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BFH 17.02.2010 - I R 85/08
BFH 17.02.2010 - I R 85/08 - Kapitalertragsteuereinbehalt (sog. Zinsabschlag) bei Tafelpapieren
Normen
§ 44 Abs 1 S 3 EStG 1997, § 44 Abs 1 S 3 EStG 2002, § 44 Abs 1 S 4 Nr 1 Buchst a DBuchst b EStG 1997, § 44 Abs 1 S 4 Nr 1 Buchst a DBuchst b EStG 2002, § 42 AO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Juli 2008, Az: 3 K 143/05, Urteil
Leitsatz
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1. Es ist nicht missbräuchlich (§ 42 AO), wenn eine inländische Bank ihre Kunden veranlasst, Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen (sog. Tafelpapiere) über ein ausländisches Kreditinstitut einzulösen. Auszahlende Stelle i.S. von § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 1997/2002 ist dann das ausländische Kreditinstitut, das nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 nicht zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet ist .
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2. Die Steuerabzugspflicht eines inländischen Kreditinstituts tritt bei der Einlösung solcher Tafelpapiere jedoch ein, wenn der Gegenwert der Zinsscheine zwar ausländischen Kreditinstituten gutgeschrieben wird, jene aber bei wertender Betrachtung als bloße "Auszahlstellen" des inländischen Kreditinstituts aufgetreten sind. Dies ist der Fall, wenn sich das inländische Kreditinstitut verpflichtet hatte, ihm von dem ausländischen Kreditinstitut vorgelegte Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen nicht über die Landesbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern direkt über sich selbst einzulösen .
Tatbestand
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I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Nachforderungsbescheids (betreffend Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschläge) unter Hinweis auf eine Verletzung der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung dieser Abgaben (Auszahlung der auf Inhaberschuldverschreibungen --IHS-- bezogenen Zinserträge durch ausländische Kreditinstitute). Streitjahre waren ursprünglich 1993 bis 2002 und sind nunmehr im Revisionsverfahren noch 1999 bis 2002.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Sparkasse. Kunden der Klägerin besaßen IHS, die inländische Kreditinstitute (auch die Klägerin selbst) als effektive Stücke ausgegeben hatten (sog. Tafelpapiere). Bei der Auszahlung von Zinsen auf diese Papiere war nach der Rechtslage ab 1. Januar 1993 grundsätzlich eine anrechenbare Kapitalertragsteuer (sog. Zinsabschlag) von der auszahlenden Stelle einzubehalten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a, § 43a Abs. 1 Nr. 4, § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung der Zinsbesteuerung [Zinsabschlaggesetz] vom 9. November 1992, BGBl I 1992, 1853, BStBl I 1992, 682 --EStG 1990 n.F., nachfolgend EStG 1997/2002--): "Auszahlende Stelle" ist danach dasjenige inländische Kreditinstitut, "das die Kapitalerträge gegen Aushändigung der Zinsscheine ... einem anderen als einem ausländischen Kreditinstitut auszahlt oder gutschreibt".
