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BFH 11.01.2011 - VII R 17/10
BFH 11.01.2011 - VII R 17/10 - Beschaffenheitsuntersuchung in sog. Jumbo-Kartons verpackter entbeinter Teilstücke von Rindfleisch, für das Ausfuhrerstattung gewährt werden soll
Normen
Art 70 ZK, Art 71 ZK, Art 51 Abs 1 EGV 800/1999, Art 51 Abs 4 EGV 800/1999, Art 2 Abs 1 EGV 765/2002, Art 5 EGV 765/2002, EGV 2319/2002, Art 70 EWGV 2913/92, Art 71 EWGV 2913/92
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 12. Februar 2010, Az: 4 K 387/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Mit dem vorgeschriebenen der Ausfuhrsendung als Probe zu entnehmenden und der Warenkontrolle zugrunde zu legenden "Karton" ist die für gefrorenes Rindfleisch übliche Verpackungseinheit eines auf Paletten stapelbaren Pappkartons mit ca. 20 kg Inhalt gemeint .
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2. NV: Ist das zur Ausfuhr angemeldete Rindfleisch nicht in solchen Kartons, sondern - wie im Streitfall - in sog. Jumbo-Kartons mit jeweils mehr als 400 kg Inhalt verpackt, entspricht es Sinn und Zweck der unionsrechtlich vorgeschriebenen Warenkontrolle, diesen Jumbo-Kartons bei der Probenziehung gefrorene Fleischblöcke von jeweils ca. 20 kg als Kartonäquivalent zu entnehmen. Ein solcher Fleischblock muss nicht mehrere Fleischstücke enthalten .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete im März 2003 42 sog. Jumbo-Kartons (Kartoninhalt 437 bis 492 kg) gefrorenes Rindfleisch zur Ausfuhr nach Russland an, das sie in der Ausfuhranmeldung als Fleisch von Rindern, gefroren, ohne Knochen, anderes, einschl. Hackfleisch, 78 GHT oder mehr Gehalt an magerem Rindfleisch außer Fett, der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 30 90 9200 bezeichnete. Die Abfertigungszollstelle entnahm drei verschiedenen Kartons jeweils einen Fleischblock als Probe zur Überprüfung durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt bei der Oberfinanzdirektion Hamburg (ZPLA). Diese ermittelte einen Gehalt an magerem Rindfleisch von 62,8 % für das erste untersuchte Fleischstück, für das zweite 87,2 % und für beide einen durchschnittlichen Gehalt an magerem Rindfleisch von 75,5 %.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte deshalb die Gewährung der beantragten Ausfuhrerstattung ab und setzte zugleich eine Sanktion gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 102/11) fest.
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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass Probenziehung und -untersuchung nicht den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 765/2002 (VO Nr. 765/2002) der Kommission vom 3. Mai 2002 über die Probennahme und die Festlegung bestimmter Modalitäten für die Warenkontrolle von entbeinten Teilstücken von Rindfleisch, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt werden soll (ABlEG Nr. L 117/6), entsprochen habe, weil der Umfang der entnommenen Proben nicht ausreichend gewesen sei. Aus dem Normengefüge der VO Nr. 765/2002 lasse sich ableiten, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber unter einem Karton i.S. des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 765/2002 ein Behältnis verstehe, in dem mehrere Teilstücke Fleisch verpackt seien. Dem widerspreche es, dass die Abfertigungszollstelle den Jumbo-Kartons nur jeweils ein Fleischstück als Probe entnommen habe. Die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Teilbeschau löse die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK) nicht aus, weshalb gemäß Art. 71 Abs. 2 ZK die in der Anmeldung enthaltenen Angaben zugrunde zu legen seien.
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Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass es bisher, also auch zu der Zeit, als die VO Nr. 765/2002 bzw. die (Vorgänger-)Verordnung (EG) Nr. 2457/97 (VO Nr. 2457/97) der Kommission vom 10. Dezember 1997 über die Probennahme für die Warenkontrolle von entbeinten Teilstücken von Rindfleisch, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt werden soll (ABlEG Nr. L 340/29), erlassen worden sei, die Ausfuhr dieser Erzeugnisse verpackt in Kartons mit ca. 20 kg Inhalt die Regel gewesen sei. Neuen Verpackungsmethoden in Gestalt der sog. Jumbo-Kartons hätten sich die Zollbehörden angepasst, indem sie diesen großen Verpackungseinheiten einzelne Fleischblöcke von ca. 20 kg als "Kartonäquivalent" entnommen hätten. Art. 3 und 4 VO Nr. 765/2002, die das FG für seine Auffassung, ein Karton enthalte mehrere Teilstücke, herangezogen habe, beträfen bestimmte Sondererstattungsware, um die es im Streitfall nicht gehe; im Übrigen stütze der Wortlaut dieser Vorschriften die Auffassung des FG nicht. Auch Art. 5 VO Nr. 765/2002 lasse sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Karton mehrere Teilstücke enthalten müsse; vielmehr finde diese Vorschrift auch dann Anwendung, wenn der Probenkarton nur ein Teilstück enthalte.
