Arztpraxen werden digitaler – Barrieren an Sektorengrenzen
Die Digitalisierung in den Arztpraxen hat in vielen Bereichen deutlich an Fahrt aufgenommen, macht jedoch „immer noch an den Sektorengrenzen Halt“. Das ist das Ergebnis des heute veröffentlichten sechsten „Praxis Barometer Digitalisierung“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Hierfür hat das IGES Institut im Auftrag der KBV 3.165 Ärzte und Psychotherapeuten befragt.
Die Einführung digitaler Anwendungen solle sich auf Bereiche fokussieren, in denen aus medizinischer Sicht der größte Nutzen zu erwarten sei, erklärte KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner. Dies seien derzeit die digitale Übermittlung von Krankenhaus-Entlassbriefen, Arztbriefen, Befund- und Labordaten. Gerade im Austausch mit den Krankenhäusern sei der Anteil der digitalen Kommunikation weiterhin gering, erläuterte sie. Laut Umfrage gaben nur knapp sieben Prozent an, dass die schriftliche Kommunikation mit den Krankenhäusern nahezu oder mehrheitlich digital erfolge.
Steiner forderte, dass Digitalisierung „durch einen konkreten Mehrwert für die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung überzeugen“ müsse und nicht dazu genutzt werden dürfe, weitere nicht-medizinische Aufgaben in die Praxen zu verlagern. Die Zeit für administrative Aufgaben gehe zulasten der Patientenversorgung. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (e-AU) ist laut Befragung die meistgenutzte Telematikinfrastruktur-Anwendung. Fast 92 Prozent der Befragten setzen sie demnach ein.
Weniger etabliert als die e-AU oder das E-Rezept sei dagegen die elektronische Patientenakte (Epa). Dies lasse sich insbesondere auf die geringe Nutzung durch die Patienten zurückzuführen, so Steiner. Sie plädierte für eine vollständige Digitalisierung von Abläufen: „Eine teilweise Digitalisierung schafft doppelte Aufwände und verringert damit die Akzeptanz in der Vertragsärzteschaft.“ Bevor neue Bereiche für die Digitalisierung in den Blick genommen werden, sollten deshalb bereits eingeführte Verfahren vollständig digitalisiert werden. Bei der e-AU sollte spätestens mit Einführung der Opt-Out-Regelung für die Epa ein volldigitalisiertes Verfahren etabliert werden. Beim E-Rezept müsse zeitnah eine digitale Möglichkeit der Übermittlung von Rezepten an Pflegeheime geschaffen werden. Neben einer flächendeckenden Sicherstellung der Qualität der Hard- und Softwarekomponenten forderte die KBV dazu auf, Anwendungen sowie deren Softwareimplementierung vor ihrer Einführung in die Praxen ausreichend zu testen. (ts)