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EuGH 05.12.2013 - C-514/12
EuGH 05.12.2013 - C-514/12 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) - 5. Dezember 2013 ( *1) - „Freizügigkeit der Arbeitnehmer — Art. 45 AEUV — Verordnung (EU) Nr. 492/2011 — Art. 7 Abs. 1 — Nationale Regelung, wonach bei anderen Arbeitgebern als dem Land Salzburg zurückgelegte Dienstzeiten nur teilweise angerechnet werden — Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer — Rechtfertigungsgründe — Zwingende Gründe des Allgemeininteresses — Ziel der Bindung — Verwaltungsvereinfachung — Transparenz“
Leitsatz
In der Rechtssache C-514/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Salzburg (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 2012, in dem Verfahren
Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH
gegen
Land Salzburg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
des Zentralbetriebsrats der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Mahringer,
des Landes Salzburg, vertreten durch Rechtsanwältin I. Harrer-Hörzinger und P. Sieberer, Prozessbevollmächtigter,
der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Winkler als Bevollmächtigte,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, K. Petersen und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, V. Kreuschitz und F. Schatz als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH und dem Land Salzburg wegen der teilweisen Anrechnung von Dienstzeiten, die Dienstnehmer des Landes Salzburg bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt haben, bei der Festsetzung des Arbeitsentgelts.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor:
„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.“
Österreichisches Recht
§ 1 des Salzburger Landesbediensteten-Zuweisungsgesetzes (LGBl. 119/2003) lautet:
„(1) Landesbedienstete, die am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in
der Holding der Landeskliniken Salzburg oder
in einem der Holding zugeordneten Bereich (St Johanns-Spital – Landeskrankenhaus, Christian-Doppler-Klinik – Landesnervenklinik, Landeskrankenhaus St Veit im Pongau, Institut für Sportmedizin, Zentral- und Servicebereiche, Bildungszentrum)
beschäftigt waren, werden unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten mit Inkrafttreten dieses Gesetzes als Landesbedienstete mit ihrem derzeitigen Dienstort der Gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden kurz [SALK]) zur dauernden Dienstleistung zugewiesen.
(2) Soweit nicht Abweichendes bestimmt ist, sind Landesbedienstete im Sinn dieses Gesetzes Beamte … und Vertragsbedienstete … des Landes Salzburg.“
§ 3 dieses Gesetzes bestimmt:
„(1) Die Geschäftsführung der [SALK] ist ermächtigt, das zur Besorgung der Aufgaben der [SALK] nach Maßgabe des Dienstpostenplans … erforderliche Personal für das Land Salzburg und im Namen des Landes Salzburg … aufzunehmen.
(2) Personen, die gemäß Abs. 1 aufgenommen wurden, sind Vertragsbedienstete des Landes Salzburg … und gelten als der [SALK] zugewiesen.“
§ 53 Abs. 1 des Salzburger Landesvertragsbedienstetengesetzes in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (LGBl. 4/2000) (im Folgenden: L-VBG) lautete:
„Der Vertragsbedienstete rückt nach jeweils zwei Jahren in die nächsthöhere für ihn vorgesehene Entlohnungsstufe vor. Für die Vorrückung ist, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, der Vorrückungsstichtag maßgebend.“
§ 54 L-VBG bestimmte:
„Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass dem Tag der Anstellung die sonstigen Dienstzeiten zu 60 % vorangestellt werden. Als sonstige Dienstzeiten gilt der gesamte Zeitraum zwischen der Vollendung des 18. Lebensjahres (beim Höheren Dienst des 22. Lebensjahres) und dem Tag des Eintrittes in den Landesdienst. …“
Das L-VBG wurde im Jahr 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2004 geändert (LGBl. 99/2012). § 54 L-VBG in geänderter Fassung lautet:
„(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, in dem sich aus Abs 2 ergebenden Ausmaß dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden.
(2) Die sich gemäß Abs 1 ergebenden Zeiten sind wie folgt voranzusetzen:
bis zu drei Jahre, in der Entlohnungsgruppe (a) Höherer Dienst bis zu sieben Jahre zur Gänze;
die darüber hinausgehenden Zeiten zu 60 %.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Die SALK ist eine Dachgesellschaft dreier Krankenhäuser sowie weiterer Einrichtungen im Land Salzburg, deren Alleingesellschafterin das im Ausgangsrechtsstreit beklagte Bundesland Salzburg ist. Nach der nationalen Regelung sind die Dienstnehmer der SALK Beamte oder Vertragsbedienstete des Landes Salzburg.
Aus den beim Gerichtshof eingereichten Akten geht hervor, dass am 31. Mai 2012 716 Ärzte für die SALK arbeiteten, von denen 113 aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) als der Republik Österreich stammten, sowie 2850 nicht-ärztliche Angehörige der Gesundheitsberufe, davon 340 aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR als der Republik Österreich.
