„Lage ist ernst“ – Politiker fordern gezielte Drogenprävention
Angesichts der hohen Zahl an Drogentoten fordert der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), ein rasches übergreifendes Handeln. „Wir brauchen einen gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern für mehr Prävention, mehr Gesundheitsschutz und eine noch zielgenauere Beratung und Therapie“, sagte Blienert heute zu „G+G“. Wer am Sucht- und Drogenhilfesystem säge, der sorge für noch mehr Konsum, riskiere Jugend- und Gesundheitsschutz und spiele mit Menschenleben. „Die Lage ist ernst“, bekräftigte Blienert und verwies darauf, dass sich die Zahl der Toten aufgrund des Konsums illegaler Substanzen in den zurückliegenden zehn Jahren fast verdoppelt habe. Die CDU-Politikerin Simone Borchardt warnte, der europäische Markt werde mit harten Drogen „sinnbildlich überschwemmt“.
In den Blick rücken müssten vor allem die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das soziale Umfeld der Kinder und Jugendlichen, sagte Borchardt G+G. Viele Jugendliche hätten starke Auswirkungen auf ihre Persönlichkeitsentwicklung erfahren. „Wir müssen hier verhindern, dass Drogen als Zufluchtsort missbraucht werden.“ Die für Drogenpolitik zuständige Unionspolitikerin warnte, eine Zielgruppe wie Kinder und Jugendliche werde nicht mit Postern und Flyern erreicht. Notwendig sei eine stärkere Präsenz in den Schulen, aber auch eine „wahrnehmbare Kampagne in den sozialen Medien“. Auch SPD-Politiker Blienert bemängelte, Deutschland gebe zu wenig Geld für Informationen in den Schulen aus und tue insgesamt nicht genug für die Prävention. Diese müsse damit beginnen, dass „unnütze Konsum- und Suchttrigger“ abgebaut würden. „Kaum ein Land lässt so viel Werbung für Alkohol, Tabak und Glücksspiel zu wie wir in Deutschland.“ An Alkohol und Tabak stürben jedes Jahr rund 150.000 Menschen. Zudem brauche es eine Suchtpolitik, die nicht auf Vermutungen und Vorurteilen beruhe, sondern auf Evidenz.
Die Grünen-Parlamentarierin Linda Heitmann sieht nach eigenen Worten die größten Herausforderungen in der Finanzierung und flächendeckenden Verfügbarkeit von Hilfen. „Da es sich bei Suchthilfeangeboten um eine freiwillige kommunale Leistung handelt, wird in Zeiten klammer Haushaltskassen häufig als erstes hier gespart“, sagte sie G+G. In einigen Bundesländern seien noch immer keine Drogenkonsumräume erlaubt. Die steigenden Konsumzahlen bei Kokain und Crack hingen zum einen mit dem global organisierten Drogenmarkt zusammen. Andere Gründe lägen im gesellschaftlichen Umgang etwa mit Leistungsdruck und Fehlerkultur. Auch die zunehmende Wohnungs- und Obdachlosigkeit stelle ein Problem dar.
Die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP, Kristine Lütke, nannte die steigenden Zahlen an Drogentoten „alarmierend“. Suchtkranke dürften nicht länger ausgegrenzt werden. „Sucht ist eine Krankheit und kein Stigma.“ Deshalb müsse über Drogenkonsum, über bessere Suchthilfe und mehr Prävention gesprochen werden. „Wir brauchen mehr niedrigschwellige Hilfen, die schneller und direkter bei den Menschen ankommen“, so Lütke zu G+G.
Laut dem Reitox-Jahresbericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht starben 2023 durch den Konsum illegaler Substanzen 2.227 Menschen – so viele wie noch nie. (sev)