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BSG 01.11.2023 - B 6 KA 3/23 BH
BSG 01.11.2023 - B 6 KA 3/23 BH - Sozialgerichtliches Verfahren - Klage als hilfsweise Erhebung des Widerspruchs - ernstliche Zweifel an der Erforderlichkeit eines Vorverfahrens
Normen
Vorinstanz
vorgehend SG Mainz, 2. November 2021, Az: S 3 KA 54/18, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 18. April 2023, Az: L 5 KA 19/21, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2023 - L 5 KA 19/21 - Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
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Der Streitwert wird auf 9225,65 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) verpflichtet ist, für das Quartal 4/2017 vertragszahnärztliches Honorar an den Kläger auszuzahlen.
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Der 1956 geborene Kläger war seit 1983 bis zur 2019 eingetretenen Rechtskraft der 2016 ausgesprochenen Entziehung seiner Zulassung im Bezirk der beklagten KZÄV zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die im Quartal 4/2017 erbrachten Leistungen mit Bescheid vom 20.3.2018, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, ein Gesamthonorar iHv 64 200,95 Euro brutto, wovon sie nach Abzug der gezahlten Abschlagszahlungen, ZE-Sofortauszahlungen, Verwaltungskosten und weiterer Positionen (ua Sondergebühren 4/2017, Überzahlungen 2/2017 3/2017 bzw Pfändung Finanzamt 4/2017) keinen Restbetrag auszahlte.
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Der Kläger hat am 3.4.2018 Klage erhoben, mit der er verschiedene in Abzug gebrachte Posten beanstandete (164,19 Euro "Sonderzahlungsgebühr"; 526,74 Euro, 1066,08 Euro und 7468,64 Euro "Überz. FG") und die Zahlung von 9225,65 Euro nach Weisung des Zessionars auf sein Konto beantragt hat. In der Klageschrift hat er ausgeführt, für die Zahlungsklage zugunsten des Zessionars bedürfe es keines Widerspruchsbescheides der Beklagten. Ferner hat er wegen der überfälligen Honorarforderungen Schadensersatzansprüche mindestens in der Höhe des Verzugsschadens geltend gemacht. Wegen der Amtspflichtverletzung durch die Vorstände der Beklagten sei das LG Koblenz ausschließlich zuständig; es werde Verweisungsantrag gestellt. Der Klageschrift war eine Abschrift des Bescheides vom 20.3.2018 beigefügt.
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Auf den Hinweis der Beklagten, dass gegen den Bescheid vom 20.3.2018 kein Widerspruch eingelegt und folglich kein Widerspruchsbescheid erlassen worden sei (Schriftsatz vom 31.5.2018), reagierte der Kläger zunächst nicht. Erst nachdem das SG bei der Beklagten wegen der Rechtsmittelbelehrung nachgefragt hatte, hat der Kläger mitgeteilt, dass am Widerspruch gegen den Honorarbescheid vom 20.3.2018 "kein Zweifel" bestehe, da "die Klage vom 03.04.2018 bezüglich Quartal 4/2017 … auch per FAX an die Beklagte übersandt“ worden sei (Fax eingegangen beim SG am 18.8.2021).
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Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.11.2021). Die vom Kläger erhobenen Zahlungsklage sei als Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässig; eines Vorverfahrens bedürfe es insoweit nicht. Die Klage sei jedoch unbegründet. Dem Klagebegehren stehe die Bestandskraft des Bescheids vom 20.3.2018, demzufolge dem Kläger kein weiterer Zahlungsanspruch zustehe, entgegen. Da der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, sei die Einlegung eines Widerspruchs binnen eines Jahres nach dessen Bekanntgabe möglich gewesen. Ein Widerspruch sei jedoch nicht fristgerecht erhoben worden. Soweit der Kläger meine, dass er mit seiner am 3.4.2018 erhobenen Klage zugleich Widerspruch erhoben habe, könne dem nicht gefolgt werden. Die Umdeutung eines Rechtsmittels komme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das Gericht sich damit über den ausdrücklich erklärten Willen des Klägers hinwegsetzen würde. Hier habe der Kläger in seiner Klageschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er eine Zahlungsklage zugunsten des Zessionars erheben wolle und es eines Widerspruchsbescheides daher nicht bedürfe. Soweit der Kläger nunmehr mit Schriftsatz vom 18.8.2021 Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht hat, sei dies unbeachtlich, da die einschlägige Jahresfrist spätestens am 4.4.2019 - ein Jahr nach Klageerhebung - abgelaufen sei.
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Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte das Widerspruchsverfahren nachgeholt und mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2022 den Widerspruch wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung neben der Zahlung von 9225,65 Euro bzw hilfsweise der Abänderung der angegriffenen Bescheide und der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages an ihn auch die Verurteilung der Beklagten zur Ersetzung jeglichen Verzugsschadens und insoweit die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Koblenz beantragt.
