Forderung nach Stärkung der häuslichen Pflege
Der Druck aus dem Kassenlager für Reformen im Pflegesektor steigt. Nach Ansicht des BKK-Dachverbandes muss vor allem die Pflege durch Angehörige stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Mit 84 Prozent würde die große Mehrheit der Pflegebedürftigen daheim von An- und Zugehörigen versorgt, dennoch fixiere sich die Politik fast ganz auf den stationären Bereich, sagte Vorständin Anne-Kathrin Klemm heute bei der Vorstellung eines Positionspapiers. Darin fordert der Verband unter anderem einen Pflegelohn für Angehörige und eine grundlegende Neuausrichtung der Tages- und Kurzzeitpflege.
Auch angesichts des Mangels an Fachpersonal sei es an der Zeit, die oft übersehenen, vergessenen und ignorierten Pflegenden daheim stärker zu entlasten, führte Klemm weiter aus. Rund fünf Millionen Menschen, zumeist Frauen, pflegten Familienmitglieder und verzichteten dabei oft auf eine Erwerbsarbeit. Damit erhielten sie später eine niedrigere Rente und riskierten Armut im Alter. Ohne eine tiefgreifende Strukturreform der häuslichen Versorgung gerate eine tragende Säule der Pflege ins Wanken. Eine Stärkung der „Nächstenpflege“ sei auch ein Gewinn für die Wirtschaft, weil so mehr Arbeitskräfte erhalten blieben und die Pflegeversicherung finanziell entlastet werde.
Gleichzeitig zeigte Klemm wenig Zuversicht, dass in dieser Legislaturperiode noch eine „umfassende“ Pflegereform kommt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sei zwar vom Kanzleramt gedrängt worden, sich um das Thema Pflege zu kümmern, „aber wir wissen, dass er dafür nicht wirklich aus dem Haushalt zusätzliche Gelder erhalten wird“. Es sei kein gangbarer Weg, einfach nur die Beitragssätze der Pflegeversicherung zu erhöhen, ohne etwas zu verändern.
Kassenberechnungen zufolge könnte die Pflegeversicherung bis Ende 2024 ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro schreiben und 2025 von rund 3,4 Milliarden Euro. Die Kassen, darunter der AOK-Bundesverband, drängen die Bundesregierung daher zu einer Finanzreform der Pflegeversicherung.
Auch die AOK macht sich dafür stark, die Pflege vor Ort bedarfsgerechter und effizienter zu gestalten – mit dem Ziel des längstmöglichen Verbleibs im gewohnten Umfeld. Zu diesem Zweck schlägt sie eine Flexibilisierung des Leistungsrechts sowie die Aufhebung der Sektorengrenzen vor und setzt sich für eine stärkere Zusammenarbeit von Kommunen, Kranken- und Pflegekassen ein. (at)
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