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BVerfG 27.07.2023 - 2 BvR 427/23
BVerfG 27.07.2023 - 2 BvR 427/23 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Durchsetzung einer fachgerichtlichen Entscheidung bzgl Maßnahmen im Strafvollzug (Aushändigungen von Aktenordnern zwecks Anfertigung einer Steuererklärung) - Unzulässigkeit mangels schlüssiger Darlegung einer Verletzung des Rechtsschutzanspruchs (Art 19 Abs 4 GG)
Normen
Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 120 Abs 1 S 1 StVollzG, § 172 VwGO
Vorinstanz
vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 15. Februar 2023, Az: 13 StVK 41/23, Beschluss
vorgehend LG Freiburg (Breisgau), 18. Februar 2023, Az: XX, Entscheidung
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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I.
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Der inhaftierte Beschwerdeführer begehrt die Genehmigung der Justizvollzugsanstalt für die Zusendung und die anschließende Aushändigung von Aktenordnern mit Bankunterlagen zur Anfertigung seiner Einkommensteuerklärung 2021.
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1. Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2023 gab das Landgericht Freiburg im Breisgau der Justizvollzugsanstalt Freiburg im Wege einer einstweiligen Anordnung auf, dem Beschwerdeführer drei Aktenordner mit Bankdokumenten nach Zusendung durch dessen Verlobte "auszuhändigen".
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2. Nachdem die Justizvollzugsanstalt mit Verfügung vom 17. Februar 2023 zunächst lediglich die Einsichtnahme und Anfertigung von Kopien der benötigten Papiere genehmigt hatte, beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Februar 2023, die Justizvollzugsanstalt gemäß § 120 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) in Verbindung mit § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 20.000 Euro gerichtlich zu verpflichten, die in der einstweiligen Anordnung auferlegte Verpflichtung zu befolgen und auszuführen.
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3. Mit gerichtlicher Verfügung vom 23. Februar 2023 bat das Landgericht die Justizvollzugsanstalt um "umgehende Stellungnahme" und wies darauf hin, dass es die Aushändigung der Aktenordner, nicht die bloße Möglichkeit zur Einsichtnahme angeordnet habe. Mit weiterer Verfügung vom 11. April 2023 kündigte das Landgericht an, dass es beabsichtige, gegen die Justizvollzugsanstalt ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro durch Beschluss anzudrohen und nach fruchtlosem Ablauf einer bis zum 17. April 2023 gesetzten Frist festzusetzen.
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4. Daraufhin genehmigte die Justizvollzugsanstalt mit Verfügung vom 12. April 2023, dass bei einem Versand der drei Aktenordner diese an den Beschwerdeführer ausgehändigt würden. Er könne sie auf seinem Haftraum verwahren oder zu seiner Habe geben.
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II.
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1. Mit der am 5. April 2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde, die der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbindet, rügt er eine Verletzung von Art. 1, Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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Die Justizvollzugsanstalt habe bislang nicht auf die gerichtliche Verfügung vom 23. Februar 2023 reagiert und leiste dem Beschluss des Landgerichts weiterhin keine Folge. Die "Nichtverbescheidung" seines Antrags vom 18. Februar 2023 durch das Landgericht sei verfassungswidrig und verletze ihn insbesondere in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht sei - trotz des noch anhängigen Hauptsacheverfahrens - geboten, da ihm durch die "Nicht-Abgabe" der Steuererklärung finanzielle und rechtliche Nachteile drohten.
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2. Mit Schreiben vom 11. Mai 2023 hat das Ministerium der Justiz und für Migration des Landes Baden-Württemberg Stellung genommen. Die Justizvollzugsanstalt habe die Aushändigung der begehrten Unterlagen mit Verfügung vom 12. April 2023 entsprechend dem gerichtlichen Beschluss vom 15. Februar 2023 umfassend genehmigt und diese Entscheidung dem Beschwerdeführer am 13. April 2023 eröffnet. Eine Aushändigung der Unterlagen sei allerdings aus tatsächlichen Gründen noch nicht möglich gewesen, nachdem diese durch die Verlobte des Beschwerdeführers bisher nicht an die Justizvollzugsanstalt übersandt oder übergeben worden seien.
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3. Mit am 5. Juli 2023 eingegangenem Schreiben hat der Beschwerdeführer erwidert, dass die Justizvollzugsanstalt es ihm bislang nicht ermöglicht habe, die für die Fertigung seiner Einkommensteuererklärung 2021 notwendigen Unterlagen einzusehen. Es handele sich dabei um "75 Leitzordner", die sich bei seiner Verlobten befänden. Diese sei aus beruflichen Gründen nicht in der Lage, ihm die notwendigen Dokumente bereitzustellen. Er habe daher bei der Justizvollzugsanstalt Lockerungen beantragt, um die 75 Aktenordner selbst zu sichten. Dies habe die Justizvollzugsanstalt rechtswidrig abgelehnt. Zwar habe das Landgericht Freiburg im Breisgau die entsprechende Vollzugsplanfortschreibung der Justizvollzugsanstalt vom 16. Januar 2023 aufgehoben, soweit ihm darin eine Unterbringung im offenen Vollzug und Vollzugslockerungen versagt worden seien. Dennoch seien ihm im Rahmen der erneuten Vollzugsplanfortschreibung vom 31. Mai 2023 wiederum keine Lockerungen gewährt worden. Nachdem eine Entscheidung des Landgerichts über seinen dagegen gerichteten Antrag nicht vor September/Oktober 2023 zu erwarten sei, sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht geboten.
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4. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Sie ist unzulässig.
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1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren der die behauptete Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorzutragen. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 49>; 86, 122 127>; 88, 40 45>; 105, 252 264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll; soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, müssen diese herangezogen werden (vgl. BVerfGE 77, 170 214 ff.>; 78, 320 329>; 101, 331 345 f.>; 105, 252 264>; 130, 1 21>).
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2. Gemessen daran hat der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung, insbesondere eine Verletzung in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, nicht substantiiert und schlüssig vorgetragen.
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Unstreitig befinden sich die streitgegenständlichen Unterlagen derzeit im Besitz der Verlobten des Beschwerdeführers und sind noch nicht an die Justizvollzugsanstalt versandt worden. Solange die Aktenordner der Justizvollzugsanstalt jedoch nicht vorliegen, ist ihr die Aushändigung der Unterlagen in Umsetzung des Beschlusses des Landgerichts vom 15. Februar 2023 nicht möglich. Dem setzt der Beschwerdeführer nichts Substantielles entgegen. Die Gründe, wieso seiner Verlobten die Versendung der Aktenordner bislang nicht möglich gewesen sein soll, liegen jedenfalls nach dem Erlass der Verfügung vom 12. April 2023 außerhalb der Einflusssphäre der Justizvollzugsanstalt.
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Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Verfahrensdauer im Verfahren nach § 120 Abs. 1 Satz 1 StVollzG in Verbindung mit § 172 VwGO keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Prozessführung des Landgerichts lässt in Anbetracht der Verfügungen vom 23. Februar und 11. April 2023 eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung noch nicht erkennen.
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Die vom Beschwerdeführer nunmehr begehrten Lockerungsmaßnahmen waren nicht Gegenstand des mit Beschluss vom 15. Februar 2023 abgeschlossenen Verfahrens. Nach seinem Vortrag ist dazu ein weiteres Hauptsacheverfahren beim Landgericht Freiburg im Breisgau anhängig. Ob zudem ein Antrag auf fachgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz gestellt wurde, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die mangelnde Erschöpfung des Rechtsweges entgegen.
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3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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