Notfallmediziner: ePA ist „ein echter Quantensprung“
Die Diskussion um die elektronische Patientenakte (ePA) hält kurz vor dem Start des Praxistests an. Als „echten Quantensprung“ wertete die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) die ePA. Bislang seien im Notfall lebenswichtige Patienteninformationen oft nicht verfügbar, sagte Divi-Generalsekretär Uwe Janssens der „Augsburger Allgemeinen“. Daher sei es „aus medizinischer Sicht völlig unvernünftig, der Nutzung der elektronischen Patientenakte zu widersprechen“. Auch der Bundesverband Medizintechnologie (BVmed) begrüßte die Einführung. Kritik übte der Verband der Kinderärzte.
Wer der ePA widerspreche, „gefährdet möglicherweise die eigene Versorgung und Gesundheit“, warnte Janssens. Besonders in Notfällen könne der Verzicht auf digitale Informationen zu gefährlichen Verzögerungen oder Fehlern führen. Auch für andere Schnittstellen habe die ePA Vorteile, denn die Patientenübergabe sei immer ein Risiko, so der Intensivmediziner. Mit den ePA-Daten könnten sich Behandlungsprozesse „deutlich beschleunigen und verbessern“ und im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz besonders Risikopatienten helfen. Hier könne ein „kleiner Bruchteil“ an Gegnern zum „Störfaktor“ werden, warnte der Divi-Generalsekretär. Nötig sei deshalb „unbedingt mehr Aufklärungsarbeit“.
Dass der Arzt über die ePA direkt alle Befunde einsehen könne, führte auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Interview mit dem Onlineportal web.de als Pluspunkt an. Bei einer Grippe oder einem Sportunfall sei eine Behandlung „per Videoschalte“ möglich. „Von aktuell einer Milliarde Arzt-Patient-Kontakten kann so bis zu einem Drittel eingespart werden“, sagte der SPD-Politiker. Der BVmed forderte die Einbindung der MedTech-Branche und verwies auf das Potenzial der ePA für weitere digitale Anwendungen „mit erheblichen Nutzen für Patientinnen und Patienten sowie für die Forschung“.
Gegen eine Nutzung der ePA durch Minderjährige sprach sich der Präsident des Kinder- und Jugendärzteverbandes, Michael Hubmann, aus. Es gebe speziell für Kinder und Jugendliche deutliche Probleme, die nicht bedacht worden seien, sagte er der „Welt“. Hubmann riet Eltern zum Widerspruch für ihre Kinder, die erst ab Vollendung des 15. Lebensjahres selbst entscheiden dürften.
Das Bundesgesundheitsministerium will am Mittwoch gemeinsam mit Bundesärztekammer und Krankenkassen über den Start der ePA-Erprobung in den drei Modellregionen und über die Einführung für alle Versicherten informieren. (imo)