Resistente Keime aus Pharma-Fabriken: „Werte, die ich noch nie gesehen habe“
Immer häufiger versagen Antibiotika im Kampf gegen Infektionen, weil Keime resistent werden. Dabei spielen verseuchte Abwässer aus Pharmafabriken offenbar eine größere Rolle als bisher bekannt. Das zeigt eine heute vorgelegte Pilotstudie im Auftrag der AOK.
Für die Studie wurden an zehn Standorten in Spanien, Italien und Indien Proben entnommen. Die Befunde alarmieren: Die Belastung mit Antibiotika überstieg die Grenzwerte um bis zu 11.000 Prozent. Dies gefährde nicht nur Anwohner, über Abwässer würden sich multiresistente Keime in Umwelt und auch weltweit verbreiten, warnte Baden-Württembergs AOK-Chef Johannes Bauernfeind. Er fordert dringend Umweltvorgaben im EU-Arzneirecht. Die AOK Baden-Württemberg ist die Verhandlungsführerin für die bundesweiten Arzneimittel-Rabattverträge der AOK-Gemeinschaft.
Gemeinsam mit dem IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung und dem Umweltbundesamt (UBA) hat die AOK-Gemeinschaft die bisher beispiellose Pilotstudie 2020 gestartet. Seit Sommer laufen auch in China Proben. Bisher gebe es „so gut wie keine Daten“ zur Belastung von Produktionsabwässern, sagte IWW-Experte Tim aus der Beek. Diese seien ein „wohlbehütetes Geheimnis“. Getestet wurden auch umliegende Gewässer wie Bäche oder Seen. An 40 Prozent der Standorte hätten sich teilweise „enorme“ Überschreitungen von Schwellenwerten gefunden, in einem Gewässer in Indien sogar um 1,6 Millionen Prozent. „Das sind wirklich Werte, die ich so noch nie gesehen habe“, so der Experte.
Die Studie offenbare „hohen Handlungsdruck“, sagte Bauernfeind. Allerdings könne Deutschland mit einem Weltmarktanteil von vier Prozent im Alleingang nicht genug bewirken. Der AOK-Vorstand sieht die EU mit ihrer Marktmacht gefragt. Diese stelle ein Viertel der weltweiten Nachfrage. „Das ist schon ein Hebel.“ Konkret forderte Bauernfeind die Aufnahme von Umweltkriterien in das EU-Arzneimittelrecht. Dies müsse Obergrenzen sowie Standards bei Zulassung und Produktion umfassen. Auch brauche es Kontrollsysteme. Die AOK gilt hier als Vorreiter. Sie arbeitet bereits bei bestimmten Rabattverträgen mit einem Umweltbonus. Ziel der Studie war es auch, deren Einhaltung zu prüfen.
„Wir verlieren langsam den Kampf gegen Infektionskrankheiten“, warnte UBA-Expertin Malgorzata Debiak. Studien zeigten, dass global bereits fünf Millionen Todesfälle im Jahr auf das Konto resistenter Keime gingen. Gerade „massive Einträge“ von Antibiotika in die Umwelt schürten Resistenzen. Dies gefährde auch Anwohner. So fanden die Forscher teilweise auch in nahen Gewässern erhebliche Antibiotikareste. Das betraf etwa einen Bach, der durch Siedlungen, Weideland und Naherholungsgebiete führte. (cm)
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