Ruf nach Hausarztmodellen wird lauter
Hausarztpraxen müssen nach Ansicht von Fachverbänden und Wissenschaftlern endlich zur zentralen Anlaufstelle für Patienten werden. „Es ist höchste Zeit, dass die Primärversorgung in Deutschland gestärkt wird und es eine zentrale Instanz gibt, bei der die Fäden der medizinischen Versorgung zusammenlaufen“, sagte heute der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Martin Scherer. Eine konsequente hausärztliche Steuerung stärke die Patientensicherheit und verbessere die Versorgung. Ähnlich äußerte sich der Frankfurter Versorgungsforscher Ferdinand Gerlach. Internationale Vergleichsstudien zeigten, dass Deutschland bei der Koordination der Versorgung „außergewöhnlich schlecht“ dastehe.
In ihrem Positionspapier spricht sich die DEGAM für ein hausärztliches Primärversorgungssystem mit „obligater Einschreibung“ aus. In einem ersten Schritt soll es für Versicherte, die in den Hausarzttarif ihrer Kasse wechseln, einen Bonus geben. Empfohlen werden zudem Kostenbeteiligungen im Notdienst sowie Gebühren für den Besuch beim Facharzt ohne Überweisung. Nur Augenärzte und Gynäkologen sollen direkt aufgesucht werden können. Mit einem solchen Modell ließen sich trotz Kostenreduktion Lebenserwartung und Prävention steigern sowie Hospitalisierungen und Wechselwirkungen von Medikamenten verringern, betont die DEGAM.
Auch die Bundesärztekammer hatte sich in ihren kürzlich vorgestellten Positionen zur Bundestagswahl für den Ausbau der hausarztzentrierten Versorgung ausgesprochen, ebenso am Mittwoch der Hausärzteverband.
Versorgungsforscher Gerlach verwies im G+G-Interview auf die Erfolge der hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg, die zusammen mit den daran gekoppelten Facharztverträgen zu einer „deutlich besseren, koordinierteren und bedarfsgerechten Versorgung“ geführt habe. Der frühere Vorsitzende des Gesundheits-Sachverständigenrats plädierte für Anreize zur Teilnahme an den Programmen. In Dänemark würden Patienten, die stets zuerst Kontakt mit ihrer Hausarztpraxis aufnähmen, von Zuzahlungen etwa bei Arzneimitteln befreit.
Sinnvoll seien aus seiner Sicht Hausarzttarife, bei denen eingeschriebene Versicherte einen geringeren Beitrag zahlen, erläuterte Gerlach. „Wenn die tatsächliche Inanspruchnahme dann anders als vereinbart erfolgt, müssten Patienten den Normaltarif beziehungsweise bei ungesteuerten Direktinanspruchnahmen einen Praxiszuschlag bezahlen.“ Eine Steuerung könne auch dadurch stattfinden, dass Fachärzte künftig kein Interesse mehr an Patienten ohne Überweisung hätten, weil ihnen etwa Abschläge drohten. (sev)
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