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Mehr Kinder kommen wegen psychischer Nöte in Klinik

06.08.2024 3 Min. Lesedauer

In Deutschland werden zunehmend Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren wegen psychischer Probleme im Krankenhaus behandelt. Ihre Zahl sei 2022 auf rund 81.000 gestiegen, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) heute mit. Dies entspreche 19 Prozent aller 435.900 Klinikfälle in dieser Altersgruppe. Damit liege diese Zahl deutlich höher als noch vor zehn Jahren: 2012 habe der Anteil erst 13 Prozent der damals 589.900 Fälle betragen. Insgesamt stellten psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen damit heute nach Verletzungen und Vergiftungen die zweithäufigste Ursache für stationäre Behandlungen von Zehn- bis 17-Jährigen dar. Dabei zeigen sich laut Destatis starke geschlechtsspezifische Unterschiede.

Demnach landen Mädchen weit häufiger wegen psychischer Probleme und Verhaltensstörungen in der Klinik: Bei ihnen sei 2022 mit 24 Prozent fast jeder vierte Behandlungsfall auf eine solche Diagnose entfallen. Bei Jungen seien es hingegen nur 13 Prozent gewesen. Häufigster Grund für eine Klinikaufnahme von Kindern und Jugendlichen seien depressive Episoden mit 28 Prozent gewesen, gefolgt von alkoholbedingten Einweisungen etwa infolge einer Alkoholvergiftung oder -abhängigkeit mit elf Prozent. Bei weiteren zehn Prozent der Behandlungsfälle wurden Reaktionen auf schwere Belastungen oder Anpassungsstörungen als Diagnose genannt.

Auch insgesamt registrieren Experten wachsende psychische Belastungen bei Minderjährigen. Studien deuteten darauf hin, „dass die Zahl der psychisch belasteten Kinder und Jugendlichen zugenommen hat. Vor allem externalisierendes Verhalten, wie ADHS, Aggression und Unruhe, aber eben auch internalisierende Symptome, zu denen Angst und Depressionen zählen“, sagte der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Manfred Döpfner „Pro Dialog“. „Kinder nehmen bestimmte Phänomene bedrohlicher wahr: Krisen, Kriege, Klimawandel.“ Auch die Corona-Zeit habe viele Kinder und Jugendliche psychisch stark belastet. Kontaktbeschränkungen etwa hätten Kinder härter getroffen als Erwachsene.

Der Leiter des Forschungsbereichs Psychotherapie an der Uniklinik Köln hat zusammen mit Kollegen das Online-Portal „Familiencoach Kinderängste“ der AOK entwickelt. Das kostenlose Selbsthilfeprogramm unterstützt Eltern von Kindern mit Ängsten mit interaktiven Übungen, Expertenvideos und Filmclips. Auch weltweite Ereignisse würden thematisiert, so Döpfner. Medizinische Diagnosen oder Therapien ersetzt der „Familiencoach“ nicht. (cm)