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BSG 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R
BSG 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R - Vertragsärztliche Versorgung - Honorarverteilungsregelung - Schutz der Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz - Anfangs- und Erprobungsregelungen
Normen
Vorinstanz
vorgehend SG Marburg, 16. Januar 2008, Az: S 12 KA 188/07, Urteil
vorgehend Hessisches Landessozialgericht, 26. November 2008, Az: L 4 KA 14/08, Urteil
Leitsatz
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Die vom Senat aufgestellten Grundsätze zum Schutz der Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz gelten für Honorarverteilungsregelungen jeder Art. Klar vorhersehbaren Auswirkungen einer Regelung ist auch bei Anfangs- und Erprobungsregelungen Rechnung zu tragen. Sonderregelungen zum Schutz unterdurchschnittlich abrechnender Praxen sind im Honorarverteilungsvertrag zu treffen.
Tatbestand
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Im Streit steht die Höhe vertragsärztlichen Honorars im Quartal II/2005.
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Der Kläger nimmt seit dem 1.2.2004 als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie an der vertragsärztlichen Versorgung in Hessen teil. Mit Bescheid vom 29.6.2006 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das Honorar des Klägers für das Quartal II/2005 auf 55.484,44 Euro fest. Dieser Betrag setzte sich aus einem "regulären" - aus 816 Primär- und Ersatzkassenfällen errechneten - Honorar in Höhe von 33.828,20 Euro, einem "Auffüllbetrag" in Höhe von 19.848,73 Euro sowie aus dem Honorar "sonstiger Kostenträger" zusammen.
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Die Beklagte wandte dabei ihren Honorarverteilungsvertrag (HVV) an, welcher zeitgleich mit dem ersten Quartal der Geltung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) 2005 zum 1.4.2005 in Kraft getreten war. Dieser enthielt ua - neben einer Regelung über die Freistellung junger Praxen von fallzahlabhängigen Quotierungen (Ziffer 5.2.1 HVV) - in Ziffer 7.5 HVV eine "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus". Danach erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 HVV ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruchs der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 (beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen). Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder -erhöhung von jeweils mehr als 5 %, so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % (Ziffer 7.5.1 HVV). Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5 % erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist (Ziffer 7.5.2 HVV).
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Bei der Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVM legte die Beklagte beim Kläger das Quartal II/2004 als Referenzquartal zugrunde, in dem dieser bei 583 Fällen ein maßgebliches Honorar (ohne extrabudgetäre Leistungen) in Höhe von 46.331,31 Euro und damit einen Referenzfallwert von 79,4705 Euro erzielt hatte. Bei einem rechnerischen Fallwert von 41,4561 Euro im Quartal II/2005 und einem hinzunehmenden Fallwertverlust von 5 % errechnete sie daraus einen Auffüllbetrag in Höhe von 34,0458 Euro pro Fall und damit von 19.848,73 Euro insgesamt bei 583 Fällen.
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Der auf die Gewährung eines höheren Auffüllbetrages unter Zugrundelegung der im aktuellen Quartal (II/2005) erzielten Fallzahl gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das SG hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Neubescheidung verpflichtet, wobei es die Auffassung vertreten hat, dass es hierzu keiner Änderung des HVV bedürfe, da lediglich eine Sonderregelung für atypische Fälle fehle (Urteil vom 16.1.2008).
