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EuGH 14.07.2022 - C-274/21, C-275/21
EuGH 14.07.2022 - C-274/21, C-275/21 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer) - 14. Juli 2022 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Unanwendbarkeit auf die in Art. 2 der Richtlinie 89/665/EWG genannten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und Nachprüfungsverfahren mangels Auslandsbezugs – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 33 – Gleichstellung einer Rahmenvereinbarung mit einem Vertrag im Sinne von Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 – Unmöglichkeit der Vergabe eines neuen öffentlichen Auftrags, wenn die in der Rahmenvereinbarung festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind – Nationale Regelung, die die Entrichtung von Gebühren für den Zugang zu den Verwaltungsgerichten im Bereich der öffentlichen Aufträge vorsieht – Obliegenheit, die Gebühren für den Zugang zu den Gerichten zu bestimmen und zu entrichten, bevor das Gericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag entscheidet – Intransparentes Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge – Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz – Praktische Wirksamkeit – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Richtlinie 89/665 – Art. 1, 2 und 2a – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Nationale Regelung, die die Zurückweisung einer Klage bei Nichtzahlung der Gebühren für den Zugang zu den Gerichten vorsieht – Bestimmung des geschätzten Wertes eines öffentlichen Auftrags“
Leitsatz
In den verbundenen Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Entscheidungen vom 22. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2021, in den Verfahren
EPIC Financial Consulting Ges.m.b.H.
gegen
Republik Österreich,
Bundesbeschaffung GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter N. Piçarra und M. Gavalec (Berichterstatter),
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der EPIC Financial Consulting Ges.m.b.H., vertreten durch Rechtsanwältin K. Hornbanger,
der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und R. Kissné Berta als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek, P. J. O. Van Nuffel und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 (ABl. 2014, L 94, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665), von Art. 1 Abs. 1 und Art. 35 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1), von Art. 81 Abs. 1 AEUV, des Äquivalenzgrundsatzes, von Art. 4, Art. 5 Abs. 5 und Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EPIC Financial Consulting Ges.m.b.H. (im Folgenden: EPIC) auf der einen und der Republik Österreich und der Bundesbeschaffung GmbH (im Folgenden: Bundesbeschaffungsgesellschaft) auf der anderen Seite über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über die Lieferung von Antigen-Testungen SARS-Cov-2 (COVID-19) (im Folgenden: Antigentests) durch die Republik Österreich und die Bundesbeschaffungsgesellschaft.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 89/665
Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 heißt es:
„Angesichts der Kürze der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge müssen die für die Nachprüfung zuständigen Stellen vor allem befugt sein, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um das Vergabeverfahren oder die Durchführung etwaiger Beschlüsse der Vergabebehörde auszusetzen. Die Kürze der Vergabeverfahren macht eine dringliche Behandlung der genannten Verstöße notwendig.“
Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie [2014/24] …, sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 7, 8, 9, 10, 11, 12, 15, 16, 17 und 37 jener Richtlinie ausgeschlossen sind.
…
Aufträge im Sinne dieser Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Bauaufträge, Dienstleistungskonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.
Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie [2014/24] … fallenden Aufträge oder Konzessionen die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können.
…
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.“
Art. 2 („Anforderungen an die Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden, damit
so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Verstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören auch Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder die Durchführung jeder sonstigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen;
die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;
denjenigen, die durch den Verstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.
…
(3) Wird eine gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber unabhängige Stelle in erster Instanz mit der Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung befasst, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der öffentliche Auftraggeber den Vertragsschluss nicht vornehmen kann, bevor die Nachprüfungsstelle eine Entscheidung über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen oder eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Diese Aussetzung endet frühestens mit Ablauf der Stillhaltefrist nach Artikel 2a Absatz 2 und Artikel 2d Absätze 4 und 5.
(4) Außer in den Fällen nach Absatz 3 und Artikel 1 Absatz 5 haben die Nachprüfungsverfahren als solche nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt auf die betreffenden Vergabeverfahren.
(5) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Nachprüfungsstelle die voraussehbaren Folgen der vorläufigen Maßnahmen im Hinblick auf alle möglicherweise geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigen kann und dass sie beschließen kann, diese Maßnahmen nicht zu ergreifen, wenn deren nachteilige Folgen die damit verbundenen Vorteile überwiegen könnten.
Die Ablehnung der vorläufigen Maßnahmen beeinträchtigt nicht die sonstigen Rechte des Antragstellers.
…“
In Art. 2a („Stillhaltefrist“) der Richtlinie 89/665 heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten legen nach Maßgabe der Mindestbedingungen in Absatz 2 und in Artikel 2c Fristen fest, die sicherstellen, dass die in Artikel 1 Absatz 3 genannten Personen gegen Zuschlagsentscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksame Nachprüfungsverfahren anstrengen können.
(2) Ein Vertrag im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung für einen Auftrag oder eine Konzession, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie [2014/24] oder der Richtlinie 2014/23/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1)] fällt, darf frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag, bei Mitteilung per Fax oder auf elektronischem Weg, oder, falls andere Kommunikationsmittel genutzt werden, entweder frühestens 15 Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag oder frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem Tag nach dem Eingang der Zuschlagsentscheidung geschlossen werden.
Bieter gelten als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.
Bewerber gelten als betroffen, wenn der öffentliche Auftraggeber ihnen keine Informationen über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt hat, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.
Der Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an jeden betroffenen Bieter und Bewerber wird Folgendes beigefügt:
eine Zusammenfassung der einschlägigen Gründe gemäß Artikel 55 Absatz 2 der Richtlinie [2014/24] vorbehaltlich des Artikels 55 Absatz 3 jener Richtlinie beziehungsweise gemäß Artikel 40 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie [2014/23] vorbehaltlich des Artikels 40 Absatz 2 jener Richtlinie und
eine genaue Angabe der konkreten Stillhaltefrist, die gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieses Absatzes anzuwenden ist.“
In Art. 2b („Ausnahmen von der Stillhaltefrist“) der Richtlinie 89/665 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die in Artikel 2a Absatz 2 genannten Fristen in folgenden Fällen nicht angewendet werden:
…
bei einem Auftrag, dem eine Rahmenvereinbarung gemäß Artikel 33 der Richtlinie [2014/24] zugrunde liegt, und bei einem Einzelauftrag, der auf einem dynamischen Beschaffungssystem gemäß Artikel 34 der genannten Richtlinie beruht.
Wird von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Vertrag gemäß den Artikeln 2d und 2f der vorliegenden Richtlinie unwirksam ist, wenn
ein Verstoß gegen Artikel 33 Absatz 4 Buchstabe c oder gegen Artikel 34 Absatz 6 der Richtlinie [2014/24] vorliegt und
der geschätzte Auftragswert die in Artikel 4 der Richtlinie [2014/24] genannten Schwellenwerte erreicht oder diese übersteigt.“
Richtlinie 2007/66/EG
In den Erwägungsgründen 3, 4 und 36 der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (ABl. 2007, L 335, S. 31) heißt es:
Die Anhörung der Beteiligten wie auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs haben bei den gegenwärtigen Nachprüfungsverfahren in den Mitgliedstaaten einige Schwachstellen aufgedeckt. …
Zu den ermittelten Schwächen zählt insbesondere das Fehlen einer Frist, die eine wirksame Nachprüfung zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Abschluss des betreffenden Vertrags ermöglicht. Das führt zuweilen dazu, dass öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber sehr rasch die Vertragsunterzeichnung vornehmen, um die Folgen einer strittigen Zuschlagsentscheidung unumkehrbar zu machen. Um diese Schwachstelle zu beseitigen, die einen wirksamen Rechtsschutz der betroffenen Bieter, nämlich derjenigen Bieter, die noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden, ernstlich behindert, ist es erforderlich, eine Mindest-Stillhaltefrist vorzusehen, während der der Abschluss des betreffenden Vertrags ausgesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob der Vertragsschluss zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erfolgt oder nicht.
…
Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen die insbesondere mit der [Charta] anerkannt wurden. Sie soll namentlich die uneingeschränkte Achtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren nach Artikel 47 Absätze 1 und 2 der Charta sicherstellen.“
Richtlinie 2014/24
Die Schwellenwerte für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/24, die sich auf den geschätzten Auftragswert beziehen, sind in ihrem Art. 4 festgelegt.
