Wissenschaftler fordern Modernisierung der ambulanten Versorgung
Die ambulante und ambulant-stationäre Versorgung werden in Deutschland immer wichtiger, doch gibt es noch viele unbearbeitete Baustellen. Darauf machen Jonas Schreyögg und Robert Messerle vom Hamburg Center for Health Economics aufmerksam. „Um zukunftsfähige Strukturen für die zweifellos an Bedeutung gewinnende ambulante und ambulant-stationäre Versorgung zu erreichen, sind einige Hürden zu überwinden und sowohl neue Versorgungs- als auch Vergütungsoptionen zu gestalten“, betonen die beiden Wissenschaftler in der neuen G+G Wissenschaft. Unter anderem schlagen sie Jahrespauschalen und eine kostenbasierte Vergütung vor. Lösungsansätze für Versorgungsprobleme seien die Bildung von Zentren und modifizierte Hausarztverträge.
Primärversorgungszentren könnten im ländlichen Bereich Anlaufstellen zur Behandlung chronisch Kranker und multimorbider Patienten sein. Geeignet seien auch intersektorale Zentren. Deren Zweck ist es, wohnortnahe Leistungen zu erbringen, für die ein Aufenthalt in einem spezialisierten Krankenhaus nicht nötig ist, etwa wenn es um die allgemeinmedizinische Beobachtung dehydrierter älterer Menschen geht, schreiben Schreyögg und Messerle. Hausarzt-Modelle seien in die Regelversorgung zu überführen. Zudem müsse die Politik Anreize zur Erhöhung der Einschreibequote setzen. Da diese fehlten, nähmen nur etwa zehn Prozent der gesetzlich Versicherten an einem Hausarztmodell teil.
Jahrespauschalen bei der Vergütung könnten nach Ansicht der Autoren helfen, medizinisch nicht notwendige Mehrfachkontakte zu vermeiden. Allerdings bestünde die Gefahr, dass die Versorgung zu einer Blackbox wird. Unklar sei, welche Leistungen auf individueller Ebene noch erbracht werden. Abhilfe könnte sogenanntes Shadow Billing schaffen, bei dem die erbrachten Leistungen noch mit einem Bruchteil des alten Preises vergütet würden. So werde es in Teilen Kanadas praktiziert. Schreyögg und Messerle fordern darüber hinaus eine sachgerechte empirische Kalkulation der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). „Im EBM sind derzeit mehr als die Hälfte der Vergütungsordnung nicht kalkuliert, sondern normativ verhandelt“.
Die beiden Experten erkennen an, dass mit der Einführung sogenannter hybrider Diagnosis Related Groups (DRGs) und Vorhaltevergütungen für Krankenhäuser neue Vergütungsstrukturen angestoßen wurden, die mittelfristig auch zu Änderungen der Versorgungsstrukturen führen sollen. Doch das reiche nicht: „Der Trend zur Tätigkeit in Anstellung bei Ärzten, die Notwendigkeit interdisziplinärer und sektorenübergreifender Zusammenarbeit sowie die zunehmende Bedeutung einer adäquaten Lenkung in bedarfsgerechte Strukturen werden bislang nur unzureichend berücksichtigt.“ (ink)
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