007, van der Steen, C-355/06, EU:C:2007:615, Rn. 23, und vom 29. September 2015, Gmina WrocławC-276/14, EU:C:2015:635, Rn. 34).
Die erste Frage ist im Licht dieser Gesichtspunkte zu beantworten.
Der Umstand, dass Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens getrennt eigene oder – ebenfalls getrennt – zugepachtete Weingärten bewirtschaften, dass jede dieser Gesellschaften so gut wie ausschließlich ihre eigenen Produktionsmittel verwendet und ihre eigenen Arbeitnehmer beschäftigt, dass sie als solche eigenständig gegenüber ihren Lieferanten, gegenüber öffentlichen Stellen und zu einem gewissen Grad gegenüber ihren Kunden auftreten, zeugt davon, dass jede dieser Gesellschaften eine Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt.
In diesem Zusammenhang reicht das Bestehen einer gewissen Zusammenarbeit zwischen solchen Gesellschaften bürgerlichen Rechts und einer Kapitalgesellschaft u. a. hinsichtlich des Vertriebs ihrer Produkte unter einer gemeinsamen Marke nicht aus, um die Eigenständigkeit dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts gegenüber der Kapitalgesellschaft in Frage zu stellen.
Dass solche Gesellschaften bürgerlichen Rechts einen Teil ihrer Tätigkeiten durch Übertragung auf eine dritte Gesellschaft zusammenlegen, geht nämlich auf eine Entscheidung über die Organisation dieser Tätigkeiten zurück und lässt nicht darauf schließen, dass die Gesellschaften bürgerlichen Rechts ihre Tätigkeiten nicht selbständig ausübten oder nicht das mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trügen.
Auch eignet sich die bestimmende Rolle eines der Mitglieder einer der Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie denen des Ausgangsverfahrens bei der Erzeugung der Weine dieser Gesellschaften und bei deren Vertretung nicht offenkundig dazu, die Feststellung in Zweifel zu ziehen, dass diese Gesellschaften ihre Tätigkeiten dadurch selbständig ausüben, dass jede im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie sowie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 10 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als solche gegenüber ihren Lieferanten, gegenüber öffentlichen Stellen und zu einem gewissen Grad gegenüber ihren Kunden eigenständig auftreten und von denen jede ihre eigene Produktion sicherstellt, indem sie im Wesentlichen ihre Produktionsmittel verwendet, die aber einen Großteil ihrer Produkte unter einer gemeinsamen Marke über eine Kapitalgesellschaft vertreiben, deren Anteile von den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts und anderen Angehörigen der betreffenden Familie gehalten werden, als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer anzusehen sind.
Angesichts der Antwort auf die erste Frage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 25 der Sechsten Richtlinie und Art. 296 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Möglichkeit nicht entgegenstehen, die Anwendung der in diesen Artikeln vorgesehenen gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auf mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer angesehen werden und untereinander zusammenarbeiten, mit der Begründung abzulehnen, dass eine Kapitalgesellschaft, eine aus den Mitgliedern dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung oder eine aus der Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung aufgrund der Betriebsgröße oder der Rechtsform nicht unter die Pauschalregelung fällt.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger eine abweichende Regelung ist, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie und der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt und daher nur insoweit angewandt werden darf, als dies zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist (Urteile vom 15. Juli 2004, Harbs, C-321/02, EU:C:2004:447, Rn. 27, vom 26. Mai 2005, Stadt Sundern, C-43/04, EU:C:2005:324, Rn. 27, und vom 8. März 2012, Kommission/Portugal, C-524/10, EU:C:2012:129, Rn. 49).
Zu den beiden Zielen dieser Regelung gehört jenes, dem Vereinfachungserfordernis zu entsprechen, das mit dem Ziel eines Ausgleichs der Mehrwertsteuer-Vorbelastung für die Landwirte in Einklang gebracht werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Mai 2005, Stadt Sundern, C-43/04, EU:C:2005:324, Rn. 28, und vom 8. März 2012, Kommission/Portugal, C-524/10, EU:C:2012:129, Rn. 50).
