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EuGH 28.07.2016 - C-80/15
EuGH 28.07.2016 - C-80/15 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer) - 28. Juli 2016 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Zollunion — Gemeinsamer Zolltarif — System der vorübergehenden Verwendung unter Befreiung von den Abgaben — Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 — Voraussetzungen für eine vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben — Zivile Luftfahrzeuge, die außerhalb des Zollgebiets der Union zugelassen sind und von einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person verwendet werden — Art. 555 Abs. 1 Buchst. a — Gewerbliche Verwendung — Begriff — Verwendung von Helikoptern durch eine Flugschule für Flüge mit einem Fluglehrer und einem Flugschüler gegen Entgelt — Ausschluss“
Leitsatz
In der Rechtssache C-80/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2015, in dem Verfahren
Robert Fuchs AG
gegen
Hauptzollamt Lörrach
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Robert Fuchs AG, vertreten durch Rechtsanwältin U. Lusche,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,
der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Februar 2016
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „gewerbliche Verwendung“ im Sinne von Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2286/2003 der Kommission vom 18. Dezember 2003 (ABl. 2003, L 343, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Robert Fuchs AG mit Sitz in der Schweiz (im Folgenden: Fuchs) und dem Hauptzollamt Lörrach (Deutschland) wegen Einfuhrzöllen, die diese Gesellschaft dafür zahlen soll, dass sie in der Schweiz zugelassene Helikopter, die in Deutschland für Schulungs- und Trainingsflüge verwendet werden, nach dem Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben in das Gebiet der Union eingeführt hat.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Das am 26. Juni 1990 in Istanbul unterzeichnete Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung wurde durch den Beschluss 93/329/EWG des Rates vom 15. März 1993 über den Abschluss des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung und über die Annahme seiner Anlagen (ABl. 1993, L 130, S. 1, berichtigt im ABl. 1993, L 289, S. 40) genehmigt.
Art. 1 der Anlage C dieses Übereinkommens sieht vor:
„Im Sinne dieser Anlage bedeutet
Beförderungsmittel:
alle Schiffe (einschließlich Leichter, kleine Binnenfrachtschiffe – auch an Bord eines Schiffes beförderte – und Tragflügelboote), Luftkissenboote, Flugzeuge, Straßenkraftfahrzeuge (einschließlich Fahrräder mit Motor, Anhänger, Sattelanhänger und Lastzüge) sowie rollendes Eisenbahnmaterial – auch im Beförderungsmittel befindliche gewöhnliche Ersatzteile, Zubehör und Ausrüstung (einschließlich Spezialausrüstung für das Beladen, Entladen, das Umschlagen und die Sicherung der Waren);
gewerbliche Verwendung:
die Beförderung von Personen gegen Entgelt oder die gewerbliche Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt;
eigener Gebrauch:
die Beförderung durch den Beteiligten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch mit Ausnahme der gewerblichen Verwendung;
…“
Unionsrecht
Der Zollkodex
Art. 137 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) bestimmt:
„Im Verfahren der vorübergehenden Verwendung können Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.“
Art. 141 des Zollkodex bestimmt:
„In welchen Fällen und unter welchen besonderen Voraussetzungen das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch genommen werden kann, wird nach dem Ausschussverfahren festgelegt.“
Art. 204 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex lautet:
„Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn …
eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben“.
Die Durchführungsverordnung
Art. 232 der Durchführungsverordnung, der die Regeln über das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung u. a. für Beförderungsmittel festlegt, bestimmt:
„(1) Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung können für folgende Waren durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 nach Maßgabe des Artikels 579 abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden:
…
in den Artikeln 556 bis 561 genannte Beförderungsmittel;
…
(2) Sofern die in Absatz 1 genannten Waren nicht Gegenstand einer ausdrücklichen Zollanmeldung sind, werden sie als zur Wiederausfuhr nach Beendigung der vorübergehenden Verwendung durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 angemeldet angesehen.“
In Art. 233 der Durchführungsverordnung heißt es:
„(1) Im Sinne der Artikel 230 bis 232 kann die als Zollanmeldung geltende Willensäußerung auf folgende Weise abgegeben werden:
…
bei Verzicht auf die Verpflichtung des Beförderns im Sinne der Durchführungsvorschriften zu Artikel 38 Absatz 4 des Zollkodex, bei der Ausfuhr im Sinne des Artikels 231 sowie im Falle der Wiederausfuhr gemäß Artikel 232 Absatz 2 durch:
einfaches Überschreiten der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft.“
Art. 234 der Durchführungsverordnung lautet:
„(1) Sind die Voraussetzungen der Artikel 230 bis 232 erfüllt, so gelten die betreffenden Waren als im Sinne des Artikels 63 des Zollkodex gestellt, die Zollanmeldung als angenommen und die Waren als überlassen, sobald die Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 erfolgt ist.