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In der Kreditwirtschaft waren im Zuge der Einführung des sog. Zinsabschlags Überlegungen angestellt worden, ob den Kunden Wege aufgezeigt werden könnten und sollten, die Zinsscheine unter Vermeidung des Zinsabschlags anonym einzulösen. Zur Klärung der Möglichkeit der anonymen Einlösung von Zinsscheinen durch Kunden inländischer Sparkassen im Ausland ist Kontakt zu ausländischen Banken aufgenommen worden. Mitarbeiter der Klägerin haben ab Einführung des Zinsabschlags Kunden, die zur Einlösung von IHS in Filialen oder der Zentrale der Klägerin erschienen sind, darauf hingewiesen, dass es durch Einlösung bei ausländischen Kreditinstituten möglich sei, den ansonsten gebotenen Zinsabschlag von 35 % zu vermeiden. Dabei kam es auch dazu, dass Mitarbeiter der Klägerin den Kunden zur Einlösung bereite ausländische Kreditinstitute im nahe gelegenen Ausland benannt und die Kunden dort telefonisch avisiert haben. Zwischen der Klägerin und einer ausländischen Bank war eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden, dass diese Bank ihr vorgelegte Zinsscheine von IHS der Klägerin (aber auch anderer inländischer Emittenten) nicht über die Landeszentralbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern unmittelbar über die Klägerin einlöste, wobei die Klägerin für die Einlösung einen Teil der bei der Auszahlung (in DM-Devisen) einbehaltenen Gesamtprovision (Anteil der Klägerin: 1 % des jeweiligen Zinsertrags) erhalten sollte. Zwei Kundenberater der Klägerin hatten sich darüber hinaus einzelnen Kunden gegenüber bereit erklärt, deren Zinsscheine entgegen zu nehmen und sie bei einer ausländischen Bank persönlich zur Zahlung einzulösen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) hat gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 4. August 2005 für die Jahre 1993 bis 2002 Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschläge hierzu in Höhe von insgesamt rd. ... € nachgefordert (§ 167 Abs. 1 Satz 1 und § 155 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO-- i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997/2002). Er ging dabei in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die Klägerin durch planmäßiges und zielgerichtetes Handeln, ohne dass es dafür andere als steuervermeidende Gründe gegeben habe, den in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 geregelten Ausnahmetatbestand der Einlösung der Zinsscheine über ein ausländisches Kreditinstitut herbeigeführt und diesen Tatbestand damit durch eine i.S. des § 42 (Abs. 1) Satz 1 AO rechtsmissbräuchliche Gestaltung erschlichen habe. Da dies mindestens bedingt vorsätzlich geschehen sei, sei aufgrund der verlängerten Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) auch die Einbeziehung der Abgaben für die Jahre 1993 bis 1997 geboten. Die Klage gegen den Nachforderungsbescheid --von der Klägerin beschränkt auf die Abgabenschuld, die nicht auf die Situation der eigenhändigen Einlösung der Kundenpapiere durch Mitarbeiter der Klägerin ausgelöst wurde-- war erfolgreich (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 143/05, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1965).
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Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Nachforderungsbetrag betreffend die nachgeforderten Beträge (Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschläge) der Jahre 1999 bis 2002 herabgesetzt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird im Umfang des Revisionsbegehrens (Streitjahre 1999 bis 2002) aufgehoben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, soweit es eine Nachforderung der Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschläge 1999 bis 2002 ausgeschlossen hat. Zum Umfang der Nachforderung sind allerdings weitere Feststellungen zu treffen, die vom FG nachzuholen sind.
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1. Dass das FA zur Inanspruchnahme der Klägerin unter Hinweis auf von ihr pflichtwidrig nicht einbehaltene und nicht abgeführte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschläge einen sog. Nachforderungsbescheid (§ 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO) erlassen durfte und nicht einen Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 1997/2002) erlassen musste, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Daher verzichtet der Senat insoweit auf weitere Ausführungen und verweist auf seine Erwägungen im Senatsbeschluss vom 18. März 2009 I B 210/08 (BFH/NV 2009, 1237).
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2. Der Nachforderungsbescheid ist im Umfang der in der Revisionsinstanz noch streitbefangenen Zeiträume 1999 bis 2002 jedenfalls teilweise rechtmäßig, da die Klägerin eine gesetzliche Steuerabzugsverpflichtung verletzt hat. Die Klägerin war hinsichtlich der ihr von ausländischen Kreditinstituten zur Einlösung vorgelegten Zinsscheine teilweise zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag verpflichtet.
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a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG 1997/2002 unterliegen Zinsen aus Anleihen, über die --wie im Streitfall-- Teilschuldverschreibungen ausgegeben worden sind, der Kapitalertragsteuer sowie --i.V.m. § 1 (Abs. 1 und 2), § 3 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 6 des Solidaritätszuschlaggesetzes in den jeweiligen für die Streitjahre maßgeblichen Fassungen-- dem darauf berechneten Solidaritätszuschlag. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG 1997/2002). Dabei hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle den Steuerabzug vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 1997/2002). Auszahlende Stelle ist nach § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG 1997/2002 nach der dortigen Nr. 1 Buchst. a für die in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a EStG 1997/2002 bezeichneten Kapitalerträge das inländische Kreditinstitut. Ist kein inländisches Kreditinstitut die die Kapitalerträge auszahlende Stelle, wird der Schuldner der Kapitalerträge unter denselben Voraussetzungen wie ein inländisches Kreditinstitut zur auszahlenden Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. b EStG 1997/2002).