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Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung unter Ziffer 7.5 HVV sei im Hinblick auf junge Praxen zumindest im hier streitigen Quartal II/2005 ergänzungsbedürftig. Die Rechtsprechung des BSG zum Schutz unterdurchschnittlich großer Praxen vor unangemessener Benachteiligung durch Honorarbegrenzungsregelungen sei auf die vorliegende Konstellation übertragbar, auch wenn die strittige Regelung keine Honorarbegrenzung, sondern einen Bestandsschutz bezwecke. Im Ergebnis wirke sich diese bei jungen Praxen wie eine Honorarbegrenzungsmaßnahme aus, weil bei ihnen - im Gegensatz zu 2004 bereits durchschnittlich abrechnenden Praxen - die Erzielung eines durchschnittlichen Honorars eine ungleich größere Anstrengung durch Fallzahlsteigerung und Leistungsausweitung erfordere. Bei Praxen in der Aufbauphase könne durch das Anknüpfen an die Fallzahl im Referenzquartal typischerweise nur ein deutlich geringerer Auffüllbetrag zustande kommen als bei einer eingeführten Praxis, die im Referenzquartal eine vergleichbar hohe Fallzahl wie im aktuellen Quartal erreicht habe. Als weitere Folge seien auch in den nachfolgenden Quartalen der Jahre 2006 bis 2008 nur geringere oder keine Auffüllbeträge erreichbar. Die Anknüpfung der Ausgleichsregelung an das jeweilige Vorquartal sei nicht unvermeidlich; jahreszeitliche Schwankungen seien kein ausreichender Rechtfertigungsgrund, da auch eine jahresbezogene Regelung denkbar sei. Allerdings sei - entgegen der Auffassung des SG - der Vorstand der Beklagten nicht zu einer vom HVV abweichenden Regelung zugunsten junger Praxen befugt. Es gehe nicht um eine Härtefallregelung in einem atypischen Sonderfall, sondern um die Gewährleistung der Honorarverteilungsgerechtigkeit gegenüber einer ganzen Gruppe. Die regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke im HVV sei daher durch die Vertragspartner des HVV zu schließen (Urteil vom 26.11.2008).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Sie habe die Vorgaben des HVV ordnungsgemäß umgesetzt. Eine besondere Regelung für junge Praxen habe der HVV nicht vorsehen müssen. Jedenfalls sei die Regelung unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelung rechtmäßig. Der Honorarverteilung ab dem Quartal II/2005 hätten aufgrund des Inkrafttretens des EBM-Ä 2005 neue Rahmenbedingungen zugrunde gelegen, deren Auswirkungen für sie nur schwer einzuschätzen gewesen seien. Die neue Gebührenordnung und die Neustrukturierung der Honorarverteilung hätten die Vertragspartner des HVV dazu veranlasst, die Regelung nach Ziffer 7.5 in den HVV aufzunehmen. Deren Zielsetzung liege darin, größere Verwerfungen abzufangen, um den Bestand der Praxen zu schützen und einem Sicherstellungsproblem vorzubeugen. Die Zielsetzung, eine im entsprechenden Quartal vor Einführung des neuen EBM erworbene Honorarerwartung zu schützen, stelle einen sachlichen Grund dafür dar, allein auf die Honorarverhältnisse des Vorjahresquartals abzustellen, und besondere Umstände - wie die Lage junger Praxen - unberücksichtigt zu lassen. Zudem habe durch ein Anknüpfen an die Werte des Vorjahresquartals eine Vergleichbarkeit unter dem Gesichtspunkt jahreszeitlich bedingt schwankender Patientenzahlen gewährleistet werden sollen.
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Der Fallwertrückgang sei auf EBM-Ä-bedingte Verwerfungen zurückzuführen, die etablierte Praxen gleichermaßen treffen könnten. Der Verlust werde im Falle des Klägers durch eine entsprechend hohe Auffüllung abgefangen. Die Rechtsprechung des BSG zu Anfängerpraxen sei zu Honorarbegrenzungsregelungen ergangen; bei der Ausgleichsregelung handele es sich jedoch um eine Bestandsschutzregelung. Der Kläger habe durch die Ausgleichsregelung ein Honorar erzielt, dass an das durchschnittliche Honorar seiner Fachgruppe - im entsprechenden Quartal 62.742,23 Euro - heranreiche. Bei zusätzlichen Auffüllungen einzelner Praxen käme es zu einer Stützung, die keinen Leistungsbezug mehr aufweise. Im Übrigen sehe sie - die Beklagte - in Teil F Ziffer 3.7 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 27./28.8.2008, in dem eine Regelung zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste vorgesehen sei, eine Öffnungsklausel, die ihr die Möglichkeit einräume, eine der Ausgleichsregelung nahezu inhaltsgleiche Regelung zu treffen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26.11.2008 sowie des Sozialgerichts Marburg vom 16.1.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend. Der Berechnung des Auffüllbetrages sei seine aktuelle Fallzahl, mindestens jedoch die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe zugrunde zu legen. Neu niedergelassenen Ärzten müsse unter Gleichheitsgesichtspunkten eine Chance zur Etablierung am Markt gegeben werden. Gerade junge Praxen, die den EBM-Ä-bedingten Verwerfungen ausgesetzt seien, verfügten nicht über ein finanzielles Polster. Im Ergebnis enthalte die Ausgleichsregelung eine versteckte Begrenzungsregelung zu Lasten junger Praxen; sie führe auch in der Folgezeit zu geringeren Auffüllbeträgen. Selbst wenn es sich dabei um eine Anfangs- und Erprobungsregelung handele, müsse diese die gesetzlichen Grundlagen und die Rechtsprechung des BSG beachten. Die Benachteiligung junger Praxen sei für die Beklagte offensichtlich gewesen und nicht erst im Rahmen der Erprobung der Ausgleichsregelung aufgetreten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat die für die angefochtenen Bescheide maßgeblichen Regelungen des HVV der Beklagten, soweit diese den auf die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV beschränkten Streitgegenstand betreffen, zu Recht beanstandet.
