Kassenärzte beklagen „Hinhaltetaktik“ in Gesundheitspolitik
Die Kassenärzte haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nachdrücklich aufgefordert, umgehend Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der ambulanten ärztlichen Versorgung vorzulegen. „Uns läuft die Zeit davon. Der Praxenkollaps wird jeden Tag ein Stück unumkehrbarer“, sagte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, heute bei der Vertreterversammlung seiner Organisation in Berlin.
Es sei „dramatisch", dass die Gesundheitspolitik diese Thematik einfach ignoriere und selbst notwendige kleine Sofortmaßnahmen nicht einleite. „Für zielorientierte Gespräche stehen unsere Türen immer offen, aber eine reine Ankündigungspolitik tragen wir nicht länger mit“, betonte Gassen. So hänge die Reform der Akut- und Notfallversorgung „in der politischen Dauerschleife fest“. Zudem habe Lauterbach die mehrfach zugesagte Entbudgetierung der Hausärzte immer noch nicht vollzogen, kritisierte der KBV-Chef. Im Fall der Kinderärzte habe der Minister gezeigt, dass dies innerhalb weniger Wochen möglich sei.
„Die Stimmung an der Basis ist schlecht, die Rahmenbedingungen werden von Jahr zu Jahr schlechter“, beklagte die Vorsitzende der KBV-Vertreterversammlung, Petra Reis-Berkowicz. Es werde immer schwerer, junge Mediziner dafür zu gewinnen, in die berufliche Selbstständigkeit zu gehen „und nicht wie in anderen Ländern schon zu 70 Prozent in die Angestelltentätigkeit“. Diese Entwicklung beeinflusse auch den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen für die ambulante Versorgung, ergänzte Gassen. Wenn es in diesem Bereich immer mehr angestellte Ärzte „mit Streikrecht und 36-Stunden-Verträgen“ gebe, „hat sich das Thema Sicherstellung schnell erledigt“. Um die Versorgung auf aktuellem Niveau aufrechterhalten zu können, müssten laut KBV jährlich etwa 2.500 freiwerdende Arztsitze neu besetzt werden. Gelinge dies nicht, könnten bis 2040 bis zu 40.000 Praxisärzte fehlen.
Als eine Sofortmaßnahme fordern die Ärzte die Abschaffung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen, wenigstens aber eine Bagatellgrenze für Plausibilitätsprüfungen durch die Krankenkassen. Lauterbach hatte bereits eine Grenze von 300 Euro ins Spiel gebracht. Wenn die Bundesregierung plane, Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel künftig vertraulich zu handhaben, seien „preisbezogene Steuerungsinstrumente ohnehin obsolet“, sagte KBV-Vorständin Sabine Steiner. Sie forderte zudem „gesetzliche Garantien“ dafür, dass digitale Anwendungen wie die elektronische Patientenakte „erst dann in die Versorgung kommen, wenn sie ihre Funktionsfähigkeit und Praxistauglichkeit nachgewiesen haben“. (toro)
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