(2) Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten oder ausgeführten Waren die Voraussetzungen der Artikel 230 bis 232 erfüllen, so gelten diese Waren als vorschriftswidrig verbracht oder ausgeführt.“
Art. 555 Abs. 1 der Durchführungsverordnung sieht vor:
„(1) Für diesen Unterabschnitt gelten folgende Definitionen:
‚gewerbliche Verwendung‘: die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt;
‚eigener Gebrauch‘: eine andere als die gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels;
‚Binnenverkehr‘: die Beförderung von Personen oder Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen oder geladen werden, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen oder ausgeladen zu werden.“
In Art. 558 Abs. 1 der Durchführungsverordnung heißt es:
„(1) Die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel bewilligt, die
außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind …;
unbeschadet der Artikel 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden und
bei gewerblicher Verwendung und mit Ausnahme von Schienenbeförderungsmitteln nur für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden; sie können jedoch im Binnenverkehr eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften, insbesondere diejenigen betreffend die Voraussetzung für den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen, es vorsehen.“
Deutsches Recht
Das Luftverkehrsgesetz
§ 2 Abs. 7 und 8 Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698) lautet:
„(7) Luftfahrzeuge, die nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes eingetragen und zugelassen sind, dürfen nur mit Erlaubnis in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einfliegen oder auf andere Weise dorthin verbracht werden, um dort zu verkehren. Der Erlaubnis bedarf es nicht, soweit ein Abkommen zwischen dem Heimatstaat und der Bundesrepublik Deutschland oder ein für beide Staaten verbindliches Übereinkommen etwas anderes bestimmt.
(8) Die Erlaubnis nach den Absätzen 6 und 7 kann allgemein oder für den Einzelfall erteilt, mit Auflagen verbunden und befristet werden.“
Das Zollverwaltungsgesetz
§ 2 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. 1992 I S. 2125 und 1993 I S. 2483) bestimmt:
„Einfliegende Luftfahrzeuge dürfen nur auf einem Zollflugplatz landen, ausfliegende nur von einem solchen abfliegen.“
Die Zollverordnung
§ 2 („Zollstraßen“) Abs. 3 der Zollverordnung vom 23. Dezember 1993 (BGBl. 1993 I S. 2449 und 1994 I S. 162) lautet:
„Darüber hinaus kann in Einzelfällen zur Erleichterung des Verkehrs Befreiung vom Zollstraßenzwang im Verwaltungsweg gewährt werden, soweit es die Umstände erfordern, die Möglichkeit der zollamtlichen Überwachung dadurch nicht beeinträchtigt wird sowie Verbote und Beschränkungen nicht entgegenstehen.“
§ 3 („Zollflugplätze“) Abs. 4 dieser Verordnung bestimmt:
„Für die Befreiung vom Zollflugplatzzwang gilt § 2 Abs. 3 sinngemäß.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Fuchs ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten u. a. Schulungs- und Trainingsflüge mit Helikoptern anbietet.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 wurde Fuchs die Befreiung von der Verpflichtung erteilt, bei zehn auf ihren Namen in der Schweiz zugelassenen Helikoptern für die Einreise in Deutschland einen Zollflugplatz zu benutzen.
Diese Helikopter wurden daraufhin im Rahmen diverser Schulungsveranstaltungen in den Jahren 2009 und 2010 in das Zollgebiet der Union verbracht, und zwar entweder durch einen bei Fuchs angestellten Fluglehrer oder durch Flugschüler im Beisein eines solchen Fluglehrers.
Die Helikopter verließen während der Schulungsflüge nicht das Zollgebiet der Union, sondern wurden erst in die Schweiz geflogen, nachdem der jeweilige Ausbildungszeitraum geendet hatte.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10. Juni 2011 stellte die Zollverwaltung fest, dass die fraglichen Helikopter gewerblich verwendet worden seien, obwohl keine Erlaubnis nach § 2 Abs. 7 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes vorgelegen habe. Dadurch habe Fuchs gegen die in Art. 558 Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung festgelegten Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung der fraglichen Helikopter unter vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben verstoßen.
