Arzneien: Ärzte und Apotheker befürchten wieder Engpässe
Ärzte und Apotheker befürchten auch in diesem Herbst und Winter Engpässe bei Arzneien. „Bestimmte Antibiotika oder Medikamente gegen Epilepsie sind jetzt schon wieder schwierig oder auch gar nicht zu bekommen", sagte Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, gestern Abend in der ARD. Der Apothekerverband Abda sieht sogar eine „dauerhafte Lieferkrise“. Optimistischer zeigte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Die Lage werde „in diesem Winter deutlich besser sein“. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) sind derzeit 500 Medikamente in bestimmten Formen nicht lieferbar – ähnlich viele wie im Vorjahr. Betroffen sind etwa Antibiotika, Schmerz- und Asthmamittel.
Besonders bei Kinderarzneien erwartet Lauterbach eine „deutlich bessere Situation“. Auch sonst sei die Versorgung gesichert: „Für die allermeisten dieser Arzneimittel gibt es äquivalente, andere Medikamente, auf die man umstellen kann.“ Die Ampel-Parteien hatten Mitte 2023 ein Gesetz gegen die Engpässe beschlossen. Dieses sieht unter anderem einfachere Austauschregeln für Apotheker, eine mehrmonatige Lagerhaltung und Lockerungen bei den Preisregeln unter anderem für Kinderarzneien vor. Um die Produktion nach Europa zurückzuholen, müssen die Kassen etwa bei Antibiotika-Verträgen den Standort berücksichtigen.
Der Herstellerverband Pro Generika zog eine „ernüchternde Bilanz“: Kein Unternehmen plane bisher eine Ausweitung der Antibiotika- oder Krebsmittel-Produktion in Europa. Deutschland stecke in einer „wirklich dauerhaften Lieferkrise“, so Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda). Die Krankenkassen hatten das Gesetz bereits vergangenes Jahr als ungeeignet kritisiert. Dieses mache die Arznei-Versorgung zwar teurer, aber nicht sicherer, kritisierte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Lauterbach verteidigte die Maßnahmen. Bei Krebsmedikamenten sei eine „Anhebung der Preise um 50 Prozent“ zu beobachten. „Da wirkt unsere Reform“, sagte er gestern. Andere Maßnahmen bräuchten Zeit. Der „Hauptgamechanger“ sei, „dass wir in Zukunft die Generika-Hersteller verpflichten, sechs Monate Vorrat vorzuhalten“. Die 2023 geschlossenen Verträge würden aber noch bis 2025 gelten. Die Vorratspflicht werde daher erst bei neuen Verträgen greifen. Auch die Stärkung des Pharmastandorts Europa benötige Zeit: „Der Aufbau einer neuen Lieferstätte wird in der Regel zwei bis drei Jahre dauern.“ (cm)