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 25 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie und Art. 296 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mitgliedstaaten auf Landwirte eine Pauschalregelung anwenden „können“, wenn bei diesen die Anwendung der normalen Steuerregelung oder der vereinfachten Regelung auf insbesondere verwaltungstechnische Schwierigkeiten stieße.
Außerdem ergibt sich aus Art. 25 Abs. 9 der Sechsten Richtlinie und Art. 296 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass zum einen die Mitgliedstaaten bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger von der Pauschalregelung „ausnehmen können“.
Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die nationalen Rechtsvorschriften keine allgemeine Ausnahme einer Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger von der Pauschalregelung mit der Begründung vorsehen, diese Erzeuger würden mittels einer Kapitalgesellschaft oder einer Vereinigung wie der in Rn. 36 des vorliegenden Urteils genannten wirtschaftlich eng zusammenarbeiten.
Zum anderen sind nach Art. 25 Abs. 9 der Sechsten Richtlinie und Art. 296 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger solche ausgenommen, denen die Anwendung der normalen oder der vereinfachten Regelung keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten bereitet.
Der vom vorlegenden Gericht geltend gemachte Umstand, dass eine Kapitalgesellschaft, eine aus den Mitgliedern mehrerer Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung oder eine aus der Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung aufgrund ihrer Größe oder ihrer Rechtsform nicht unter die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger fällt, kann sich aber nicht auf die Anwendung dieser Regelung auf die Gesellschaften bürgerlichen Rechts auswirken, da durch einen solchen Umstand an sich nicht nachgewiesen werden kann, dass ihnen die Anwendung der normalen oder der vereinfachten Regelung keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten bereiten würde.
Anders verhielte es sich jedoch, wenn Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens wegen ihrer Verbindungen zu einer Kapitalgesellschaft oder einer Vereinigung wie den oben in Rn. 36 genannten faktisch in der Lage wären, die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den sich aus der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Regelung ergebenden Aufgaben zu tragen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
In diesem Fall kann die Tatsache, dass die Anwendung der Pauschalregelung immerhin geeignet ist, die mit der Anwendung der Mehrwertsteuerregelung verbundenen Verwaltungskosten zu senken, dagegen nicht berücksichtigt werden, da der Unionsgesetzgeber die Pauschalregelung nur zugunsten jener landwirtschaftlichen Erzeuger eingerichtet hat, bei denen die Anwendung der normalen Steuerregelung oder der vereinfachten Regelung auf insbesondere verwaltungstechnische Schwierigkeiten stieße.
Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 25 der Sechsten Richtlinie und Art. 296 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Möglichkeit, die Anwendung der in diesen Artikeln vorgesehenen gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auf mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer angesehen werden und untereinander zusammenarbeiten, mit der Begründung abzulehnen, dass eine Kapitalgesellschaft, eine aus den Mitgliedern dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung oder eine aus der Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung aufgrund der Betriebsgröße oder der Rechtsform nicht unter die Pauschalregelung fällt, auch dann nicht entgegenstehen, wenn die Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht zu einer Gruppe von der Pauschalregelung ausgenommener Erzeuger gehören, sofern sie aufgrund ihrer Verbindungen zur Kapitalgesellschaft oder einer dieser Vereinigungen faktisch in der Lage sind, die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den sich aus der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Mehrwertsteuerregelung ergebenden Aufgaben zu tragen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Zur fünften Frage
Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger für Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte, wissen, ob dieser Ausschluss rückwirkend, nur für die Zukunft oder überhaupt nicht wirksam ist.