Da nach Ansicht der Zollverwaltung für die genannten Helikopter gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex eine Zollschuld entstanden war, setzte sie gegen Fuchs Zollabgaben in Höhe von 175873,36 Euro fest.
Nachdem der von Fuchs gegen den Einfuhrabgabenbescheid eingelegte Einspruch von der Zollverwaltung zurückgewiesen worden war, erhob Fuchs beim Finanzgericht Baden-Württemberg (Deutschland) Klage.
Das Unternehmen macht mit dieser Klage geltend, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer vollständigen Befreiung von Einfuhrabgaben erfüllt seien. Insbesondere seien die fraglichen Helikopter nicht Gegenstand einer „gewerblichen Verwendung“ im Sinne von Art. 555 Abs. 1 der Durchführungsverordnung gewesen.
Die Zollverwaltung vertritt demgegenüber die Auffassung, Fuchs habe die Helikopter gewerblich verwendet, weil bei diesen Schulungsflügen Personen gegen Entgelt befördert worden seien. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass die von den Flugschülern entrichteten Beträge für die Ausbildung und nicht für die Beförderung bezahlt worden seien.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die grundsätzlichen Bedingungen für eine Bewilligung der vorübergehenden Verwendung von Beförderungsmitteln unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben in Art. 558 Abs. 1 der Durchführungsverordnung festgelegt seien. Es sei unstreitig, dass die Voraussetzungen des Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b der Durchführungsverordnung im Ausgangsverfahren erfüllt seien. Es stelle sich lediglich die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 558 Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung erfüllt seien, der bestimme, dass bei gewerblicher Verwendung die Beförderungsmittel grundsätzlich nur für Beförderungen verwendet werden dürften, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft begännen oder endeten. Die Antwort auf diese Frage hänge von der Auslegung des in Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung enthaltenen Begriffs „gewerbliche Verwendung“ ab.
Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Baden-Württemberg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung so auszulegen, dass entgeltliche Schulungsflüge mit Helikoptern, bei denen sich ein Flugschüler und ein Fluglehrer im Helikopter befinden, als gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels anzusehen sind?
Zur Vorlagefrage
Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob Flüge, die gegen Entgelt mit einem Helikopter zur Pilotenausbildung durchgeführt werden, wobei sich an Bord dieses Helikopters ein Fluglehrer und ein Flugschüler aufhalten, als gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels im Sinne von Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung aufzufassen sind.
Gemäß dieser Vorschrift ist unter „gewerblicher Verwendung“ die Verwendung eines Beförderungsmittels „zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt“ zu verstehen.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift setzt die Einstufung als „gewerbliche Verwendung“ voraus, dass das fragliche Beförderungsmittel zum Zweck der Beförderung verwendet wird.
Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte von Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung bestätigt.
Der in der Durchführungsverordnung enthaltene Begriff „gewerbliche Verwendung“ hat nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 34 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den Begriff „berufliche Verwendung“ ersetzt, der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 1855/89 des Rates vom 14. Juni 1989 über die vorübergehende Verwendung von Beförderungsmitteln (ABl. 1989, L 186, S. 8) als „die Verwendung eines Beförderungsmittels zum Zwecke der unmittelbaren Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit oder einer Tätigkeit mit Erwerbszweck“ definiert war. Diese Definition wurde durch die engere Definition in Art. 670 der Verordnung Nr. 2454/93 in ihrer ursprünglichen Fassung ersetzt, der zufolge unter „gewerblicher Verwendung“„die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur gewerblichen oder kommerziellen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt“ zu verstehen war.
Diese Definition wurde später mit der Verordnung (EG) Nr. 993/2001 der Kommission vom 4. Mai 2001 zur Änderung der Verordnung Nr. 2454/93 (ABl. 2001, L 141, S. 1) auf „die Verwendung eines Beförderungsmittels im Zusammenhang mit der entgeltlichen Beförderung von Personen oder Waren oder im Rahmen der wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens“ ausgedehnt. Damit fielen unter den Begriff der „gewerblichen Verwendung“, wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, alle Verwendungen von Beförderungsmitteln in einem geschäftlichen Zusammenhang unabhängig von ihrer Entgeltlichkeit und unabhängig vom Zweck der Verwendung.