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b) Die Zinsscheine, die im Streitfall eingelöst wurden, waren nicht von der Klägerin selbst verwahrt oder verwaltet worden. Daher konnte sich eine Steuerabzugspflicht der Klägerin nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002 nur aus der dort unter Doppelbuchst. bb getroffenen Regelung ergeben. Danach musste die Klägerin "die Kapitalerträge gegen Aushändigung der Zinsscheine ... einem anderen als einem ausländischen Kreditinstitut" auszahlen oder gutschreiben. Die vom FG getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende Beantwortung der Frage zu, inwieweit im Streitfall ein solcher Sachverhalt vorliegt.
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aa) Die Klägerin hat den Gegenwert der Zinsscheine ausländischen Kreditinstituten ausgezahlt bzw. gutgeschrieben. Insoweit ist das FG zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorlage von Zinsscheinen zu Auszahlungszwecken bei einem ausländischen Kreditinstitut eine Steuerabzugsverpflichtung nicht auslöst; ein ausländisches Kreditinstitut ist grundsätzlich nicht auszahlende Stelle i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG 1997/2002 und die Einlösung der Zinsscheine durch das ausländische Kreditinstitut bei der Klägerin erfüllt den in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 normierten Ausnahmetatbestand.
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bb) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass die Ausnahme von der Steuerabzugspflicht unabhängig davon gilt, ob der jeweilige Zinsschein mit der zugehörigen Schuldurkunde von dem ausländischen Kreditinstitut verwahrt und verwaltet wird oder ob das ausländische Kreditinstitut selbst im Wege eines Tafelgeschäfts --also eines Wertpapiergeschäfts, bei dem die Abwicklung zwischen dem Kreditinstitut und dem Bankkunden durch Übergabe der effektiven Stücke am Schalter gegen Barzahlung erfolgt, ohne dass der Name des Bankkunden festgehalten wird (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332; Lindberg, Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte, 1996, Rz B 195)-- in den Besitz des Zinsscheins gelangt ist. Denn dem Gesetzeswortlaut ist insoweit keine Einschränkung zu entnehmen.
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Der ursprüngliche Gesetzentwurf, der eine Beschränkung auf von dem ausländischen Kreditinstitut verwahrte bzw. verwaltete Wertpapiere vorgesehen hatte (vgl. BTDrucks 12/2501, S. 5), war insoweit ausdrücklich nicht weiterverfolgt worden (vgl. BTDrucks 12/2736, S. 35). Im Übrigen bezieht sich die in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 beschriebene Form realisierter Kapitalerträge auf solche Wertpapiere, die regelmäßig von den jeweiligen Gläubigern zur Wahrung ihrer Anonymität selbst verwahrt und verwaltet und gerade nicht bei (inländischen oder ausländischen) Kreditinstituten in Depotverwahrung gegeben werden ("Tafelpapiere"). Dann ist es aber konsequent, dass der Gesetzgeber zur Kennzeichnung der von der Steuerabzugspflicht ausgenommenen Fälle allein an die Auszahlung oder Gutschrift gegenüber einem ausländischen Kreditinstitut anknüpft und auf die Einschränkung der dortigen Verwahrung oder Verwaltung hingegen verzichtet hat.
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Insoweit hat der Gesetzgeber durch die Änderung des Gesetzentwurfs die Möglichkeit geschaffen, dass inländische und ausländische Erträge durch Einschaltung eines ausländischen Kreditinstituts nunmehr auch im Tafelgeschäft zinsabschlagsfrei realisiert werden können (so Bullinger/Radke, Handkommentar zum Zinsabschlag, 1994, Rz 461; s. auch Zeitler, Deutsche Steuer-Zeitung 1993, 513, 518; Ramackers in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 44 Rz 12; Lindberg, a.a.O., Rz C 150; derselbe in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 44 EStG Rz 7; Seemann in Frotscher, EStG, § 44 Rz 20c; Geurts in Bordewin/Brandt, EStG, § 44 Rz 23; s. auch Keßler, Betriebs-Berater 1993, 183, 186: "legales Schlupfloch"). Auf dieser Grundlage sind die von Mitarbeitern der Klägerin erteilten Hinweise auf die Möglichkeit einer zinsabschlagsfreien Einlösung von Tafelpapieren im Ausland als Hinweise auf die bestehende Rechtslage anzusehen, die die Rechtsposition der Klägerin nicht berühren. Für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bleibt damit im Grundsatz kein Raum.