Der Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH begehrte mit am 6. April 2012 erhobener Klage, das Landesgericht Salzburg möge mit Wirkung zwischen den Parteien feststellen, dass ein Recht der Dienstnehmer der SALK auf Anrechnung sämtlicher bei anderen Arbeitgebern als dem Land Salzburg in der Union bzw. im EWR zurückgelegter berufseinschlägiger Vordienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in die nächsthöhere Entlohnungsstufe bestehe, da diese Dienstzeiten, wären sie im Dienst des Landes Salzburg zurückgelegt worden, zu 100 % zu berücksichtigen wären.
Dem Vorabentscheidungsersuchen ist zu entnehmen, dass diese Klage nach § 54 Abs. 1 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes eingereicht wurde. Danach können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs in Arbeitsrechtssachen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebs oder ihres Unternehmens betreffen, klagen.
Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts differenziert § 54 L-VBG bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung der Beschäftigten der SALK in die nächsthöhere Entlohnungsstufe danach, ob sie immer bei Dienststellen des Landes Salzburg oder bei anderen Arbeitgebern gearbeitet haben. Bei Ersteren schlage die Dienstzeit in vollem Ausmaß zu Buche, während bei Letzteren die vor ihrer Einstellung beim Land Salzburg zurückgelegten Dienstzeiten nur zu 60 % angerechnet würden. Dienstnehmer, die ihre Berufsausübung beim Land Salzburg begönnen, würden daher einer höheren Entlohnungsstufe zugeordnet als Dienstnehmer, die vergleichbare und gleich lange Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern gesammelt hätten.
§ 54 L-VBG stelle keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, da er unterschiedslos auf österreichische Staatsangehörige wie auch auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten Anwendung finde. Gleichwohl bestünden Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011.
Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Salzburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Stehen Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 einer nationalen Regelung (hier §§ 53 und 54 L-VBG) entgegen, dass ein öffentlicher Arbeitgeber die von seinen Dienstnehmer/innen ununterbrochen bei ihm zurückgelegten Dienstzeiten für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages in vollem Ausmaß, die von seinen Dienstnehmer/innen bei anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgebern – sei es innerhalb Österreichs oder in anderen EU- bzw. EWR-Staaten – zurückgelegten Dienstzeiten jedoch nur teilweise pauschal ab einem bestimmten Lebensalter für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen berücksichtigt?
Zur Vorlagefrage
Zulässigkeit
Das Land Salzburg hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil es keine hinreichenden tatsächlichen und rechtlichen Angaben für eine zweckdienliche Beantwortung der dem Gerichtshof vorgelegten Frage enthalte. Das vorlegende Gericht habe insbesondere versäumt, § 54 L-VBG in geänderter Fassung Rechnung zu tragen, der auf den Ausgangsrechtsstreit Anwendung finde.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht sachdienlichen Auslegung des Unionrechts zu gelangen, erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. Urteile vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C-380/05, Slg. 2008, I-349, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. März 2010, Attanasio Group, C-384/08, Slg. 2010, I-2055, Randnr. 32).
Des Weiteren hebt der Gerichtshof die Notwendigkeit hervor, dass das nationale Gericht die genauen Gründe angibt, aus denen ihm die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheinen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04, Slg. 2005, I-10423, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Beschluss vom 20. Januar 2011, Chihabi u. a., C-432/10, Randnr. 22).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Vorlageentscheidung die tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthält, die es sowohl dem Gerichtshof ermöglichen, dem vorlegenden Gericht sachdienliche Antworten zu geben, als auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen interessierten Beteiligten die Möglichkeit geben, sich gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu äußern. Auch die Gründe, aus denen das vorlegende Gericht dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, sind in der Vorlageentscheidung klar angegeben.
Auf ein Ersuchen um Klarstellung, das der Gerichtshof gemäß Art. 101 seiner Verfahrensordnung an das vorlegende Gericht gerichtet hatte, hat dieses ausgeführt, dass die geänderte Fassung von § 54 L-VBG keine Auswirkungen auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage habe, da die Arbeitszeiten zwischen der Vollendung des 18. oder des 22. Lebensjahrs und dem Eintritt in den Dienst des Landes Salzburg nach dieser Bestimmung weiterhin zu 60 % angerechnet würden.
Das Vorabentscheidungsersuchen ist mithin zulässig.
Zur Beantwortung der Frage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die von den Dienstnehmer/-innen einer Gebietskörperschaft ununterbrochen bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen in vollem Ausmaß, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise berücksichtigt werden.