Diese Definition der gewerblichen Verwendung wurde jedoch mit der Verordnung Nr. 2286/2003 durch die im Ausgangsverfahren anzuwendende Definition ersetzt. Mit dieser Verordnung wurde, wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge dargelegt hat, nicht nur die unentgeltliche Beförderung von Personen vom Begriff der „gewerblichen Verwendung“ ausgenommen, sondern ferner der Zweck der Verwendung zu dem maßgeblichen Faktor gemacht. Dieser Begriff erfasst daher nicht mehr alle wirtschaftlichen Aktivitäten, die die Verwendung eines Beförderungsmittels einschließen und in deren Rahmen eine Beförderung von Personen in einem weiten Sinne erfolgt, sondern bezieht sich nur auf die wirtschaftlichen Aktivitäten, deren Zweck in der Beförderung, insbesondere von Personen, besteht.
In einem Fall aber wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen, in dem Beförderungsmittel zu Schulungszwecken verwendet werden, geht die Beförderung von Personen, sofern eine solche stattfindet, notwendig mit der Ausbildungstätigkeit einher, die als Hauptzweck des Vertrags die Dienstleistung bildet, für deren Erbringung die Flugschüler ein Entgelt gezahlt haben.
Nach alledem kann die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Erbringung der Dienstleistung einer Pilotenausbildung nicht unter den Begriff „gewerbliche Verwendung“ im Sinne von Art. 555 Abs. 1 der Durchführungsverordnung fallen.
Es ist hinzuzufügen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, dass das vorlegende Gericht eine Vorlagefrage unter Bezugnahme nur auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 12. Februar 2015, Oil Trading Poland, C-349/13, EU:C:2015:84, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass das vorlegende Gericht die Vorlagefrage im Hinblick auf die Anwendung des Art. 558 Abs. 1 der Durchführungsverordnung gestellt hat, der die Voraussetzungen festlegt, unter denen die vorübergehende Verwendung eines Beförderungsmittels vollständig von Einfuhrabgaben befreit ist, auch die Auslegung dieser Vorschrift sachdienlich.
Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die in Art. 558 Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung vorgesehene Voraussetzung, wonach das Beförderungsmittel grundsätzlich „nur für Beförderungen verwendet werden [darf], die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden“, nur für die gewerbliche Verwendung des Beförderungsmittels gilt. In anderen Worten unterliegt ein Beförderungsmittel, das nicht zu gewerblichen Zwecken verwendet wird, lediglich den Voraussetzungen des Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b der Durchführungsverordnung.
Zweitens kann nicht angenommen werden, dass die vollständige Einfuhrabgabenbefreiung für eine nicht gewerbliche vorübergehende Verwendung eines Beförderungsmittels der Voraussetzung unterläge, dass das Beförderungsmittel zu Beförderungszwecken verwendet wird.
Denn weder Art. 558 Abs. 1 der Durchführungsverordnung noch irgendeine andere Vorschrift dieser Verordnung, die die Voraussetzungen für die vollständige Einfuhrabgabenbefreiung von Beförderungsmitteln festlegt, sieht eine derartige Beschränkung vor. Demgegenüber hat der Unionsgesetzgeber darauf geachtet, bei anderen Arten von Waren die vollständige Einfuhrabgabenbefreiung ausdrücklich Voraussetzungen zu unterwerfen, die sich auf den Verwendungszweck der jeweiligen Waren beziehen. Das gilt namentlich, gemäß Art. 563 der Durchführungsverordnung, für „zu Sportzwecken verwendete Waren“. Gleiches gilt gemäß Art. 566 der Verordnung für medizinisch-chirurgische und labortechnische Ausrüstung, „die für [Diagnosezwecke] verwendet werden soll“. Schließlich sieht Art. 568 der Durchführungsverordnung eine Befreiung für Träger von Ton, Bild oder Informationen der Datenverarbeitung vor, die „dem Zwecke der Vorführung vor Verkauf“ oder „zur Überspielung von Ton, Synchronisation oder Wiedergabe“ dienen.
Diese Auslegung wird durch die Verordnung Nr. 993/2001 bestätigt, die aus der Verordnung Nr. 2454/93 die funktionale Definition des „Beförderungsmittels“, die bis dahin „Mittel, die zur Beförderung von Personen oder Gütern dienen“ erfasst hatte, entfernt hat.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung dahin auszulegen ist, dass Flüge, die gegen Entgelt mit einem Helikopter zur Pilotenausbildung durchgeführt werden, wobei sich an Bord dieses Helikopters ein Fluglehrer und ein Flugschüler aufhalten, nicht als gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 555 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2286/2003 der Kommission vom 18. Dezember 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Flüge, die gegen Entgelt mit einem Helikopter zur Pilotenausbildung durchgeführt werden, wobei sich an Bord dieses Helikopters ein Fluglehrer und ein Flugschüler aufhalten, nicht als gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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