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1. Die für die Beurteilung des Rechtsstreits maßgeblichen Regelungen des HVV entsprechen nicht den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der Belange unterdurchschnittlich abrechnender sowie neu gegründeter Praxen entwickelt worden sind. Die Praxis des Klägers gehört sowohl zur Gruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen - ihr Umsatz lag im Quartal II/2005 mit 55.484,44 Euro unter dem Durchschnitt der Fachgruppe von 62.742,23 Euro - als auch zur (Unter-)Gruppe der neu gegründeten Praxen, da der Kläger erst seit Februar 2004 vertragsärztlich tätig ist.
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a) In der Rechtsprechung des Senats ist wiederholt klargestellt worden, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (ua BSGE 83, 52, 58 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 ff; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 195; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; zuletzt Urteile vom 28.1.2009, B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 24 mwN sowie B 6 KA 4/08 R RdNr 12). Dem Vertragsarzt muss - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sogenannten Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17 sowie das weitere Urteil vom 28.3.2007, B 6 KA 10/06 R - MedR 2007, 560 = USK 2007-26) - die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 18; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG, Urteile vom 28.1.2009 aaO). Daher ist allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufzuschließen (stRspr des Senats, ua BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 206 f; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 28) und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 17; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26).
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Für neu gegründete Praxen (sog "Aufbaupraxen" bzw "Anfängerpraxen") gelten insoweit Besonderheiten, als ihnen in der Aufbauphase, die auf einen Zeitraum von drei, vier oder fünf Jahren bemessen werden kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 32 RdNr 16; BSG MedR 2007, 560 = USK 2007-26), die Steigerung auf den Durchschnittsumsatz sofort möglich sein muss, während dies anderen, noch nach der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG jeweils aaO). Allerdings haben auch Aufbaupraxen keinen Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung, der über den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe hinausgeht (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 6 RdNr 19). Soweit in Urteilen des Senats (BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, jeweils RdNr 19, sowie - mit pauschaler Bezugnahme hierauf - in den Urteilen vom 28.1.2009, aaO RdNr 28 bzw 14) ausgeführt worden ist, neu gegründete Praxen seien für die Zeit des Aufbaus "von der Wachstumsbegrenzung völlig freizustellen", ist klarzustellen, dass sich dies nicht auf Umsatzsteigerungen generell bezog, sondern allein auf Fallzahlzuwachsregelungen.