Art. 5 („Methoden zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts“) Abs. 5 der Richtlinie 2014/24 sieht vor:
„Der zu berücksichtigende Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems ist gleich dem geschätzten Gesamtwert ohne MwSt. aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems geplanten Aufträge.“
Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 bestimmt:
„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise und handeln transparent und verhältnismäßig.“
In Art. 32 („Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung“) Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 heißt es:
„Bei öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen kann in den folgenden Fällen auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung zurückgegriffen werden:
…
soweit dies unbedingt erforderlich ist, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Fristen einzuhalten, die für die offenen oder die nichtoffenen Verfahren oder die Verhandlungsverfahren vorgeschrieben sind. Die angeführten Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sein.“
Art. 33 („Rahmenvereinbarungen“) Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 sieht vor:
„(2) Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, werden nach den in diesem Absatz und in den Absätzen 3 und 4 beschriebenen Verfahren vergeben.
Diese Verfahren dürfen nur zwischen jenen öffentlichen Auftraggebern angewandt werden, die zu diesem Zweck im Aufruf zum Wettbewerb oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung eindeutig bezeichnet worden sind, und jenen Wirtschaftsteilnehmern, die zum Zeitpunkt des Abschlusses Vertragspartei der Rahmenvereinbarung waren.
Bei der Vergabe der auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträgen dürfen keinesfalls substanzielle Änderungen an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vorgenommen werden; dies ist insbesondere für den in Absatz 3 genannten Fall zu beachten.
(3) Wird eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossen, so werden die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge entsprechend den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vergeben.
Für die Vergabe der Aufträge kann der öffentliche Auftraggeber den an der Rahmenvereinbarung beteiligten Wirtschaftsteilnehmer schriftlich konsultieren und ihn dabei auffordern, sein Angebot erforderlichenfalls zu vervollständigen.“
Art. 49 („Auftragsbekanntmachungen“) der Richtlinie 2014/24 lautet:
„Auftragsbekanntmachungen werden unbeschadet des Artikels 26 Absatz 5 Unterabsatz 2 und des Artikels 32 als Mittel für den Aufruf zum Wettbewerb für alle Verfahren verwendet. Auftragsbekanntmachungen enthalten die Informationen nach Anhang V Teil C und werden gemäß Artikel 51 veröffentlicht.“
Art. 50 („Vergabebekanntmachung“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24 bestimmt:
„(1) Ein öffentlicher Auftraggeber übermittelt spätestens 30 Tage, nachdem beziehungsweise er einen Auftrag vergeben hat oder eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen hat, eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens.
Diese Bekanntmachungen enthalten die Informationen nach Anhang V Teil D und werden gemäß Artikel 51 veröffentlicht.
(2) Ist der Aufruf zum Wettbewerb für den entsprechenden Auftrag in Form einer Vorinformation erfolgt und hat der öffentliche Auftraggeber beschlossen, keine weitere Auftragsvergabe während des Zeitraums vorzunehmen, der von der Vorinformation abgedeckt ist, so enthält die Vergabebekanntmachung einen entsprechenden Hinweis.
Bei gemäß Artikel 33 geschlossenen Rahmenvereinbarungen brauchen die öffentlichen Auftraggeber nicht für jeden Einzelauftrag, der aufgrund dieser Vereinbarung vergeben wird, eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des jeweiligen Vergabeverfahrens zu übermitteln. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass öffentliche Auftraggeber Vergabebekanntmachungen mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens vierteljährlich auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung gebündelt veröffentlichen. In diesem Fall versenden die öffentlichen Auftraggeber die Zusammenstellung spätestens 30 Tage nach Quartalsende.“
In Art. 72 („Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit“) der Richtlinie 2014/24 heißt es:
„(1) Aufträge und Rahmenvereinbarungen können in den folgenden Fällen ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens im Einklang mit dieser Richtlinie geändert werden:
…
wenn die Änderungen, unabhängig von ihrem Wert, nicht wesentlich im Sinne des Absatzes 4 sind.
…“
Verordnung Nr. 1215/2012
Im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:
„Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken; aufgrund der Annahme der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen [(ABl. 2009, L 7, S. 1)] sollten insbesondere die Unterhaltspflichten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.“
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:
„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii).“
Art. 35 der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht vor:
„Die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen können bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist.“
Österreichisches Recht
Bundesvergabegesetz
§ 144 Abs. 1 des Bundesvergabegesetzes 2018 (BGBl. I 65/2018, im Folgenden: BVergG) lautet:
„Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag bei sonstiger absoluter Nichtigkeit nicht vor Ablauf der Stillhaltefrist erteilen. Die Stillhaltefrist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung. Sie beträgt bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung auf elektronischem Weg 10 Tage, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg 15 Tage.“
§ 334 BVergG lautet:
„(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig
…
zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren rechtswidrigerweise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde;
…
zur Feststellung, ob der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung aufgrund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen § 155 Abs. 4 bis 9, § 162 Abs. 1 bis 5, § 316 Abs. 1 bis 3 oder § 323 Abs. 1 bis 5 rechtswidrig war;
…“
In § 336 BVergG heißt es:
„(1) Die dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Auftraggeber bzw. vergebenden Stellen haben dem Bundesverwaltungsgericht alle für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Auskünfte zu erteilen und alle hierfür erforderlichen Unterlagen in geordneter Weise vorzulegen. Gleiches gilt für die an einem Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer.
(2) Hat ein Auftraggeber, eine vergebende Stelle oder ein Unternehmer Unterlagen nicht vorgelegt, Auskünfte nicht erteilt oder eine Auskunft zwar erteilt, die Unterlagen des Vergabeverfahrens aber nicht vorgelegt, so kann das Bundesverwaltungsgericht, wenn der Auftraggeber oder der Unternehmer auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen wurde, aufgrund der Behauptungen des nicht säumigen Beteiligten entscheiden.“
§ 340 BVergG sieht vor:
„(1) Für Anträge gemäß den §§ 342 Abs. 1, 350 Abs. 1 und § 353 Abs. 1 und 2 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:
Die Pauschalgebühr ist gemäß den von der Bundesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. …
…
Für Anträge gemäß § 350 Abs. 1 ist eine Gebühr in der Höhe von 50 % der festgesetzten Gebühr zu entrichten.
…
Wird ein Antrag vor Durchführung der mündlichen Verhandlung oder, wenn keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, vor Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses zurückgezogen, so ist lediglich eine Gebühr in der Höhe von 75 % der für den jeweiligen Antrag festgesetzten oder gemäß Z 5 reduzierten Gebühr zu entrichten. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuerstatten.
…“
§ 342 BVergG bestimmt:
„(1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
…
(3) Dem Antrag auf Nachprüfung kommt keine aufschiebende Wirkung für das betreffende Vergabeverfahren zu.
…“
§ 344 BVergG bestimmt:
„(1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:
die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,
die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,
Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und
die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn
er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder
er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder
er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.
(3) Wird ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 erst nach Zuschlagserteilung oder nach dem Widerruf des Vergabeverfahrens gestellt, hat ihn das Bundesverwaltungsgericht als Antrag auf Feststellung gemäß § 353 Abs. 1 zu behandeln, wenn der Antragsteller von der Zuschlagserteilung oder vom Widerruf nicht wissen konnte und der Antrag innerhalb der in § 354 Abs. 2 genannten Frist eingebracht wurde. Der Antragsteller hat auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes binnen einer von diesem angemessen gesetzten Frist näher zu bezeichnen, welche Feststellung gemäß § 353 Abs. 1 er beantragt. Wird bis zum Ablauf dieser Frist keine Feststellung gemäß § 353 Abs. 1 beantragt, ist der Antrag zurückzuweisen.
…“
§ 350 BVergG bestimmt:
„(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
…
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat den Auftraggeber und gegebenenfalls die vergebende Stelle vom Einlangen eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufes oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehrt wird, unverzüglich zu verständigen. Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufes oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehren, kommt ab Zugang der Verständigung vom Einlangen des Antrages bis zur Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung zu. Der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle darf bis zur Entscheidung über den Antrag
den Zuschlag nicht erteilen oder die Rahmenvereinbarung nicht abschließen, bzw.
das Vergabeverfahren nicht widerrufen, bzw.
die Angebote nicht öffnen.