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Das LSG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 18.4.2023). Die im Hauptantrag verfolgte Zahlungsklage sei ebenso unbegründet wie die im Hilfsantrag verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage betreffend den Bescheid vom 20.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2022. Zutreffend sei das SG davon ausgegangen, dass dem Zahlungsanspruch die Bindungswirkung des Honorarbescheides vom 20.3.2018 entgegenstehe. Hinsichtlich des Hilfsantrags bleibe die Berufung erfolglos, da sein Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Der Berufungsantrag zu 2. sei unzulässig; eine Verweisung scheide aus. Das SG habe über diese schriftsätzlich schon im Klageverfahren gestellten Anträge in seinem Urteil nicht entschieden. Da das Urteil ersichtlich nicht als Teilurteil habe ergehen sollen, handele es sich um eine unvollständige Endentscheidung. Dies sei im Berufungsverfahren nicht korrigierbar. Das Übergehen eines Anspruchs könne nur durch eine Ergänzung des Urteils nach § 140 SGG korrigiert werden, die innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beantragt werden müsse (Hinweis auf BSG Urteil vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18 - juris RdNr 32 f). Ein "Heraufholen von Prozessresten" komme nicht in Betracht. Ein Wahlrecht, statt eines Urteilsergänzungsverfahrens ein Rechtsmittelverfahren durchzuführen, sei gesetzlich nicht vorgesehen.
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Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 28.4.2023 zugestellten Urteil des LSG mit einem von ihm unterzeichneten und an das LSG gerichteten undatierten Schreiben, eingegangen beim BSG am 30.5.2023, Beschwerde ("Revision und Nichtzulassungsbeschwerde") eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
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II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist abzulehnen (dazu A.), die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen (dazu B.).
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A. Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu gewähren, ist abzulehnen.
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1. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf nur zugelassen werden, wenn der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen dieser Zulassungsgründe darlegen könnte.
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a) Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht ersichtlich, dass sich im Hinblick auf die Auslegung der Klageschrift des Klägers als Widerspruch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Der Senat hat - im Einklang mit der Rechtsprechung der anderen Senate des BSG - jedenfalls dann in der Klage hilfsweise die Erhebung des Widerspruchs gesehen, wenn es ernstlich zweifelhaft ist, ob vor Erhebung der Klage ein Vorverfahren durchzuführen ist (BSG Urteil vom 16.3.1967 - 6 RKa 22/66 - BSGE 26, 174, 177 = juris RdNr 23 mwN; BSG Urteil vom 13.12.2000 - B 6 KA 1/00 R - SozR 3-1500 § 78 Nr 5 = juris RdNr 19 jeweils mwN; vgl auch BSG Urteil vom 18.2.1964 - 11/1 RA 90/61 - BSGE 20, 199 = juris RdNr 21; BSG Urteil vom 23.5.1989 - 12 RK 43/88 - BSGE 65, 105, 107 = SozR 1500 § 78 Nr 27 S 41; BSG Urteil vom 18.3.1999 - B 12 KR 8/98 R - SozR 3-1500 § 78 Nr 3 = juris RdNr 19). Es ist ebenfalls geklärt, dass die ausdrückliche Äußerung eines Beteiligten, eine bestimmte Prozesserklärung nicht abgeben zu wollen, es ausschließt, dessen weitere Ausführungen als eine solche Prozesserklärung zu deuten (BSG Urteil vom 17.9.2020 - B 4 AS 13/20 R - SozR 4-1500 § 88 Nr 3). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch bereits entschieden, wann ein Kläger auf einen - fristgebundenen - Antrag auf nachträgliche Ergänzung eines Urteils gemäß § 140 Abs 1 SGG verwiesen werden kann (vgl BSG Beschluss vom 24.11.2020 - B 12 KR 37/20 B - juris RdNr 14 mwN; BSG Beschluss vom 18.8.2022 - B 1 KR 65/21 B - juris RdNr 16). Hierzu bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht (vgl auch zu einem früheren Verfahren des Klägers: BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 6 KA 34/21 B - juris RdNr 13).
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b) Anhaltspunkte, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, bestehen nicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Insbesondere ist keine Abweichung des LSG von der unter a) zitierten BSG-Rechtsprechung zur Auslegung einer Klageschrift als Widerspruch ersichtlich, da das LSG dieser nicht widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Vielmehr hat es diese lediglich im Einzelfall des Klägers für nicht einschlägig erachtet.
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c) Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Kläger einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG).
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2. Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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B. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet und innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG) eingereicht worden ist. Auf das Erfordernis, sich vor dem BSG durch einen der in § 73 Abs 4 SGG aufgeführten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 13 mwN), ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils hingewiesen worden. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG durch Beschluss zu verwerfen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
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D. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von keinem der Beteiligten angegriffenen Festsetzung durch das LSG.
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