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b) Die vom Senat für diese Gruppen aufgestellten Grundsätze gelten nicht allein für Honorarbegrenzungsregelungen - namentlich Individualbudgets und Fallzahlzuwachsregelungen -, auch wenn sie bei der Beurteilung von Streitfällen entwickelt worden, in denen der Honorarverteilung entsprechende honorarbegrenzende Regelungen zugrunde lagen. Die Aussage des Senats, dass dem Vertragsarzt die Chance bleiben muss, neue Patienten für sich zu gewinnen und hierdurch im Ergebnis seinen Umsatz zu steigern, zielt nicht auf bestimmte Honorarverteilungsregelungen, sondern auf das Ergebnis der Honorarverteilung. Es kommt daher nicht darauf an, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet sind und welchen (primären) Zweck sie verfolgen, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirken. Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 28.1.2009 (B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 30 und B 6 KA 4/08 R RdNr 16) darauf hingewiesen, dass "alle für die betroffene Praxis maßgeblichen HVM-Regelungen, insbesondere Honorarbegrenzungsregelungen" so viel Spielraum zulassen müssen, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden kann. Diese Aussage gilt entsprechend für die neu gegründeten Praxen in der Aufbauphase einzuräumende Möglichkeit, ohne zeitliche Verzögerung den Durchschnittsumsatz zu erreichen.
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Im Übrigen wirkt sich die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV auf neu gegründete Praxen regelhaft wie eine Honorarbegrenzungsregelung aus. Das Anknüpfen an die Fallzahlen des Vorjahresquartals bedingt bei Praxen in der Aufbauphase naturgemäß, dass nur ein Teil des ihnen EBM-Ä-bedingt (potenziell) entstehenden Fallwertverlustes ausgeglichen wird, da die Fallzahl des Referenzquartals bei ihnen regelmäßig deutlich unter der des aktuellen Quartals liegen wird. Während etablierte Praxen über die Ausgleichsregelung etwaige (EBM-Ä-bedingte) Fallwerteinbußen zu 95 % ausgeglichen erhalten, ihr Umsatz bzw Honorar bei konstanter Fallzahl also ungefähr gleich hoch bleibt, liegt die Ausgleichsquote bei Praxen in der Aufbauphase aufgrund der Anknüpfung an die Fallzahlen des Vorjahresquartales deutlich niedriger. Die Auswirkungen der in Ziffer 7.5.2 HVV getroffenen Regelung entsprechen für Aufbaupraxen faktisch einer Fallzahlbegrenzungsregelung, da sie bei einem Fallzahlzuwachs für die neuen Fälle nur eine verminderte - nämlich unter Zugrundelegung eines nicht durch Ausgleichsbeträge aufgefüllten Fallwerts berechnete - Vergütung erhalten.
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Hierdurch wird es ihnen letztlich unmöglich gemacht, den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu erreichen. Denn selbst wenn eine Aufbaupraxis im aktuellen Quartal die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe erreicht hätte, läge ihr Umsatz zwingend unter dem durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe. Dies belegt folgende Überlegung: der durchschnittliche Umsatz der Fachgruppe wird maßgeblich durch etablierte Praxen bestimmt, welche wegen des im Regelfall abgeschlossenen Praxisaufbaus und der daraus resultierenden konstanten Fallzahl für alle Fälle Ausgleichsbeträge nach Ziffer 7.5 HVV erhalten können, soweit der neue EBM-Ä bei ihnen zu Fallwertrückgängen führt. Im Falle des Klägers betrug der aufgefüllte Fallwert 75,5019 Euro; für jeden weiteren Fall erhielt er hingegen nur 41,4561 Euro, also nur rund 55 %. Geht man davon aus, dass der aufgefüllte Fallwert bei etablierten Praxen ungefähr dem des Klägers entsprach, könnten Aufbaupraxen den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe daher allenfalls dann erreichen, wenn es ihnen innerhalb eines Jahres gelänge, ihre Fallzahl weit über die durchschnittliche Fallzahl hinaus zu steigern. Dies ist nicht hinnehmbar.