…
(7) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn trotz Aufforderung zur Verbesserung der Antrag nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.“
§ 382 BVergG sieht vor:
„Durch dieses Bundesgesetz werden folgende Rechtsakte der Union umgesetzt bzw. berücksichtigt:
…
2. Richtlinie [89/665] …
…
16. Richtlinie [2014/24] …“
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz
§ 49 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (im Folgenden: AVG) bestimmt:
„Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, einem seiner Angehörigen … einen unmittelbaren Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung zuziehen oder zur Unehre gereichen würde;
…“
Pauschalgebührenverordnung 2018
Die Verordnung der Bundesregierung betreffend die Pauschalgebühr für die Inanspruchnahme des Bundesverwaltungsgerichtes in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe 2018 – BVwG-PauschGebV Vergabe 2018) bestimmt:
„Auf Grund
1. des § 340 Abs. 1 Z 1 [BVergG],
…
wird verordnet:
Gebührensätze
§ 1. Für Anträge gemäß den §§ 342 Abs. 1 und 353 Abs. 1 und 2 [BVergG], für Anträge gemäß § 135 [des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 – BVergGVS 2012) (BGBl. I 10/2012)] in Verbindung mit den §§ 342 Abs. 1 und 353 Abs. 1 und 2 [BVergG] und für Anträge gemäß den §§ 86 Abs. 1 und 97 Abs. 1 und 2 [des Bundesgesetzes über die Vergabe von Konzessionsverträgen (Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BVergGKonz 2018) (BGBl. I 65/2018)] hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:
Direktvergaben 324 €
…“
Bundesverfassungsgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens
§ 5 des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (COVID-19 Begleitgesetz Vergabe) (BGBl. I 24/2020), das bis zum 30. Juni 2021 verlängert wurde (BGBl. I 5/2021), bestimmt:
„Ist aufgrund der Angaben im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen gemäß dem [BVergG] oder dem … BVergGVS 2012 … erkennbar oder wendet der Auftraggeber glaubhaft ein, dass ein Vergabeverfahren … der dringenden Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Zusammenhang mit der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 dient, so kommt dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Angebotsöffnung, des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung oder der Erteilung des Zuschlages keine aufschiebende Wirkung zu. Der Auftraggeber darf diesfalls vor der Entscheidung über den Antrag den Zuschlag erteilen, die Rahmenvereinbarung abschließen bzw. die Angebote öffnen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Ende 2020 schlossen die Republik Österreich und die Bundesbeschaffungsgesellschaft (im Folgenden zusammen: öffentlicher Auftraggeber oder Antragsgegnerinnen des Ausgangsrechtsstreits) 21 Rahmenvereinbarungen über den Erwerb von Antigentests im Wert von drei Millionen Euro.
Am 1. Dezember 2020 reichte EPIC beim Bundesverwaltungsgericht einen Nachprüfungsantrag ein, mit dem sie im Wesentlichen den Abschluss dieser Rahmenvereinbarungen mit der Begründung anfocht, dass er nicht transparent gewesen sei und gegen das Vergaberecht verstoßen habe. Diesem Antrag war ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beigefügt, der im Wesentlichen darauf abzielte, dem öffentlichen Auftraggeber vorläufig zu untersagen, das bzw. die Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über die Lieferung von Antigentests, deren Rechtmäßigkeit EPIC bestreitet, fortzuführen.
Am selben Tag richtete das Bundesverwaltungsgericht an EPIC einen ersten Verbesserungsauftrag, weil sich ihrer Antragsschrift weder die gesondert anfechtbaren Entscheidungen im Sinne der Richtlinie 89/665, deren Nichtigerklärung EPIC begehre, noch die von ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfassten Vergabeverfahren eindeutig entnehmen ließen.
Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2020 verneinte EPIC eine Verbesserungsnotwendigkeit ihres Antrags mit der Begründung, dass sich dieser nur gegen die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers richte, von der sie aus den Medien Kenntnis erlangt habe, nämlich die Entscheidung, als Verfahren für die Bestellung von weiteren Millionen Antigentests im Hinblick auf die Durchführung von Massentests in Österreich die Direktvergabe zu wählen. Unter krasser Verletzung des Transparenzgebots seien EPIC keinerlei Unterlagen des fraglichen Vergabeverfahrens zur Verfügung gestanden, so dass sie nicht verpflichtet sein könne, das betreffende Vergabeverfahren konkret zu bezeichnen, da sonst ihr Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz missachtet würde.
In einem weiteren Schriftsatz vom 9. Dezember 2020 führte EPIC aus, dass sie nicht den Abschluss der 21 Rahmenvereinbarungen durch den öffentlichen Auftraggeber anfechten wolle, sondern ausschließlich die Käufe von etwa zwei Millionen weiteren Antigentests, die zwischen dem 29. Oktober und dem 24. November 2020 bei der Gesellschaft R für mehr als drei Millionen Euro getätigt worden seien. Diese Käufe seien als Folge einer unzulässigen Direktvergabe zu werten, weil sie das Auftragsvolumen der betreffenden Rahmenvereinbarung wesentlich überschritten.
Am 14. Dezember 2020 wies EPIC darauf hin, dass sich ihr Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung darauf beschränke, etwaigen neuen, seit dem 20. November 2020 bei drei namentlich genannten Unternehmen vorgenommenen Bestellungen entgegenzutreten, die den in den betreffenden Rahmenvereinbarungen vorgesehenen Höchstkaufwert von drei Millionen Euro überstiegen.
Als Letztes erklärte EPIC in einem Schriftsatz vom 5. Januar 2021, dass sie nunmehr ausschließlich die ab dem 20. November 2020 getätigten Käufe aufgrund der Rahmenvereinbarungen vom 13. und 18. November 2020 mit den Gesellschaften I und S anfechte. Diese überstiegen den in diesen Rahmenvereinbarungen vorgesehenen Höchstkaufwert von drei Millionen Euro.
EPIC weist schließlich darauf hin, dass sie zum Zeitpunkt der Stellung ihres Nachprüfungsantrags nicht wissen habe können, wie viel an gerichtlichen Pauschalgebühren sie zu entrichten habe, da sich dies nach der Anzahl der anfechtbaren Entscheidungen richte. Diese Anzahl sei aber angesichts der Intransparenz der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Vergabeverfahren nicht bestimmbar gewesen.
Die Antragsgegnerinnen des Ausgangsrechtsstreits bestreiten die Antragslegitimation von EPIC, da sie vor dem 10. Dezember 2020 nicht über die für den Handel mit Antigentests erforderliche Berufsbefugnis verfügt habe. Außerdem sei der Nachprüfungsantrag von EPIC unzulässig, denn sie nenne weder die konkret angefochtene Entscheidung noch das Vergabeverfahren, auf das sich diese Entscheidung beziehe. Die Antragsgegnerinnen des Ausgangsrechtsstreits machen ferner geltend, sie hätten am 1. Dezember 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union die Bekanntmachung eines offenen Verfahrens zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend die Lieferung von Antigentests veröffentlicht. Zudem führe die Unzulässigkeit des beim Bundesverwaltungsgericht gestellten Nachprüfungsantrags zur Unzulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Jedenfalls könne der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufgrund von § 5 des oben in Rn. 30 erwähnten COVID-19 Begleitgesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, da die angefochtene Beschaffung von Antigentests der dringenden Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 gedient habe. Die Antragsgegnerinnen des Ausgangsrechtsstreits weisen außerdem darauf hin, dass die 21 von EPIC angefochtenen Rahmenvereinbarungen jeweils nur mit einem Partner abgeschlossen worden seien, was EPIC ganz offenkundig der Website der Bundesbeschaffungsgesellschaft habe entnehmen können. Schließlich sei seit der Zustellung des Nachprüfungsantrags von EPIC kein Kauf von Antigentests aufgrund der Rahmenvereinbarungen mit den Gesellschaften S bzw. I erfolgt. Daher existiere keine gesondert anfechtbare Entscheidung mehr.
Das Bundesverwaltungsgericht weist erstens darauf hin, dass in Österreich Rechtsuchende, die es mit einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren befassten, für jeden ihrer Anträge Pauschalgebühren entrichten müssten. Diese Gebühren richteten sich insbesondere nach der Anzahl der angefochtenen Entscheidungen aus einem bestimmten Vergabeverfahren. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (Österreich) entstehe die Gebührenschuld im Zeitpunkt der Antragstellung und seien die Gebühren bereits zu diesem Zeitpunkt an das Bundesverwaltungsgericht zu entrichten. Daher sei ein Nachprüfungsantrag oder ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unzulässig, wenn er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt worden sei. Ebenso wenig könne dieses Gericht eine Antragszurückziehung zur Kenntnis nehmen, solange die geschuldeten Pauschalgebühren nicht bezahlt worden seien. Gegebenenfalls könnten die Mitglieder dieses Gerichts als schuldhaft kausal für Vermögensschäden des Fiskus betrachtet werden, die sie aus ihren eigenen Mitteln zu tragen hätten. Im Fall eines intransparent abgelaufenen Vergabeverfahrens erfahre der Antragsteller die Höhe der mit seinem Nachprüfungsantrag verbundenen Pauschalgebühren folglich erst, nachdem das Bundesverwaltungsgericht umfangreiche Ermittlungen durchgeführt habe, um die Vergabeverfahren und die einzelnen Entscheidungen zu ermitteln, auf die sich der Antragsteller beziehe.
Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass für Nachprüfungsanträge betreffend Direktvergaben je Direktvergabeverfahren und je gesondert angefochtener Entscheidung 324 Euro Pauschalgebühren zu entrichten seien. Dieser Betrag werde um 50 % erhöht und erreiche somit 486 Euro, wenn mit dem Nachprüfungsantrag ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt werde. Werde jedoch der im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf 750000 Euro festgesetzte Grenzwert für den Oberschwellenbereich beim geschätzten Auftragswert um das Zwanzigfache überschritten, fielen pro Vergabeverfahren und pro angefochtener Auftraggeberentscheidung Gebühren in Höhe von 19440 Euro an.
In Anwendung dieser Vorschriften teilte das vorlegende Gericht EPIC mit, dass sich unter den Umständen des Ausgangsrechtsstreits die Pauschalgebühren auf 1061424 Euro belaufen würden, wenn sie für jede der 21 Rahmenvereinbarungen beabsichtige, drei Entscheidungen anzufechten und insoweit die Erlassung einstweiliger Verfügungen zu beantragen. Da EPIC bislang nur 486 Euro an Pauschalgebühren bezahlt habe, könne sie im Wege eines Gebührenverbesserungsauftrags mit einer Pauschalgebührennachforderung im Millionenbereich konfrontiert werden, mit der sie vor Stellung ihres Nachprüfungsantrags nicht unbedingt zu rechnen gehabt habe.
Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass EPIC nicht nachgewiesen habe, dass sie selbst oder ihr Lieferant für die Zeit vor dem 10. Dezember 2020 über die in Österreich für den Handel mit Antigentests erforderliche Berufsbefugnis verfügt habe.
Drittens sei es wahrscheinlich, dass EPIC zum Zeitpunkt der Stellung ihres Nachprüfungsantrags weder die Anzahl und die Art der vom öffentlichen Auftraggeber durchgeführten Vergabeverfahren noch die Anzahl der gesondert anfechtbaren Entscheidungen, die in den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Vergabeverfahren bereits getroffen worden seien, gekannt habe. EPIC habe daher nur unbestimmte Verfahrensbehauptungen aufstellen können, obwohl nach der österreichischen Zivilprozessordnung jeder Kläger grundsätzlich verpflichtet sei, den Sachverhalt darzulegen, auf den seine Klage gestützt werde.
Viertens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es nach dem Stand seiner Ermittlungen das Bestehen von 15 Rahmenvereinbarungen habe feststellen können, die der öffentliche Auftraggeber im Herbst 2020 im Hinblick auf die Lieferung von Antigentests geschlossen habe. Jede dieser Rahmenvereinbarungen sei gemäß Art. 32 Abs. 2 Buchst. c und Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer und nach einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung geschlossen worden.
Fünftens beschränke sich EPIC nunmehr darauf, speziell die öffentlichen Aufträge zur Lieferung von Antigentests anzufechten, die direkt an die Gesellschaften S und I vergeben worden seien und den geschätzten Wert der mit diesen Gesellschaften jeweils geschlossenen Rahmenvereinbarung überstiegen. Daher sei nach österreichischem Recht davon auszugehen, dass EPIC ihren Nachprüfungsantrag in Bezug auf die im Rahmen der 19 übrigen Rahmenvereinbarungen erlassenen Entscheidungen, gegen die sie sich ursprünglich gewandt habe, zurückgezogen habe.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass der Ausgangsrechtsstreit vier unionsrechtliche Fragen aufwerfe.
Als Erstes vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass Nachprüfungsanträge, die sich gegen Handlungen im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren richteten, in den Bereich der Zivilsachen im Sinne der Verordnung Nr. 1215/2012 fielen. Die in der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Vergaberechtsvorschriften regelten nämlich die vorvertraglichen Verhaltenspflichten der öffentlichen Auftraggeber und der Unternehmer, die mit diesen Verträge schließen möchten. Folglich seien die Vergaberechtsvorschriften, soweit sie den Abschluss von Verträgen beträfen, Sonderzivilrecht und fielen damit in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012.
Daher müssten nach dem Äquivalenzgrundsatz flexiblere Zivilverfahrensrechtsvorschriften als die Vorschriften, die das vorlegende Gericht selbst befolgen müsse, Anwendung finden. Es weist insbesondere darauf hin, dass das Gericht in Zivilsachen über die Klage und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entscheide, auch wenn der Antragsteller nicht sofort die Pauschalgebühren entrichtet habe und ohne dass dadurch das Recht des Mitgliedstaats auf Erhebung dieser Gebühren in Frage gestellt werde. Außerdem sei bei den Zivilgerichten für mit einer – gebührenpflichtigen – Klage verbunden beantragte einstweilige Verfügungen keine gesonderte Pauschalgebühr zu entrichten.
Sollte das im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geltende besondere Gebührensystem für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt werden, würde das vorlegende Gericht die für die Gebührenfestsetzung erforderlichen Ermittlungsschritte als subsidiär betrachten und könnte nach dem Prinzip der Verfahrensökonomie den Antrag oder die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sehr rasch erledigen, ohne vorab umfangreiche Ermittlungen zur Anzahl der Vergabeverfahren und zu den ursprünglich angefochtenen Entscheidungen vornehmen zu müssen.
Als Zweites möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das im Bereich des öffentlichen Auftragswesens geltende besondere Gebührensystem mit dem durch die Richtlinie 89/665 gewährleisteten Recht im Einklang stehe, wonach Nachprüfungsanträge und Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen möglichst rasch und unabhängig von Fragen im Zusammenhang mit gerichtlichen Pauschalgebühren zu erledigen sein müssten. Schwierigkeiten bereite in diesem Zusammenhang insbesondere die Pflicht, wonach die angefochtenen Entscheidungen und Verfahren zwingend vor der inhaltlichen Prüfung des Nachprüfungsantrags zu ermitteln seien, sowie der Umstand, dass der Einzelne unmöglich im Vorhinein wissen könne, wie hoch die zu entrichtenden Pauschalgebühren sein würden, was speziell bei intransparent abgelaufenen Verfahren gelte. Das vorlegende Gericht möchte des Weiteren wissen, ob im Fall der Auftragsvergabe im Anschluss an ein intransparentes Verfahren das durch Art. 47 der Charta garantierte Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz der Anwendung eines Gerichtsgebührensystems entgegensteht, bei dem die Höhe der zu bezahlenden Gerichtsgebühren von der Höhe des geschätzten Auftragswerts, von der Anzahl der betreffenden Vergabeverfahren und von der Anzahl der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen abhänge.
Als Drittes könne Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 dahin ausgelegt werden, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer für den öffentlichen Auftraggeber dem Abschluss eines Vertrags entspreche und der Vergabe des betreffenden Auftrags gleichkomme. Daher sei der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall mit der Begründung zurückzuweisen, dass der betreffende Auftrag bereits vergeben worden sei. Es seien auch die rechtliche Einordnung der aufgrund einer Rahmenvereinbarung, deren Höchstwert bereits überschritten sei, vergebenen öffentlichen Aufträge sowie die Modalitäten für die Berechnung des geschätzten Wertes eines solchen Auftrags näher zu bestimmen.
Als Viertes weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es nach § 336 BVergG befugt sei, eine Säumnisentscheidung auf der Grundlage der Prozessbehauptungen einer Verfahrenspartei zu erlassen, falls durch eine andere Verfahrenspartei Auskünfte nicht erteilt oder verlangte Unterlagen nicht vorgelegt würden. Es könnte jedoch gegen das aus Art. 48 der Charta ableitbare Verbot der Selbstbezichtigung verstoßen, wenn Organwalter bzw. Mitarbeiter der Auftraggeberseite zur Vermeidung des Risikos einer Säumnisentscheidung zu Lasten des Auftraggebers Auskünfte und Informationen erteilen müssten. Denn anders als § 49 Abs. 1 Z 1 AVG enthalte § 336 BVergG keine Informationsverweigerungsrechte. Durch diese Informationen könnten jedoch Tatsachen offengelegt werden, die strafrechtlich bzw. auch schadenersatzrechtlich gegen die Organwalter und Mitarbeiter der Auftraggeberseite verwendet werden könnten. Das vorlegende Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass nach einem Zeitungsartikel gegen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung Strafanzeige erstattet worden sei. Die etwaige Relevanz der Antwort des Gerichtshofs auf die Frage, ob § 336 BVergG mit dem Verbot der Selbstbezichtigung vereinbar sei, werde im vorliegenden Fall bei künftigen Ermittlungen durch die medial transportierte Strafanzeige gegen gewisse Organwalter in Zusammenhang mit den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Antigentestbeschaffungen dokumentiert.
Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren der Rechtssache C-274/21 beschlossen, das Verfahren über den Antrag von EPIC auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist ein in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 vorgesehenes Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung, national in Österreich vorgesehen auch vor dem Bundesverwaltungsgericht, in welchem Verfahren z. B. auch ein temporäres Verbot des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen oder des Abschlusses von Lieferverträgen erwirkt werden kann, eine Streitigkeit über eine Zivil- und Handelssache gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012? Ist ein solches Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß der vorstehenden Frage zumindest eine Zivilsache gemäß Art. 81 Abs. 1 AEUV? Ist das Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 ein Verfahren zum Erlass einstweiliger Maßnahmen nach Art. 35 der Verordnung Nr. 1215/2012?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er dem Einzelnen subjektive Rechte gegen den Mitgliedstaat verleiht und der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht vor einer Erledigung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 vorgesehen, die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des zuständigen Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust vorzuschreiben, wenn in (sonstigen) Zivilrechtssachen in Österreich sonst, wie z. B. bei Klagen auf Schadenersatz oder Unterlassung wegen Wettbewerbsverstoßes, die Gebührennichteinzahlung die Erledigung eines verbunden gestellten Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unbeschadet der Frage der in irgendeinem Ausmaß geschuldeten Rechtsschutzgebühren nicht hindert, auch die Erledigung von bei Zivilgerichten abgesondert von einer Klage beantragten einstweiligen Verfügungen grundsätzlich nicht durch die Nichtbezahlung von Pauschalgebühren gehindert wird; und weiters vergleichend in Österreich die Nichtbezahlung von Beschwerdegebühren bei Beschwerden gegen verwaltungsrechtliche Bescheide oder aber von Beschwerde- bzw. Revisionsgebühren für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte an den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof nicht zur Rechtsmittelzurückweisung mangels Gebührenzahlung führt und z. B. auch nicht dazu führt, dass bei diesen Beschwerde- bzw. Revisionsverfahren Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nur durch Zurückweisung erledigt werden dürften?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach welchen vor einer Erledigung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 vorgesehen, durch den Senatsvorsitzenden als Einzelrichter mangels hinreichender Einzahlung von Pauschalgebühren ein Gebührenverbesserungsauftrag zu erlassen ist und dieser Einzelrichter den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels Gebührenzahlung zurückweisen muss, wenn sonst bei zivilrechtlichen Klagen in Österreich für einen gemeinsam mit einer Klage eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach dem Gerichtsgebührengesetz neben der Klage in erster Instanz grundsätzlich keine zusätzlichen gerichtlichen Pauschalgebühren zu bezahlen sind und auch für Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die gemeinsam mit einer Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht, einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden und funktional ein gleiches bzw. ähnliches Rechtsschutzziel wie ein Antrag auf einstweilige Verfügung haben, keine eigenen Gebühren für diese akzessorischen Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bezahlt werden müssen?
Ist das Gebot gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665, dass so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Verstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern, unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass dieses Unverzüglichkeitsgebot ein subjektives Recht auf eine unverzügliche Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verleiht und es der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht auch bei intransparent durchgeführten Vergabeverfahren vor einer Erledigung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welchem weitere Beschaffungen des Auftraggebers verhindert werden sollen, auch ohne insoweit bestehende Entscheidungsrelevanz die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen bzw. anzufechtenden gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des zuständigen Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust gegenüber der Antragstellerin vorzuschreiben?
Ist das Recht auf ein faires Verfahren vor einem Gericht gemäß Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass es dem Einzelnen subjektive Rechte verleiht und der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht auch ohne Entscheidungsrelevanz auch bei intransparent durchgeführten Vergabeverfahren vor einer Erledigung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welchem weitere Beschaffungen des Auftraggebers verhindert werden sollen, die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des zuständigen Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust gegenüber der Antragstellerin vorzuschreiben?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er dem Einzelnen subjektive Rechte gegen den Mitgliedstaat verleiht und der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen bei Nichtentrichtung von Pauschalgebühren für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV) im Sinne der Richtlinie 89/665 (nur mehr) ein gerichtlicher Senat eines Verwaltungsgerichts als Rechtsprechungsorgan Pauschalgebühren (mit daraus folgenden verkürzten Rechtsschutzmöglichkeiten für den Gebührenpflichtigen) vorschreiben muss, wenn sonst Klags-, eV- und Rechtsmittelgebühren im zivilgerichtlichen Verfahren mangels Entrichtung durch einen Bescheid gemäß Gerichtlichem Einbringungsgesetz vorgeschrieben werden und Rechtsmittelgebühren im Verwaltungsrecht für Beschwerden an ein Verwaltungsgericht bzw. an den Verfassungsgerichtshof bzw. von Revisionsgebühren für Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof mangels Entrichtung dieser Gebühren im Regelfall durch den Bescheid einer Abgabenbehörde vorgeschrieben werden, gegen welchen (scil: Gebührenvorschreibungsbescheid) immer ein Rechtsmittel an ein Verwaltungsgericht und danach wiederum eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingelegt werden kann?
Ist Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 unter Beachtung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahingehend auszulegen, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 der Vertragsabschluss gemäß Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 ist?
Ist die Wortfolge in Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 „die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge“ dahin auszulegen, dass ein auf der Rahmenvereinbarung beruhender Auftrag dann vorliegt, wenn der Auftraggeber einen Einzelauftrag unter ausdrücklicher Stützung auf die abgeschlossene Rahmenvereinbarung erteilt? Oder ist die zitierte Passage „die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge“ dahin auszulegen, dass dann, wenn die Gesamtmenge der Rahmenvereinbarung im Sinne des Urteils vom 19. Dezember 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust und Coopservice (C-216/17, EU:C:2018:1034, Rn. 64), bereits erschöpft ist, kein Auftrag mehr vorliegt, der auf der ursprünglich abgeschlossenen Rahmenvereinbarung beruht?
Ist das Recht auf ein faires Verfahren vor einem Gericht gemäß Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass es der Anwendung einer Vorschrift entgegensteht, nach welcher der im Vergaberechtsstreit benannte Auftraggeber im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sämtliche erforderlichen Informationen erteilen und sämtliche erforderlichen Unterlagen vorlegen muss – dies bei jeweils sonstiger Säumnisentscheidungsmöglichkeit zu seinen Lasten –, wenn die Organwalter oder Mitarbeiter dieses Auftraggebers, die diese Informationen für den Auftraggeber erteilen müssen, dadurch mitunter dem Risiko ausgesetzt werden, sich durch die Auskunftserteilung oder Unterlagenvorlage eventuell sogar selbst strafrechtlich belasten zu müssen?
Ist das Gebot gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665, dass Vergabenachprüfungsverfahren vor allem wirksam durchgeführt werden müssen, unter zusätzlicher Bedachtnahme auf das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschriften subjektive Rechte verleihen und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Antragsteller auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung das konkrete Vergabeverfahren und die konkrete Auftraggeberentscheidung zu benennen, auch wenn dieser Antragsteller bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen wird, wie viele intransparente Vergabeverfahren der Auftraggeber durchgeführt hat und wie viele Vergabeentscheidungen in den intransparenten Vergabeverfahren bereits getroffen wurden?
Ist das Gebot eines fairen Verfahrens vor einem Gericht nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschrift subjektive Rechte verleiht und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegensteht, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Nachprüfungsantragsteller obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung das konkrete Vergabeverfahren und die konkrete gesondert anfechtbare und auch angefochtene Auftraggeberentscheidung zu benennen, auch wenn dieser Antragsteller bei einem für ihn intransparenten Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen kann, wie viele intransparente Vergabeverfahren der Auftraggeber durchgeführt hat und wie viele Vergabeentscheidungen in den intransparenten Vergabeverfahren bereits getroffen wurden?
Ist das Gebot eines fairen Verfahrens vor einem Gericht nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschrift subjektive Rechte verleiht und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegen steht, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Antragsteller auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung obliegt, Pauschalgebühren in für ihn nicht vorab absehbarer Höhe zu bezahlen, weil der Antragsteller bei einem für ihn intransparenten Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen kann, ob und allenfalls wie viele intransparente Vergabeverfahren mit welchem geschätzten Auftragswert der Auftraggeber durchgeführt hat und wie viele gesondert anfechtbare Vergabeentscheidungen in den intransparenten Vergabeverfahren bereits getroffen wurden?