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cc) Soweit die ausländischen Kreditinstitute jedoch bei wertender Betrachtung als bloße "Auszahlstellen" eines inländischen Kreditinstituts als der eigentlichen "auszahlenden Stelle" i.S. des § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002 aufgetreten sind, ist eine Abzugspflicht nicht nach dem Ausnahmetatbestand in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 ausgeschlossen.
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aaa) Auch wenn der Begriff der "auszahlenden Stelle" in § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1997/2002 sich regelmäßig auf die Funktion des Auszahlens als eines bloß technisch-tatsächlichen Vorgangs beziehen wird, verlangt das Gesetz dennoch ein Mindestmaß an eigenständiger und selbstverantworteter Wahrnehmung dieses Vorgangs. Die "auszahlende Stelle" darf nicht als ausgelagertes Quasi-Organ desjenigen (inländischen) Kreditinstituts agieren, welches die IHS begeben hat. So verhält es sich indes, wenn die beschriebene Funktion des Auszahlens letztlich "fremdgesteuert" aufgrund arbeitsteiliger Absprachen erfolgt und die anschließende Wertpapierabrechnung gegenüber den inländischen Kreditinstituten losgelöst von den üblichen Usancen direkt zwischen den beiden Instituten abgewickelt wird. Auf die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage danach, ob sich die in Rede stehende Abwicklungsgestaltung als rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO darstellt, kommt es bei diesem normspezifischen Regelungsverständnis von § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG 1997/2002 dann nicht mehr an.
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bbb) Eine solche Situation liegt im Streitfall aufgrund der hier vorliegenden besonderen tatsächlichen Gegebenheiten vor:
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Nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffenen und damit im Revisionsverfahren bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG hat die Klägerin mit zumindest einem ausländischen Kreditinstitut eine Vereinbarung dahingehend getroffen, ihr von diesem Kreditinstitut vorgelegte Zinsscheine nicht über die Landeszentralbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern unmittelbar selbst einzulösen. Soweit eine solche Vereinbarung bestand, hat die Klägerin nur formal die Kapitalerträge dem ausländischen Kreditinstitut ausgezahlt bzw. gutgeschrieben. In der Sache hat sie das ausländische Kreditinstitut durch die Vereinbarung und deren tatsächlichen Vollzug im Streitfall in Einzelfällen beispielsweise durch ein "Avisieren" der Kunden von einem Einlösungsrisiko (insbesondere mit Blick auf evtl. gefälschte Zinsscheine) befreit und eine Möglichkeit für eine umwegfreie und anonyme Weiterleitung der Papiere an sich selbst sichergestellt. Die Funktion des ausländischen Kreditinstituts bestand so gesehen ausschließlich darin, die Zinsscheine der inländischen Kunden der Klägerin in Empfang zu nehmen und in bar (DM-Devisen) --unter Einbehaltung einer (Gesamt-)Provision, die zu einem Teil der Klägerin zustand-- auszugleichen sowie alsdann die Zinsscheine an die Klägerin weiterzuleiten. Sowohl für die Gläubiger der Kapitalerträge als auch für die Klägerin hatte das ausländische Kreditinstitut damit lediglich die Funktion einer Empfangs- und mittelbaren Auszahlstelle.
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Dieser wertenden Betrachtung des Tatbestandsmerkmals steht nicht entgegen, dass das Geschäft auf der Grundlage der Vereinbarung sowohl für das ausländische Kreditinstitut als auch für die Klägerin zu einem Provisionsertrag führte (der bei einer inländischen Einlösung nicht angefallen wäre) bzw. dass es nach der zivilrechtlichen Grundlage der Vereinbarung zu einem jeweiligen Forderungserwerb durch das ausländische Kreditinstitut und einer Abtretung an die Klägerin gekommen ist. Wenn aber das ausländische Kreditinstitut durch diese Vereinbarung und den entsprechenden praktischen Vollzug das "Einlösungsgeschäft" der Klägerin betrieben hat, ist die Klägerin die "auszahlende Stelle" i.S. des § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002, was eine Pflicht zur Entrichtung der Kapitalertragsteuer begründet.