Art. 45 Abs. 2 AEUV verbietet jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 stellt nur eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV enthaltenen Diskriminierungsverbots auf dem speziellen Gebiet der Beschäftigungsbedingungen und der Arbeit dar und ist daher ebenso auszulegen wie Art. 45 Abs. 2 AEUV (Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Italien, C-371/04, Slg. 2006, I-10257, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen fällt als ein das Arbeitsentgelt der Dienstnehmer berührender Umstand zweifellos in den sachlichen Geltungsbereich der in der vorstehenden Randnummer genannten Bestimmungen.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der sowohl in Art. 45 AEUV als auch in Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 niedergelegt ist, verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen (vgl. u. a. Urteile vom 23. Mai 1996, O’Flynn, C-237/94, Slg. 1996, I-2617, Randnr. 17, und vom 28. Juni 2012, Erny, C-172/11, Randnr. 39).
Sofern eine Vorschrift des nationalen Rechts nicht objektiv gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht, ist sie, auch wenn sie ungeachtet der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, als mittelbar diskriminierend anzusehen, falls sie sich ihrem Wesen nach stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland, C-269/07, Slg. 2009, I-7811, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden (Urteil Erny, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall kann sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dadurch, dass nach ihr nicht sämtliche von Wanderarbeitnehmern bei Arbeitgebern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich zurückgelegten berufseinschlägigen Vordienstzeiten angerechnet werden, stärker auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken, indem sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt, denn diese werden vor dem Eintritt in den Dienst des Landes Salzburg sehr wahrscheinlich Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich erworben haben. So würde ein Wanderarbeitnehmer, der bei Arbeitgebern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich im selben Umfang einschlägige Berufserfahrung erworben hat wie ein Arbeitnehmer, der seine Berufslaufbahn bei Dienststellen des Landes Salzburg durchlaufen hat, in eine niedrigere Entlohnungsstufe eingruppiert als der Letztgenannte.
Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass diese Regelung die Dienstnehmer, die, nachdem sie zunächst im Dienst des Landes Salzburg und danach für andere Arbeitgeber gearbeitet hätten, in den Dienst des Landes Salzburg zurückgekehrt seien, in gleicher Weise berühre, da sämtliche von ihnen bis zum Wiedereintritt in den Landesdienst zurückgelegten Dienstzeiten nur zu 60 % angerechnet würden. Damit ist die Regelung geeignet, die bereits beim Land Salzburg beschäftigten Dienstnehmer davon abzuhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Entschieden sie sich nämlich dafür, aus dem Dienst des Landes Salzburg auszuscheiden, würden, falls sie später in dessen Dienst zurückkehren wollten, sämtliche bis dahin zurückgelegten Dienstzeiten bei der Festsetzung ihrer Entlohnung nur zum Teil angerechnet.
Nationale Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen aber Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Arbeitnehmer angewandt werden (vgl. u. a. Urteile vom 17. März 2005, Kranemann, C-109/04, Slg. 2005, I-2421, Randnr. 26, und vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais, C-325/08, Slg. 2010, I-2177, Randnr. 34).
Es trifft zwar zu, dass sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung zum Nachteil nicht nur der Wanderarbeitnehmer, sondern auch der inländischen Dienstnehmer auswirken kann, die bei einem anderen Arbeitgeber mit Sitz in Österreich als dem Land Salzburg einschlägige Berufserfahrung gesammelt haben. Doch muss, wie in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, eine Maßnahme, um sie als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden.
Sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit sollen nämlich, wie die der Verordnung Nr. 492/2011, den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die sie benachteiligen könnten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Kranemann, Randnr. 25, und Olympique Lyonnais, Randnr. 33)
Zum Vorbringen der österreichischen und der deutschen Regierung, nach deren Meinung die Auswirkungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung auf die Entscheidung eines Wanderarbeitnehmers, in den Dienst der SALK zu treten, ungewiss sind, ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe, aus denen sich ein Wanderarbeitnehmer dafür entscheidet, von seinem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union Gebrauch zu machen, bei der Beurteilung des diskriminierenden Charakters einer nationalen Vorschrift nicht berücksichtigt werden können. Denn die Möglichkeit, sich auf eine so grundlegende Freiheit wie die Freizügigkeit zu berufen, kann nicht durch solche Überlegungen rein subjektiver Art eingeschränkt werden (Urteil O’Flynn, Randnr. 21).
Zudem stellen die Artikel des Vertrags über den freien Warenverkehr, die Freizügigkeit sowie den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr grundlegende Bestimmungen für die Union dar, und jede Beeinträchtigung dieser Freiheit, mag sie auch unbedeutend sein, ist verboten (vgl. u. a. Urteile vom 15. Februar 2000, Kommission/Frankreich, C-169/98, Slg. 2000, I-1049, Randnr. 46, und vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C-212/06, Slg. 2008, I-1683, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich ist eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen, was nach den Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 grundsätzlich verboten ist.