Unter den oben in den Rn. 40 bis 53 dargelegten Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren der Rechtssache C-275/21 beschlossen, das Verfahren über den Nachprüfungsantrag von EPIC auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist ein Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, das in Umsetzung der Richtlinie 89/665 stattfindet, eine Streitigkeit über eine Zivil- und Handelssache gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012? Ist ein solches Nachprüfungsverfahren gemäß der vorstehenden Frage zumindest eine Zivilsache gemäß Art. 81 Abs. 1 AEUV?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er dem Einzelnen subjektive Rechte gegen den Mitgliedstaat verleiht und der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht vor einer Erledigung eines Nachprüfungsantrags, der auf Nichtigerklärung jeweils einer gesondert anfechtbaren Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers gerichtet sein muss, die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des zuständigen Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und dann im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust vorzuschreiben, wenn in Zivilrechtssachen in Österreich sonst, wie z. B. bei Klagen auf Schadenersatz oder Unterlassung wegen Wettbewerbsverstoßes, die Gebührennichteinzahlung die Erledigung der Klage unbeschadet der Frage der in irgendeinem Ausmaß geschuldeten Rechtsschutzgebühren nicht hindert und weiters vergleichend in Österreich die Nichtbezahlung von Beschwerdegebühren bei Beschwerden gegen verwaltungsrechtliche Bescheide oder aber von Beschwerde- bzw. Revisionsgebühren für Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte an den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof nicht zur Rechtsmittelzurückweisung mangels Gebührenzahlung führt?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach welchen vor einer Erledigung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 vorgesehen, durch den Senatsvorsitzenden als Einzelrichter mangels hinreichender Einzahlung von Pauschalgebühren ein Gebührenverbesserungsauftrag zu erlassen ist und dieser Einzelrichter den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels Gebührenzahlung zurückweisen muss, wenn sonst bei zivilrechtlichen Klagen in Österreich für einen gemeinsam mit einer Klage eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach dem Gerichtsgebührengesetz neben der Klage in erster Instanz grundsätzlich keine zusätzlichen gerichtlichen Pauschalgebühren zu bezahlen sind und auch für Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die gemeinsam mit einer Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht, einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gestellt werden und funktional ein gleiches bzw. ähnliches Rechtsschutzziel wie ein Antrag auf einstweilige Verfügung haben, keine eigenen Gebühren für diese akzessorischen Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bezahlt werden müssen?
Ist das Gebot gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665, dass Vergabenachprüfungsverfahren vor allem möglichst rasch durchgeführt werden müssen, unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass dieses Raschheitsgebot ein subjektives Recht auf ein rasches Nachprüfungsverfahren verleiht und es der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht auch bei intransparent durchgeführten Vergabeverfahren vor einer Erledigung eines Nachprüfungsantrags, der auf Nichtigerklärung jeweils einer gesondert anfechtbaren Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers gerichtet sein muss, in jedem Fall die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust vorzuschreiben?
Ist das Recht auf ein faires Verfahren vor einem Gericht gemäß Art. 47 der Charta, unter Berücksichtigung des Transparenzgebots gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 und der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass es der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen das Gericht in jedem Fall auch bei intransparent durchgeführten Vergabeverfahren vor einer Erledigung eines Nachprüfungsantrags, der auf Nichtigerklärung jeweils einer gesondert anfechtbaren Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers gerichtet sein muss, die Vergabeverfahrensart und den (geschätzten) Auftragswert sowie die Summe der aus bestimmten Vergabeverfahren angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus einem bestimmten Vergabeverfahren ermitteln muss, um danach allenfalls durch den vorsitzenden Richter des Senats des Gerichts einen Verbesserungsauftrag zwecks Gebührennachforderung zu erlassen und im Gebührennichtzahlungsfalle vor oder spätestens gleichzeitig mit einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags wegen unterlassener Gebührennachzahlung die Verfahrensgebühren durch den für den Nachprüfungsantrag zuständigen gerichtlichen Senat bei sonstigem Anspruchsverlust vorzuschreiben?
Ist der Grundsatz der Äquivalenz unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er dem Einzelnen subjektive Rechte gegen den Mitgliedstaat verleiht und der Anwendung österreichischer nationaler Vorschriften entgegensteht, nach denen bei Nichtentrichtung von Pauschalgebühren für die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs zur Nachprüfung von Auftraggeberentscheidungen im Sinne der Richtlinie 89/665 (bzw. allenfalls auch eines gerichtlichen Rechtsbehelfs auf Rechtswidrigkeitsfeststellung in Zusammenhang mit einer Auftragsvergabe zur Erlangung von Schadensersatz) (nur mehr) ein gerichtlicher Senat eines Verwaltungsgerichts als Rechtsprechungsorgan nicht einbezahlte, aber geschuldete Pauschalgebühren (mit daraus folgenden verkürzten Rechtsschutzmöglichkeiten für den Gebührenpflichtigen) vorschreiben muss, wenn sonst die Klags- und Rechtsmittelgebühren im zivilgerichtlichen Verfahren mangels Entrichtung durch einen verwaltungsbehördlichen Bescheid gemäß Gerichtlichem Einbringungsgesetz vorgeschrieben werden und auch Rechtsmittelgebühren im Verwaltungsrecht für Beschwerden an ein Verwaltungsgericht bzw. an den Verfassungsgerichtshof bzw. von Revisionsgebühren für Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof mangels Entrichtung der Gebühren im Regelfall durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorgeschrieben werden, gegen welchen (scil: Gebührenvorschreibungsbescheid) im Regelfall immer ein Rechtsmittel an ein Verwaltungsgericht und danach wiederum eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingelegt werden kann?
Ist Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 unter Beachtung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahingehend auszulegen, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 der Vertragsabschluss gemäß Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 ist und daher die Auftraggeberentscheidung, mit welchem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer nach Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 diese Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, eine Zuschlagsentscheidung nach Art. 2a Abs. 1 der Richtlinie 89/665 ist?
Ist die Wortfolge in Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 „die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge“ dahin auszulegen, dass ein auf der Rahmenvereinbarung beruhender Auftrag dann vorliegt, wenn der Auftraggeber einen Einzelauftrag unter ausdrücklicher Stützung auf die abgeschlossene Rahmenvereinbarung erteilt? Oder ist die zitierte Passage „die auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Aufträge“ dahin auszulegen, dass dann, wenn die Gesamtmenge der Rahmenvereinbarung im Sinne des Urteils vom 19. Dezember 2018, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato – Antitrust und Coopservice (C-216/17, EU:C:2018:1034, Rn. 64), bereits erschöpft ist, kein Auftrag mehr vorliegt, der auf der ursprünglich abgeschlossenen Rahmenvereinbarung beruht?
Für den Fall der Bejahung der Frage 6.1.: Sind die Art. 4 und 5 der Richtlinie 2014/24 unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass der geschätzte Auftragswert eines einzelnen auf der Rahmenvereinbarung beruhenden Auftrags immer der geschätzte Auftragswert gemäß Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie ist? Oder ist der geschätzte Auftragswert gemäß Art. 4 dieser Richtlinie bei einem einzelnen auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden Auftrag jener Auftragswert, der sich in Anwendung von Art. 5 dieser Richtlinie für die Bestimmung des geschätzten Auftragswerts für den einzelnen auf der Rahmenvereinbarung beruhenden Lieferauftrag ergibt?
Ist das Recht auf ein faires Verfahren vor einem Gericht gemäß Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass es der Anwendung einer Vorschrift entgegensteht, nach welcher der im Vergaberechtsstreit benannte Auftraggeber sämtliche erforderlichen Informationen erteilen und sämtliche erforderlichen Unterlagen vorlegen muss – dies bei jeweils sonstiger Säumnisentscheidungsmöglichkeit zu seinen Lasten –, wenn die Organwalter oder Mitarbeiter dieses Auftraggebers, die diese Informationen für den Auftraggeber erteilen müssen, dadurch mitunter dem Risiko ausgesetzt werden, sich durch die Auskunftserteilung oder Unterlagenvorlage eventuell selbst strafrechtlich belasten zu müssen?
Ist das Gebot gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665, dass Vergabenachprüfungsverfahren vor allem wirksam durchgeführt werden müssen, unter zusätzlicher Bedachtnahme auf das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschriften subjektive Rechte verleihen und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Nachprüfungsantragsteller obliegt, in seinem Nachprüfungsantrag das jeweils konkrete Vergabeverfahren und die konkrete gesondert anfechtbare Auftraggeberentscheidung zu benennen, auch wenn dieser Antragsteller bei einem Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen wird, ob der Auftraggeber für den Antragsteller intransparente Direktvergabeverfahren nach nationalem Recht oder für den Antragsteller intransparente Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt hat, bzw. ob ein oder mehrere intransparente Vergabeverfahren mit einer oder mehreren anfechtbaren Entscheidungen durchgeführt wurden?
