Düstere Prognosen - Zusatzbeitragssatz klettert weiter
Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen wird als Folge teurer Gesetze und Ausgabensteigerungen immer dramatischer. Der tatsächlich erhobene durchschnittliche Zusatzbeitragssatz der Kassen ist infolge erster unterjähriger Beitragssatzanhebungen kleinerer Kassen im Juli von 1,7 Prozent seit Jahresbeginn auf 1,71 Prozent angestiegen. Bis zum Jahresende gehen die AOK-Finanzexperten von einem Anstieg auf mindestens 1,75 Prozent aus. Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) entwickelt sich damit zum teuersten Bundesgesundheitsminister aller Zeiten.
Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt hatte vergangenen Herbst für dieses Jahr einen Anstieg des Zusatzbeitragssatzes auf 1,7 Prozent berechnet, was bereits ein Plus um 0,1 Prozentpunkte darstellte. Da die Ausgabendynamik aber stärker ausfällt als vom Schätzerkreis prognostiziert, gibt es derzeit eine Welle unterjähriger Zusatzbeitragssatzerhöhungen.
Ebenfalls auffällig: Die Schere zwischen der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung geht seit Jahren immer weiter auseinander. Während zu Beginn der 19. Legislaturperiode im Jahr 2017 noch ein Fehlbetrag in Höhe von 10,9 Milliarden Euro über Zusatzbeitragssätze (1,1 Prozent) zu finanzieren waren, mussten am Anfang der 20. Wahlperiode 2021 die Beitragszahlenden bereits 17 Milliarden Euro (1,3 Prozent) über Zusatzbeitragssätze finanzieren. Für 2024 hatte der Schätzerkreis prognostiziert, dass der rechnerisch erforderliche Zusatzbeitragssatz auf 1,7 Prozent ansteigt. Damit hat der Zusatzbeitragssatzbedarf inzwischen die Höhe von 30,2 Milliarden Euro erreicht.
Die tatsächliche Finanzentwicklung weicht allerdings von den Schätzerkreisprognosen deutlich ab. Sowohl 2023 als auch 2024 zeigt sich eine viel höhere Ausgabendynamik als prognostiziert. Die Kassen, die sich im Rahmen der Haushaltsplanung 2024 an den Schätzerkreisergebnissen orientiert hatten, kommen damit in schwieriges Fahrwasser. Die Rücklagen der Kassen wurden 2021 und 2023 durch den Gesetzgeber zwangsweise abgeschmolzen – diese stehen den Kassen zum Ausgleich unterjähriger Ausgabenschwankungen nicht mehr zur Verfügung. Die Kassenfinanzen zeigen sich im ersten Halbjahr 2024 entsprechend defizitär.
Den Meldungen mehrerer großer Kassenverbände zufolge fällt das Minus bei allen Kassenarten mehr als doppelt so hoch aus wie im ersten Quartal. Allein die elf AOKs weisen für das erste Halbjahr 2024 einen Ausgabenüberschuss in Höhe von rund 720 Millionen Euro aus. Die Leistungsaufgaben sind bei der AOK zuletzt um 6,6 Prozent angewachsen.
AOK-Verbandschefin Carola Reimann beklagt daher, dass Lauterbach trotz der düsteren Finanzaussichten das Geld der Beitragszahlenden weiter „mit vollen Händen ausgeben“ wolle. Sie verweist dabei auf die hälftige Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds, die Aufhebung des Budgetdeckels für Hausärzte, das Aufweichen der Amnog-Leitplanken und die geheimen Erstattungspreise. Die Kassen kritisieren zudem, dass im Ampel-Koalitionsvertrag versprochene Maßnahmen zur Entlastung der GKV-Finanzen nicht umgesetzt wurden und auch nicht mehr kommen sollen. Dazu gehört etwa die Anhebung der Pauschalen für Bürgergeld-Beziehende. (sev)
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