SPD und Grüne wollen neuen Anlauf zur Bürgerversicherung
Einen Tag nach der von Bundeskanzler Olaf Scholz verlorenen Vertrauensfrage hat der Wahlkampf endgültig begonnen. Im Falle eines Wahlsieges wollen SPD und Grüne einen neuen Anlauf zur Einführung einer Bürgerversicherung wagen, wie aus ihren heute vorgestellten Wahlprogrammen hervorgeht. Dagegen beharren Union und FDP auf der Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Auch in anderen gesundheitspolitischen Fragen gehen die Positionen der Parteien weit auseinander. Einigkeit herrscht darüber, dass das Gesundheitssystem besser aufgestellt werden muss.
Für 2025 rechnen die Krankenkassen mit teils deutlichen Beitragssatzsprüngen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) schrieb im dritten Quartal 2024 ein Defizit von 3,7 Milliarden Euro. Die FDP will die „ungebremste Leistungsausgabenentwicklung“ in den Griff bekommen, indem die Ausgaben künftig nicht stärker wachsen sollen als die Einnahmen. Die Liberalen wollen alle Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre überprüfen und gegebenenfalls wieder streichen. Die Union setzt auf „mehr Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern“ und einen stärkeren Kassen-Wettbewerb.
Die SPD verspricht, versicherungsfremde Leistungen künftig „verstärkt aus Steuermitteln“ zu finanzieren. „So bleiben die Beiträge für Versicherte sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stabil, und die Ungleichheiten zwischen verschiedenen Versichertengruppen werden beendet“, heißt es im Wahlprogramm. Auch die Grünen möchten den Trend zur Kostenverschiebung „umkehren“. Dies hatten die Ampel-Parteien bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, aber nicht umgesetzt.
In der ambulanten Versorgung will die SPD eine „Termingarantie“ einführen. Gesetzlich Versicherte sollen nicht länger als Privatversicherte auf einen Arzttermin warten. Patienten, bei denen die Termingarantien nicht eingehalten wurden, bekämen einen Anspruch auf niedrigere Beiträge. Der Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, bezeichnete dieses Vorhaben in der „Ärzte-Zeitung“ als „völlig abwegig“. Dagegen wollen die Grünen die Sprechstunden-Zeiten von Kassenärzten erweitern, um das Warten auf Termine zu verkürzen.
Bei der Krankenhausreform will die Union Nachbesserungen auf den Weg bringen. Auch die Grünen wollen Veränderungen durchsetzen. So sollen Privatversicherte stärker für die Kosten des Umbaus herangezogen werden. Bislang sind nur die gesetzlichen Kassen am milliardenschweren Transformationsfonds beteiligt. Die Linke will die Finanzierung der Krankenhäuser ganz neu regeln. Für die Betriebskosten sollen die Krankenkassen vollständig aufkommen. Fallpauschalen sollen komplett abgeschafft werden. Im ambulanten Bereich will die Linkspartei kommunale Versorgungszentren zum „Rückgrat“ der Versorgung machen. (at)