Ist das Gebot eines fairen Verfahrens vor einem Gericht nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschrift subjektive Rechte verleiht und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegensteht, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Nachprüfungsantragsteller obliegt, in seinem Nachprüfungsantrag das konkrete Vergabeverfahren und die konkrete gesondert anfechtbare Auftraggeberentscheidung zu benennen, auch wenn dieser Antragsteller bei einem Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen kann, ob der Auftraggeber für den Antragsteller intransparente Direktvergabeverfahren nach dem nationalen Recht oder für den Antragsteller intransparente Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt hat bzw. ob ein oder mehrere Vergabeverfahren mit einer oder mehreren gesondert anfechtbaren Entscheidungen durchgeführt wurden?
Ist das Gebot eines fairen Verfahrens vor einem Gericht nach Art. 47 der Charta unter Berücksichtigung der sonstigen Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass diese Vorschrift subjektive Rechte verleiht und der Anwendung nationaler Vorschriften entgegensteht, nach welchen es dem rechtsschutzsuchenden Nachprüfungsantragsteller obliegt, Pauschalgebühren in für ihn im Zeitpunkt der Antragstellung nicht absehbarer Höhe zu bezahlen, weil der Antragsteller bei einem für den Antragsteller intransparenten Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Regelfall nicht wissen kann, ob der Auftraggeber Direktvergabeverfahren nach nationalem Recht oder intransparente Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt hat und wie hoch der geschätzte Auftragswert bei einem eventuell durchgeführten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung ist bzw. wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen schon ergangen sind?
Zu den Vorlagefragen
Zu der jeweils ersten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils ersten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass er das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung und das Nachprüfungsverfahren, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 vorgesehen sind, umfasst.
Insoweit genügt der Hinweis, dass die Verordnung Nr. 1215/2012 nur anwendbar ist, wenn der Rechtsstreit mehrere Mitgliedstaaten betrifft, oder wenn er, sofern wegen der Beteiligung eines Drittstaats ein Auslandsbezug besteht, einen einzigen Mitgliedstaat betrifft. Diese Situation ist nämlich geeignet, Fragen zur Bestimmung der völkerrechtlichen Zuständigkeit der Gerichte aufzuwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. März 2005, Owusu, C-281/02, EU:C:2005:120, Rn. 25 und 26, sowie vom 7. Mai 2020, Rina, C-641/18, EU:C:2020:349, Rn. 25).
Im vorliegenden Fall fehlt dieser Auslandsbezug jedoch.
Folglich ist diese Verordnung auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar, so dass die jeweils erste Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 nicht zu beantworten ist.
Zu den jeweiligen Fragen 6 und 6.1 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275-21 sowie zur Frage 6.2 in der Rechtssache C-275/21
Zur jeweils sechsten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils sechsten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 dem Abschluss des in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 genannten Vertrags entspricht.
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 ausdrücklich bestimmt, dass der Begriff „Aufträge“ im Sinne dieser Richtlinie Rahmenvereinbarungen umfasst.
Daher ist Art. 2a Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/665 auf Rahmenvereinbarungen anwendbar. Nach dieser Bestimmung darf ein Vertrag im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung für eine Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 jedoch, je nach dem verwendeten Kommunikationsmittel, frühestens zehn bzw. 15 Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag, geschlossen werden.
Außerdem ist diese Auslegung, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, geeignet, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 zu gewährleisten. Wie im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/66, mit der die Richtlinie 89/665 geändert und ergänzt wurde, hervorgehoben wird, könnte das Fehlen einer Frist, die eine wirksame Nachprüfung zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Abschluss des betreffenden Vertrags ermöglicht, dazu führen, dass öffentliche Auftraggeber und sonstige Auftraggeber die Vertragsunterzeichnung sehr rasch vornehmen, um die Folgen einer strittigen Zuschlagsentscheidung unumkehrbar zu machen. Gerade um diese bei den Nachprüfungsmechanismen in den Mitgliedstaaten bestehende Schwachstelle, die einen wirksamen Rechtsschutz der betroffenen Bieter, nämlich derjenigen Bieter, die noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden, ernstlich behindert hat, zu beseitigen, ist eine Mindest-Stillhaltefrist eingeführt worden, während der der Abschluss des betreffenden Vertrags ausgesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob der Vertragsschluss zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erfolgt oder nicht.
Nach alledem ist auf die jeweils sechste Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 dem Abschluss des in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 genannten Vertrags entspricht.
Zur jeweiligen Frage 6.1 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweiligen Frage 6.1 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Vergabe eines neuen Auftrags noch auf eine Rahmenvereinbarung stützen kann, bei der die darin festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind.
Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervor, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung nur bis zu einer Höchstmenge und/oder einem Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen verpflichten kann, so dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (Urteil vom 17. Juni 2021, Simonsen & Weel, C-23/20, EU:C:2021:490, Rn. 68).
Folglich können, wie die österreichische Regierung und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben haben, in rechtskonformer Weise keine Aufträge mehr gemäß Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung vergeben werden, bei der die erwähnte Höchstmenge und/oder der erwähnte Höchstwert überschritten wurde und die daher ihre Wirkung verliert, es sei denn, die Rahmenvereinbarung wird durch die Vergabe nicht wesentlich im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2014/24 geändert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juni 2021, Simonsen & Weel, C-23/20, EU:C:2021:490, Rn. 70).
Daher ist auf die jeweilige Frage 6.1 zu antworten, dass Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Vergabe eines neuen Auftrags nicht mehr auf eine Rahmenvereinbarung, bei der die darin festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind, stützen kann, es sei denn, die Vergabe dieses Auftrags führt zu keiner wesentlichen Änderung der Rahmenvereinbarung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie.
Zur Frage 6.2 in der Rechtssache C-275/21
In Anbetracht der Antwort auf die Frage 6.1 in der Rechtssache C-275/21 ist die Frage 6.2 in dieser Rechtssache nicht zu beantworten.
Zu den jeweiligen Fragen 2, 2.1 und 5 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seinen jeweiligen Fragen 2, 2.1 und 5 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Äquivalenzgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Nachprüfungsanträge in Vergabeverfahren Verfahrensvorschriften vorsieht, die sich von denjenigen unterscheiden, die u. a. für Zivilverfahren gelten.
Mit diesen Fragen zielt das vorlegende Gericht insbesondere auf drei nationale Vorschriften ab, die speziell für Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Nachprüfungsanträge im Bereich des öffentlichen Auftragswesens gelten: erstens die Vorschrift, wonach in diesem Bereich ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder ein Nachprüfungsantrag nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsuchende die Pauschalgebühren zahlt, so dass die Begründetheit solcher Anträge nur geprüft werden kann, wenn diese Gebühren vorher entrichtet worden sind; zweitens die Vorschrift, wonach in diesem Bereich ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der gleichzeitig mit einem Nachprüfungsantrag gestellt wird, zur Erhebung einer gesonderten Pauschalgebühr führt, und drittens die Vorschrift, wonach in diesem Bereich die Pauschalgebühren nicht durch einen verwaltungsbehördlichen Bescheid vorgeschrieben werden, so dass diese Gebühren nicht vor einem mit voller Kognitionsbefugnis ausgestatteten Gericht angefochten werden können.
Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 die Mitgliedstaaten verpflichtet, hinsichtlich der Vergabeverfahren die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass gegen Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, wirksam und möglichst rasch vorgegangen werden kann und dass jede Person, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht, Zugang zu Nachprüfungsverfahren hat. Diese Richtlinie belässt somit den Mitgliedstaaten ein Ermessen hinsichtlich der Wahl der in ihr vorgesehenen Verfahrensgarantien und der zugehörigen Formalitäten. Insbesondere weist diese Richtlinie keine Bestimmung auf, die sich speziell auf Gerichtsgebühren bezieht, die der Einzelne zu entrichten hat, wenn er gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Richtlinie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder eine Nachprüfung anstrengt, die auf die Aufhebung einer seiner Meinung nach rechtswidrigen Entscheidung im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gerichtet ist (Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C-61/14, EU:C:2015:655, Rn. 43 bis 45).
Daher ist es mangels einer einschlägigen Unionsregelung gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Modalitäten für das Verwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Verfahrensmodalitäten dürfen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Rechtsbehelfe (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteile vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C-61/14, EU:C:2015:655, Rn. 46, und vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C-497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 58).
