AOK warnt vor schlechterer Versorgung durch GHG
Der AOK-Bundesverband befürchtet „immensen zusätzlichen Aufwand“ durch die vorgesehene Öffnung bestehender Disease-Management-Programme (DMP) im Zuge des geplanten „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG). Laut eigener Berechnungen erhöhe sich die potenzielle Teilnehmerzahl an den eigentlich für chronisch Erkrankte vorgesehenen Behandlungsprogrammen um bis zu 34 Millionen. In der Folge drohten eine höhere Belastung der Hausärzte um bis zu 32 Arbeitstage und nach einer fünfjährigen Hochlaufphase für die Kassen potenzielle Mehrkosten von bis zu 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Krankenkassen verpflichten, DMP auch für Patienten zugänglich machen, die zwar das Risiko einer Herzerkrankung haben, aber noch nicht chronisch erkrankt sind.
Die aktuellen Pläne stellten die Grundintention der Chronikerprogramme auf den Kopf, kritisierte Verbandschefin Carola Reimann. Ziel der „seit mehr als 20 Jahren bewährten und nachweislich erfolgreichen“ DMP sei, Folge- und Begleiterkrankungen bei chronisch kranken Menschen auf Basis wissenschaftlicher Evidenz zu verhindern und deren strukturierte Behandlung zu gewährleisten. Hausärzte leisteten „hervorragende Arbeit“ nach klaren Regeln und auf Basis der aktuellen Studienlage. „Durch die Erweiterung der DMP-Zielgruppen und die geplante Absenkung der Qualitätsanforderungen wie den Verzicht auf verpflichtende Patientenschulungen befürchten wir eine Verwässerung“, warnte Reimann. Schon heute würden viele Menschen mit Risikofaktoren im Rahmen der Regelversorgung und mit den bestehenden Vorsorgeuntersuchungen meist adäquat versorgt.
Der Gesetzentwurf blende „die maximal zu erwartenden Aufwände und Kosten“ aus. Die jetzt vorgelegte Folgeabschätzung auf Basis von epidemiologischen Daten, AOK-Abrechnungsdaten und heutigen DMP-Kosten liefert laut AOK erstmals konkrete Zahlen. Demnach müsste der Beitragssatz um 0,22 Prozentpunkte steigen. „Diese Schätzungen dürften mangels Umsetzbarkeit kaum Realität werden“, räumte die Vorständin ein. „Aber sie machen die ganze Absurdität des Vorhabens deutlich.“
Die AOK erneuerte ihre Kritik an der ebenfalls im GHG geplanten Ausweitung des Einsatzes von Cholesterinsenkern. „Dass die zusätzlichen Arzneimittel und evidenzfreien Leistungen auch noch aus dem Etat für Präventionsmittel bezahlt werden sollen, setzt dem Ganzen die Krone auf“, so Reimann weiter. Stattdessen müsse die Primärprävention konsequent gefördert werden. Bestehende Gesundheitsangebote für Kinder und Jugendliche dürften nicht infrage gestellt werden. (rbr)