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Die Klägerin hält das FG-Urteil im Ergebnis für richtig. Neben der VO Nr. 765/2002 seien Art. 70, 71 ZK anzuwenden, die für die Probenentnahme und -untersuchung eine repräsentative durchschnittliche Probe forderten. Im Streitfall habe die Abfertigungszollstelle zwar eine repräsentative Durchschnittprobe bestehend aus Bauchlappen, Nacken und Schulter gezogen, die ZPLA habe es jedoch unterlassen, diese repräsentative Probe zu untersuchen, indem sie die Untersuchung auf nur zwei Teilstücke erstreckt habe, und zwar auf diejenigen, bei denen das Risiko des Nichterreichens des Mindestgehalts an Magerfleisch am größten gewesen sei. Diese Verfahrensweise sei willkürlich gewesen. Auch wenn man auf den Streitfall ausschließlich die VO Nr. 765/2002 anwenden wollte, müsste die anstelle des "ganzen Kartons" entnommene Probe die drei Teilstückarten enthalten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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1. Das HZA hat die beantragte Ausfuhrerstattung zu Recht versagt (§ 101 Satz 1 FGO). Da nach dem Ergebnis der Probenuntersuchung der Gehalt an magerem Rindfleisch unter dem für Erzeugnisse der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 30 90 9200 vorgeschriebenen Mindestgehalt von 78 GHT lag, war nach Art. 5 Satz 3 VO Nr. 765/2002 keine Erstattung zu gewähren.
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Anders als das FG meint, ist die Untersuchung der Proben durch die ZPLA rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Die in der Regel im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde liegende Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts im Rahmen der Teilbeschau überprüft wird, war im Streitfall durch die speziellen für Erzeugnisse der vorliegenden Art geltenden Vorschriften eingeschränkt.
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Die Nomenklatur der landwirtschaftlichen Erzeugnisse für Ausfuhrerstattungen in der im Streitfall maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2319/2002 (VO Nr. 2319/2002) der Kommission vom 13. Dezember 2002 zur Ersetzung der Anhänge der Verordnung (EWG) Nr. 3846/87 (ABlEG Nr. L 354/1) schreibt in der Fußnote 6 Satz 2 zur Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 30 90 9200 vor, dass sich der durchschnittliche Gehalt an magerem Rindfleisch auf die Menge der Probe gemäß der Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 2457/97 bezieht, dem --nachdem diese Verordnung mit Wirkung vom 1. Juli 2002 durch die VO Nr. 765/2002 abgelöst worden ist-- der gleichlautende Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 765/2002 entspricht. Nach dieser Vorschrift besteht die Probe für die Warenkontrolle aus zwei ganzen Kartons, die an unterschiedlichen Stellen der Partie entnommen werden.
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b) Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, mit der eine unionsweit einheitliche Methode der Warenkontrolle festgelegt und für die zu entnehmende Probe eine bestimmte Einheit der Ausfuhrerzeugnisse bestimmt werden soll, welche zur Bestimmung des Magerfleischgehalts ausreicht und zugleich möglichen kleineren und tolerierbaren Schwankungen des Magerfleischgehalts bei einzelnen Fleischstücken Rechnung trägt, der als Probeneinheit bezeichnete "Karton" nicht ein sog. Jumbo-Karton sein kann, wie er im Streitfall als Verpackung gewählt worden ist. Der Senat geht mit dem HZA davon aus, dass der Verordnungsgeber mit dem gewählten Begriff des "Kartons" die seinerzeit übliche Verpackungseinheit für gefrorene Rindfleischstücke gemeint hat, wie sie auch dem erkennenden Senat aus Verfahren entsprechender Art bekannt ist, nämlich einen auf Paletten stapelbaren Pappkarton von ca. 60 x 40 x 15 cm Größe, der in Kunststofffolie gewickeltes gefrorenes Rindfleisch in einer Menge von ca. 20 kg enthält.