Eine solche Maßnahme ist nur dann zulässig, wenn mit ihr eines der im Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Kranemann, Randnr. 33, und Olympique Lyonnais, Randnr. 38).
Das vorlegende Gericht vertritt insoweit die Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eine „Treueprämie“ einführe, mit der die Dienstnehmer belohnt werden sollten, die ihre Laufbahn beim gleichen Arbeitgeber absolvierten. Nach Ansicht des Landes Salzburg und der österreichischen Regierung wird durch die Regelung keine solche Prämie eingeführt.
Unterstellt, dass mit dieser Regelung tatsächlich das Ziel der Bindung der Dienstnehmer an ihre Arbeitgeber verfolgt würde und nicht auszuschließen wäre, dass ein solches Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könnte (vgl. Urteil vom 30. September 2003, Köbler, C-224/01, Slg. 2003, I-10239, Randnr. 83), ist festzustellen, dass angesichts der Merkmale der Regelung die mit ihr verbundene Beeinträchtigung nicht geeignet erscheint, die Verwirklichung dieses Zieles zu gewährleisten.
In Beantwortung des in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erwähnten Ersuchens um Klarstellung hat das vorlegende Gericht nämlich mitgeteilt, dass Dienstnehmer der SALK, die Beamte oder Vertragsbedienstete des Landes Salzburg seien, in den Genuss einer vollständigen Berücksichtigung früherer, ununterbrochen im Dienst nicht nur der SALK als solcher, sondern des Landes Salzburg im Allgemeinen zurückgelegter Dienstzeiten kämen, seien sie für die bei der SALK wahrgenommenen Aufgaben einschlägig oder nicht.
Angesichts der Vielzahl potenzieller, dem Land Salzburg zuzurechnender Arbeitgeber soll ein solches Entlohnungssystem aber die Mobilität innerhalb einer Gruppe verschiedener Arbeitgeber gewährleisten und nicht die Treue eines Dienstnehmers gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber honorieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-195/98, Slg. 2000, I-10497, Randnr. 49).
Das Land Salzburg sowie die österreichische und die deutsche Regierung machen geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung die berechtigten Ziele der Verwaltungsvereinfachung und der Transparenz verfolge. Was das erstgenannte Ziel angehe, habe die pauschale Berücksichtigung sämtlicher bei anderen Arbeitgebern als dem Land Salzburg zurückgelegter Vordienstzeiten zu 60 % ein früheres komplexes System ersetzt. Dies habe die von der Verwaltung bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen vorzunehmenden Berechnungen vereinfacht, da nicht mehr die gesamte Berufslaufbahn neu eingetretener Dienstnehmer im Einzelnen nachvollzogen werden müsse, und die damit verbundenen Verwaltungskosten verringert.
Ein Ziel der Verwaltungsvereinfachung, das lediglich dazu dient, der öffentlichen Verwaltung obliegende Aufgaben insbesondere dadurch zu erleichtern, dass die von ihr vorzunehmenden Berechnungen vereinfacht werden, kann aber keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der die Beschränkung einer so grundlegenden Freiheit wie der durch Art. 45 AEUV gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu rechtfertigen vermag.
Zudem ist die Erwägung, dass eine solche Vereinfachung die Senkung der Verwaltungskosten ermöglicht, rein wirtschaftlicher Natur und kann daher nach ständiger Rechtsprechung keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen (vgl. u. a. Urteil vom 15. April 2010, CIBA, C-96/08, Slg. 2010, I-2911, Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Soweit mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung eine größere Transparenz in Bezug auf die Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen sichergestellt werden soll, ist festzustellen, dass diese Regelung jedenfalls über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die angestrebte Transparenz könnte nämlich durch Maßnahmen gewährleistet werden, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigen, etwa durch die Ausarbeitung und Veröffentlichung oder die Verbreitung auf anderem geeignetem Wege von im Voraus festgelegten nichtdiskriminierenden Kriterien für die Bewertung der Dauer der für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen relevanten Berufserfahrung.
Demnach ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die von den Dienstnehmer/-innen einer Gebietskörperschaft ununterbrochen bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen in vollem Ausmaß, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise berücksichtigt werden.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Die Art. 45 AEUV und 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die von den Dienstnehmer/-innen einer Gebietskörperschaft ununterbrochen bei ihr zurückgelegten Dienstzeiten bei der Ermittlung des Stichtags für die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen in vollem Ausmaß, alle anderen Dienstzeiten dagegen nur teilweise berücksichtigt werden.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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