Organspende: Neuer Anlauf für Widerspruchslösung
Angesichts stagnierender Organspenderzahlen startet ein Bündnis von Bundestagsabgeordneten einen neuen Anlauf für die Einführung einer Widerspruchslösung. „Wir sind schlicht und ergreifend nicht zufrieden mit den Zahlen, die uns vorliegen“, sagte SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar heute bei der Vorstellung eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrages. Die angestrebte Lösung sieht vor, dass jeder einwilligungsfähige Volljährige als Organspender in Frage kommt, sofern er dem nicht widersprochen hat. Ein ähnliches Vorhaben war 2020 im Bundestag gescheitert. Anfang Juni hatte Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative für die Widerspruchslösung eingebracht.
Die durchschnittliche Wartezeit für eine Spenderniere liegt nach Angaben Dittmars bei zehn Jahren. Täglich würden drei Menschen, die auf der Warteliste für ein Organ stünden, sterben. Die 2020 beschlossene Einwilligungslösung habe trotz vieler struktureller Änderungen kaum etwas an den Spenderzahlen geändert. Dittmar hofft nach eigenen Worten auf eine Organspende-Reform noch in dieser Legislaturperiode. Anders als 2020 sehe der aktuelle Antrag nur eine einfache Widerspruchslösung vor. Den nächsten Angehörigen der möglichen Organspenders stehe kein eigenes Entscheidungsrecht zu. Entscheidend sei der Wille des Spenders.
„Wir schöpfen in Deutschland das Potenzial nicht aus“, erklärte Grünen-Gesundheitspolitiker Armin Grau. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 84 Prozent der Bevölkerung einer Organspende positiv gegenüber. Dies stehe im Widerspruch zur aktuellen Situation, in der auf rund 8.000 Menschen auf der Warteliste nur knapp 1.000 Spender kämen.
„Wir brauchen klare Lösungen“, sagte der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann. Er habe sich 2020 im Bundestag für die jetzt geltende Einwilligungsregelung ausgesprochen. Die damit verbundenen Hoffnungen hätten sich aber nicht erfüllt. Länder wie Spanien oder Frankreich verzeichneten ein deutlich höheres Aufkommen an Spenderorganen als Deutschland.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte den Vorstoß. „Wer das Sterben auf der Warteliste beenden will, sollte diese Bundestagsinitiative unterstützen.“ Ablehnung kam vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. „Wer schweigt, stimmt nicht automatisch zu“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung. Der Patientenbeauftragte der Regierung, Stefan Schwarzte, sprach hingegen von einem „wichtigen Schritt“. (at)