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Diesem Auslegungsergebnis kann schließlich nicht entgegengehalten werden, dass die Anbindung des ausländischen Kreditinstituts an das Inland durch die Kooperationsvereinbarung nicht der Anbindung in einem Konzernverbund gleichkomme und letztere Situation (Einlösung durch ausländische Zweigstellen eines inländischen Kreditinstituts) durch die gesetzliche Regelung ausdrücklich von einer Pflicht zur Kapitalertragsteuererhebung befreit sei. Die besondere Motivation, die die Befreiung der Auslandsbanken ("Verhinderung von Risiken für den Kapitalmarktzins für DM-Werte und den Außenwert der DM" bzw. die Abwendung einer "Gefahr(en) einer Kapitalmarktspaltung") und daran aus "wettbewerbspolitischen Gründen" anschließend der ausländischen Zweigstellen inländischer Kreditinstitute nach den Motiven im Gesetzgebungsverfahren (BTDrucks 12/2736, S. 34) trägt, kann die Klägerin nicht für sich beanspruchen.
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ccc) Die Klägerin ist ihrer Steuerabzugspflicht nicht nachgekommen. Die tatbestandlichen Erfordernisse des § 44 Abs. 5 EStG 1997/2002, die auch beim Erlass eines Nachforderungsbescheides zu beachten sind (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 29/07, BFHE 222, 500, BStBl II 2010, 142), sind erfüllt. Nach § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 1997/2002 entfällt die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge, wenn dieser nachweist, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Die Vereinbarung mit dem ausländischen Kreditinstitut war gerade zu dem Zweck getroffen worden, eine unzweifelhaft bei inländischer Auszahlung bestehende Kapitalertragsteuerpflicht zu vermeiden. Ob dieser Erfolg der Kooperation tatsächlich eingetreten war, ließ sich im Augenblick der Auszahlungen keinesfalls zuverlässig einschätzen. Die Ungewissheiten über die Rechtswirkungen der Vereinbarung (s. insoweit auch Senatsurteile in BFHE 222, 500, BStBl II 2010, 142; vom 18. März 2009 I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613; vom 6. Oktober 2009 I R 24/08, BFH/NV 2010, 248) sind weder dadurch (nachträglich) behoben worden, dass ein FG (die Vorinstanz) in einem später absolvierten Gerichtsverfahren zu der Erkenntnis gelangt ist, eine Einbehaltungspflicht habe nicht bestanden, noch dadurch, dass die (baden-württembergische) Finanzverwaltung die in Rede stehenden Vorgänge zunächst und auch bei anderen Entrichtungsverpflichteten unbeanstandet belassen haben mag. Angesichts der im Auszahlungszeitpunkt bestehenden Ungewissheiten wäre es allein pflichtgerecht gewesen, wenn die Klägerin zur Vermeidung von Haftungsfolgen ihrer Pflicht zur Deklaration der Auszahlungen (evtl. verbunden mit dem Hinweis auf eine abweichende Rechtsmeinung, die im Rechtsbehelfsverfahren durchzusetzen ist) ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Da die Klägerin darauf verzichtet hat, ist ihr die Pflichtverletzung und deren erforderlicher Verschuldensmaßstab anzulasten.
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3. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- Feststellungen zu dem Umfang der Kapitalerträge, die unter Hinweis auf eine solche Vereinbarung an ein ausländisches Kreditinstitut ausgezahlt worden sind, nicht getroffen. Gegenstand der Nachforderung sind vielmehr nach der Aktenlage sämtliche Kapitalerträge, die auf --aus dem Ausland hereingenommene-- Zinsscheine von IHS entfallen. Die nach Maßgabe der Entscheidungsgründe notwendigen Feststellungen zur Höhe der Kapitalerträge, die im Zusammenhang mit der konkreten Einlösevereinbarung stehen, sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die nachzufordernden Beträge zu berechnen und festzusetzen.
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