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c) Die Ausgleichsregelung in Ziffer 7.5 HVV betrifft auch keineswegs einen ggf zu vernachlässigenden Randbereich der Honorarverteilung. So betrug im Falle des Klägers dessen ohne Anwendung der Ausgleichsregelung errechnetes Honorar (ohne sonstige Kostenträger) lediglich 33.828,20 Euro und wurde durch einen Auffüllbetrag in Höhe von 19.848,73 Euro aufgestockt; der Honoraranteil aus dieser Ausgleichsregelung betrug mithin 36,98 % des Gesamthonorars (ohne sonstige Kostenträger). Der Ausgestaltung der Sonderregelung kam also zumindest für den Kläger - vermutlich aber für eine weitaus größere Gruppe von Ärzten - ganz erhebliche honorarwirksame Bedeutung zu. Auch dieser Gesichtspunkt steht dem Argument der Beklagten entgegen, dass es sich bei der strittigen Regelung nicht um eine Honorarbegrenzungsmaßnahme, sondern lediglich um eine Bestandsschutzregelung handele. Denn wenn ein ggf erheblicher Teil des Honorars von der Ausgestaltung dieser Bestandsschutzmaßnahme abhängt und diese an arztindividuelle Werte anknüpft - wie vorliegend an die Fallzahlen des Vorjahresquartals -, dann wirkt sich die Bestandsschutzregelung im Ergebnis nicht nur, wie bereits dargelegt, wie eine Honorarbegrenzungsmaßnahme in Form einer Fallzahlzuwachsbegrenzung aus, sondern ist dem Verdacht ausgesetzt, durch eine zumindest verzögerte Berücksichtigung des Wachstums bei jungen Praxen vorrangig dem Bestandsschutz etablierter Praxen zu dienen.
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Ein Anknüpfen an Vorjahresquartale ist schließlich nicht zur Berücksichtigung jahreszeitlich bedingter Schwankungen in den Patientenzahlen zwingend erforderlich. Diesem Umstand kann in generellen Regelungen durch eine Zugrundelegung von Jahreswerten und in Sonderregelungen für Aufbaupraxen bzw unterdurchschnittlich abrechnende Praxen in der Weise Rechnung getragen werden, dass zB auf Durchschnittswerte der Fachgruppe abgestellt wird.
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2. Die Beklagte kann sich zur Rechtfertigung der beanstandeten Regelung weder auf den ihr als Normgeberin zukommenden Gestaltungsspielraum noch auf einen erweiterten Gestaltungsspielraum bei Anfangs- und Erprobungsregelungen berufen.
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a) Bei der Ausgestaltung des HVV haben die Vertragspartner - wie zuvor die KÄVen - einen Gestaltungsspielraum (stRspr des Senats, vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 50 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 17). Diese Gestaltungsfreiheit geht typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG aaO mwN). Der HVV muss jedoch mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (vgl BVerfGE 33, 171, 184 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 15 R; BSGE 81, 213, 217 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152) sowie den aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten (s ua BSGE 75, 187, 191 f = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 9; zuletzt BSG, Urteil vom 28.11.2007, B 6 KA 23/07 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 36 RdNr 10). Dies ist jedoch - wie bereits dargelegt - infolge der Nichtbeachtung der vom Senat aufgestellten Grundsätze nicht der Fall.
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b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr bzw den Vertragspartnern des HVV als Normgeber bei der Neuregelung komplexer Materien ein besonders weiter Spielraum in Form von Ermittlungs-, Erprobungs- und Umsetzungsspielräumen zusteht (vgl BSGE 88, 126, 137 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 157). Dieser rechtfertigt sich daraus, dass sich häufig bei Erlass der maßgeblichen Vorschriften deren Auswirkungen nicht in allen Einzelheiten übersehen lassen und deshalb auch gröbere Typisierungen und geringere Differenzierungen zunächst hingenommen werden müssen (vgl ua BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 60; BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 24, 42; vgl auch BVerfGE 33, 171, 189 = SozR Nr 12 zu Art 12 GG S Ab 17 R). Mit dieser relativ weiten Gestaltungsfreiheit bei Anfangs- und Erprobungsregelungen korrespondiert eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht des Normgebers, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne Normadressaten unzumutbar geworden sind (stRspr des Senats, vgl SozR 3-2500 § 87 Nr 15 S 60 f unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 80 f; BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 42).
