Ärzte fordern Vorgehen gegen Arbeitskräftemangel im EU-Gesundheitswesen
Angesichts fehlender Arbeitskräfte im europäischen Gesundheitswesen verlangen Ärztevertreter und Politiker ein entschlossenes und koordiniertes Vorgehen. „Der Mangel an Gesundheitspersonal ist in den meisten europäischen Ländern ein drängendes Problem“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, heute in der von der BÄK und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Brüssel veranstalteten Diskussionsrunde „Morning Rounds“. BÄK und KBV forderten eine gemeinsame EU-Strategie. Die EU hat laut Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD 1,2 Millionen Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte zu wenig.
Die Europäische Union müsse helfen, berufliche Mobilität im Gesundheitswesen zu vereinfachen, sagte Reinhardt. Ohne Einwanderung sei die gesundheitliche Versorgung in Deutschland nicht aufrechtzuerhalten. Der BÄK-Chef warnte jedoch davor, allein auf das Anwerben von Gesundheitsfachkräften aus dem Ausland zu setzen. „Migration führt zu Engpässen in den Herkunftsländern.“ Die Rekrutierung von Personal müsse auch ethisch vertretbar sein. Die EU-Mitgliedstaaten sollten daher auch „eine ausreichende Anzahl von Fachkräften ausbilden, um ihren eigenen Bedarf zu decken“.
Auch die EU-Parlamentarier Tilly Metz (Grüne) und Dennis Radtke (Europäische Volkspartei) betonten, dass die Engpasssituation beim Gesundheitspersonal dringend angegangen werden müsse. „Die Pandemie hat gezeigt, dass wir gemeinsam handeln können“, sagte Metz. „Dies ist ein entscheidendes Thema“, ergänzte Radtke. Das EU-Parlament müsse hier eine treibende Kraft sein. Gleichzeitig verwies Radtke auf die Komplexität des Problems. „Es reicht nicht aus, nur auf einen Knopf zu drücken, und dann ist alles gelöst.“
Der Abgeordnete Vytenis Andriukaitis (Progressive Allianz der Sozialdemokraten) sprach sich für einen holistischen Ansatz aus. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln und gemeinsam handeln“, sagte der frühere EU-Gesundheitskommissar. Er sei ein großer Befürworter der Weiterentwicklung des Lissabon-Vertrags, um gemeinsame europäische Kompetenzen im Gesundheitssektor zu schaffen.
Marco Marsella von der EU-Kommission führte aus, die Kommission habe nun erstmals Zahlen zur Personalkrise im Gesundheitswesen vorliegen. Diese Informationen seien eine wichtige Basis für das weitere Vorgehen. Es gebe keine Patentlösung für alle Mitgliedstaaten. Anfang Januar hatte die EU-Kommission erstmals eine Initiative gestartet, um EU-Länder bei der Bindung und Anwerbung von Pflegekräften zu unterstützen. (at)