Ärzte für mehr Patientensteuerung und weniger Bürokratie
Mehr Patientensteuerung, weniger Bürokratie, solidere Finanzierung: Die Ärzteschaft hat ihre gesundheitspolitischen Forderungen zur Bundestagswahl 2025 vorgelegt. „In Deutschland werden die Patientinnen und Patienten viel zu oft mit der Organisation und Koordination ihrer Versorgung allein gelassen“, beklagte der Präsident der Bundesärztekammer (Bäk), Klaus Reinhardt, heute. Weltweit sei das deutsche Gesundheitswesen das einzige mit völlig ungeregeltem Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen.
Gleichwohl haben laut einer neuen Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes 60 Prozent der Menschen in Deutschland eher weniger oder gar kein Vertrauen, dass es auch in Zukunft gelingen wird, eine qualitativ hochwertige und bezahlbare gesundheitliche medizinische Versorgung sicherzustellen. Die AOK will weitere Ergebnisse der Umfrage gemeinsam mit ihren Positionen zur Bundestagswahl morgen präsentieren.
Die Bäk wirbt für ein Hausarztmodell, das die ambulante Versorgung neu ausrichten soll. Die Gesundheitsversorgung stehe vor massiven Herausforderungen, die mutige Reformen erforderten, erklärte Reinhardt. Er wies darauf hin, dass in bestimmten Regionen jeder zweite Versicherte im Schnitt zwei Hausärzte habe. Angesichts von Personalnot und knappen Kassen könne man sich „solche Redundanzen nicht mehr leisten“, warnte Reinhardt. Es müsse zum Normalfall werden, dass Patienten sich bei einer Hausarztpraxis einschrieben, die die Weiterbehandlung koordiniere.
Ganz oben auf dem Aufgabenzettel der Ärzteschaft für die neue Regierung steht auch der Bürokratieabbau. Die Bäk schlägt eine dreijährige Bürokratie-Taskforce von Politik und Selbstverwaltung vor, die die Bürokratiebelastung im Gesundheitswesen um mindestens zehn Prozent pro Jahr zu senken soll. Dies könnte 20.000 bis 30.000 ärztliche Vollzeitstellen für die Versorgung von Patienten freisetzen, rechnete Reinhardt vor.
Mit Blick auf die steigenden Kassenbeiträge schlägt die Bäk unter anderem vor, versicherungsfremde Leistungen über Steuern zu finanzieren, den Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel zu halbieren und die Einnahmen aus der Tabak- und Alkoholsteuer in das Gesundheitssystem fließen zu lassen. Dies alles zusammengenommen wäre ein Gesamtentlastungspotenzial von etwa 2,5 Beitragspunkten, sagte Reinhardt. „Das ist schon ganz anständig.“ Deutschland schneide trotz hoher Ausgaben für das Gesundheitssystem bei der Lebenserwartung in Europa nur mittelmäßig ab. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag sei „verbesserungsfähig“. Auch die Barmer formulierte heute ihre Erwartungen an die nächste Regierung. Die Kasse fordert eine strukturelle Neuausrichtung. (at)