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Befindet sich das auszuführende gefrorene Rindfleisch nicht in einer solchen Verpackung, sind --anders als die Klägerin offenbar meint-- die Vorschriften der VO Nr. 765/2002 nicht etwa unanwendbar. Vielmehr sind, um dem o.g. Sinn und Zweck der Verordnung Rechnung zu tragen, bei der Teilbeschau der Ausfuhrsendung Rindfleisch-Einheiten in einem Umfang zu entnehmen und zu untersuchen, welcher dem Inhalt des üblicherweise verwendeten "Kartons" entspricht. Ob die vom Verordnungsgeber vorgeschriebene Methode der Probenuntersuchung angewendet wird, kann nicht davon abhängen, welche Art von Verpackung der Ausführer für die Erzeugnisse gewählt hat.
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Im Streitfall sind der Ausfuhrsendung dem Inhalt eines "Kartons" entsprechende Fleischblöcke als Probe entnommen worden und die ZPLA ist bei der Probenuntersuchung gemäß der vorgeschriebenen Untersuchungsmethode verfahren, indem sie --wie es Art. 5 Satz 1 und 2 VO Nr. 765/2002 verlangt-- zunächst den Magerfleischgehalt eines der Sendung entnommenen Fleischblocks von 20,6 kg bestimmt und, nachdem dieser den vorgeschriebenen Mindestgehalt nicht aufwies, einen zweiten der Sendung entnommenen Fleischblock von 22,44 kg untersucht und anschließend den Durchschnittsgehalt an Magerfleisch beider Proben bestimmt hat.
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c) Der Ansicht des FG, dass ein "Karton" i.S. des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 765/2002 ein Behältnis sei, in dem mehrere Teilstücke Fleisch verpackt seien, und dass daher bei nicht in solchen Kartons verpacktem Fleisch die zu untersuchende Probe ebenfalls aus mehreren Teilstücken bestehen müsse, folgt der Senat nicht. Diese Ansicht lässt sich auf die --für Erzeugnisse des Streitfalls ohnehin nicht anwendbaren-- Art. 3 Unterabs. 1 und 2 und Art. 4 VO Nr. 765/2002 nicht stützen, denn der Wortlaut dieser Vorschriften passt sowohl auf Kartons, die mehrere Teilstücke enthalten, als auch auf solche, die nur ein Teilstück enthalten. Ebenso wenig gibt der Wortlaut des auf Erzeugnisse des Streitfalls anzuwendenden Art. 5 VO Nr. 765/2002 etwas für die vom FG vertretene Auffassung her. Dass nach Satz 1 dieser Vorschrift der "gesamte Inhalt" eines Probenkartons zu zerkleinern, zu einer homogenen Masse zu vermischen und auf seinen Gehalt an magerem Rindfleisch zu überprüfen ist, schließt nicht aus, dass der "gesamte Inhalt" des Kartons aus nur einem Teilstück besteht.
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d) Ebenso wenig ist der Ansicht der Klägerin zu folgen, dass die ZPLA eine aus Bauchlappen, Nacken und Schulter bestehende Probe hätte untersuchen müssen. Dieser Ansicht steht die Vorschrift der Fußnote 6 Satz 3 zur Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 30 90 9200 der VO Nr. 2319/2002 entgegen, wonach die Probe aus dem Teil der Partie, in dem das Risiko am höchsten ist, zu untersuchen ist. Dies widerspricht eindeutig der Auffassung der Klägerin, dass es auf den durchschnittlichen Magerfleischgehalt aller in der Ausfuhrsendung enthaltenen Teilstückarten ankomme.
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e) Anders als die Klägerin hat der Senat keine Zweifel an der Gültigkeit der VO Nr. 765/2002 und sieht daher keinen Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten. Weshalb es für die Klägerin --wie sie meint-- nicht vorhersehbar war, dass eine in Anwendung der maßgebenden Vorschriften über die Warenkontrolle durchgeführte Teilbeschau zur vollständigen Versagung der Ausfuhrerstattung sowie zur Verhängung einer Sanktion führen könnte, erschließt sich nicht.
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2. Die Voraussetzungen des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 4 VO Nr. 800/1999 für die Verhängung einer Sanktion liegen im Streitfall vor. Die Klägerin hat die Gewährung von Ausfuhrerstattung für Rindfleisch der Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 30 90 9200 beantragt. Die Warenkontrolle hat jedoch zu dem Ergebnis geführt, dass die Ausfuhrerzeugnisse tatsächlich nicht die nach dieser Marktordnungs-Warenlistennummer erforderlichen Beschaffenheitsmerkmale aufwiesen. Die Klägerin hat somit eine höhere als die ihr zustehende Ausfuhrerstattung beantragt.
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