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Auch wenn es sich bei dem zur rechtlichen Beurteilung anstehenden HVV - namentlich den Regelungen zur Abfederung von (potenziellen) Verwerfungen im Zuge der Einführung des neuen EBM-Ä 2005 - dem Grunde nach um eine Anfangs- und Erprobungsregelung handelt, entbindet dieser Umstand die Beklagte nicht pauschal von der Beachtung der rechtlichen Vorgaben. Vielmehr hat sie klar vorhersehbaren Auswirkungen einer Regelung auch bei einer Anfangs- und Erprobungsregelung Rechnung zu tragen. Hierzu gehört spätestens seit den grundlegenden Entscheidungen des Senats zu Mengenbegrenzungsregelungen in Honorarverteilungsmaßstäben aus dem Jahre 1998 (BSGE 83, 52 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 ua) die Erkenntnis, dass ein Anknüpfen an Vorjahresquartale regelmäßig insbesondere neu gegründete Praxen daran hindern wird, das durchschnittliche Umsatzniveau der Fachgruppe zu erreichen. Daraus wiederum resultiert die Verpflichtung der Vertragspartner des HVV, bei der Ausgestaltung von Regelungen, die - wie die "Auffüllregelung" nach Ziffer 7.5 HVV - an vorangegangene Zeiträume anknüpfen, die besondere Situation unterdurchschnittlicher, namentlich neu gegründeter Praxen zu berücksichtigen.
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3. Die Beklagte kann auch keine Rechte aus den Beschlüssen des erweiterten Bewertungsausschusses - namentlich dessen Vorgaben zum Ausgleich überproportionaler Honorarverluste - herleiten, die dieser im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Honorarsystems ab dem 1.1.2009 (vgl §§ 87a ff SGB V) getroffen hat (s hierzu Engelhard in Hauck/Noftz, Stand Februar 2010, SGB V, K § 87b RdNr 59 ff). Abgesehen davon, dass diese Beschlüsse keine Rückwirkung entfalten, würden sie selbst dann, wenn sie (entsprechende) Anwendung fänden, keine Benachteiligung von unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen bzw Aufbaupraxen rechtfertigen. Denn auch eine vom Bewertungsausschuss vorgegebene Ausgleichsregelung wäre an den rechtlichen Vorgaben und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG zu messen. Ein etwaiges Fehlen von Sonderregelungen zugunsten unterdurchschnittlich abrechnender Praxen in den vom Bewertungsausschuss beschlossenen Regelungen würde mithin die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt davon entheben, in ihrem HVV entsprechende Regelungen vorzusehen.
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4. Schließlich hat das LSG zutreffend dargelegt, dass die danach erforderliche Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen nicht von Fall zu Fall durch den Vorstand der Beklagten getroffen werden kann, sondern es insoweit einer normativen Ergänzung bzw Änderung des HVV bedarf. Die für die Honorarverteilung wesentlichen Grundsätze müssen im HVV selbst geregelt werden und dürfen nicht dem Vorstand der KÄV im Wege von Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 32 S 245 f; BSGE 83, 52, 60f = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 209f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 240). Andernfalls würde es zu einer dem Gesetz widersprechenden Kompetenzverlagerung von der Vertreterversammlung zum Vorstand sowie zum Unterlaufen der Einbeziehung der Krankenkassen in die Honorarverteilung kommen (BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210). Dies gilt erst recht seit der ab dem Jahre 2004 vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarung des HVV zwischen den KÄVen und den Verbänden der Krankenkassen.
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Zwar ist der Vorstand der KÄV berechtigt, Ausnahmen für atypische Fälle vorzusehen (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 241; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196; BSG SozR 3-2500 § 121 Nr 4 S 20), da die Vertragspartner gar nicht in der Lage sind, alle atypischen Fallgestaltungen in ihrer Vereinbarung zu berücksichtigen. Die Kompetenz des Vorstandes ist dabei nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten" beschränkt, sondern gilt generell für atypische Versorgungssituationen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 241; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196). Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Regelung für "atypische" Ausnahmefälle (wie Urlaub oder Krankheit); die besondere Lage neu gegründeter Praxen stellt keine unvorhersehbare Besonderheit oder unspezifische Härte dar. Vielmehr handelt es sich um "typische" Ausnahmefälle, da die in der Anknüpfung an das Vorjahresquartal liegende Benachteiligung von Aufbaupraxen bei diesen regelhaft eintritt. Strukturelle Fehlfestlegungen im Rahmen der Honorarverteilung können nicht auf diesem Wege korrigiert werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
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