Gutachten erhöht Handlungsdruck bei Notfallrettung
Deutschland kommt einem Gutachten zufolge bei der Notfallversorgung seiner Schutzpflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nur unzureichend nach. Die Ausgestaltung der Notfallrettung durch die Länder mit der indirekten Finanzierung über die gesetzlichen Krankenkassen erreiche „flächendeckend nicht das pflichtgebotene Ziel eines effektiven und gleichberechtigten Schutzes von Leben und Gesundheit“, heißt es in dem heute in Berlin vorgestellten Rechtsgutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Udo Di Fabio, das er für die Björn Steiger Stiftung erstellt hat. Deren Präsident Pierre-Enric Steiger kritisierte, die Strukturen und Vorgaben in diesem Bereich bewegten sich inzwischen auf dem Niveau von Entwicklungsländern.
„In Deutschland sterben jeden Tag Menschen systembedingt“, sagte Steiger. Deutschlands Rettungswesen bleibe weit hinter internationalen Standards zurück. Stiftungs-Geschäftsführer Christof Chwojka forderte, die Qualität der Lebensrettung dürfe nicht von Zufällen abhängen, sondern müsse qualitätsgesicherten nationalen Vorgaben folgen. Notwendig seien etwa international standardisierte Notruf-Abfragealgorithmen in den Leitstellen, eine flächendeckende, einheitliche Ersthelferalarmierung per App und eine lückenlose Reanimationshilfe am Telefon.
Die „Blockierer“ von Verbesserungen säßen ganz klar auf der Ebene von Ländern und Kommunen, monierte Steiger. Jeder Landkreis wolle seine eigene Leitstelle; Vernetzungen in den Regionen gebe es nicht, dafür eine Vielzahl komplett unterschiedlicher Systeme. Di Fabio machte deutlich, dass die Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ein Problem darstelle. So seien in diesem Sektor die Bundesländer zuständig und müssten den Rettungsdienst intakt halten. Der Bund habe im Sinne seiner Steuerungsverantwortung allerdings durchaus die Pflicht, einheitliche Regelungen für medizinische Leistungen der Notfallrettung zu definieren. Er wolle den Bund ermuntern, diese Steuerungsverantwortung in Erfüllung seiner Schutzpflicht stärker wahrzunehmen und über Leistungsparameter mehr auf die Länder einzuwirken, so der Jurist.
Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch grünes Licht für eine Notfallreform gegeben. Ein Umbau des Rettungsdienstes ist darin bislang nicht enthalten, soll aber im parlamentarischen Verfahren ergänzt werden, wie der Grünen-Politiker Janosch Dahmen nochmal bekräftigte. Zudem hatten Recherchen des SWR gezeigt, dass die Notfallrettung in vielen Regionen eine schlechte Qualität aufweist und bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand Hilfe meist zu spät kommt. (sev)
Datenschutzhinweis
Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.
Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.