Es ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit es nicht verbietet, dass das Finanzamt abgezogene Mehrwertsteuer oder Mehrwertsteuer für bereits erbrachte Leistungen, die dieser Steuer hätten unterworfen werden müssen, innerhalb der Verjährungsfrist nacherhebt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Februar 2014, Fatorie, C-424/12, EU:C:2014:50, Rn. 47 und 48, sowie vom 9. Juli 2015, Cabinet Medical Veterinar Dr. Tomoiagă Andrei, C-144/14, EU:C:2015:452, Rn. 42).
Dasselbe gilt auch dann, wenn eine Regelung, von der ein Mehrwertsteuerpflichtiger profitiert, vom Finanzamt in Frage gestellt wird, und auch für einen Zeitraum vor dieser Einschätzung. Dies allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Einschätzung innerhalb der Verjährungsfrist für das Handeln des Finanzamts erfolgt und ihre Folgen nicht bis zu einem Zeitpunkt vor Eintritt der ihr zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage zurückwirken.
Unter diesen Voraussetzungen kann der Umstand, dass das Finanzamt zunächst mehreren Gesellschaften bürgerlichen Rechts die Pauschalregelung gewährt hat, keinen Einfluss auf die Beantwortung der Vorlagefrage haben, da die Sach- und Rechtslage, auf der die neue Einschätzung durch das Finanzamt beruht, nach dieser Gewährung und innerhalb der Verjährungsfrist für das Handeln des Finanzamts eingetreten ist.
Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass für den Fall, dass die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger für Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte, dieser Ausschluss für den Zeitraum vor dem Zeitpunkt wirksam ist, zu dem die dem Ausschluss zugrunde liegende Einschätzung vorgenommen wurde, sofern die Einschätzung innerhalb der Verjährungsfrist für das Handeln des Finanzamts erfolgt und ihre Folgen nicht bis zu einem Zeitpunkt vor Eintritt der ihr zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage zurückwirken.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 4 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 geänderten Fassung sowie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 10 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als solche gegenüber ihren Lieferanten, gegenüber öffentlichen Stellen und zu einem gewissen Grad gegenüber ihren Kunden eigenständig auftreten und von denen jede ihre eigene Produktion sicherstellt, indem sie im Wesentlichen ihre Produktionsmittel verwendet, die aber einen Großteil ihrer Produkte unter einer gemeinsamen Marke über eine Kapitalgesellschaft vertreiben, deren Anteile von den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts und anderen Angehörigen der betreffenden Familie gehalten werden, als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer anzusehen sind.
Art. 25 der Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2004/66 geänderten Fassung und Art. 296 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie der Möglichkeit, die Anwendung der in diesen Artikeln vorgesehenen gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger auf mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens, die als mehrwertsteuerpflichtige eigenständige Unternehmer angesehen werden und untereinander zusammenarbeiten, mit der Begründung abzulehnen, dass eine Kapitalgesellschaft, eine aus den Mitgliedern dieser Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung oder eine aus der Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern der Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildete Personenvereinigung aufgrund der Betriebsgröße oder der Rechtsform nicht unter die Pauschalregelung fällt, auch dann nicht entgegenstehen, wenn die Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht zu einer Gruppe von der Pauschalregelung ausgenommener Erzeuger gehören, sofern sie aufgrund ihrer Verbindungen zur Kapitalgesellschaft oder einer dieser Vereinigungen faktisch in der Lage sind, die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den sich aus der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Mehrwertsteuerregelung ergebenden Aufgaben zu tragen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Falls die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger für Gesellschaften bürgerlichen Rechts wie die des Ausgangsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte, ist dieser Ausschluss für den Zeitraum vor dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die dem Ausschluss zugrunde liegende Einschätzung vorgenommen wurde, sofern die Einschätzung innerhalb der Verjährungsfrist für das Handeln des Finanzamts erfolgt und ihre Folgen nicht bis zu einem Zeitpunkt vor Eintritt der ihr zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage zurückwirken.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK PLUS
Persönlicher Ansprechpartner
Firmenkundenservice
E-Mail-Service