Der Umstand, dass die von einem Rechtsuchenden im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu entrichtenden Pauschalgebühren höher sind als die Gebühren in Zivilverfahren, kann für sich allein noch keine Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes belegen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C-61/14, EU:C:2015:655, Rn. 66).
Dieser Grundsatz verlangt nämlich eine Gleichbehandlung von Rechtsbehelfen, mit denen ein Verstoß gegen nationales Recht gerügt wird, und ähnlichen Rechtsbehelfen, mit denen ein Verstoß gegen Unionsrecht gerügt wird, und betrifft nicht die Äquivalenz nationaler Verfahrensvorschriften, die für Rechtsstreitigkeiten unterschiedlicher Art wie zivilrechtliche auf der einen Seite und verwaltungsrechtliche auf der anderen Seite oder Streitigkeiten mit Bezug zu zwei unterschiedlichen Rechtsgebieten gelten (Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C-61/14, EU:C:2015:655, Rn. 67).
Außerdem kommt diesem Grundsatz keine Bedeutung zu, wenn es um zwei Arten von Rechtsbehelfen geht, die beide auf einem Verstoß gegen das Unionsrecht beruhen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Târşia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34).
Der Äquivalenzgrundsatz kann daher nicht so verstanden werden, dass er einen Mitgliedstaat verpflichtet, die günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Rechtsbehelfe zu erstrecken, die auf einem bestimmten Rechtsgebiet erhoben werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 1998, Edis, C-231/96, EU:C:1998:401, Rn. 36, und vom 26. Januar 2010, Transportes Urbanos y Servicios Generales, C-118/08, EU:C:2010:39, Rn. 34).
Nach alledem ist auf die jeweiligen Fragen 2, 2.1 und 5 in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 zu antworten, dass der Äquivalenzgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Nachprüfungsanträge in Vergabeverfahren Verfahrensvorschriften vorsieht, die sich von denjenigen unterscheiden, die u. a. für Zivilverfahren gelten.
Zur jeweils achten und neunten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils achten und neunten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der es dem Rechtsuchenden obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und in seinem Nachprüfungsantrag das betreffende Vergabeverfahren und die von ihm beanstandete gesondert anfechtbare Entscheidung zu benennen, auch wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen nicht zur Auslegung von Art. 32 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 befragt wird, um festzustellen, ob der Rückgriff des öffentlichen Auftraggebers auf ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit dieser Richtlinie vereinbar ist. Das vorlegende Gericht scheint nämlich die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, im Ausgangsrechtsstreit auf ein solches Verfahren zurückzugreifen, um dringend die Lieferung von Antigentests zu erhalten, zu billigen. Die österreichische Regierung und die Kommission weisen im Übrigen darauf hin, dass aus Abschnitt 2.3.4 der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation (ABl. 2020, C 108 I, S. 1) hervorgehe, dass „Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung … eine Möglichkeit darstellen [können], unmittelbaren Bedarf angemessen zu decken“ und dass diese Verfahren „zur Überbrückung [dienen] bis langfristigere Lösungen gefunden sind, beispielsweise Rahmenverträge für Lieferungen von Waren und Bereitstellung von Dienstleistungen, die über reguläre Verfahren (dazu zählen auch beschleunigte Verfahren) vergeben werden“.
Jedenfalls lässt sich nicht bestreiten, dass ein Rechtsuchender nicht in der Lage ist, die Art des betreffenden Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags und die Anzahl der anfechtbaren Entscheidungen zu ermitteln, wenn keine vorherige Auftragsbekanntmachung im Sinne von Art. 49 der Richtlinie 2014/24 oder Vergabebekanntmachung im Sinne von Art. 50 dieser Richtlinie veröffentlicht worden ist.
Daraus folgt, dass eine nationale Regelung, die in einer solchen Situation einen Rechtsuchenden verpflichtet, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und in seinem Nachprüfungsantrag derartige Informationen anzugeben, darauf hinausläuft, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen, und damit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 beeinträchtigt (vgl. entsprechend Urteile vom28. Januar 2010, Uniplex [UK], C-406/08, EU:C:2010:45, Rn. 40, sowie vom 12. März 2015, eVigilo, C-538/13, EU:C:2015:166, Rn. 39 und 40), die sicherstellen soll, dass gegen rechtswidrige Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und möglichst rasch vorgegangen werden kann (Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C-61/14, EU:C:2015:655, Rn. 43).
Eine solche Regelung verstößt auch gegen das durch Art. 47 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, das aus sich heraus Wirkung entfaltet und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden muss, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das er als solches geltend machen kann (Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78).
Unter diesen Umständen ist auf die jeweils achte und neunte Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der es dem Rechtsuchenden obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder in seinem Nachprüfungsantrag das betreffende Vergabeverfahren und die von ihm beanstandete gesondert anfechtbare Entscheidung zu benennen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung noch nicht veröffentlicht worden ist.
Zur jeweils dritten und vierten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils dritten und vierten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Gericht ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Rechtsuchende insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder sein Nachprüfungsantrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder über den Nachprüfungsantrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht veröffentlicht worden ist.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 89/665 die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass u. a. hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 fallenden öffentlichen Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Art. 2 bis 2f der Richtlinie 89/665 auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können.
Wie oben in Rn. 72 ausgeführt worden ist, enthält die Richtlinie 89/665 jedoch keine Bestimmung, die sich speziell auf Gerichtsgebühren bezieht, die der Einzelne zu entrichten hat, wenn er gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Richtlinie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder eine Nachprüfung anstrengt, die auf die Aufhebung einer seiner Meinung nach rechtswidrigen Entscheidung im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gerichtet ist.
Allerdings müssen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Modalitäten gerichtlicher Nachprüfungsverfahren zum Schutz der Rechte, die das Unionsrecht den durch Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber geschädigten Bewerbern und Bietern einräumt, darauf achten, dass weder die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665, die sicherstellen soll, dass gegen rechtswidrige Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und möglichst rasch vorgegangen werden kann, noch der Schutz der Rechte, die das Unionsrecht Einzelnen einräumt, beeinträchtigt werden. Außerdem sollen die Richtlinie 2007/66, wie sich aus ihrem 36. Erwägungsgrund ergibt, und die Richtlinie 89/665, die durch sie geändert und vervollständigt wurde, die uneingeschränkte Achtung des in Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sicherstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a., C-470/99, EU:C:2002:746, Rn. 72 und 73, vom 15. September 2016, Star Storage u. a., C-439/14 und C-488/14, EU:C:2016:688, Rn. 42 bis 46, vom 7. August 2018, Hochtief, C-300/17, EU:C:2018:635, Rn. 38, sowie vom 7. September 2014, Klaipėdos regiono atliekų tvarkymo centras,C-927/19, EU:C:2021:700, Rn. 128).
Unter diesem Blickwinkel zielen die Vorschriften der Richtlinie 89/665, die die Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen, darauf ab, die vorhandenen Mechanismen zur Gewährleistung der effektiven Anwendung der Unionsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. August 1995, Kommission/Deutschland, C-433/93, EU:C:1995:263, Rn. 23, sowie vom 15. September 2016, Star Storage u. a., C-439/14 und C-488/14, EU:C:2016:688, Rn. 41).
Im Rahmen eines intransparent geführten Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erweist sich nämlich das Recht, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, als entscheidend. Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 heißt es im Übrigen, dass angesichts der Kürze der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die für die Nachprüfung zuständigen Stellen vor allem befugt sein müssen, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um das Vergabeverfahren oder die Durchführung etwaiger Beschlüsse der Vergabebehörde auszusetzen, und dass die Kürze der Vergabeverfahren eine dringliche Behandlung von Verstößen gegen die Vergabevorschriften notwendig macht.
Zu diesem Zweck gibt Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 den Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Entscheidungen wirksam und vor allem möglichst rasch auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können. Insbesondere verpflichtet Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Befugnisse vorzusehen, „damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern“ (Urteil vom 9. Dezember 2010, Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie u. a., C-568/08, EU:C:2010:751, Rn. 52 und 53).
Hat sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden und ist die Vergabebekanntmachung zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung im Zusammenhang mit diesem Verfahren noch nicht veröffentlicht worden, besteht eine erhebliche Gefahr, dass dieses Recht auf vorläufigen Rechtsschutz zunichte gemacht wird, wenn das Gericht, das über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden hat, allein zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren, die der Rechtsuchende zu entrichten hat, verpflichtet ist, die Art des durchgeführten Vergabeverfahrens zu ermitteln, den geschätzten Wert des fraglichen Auftrags anzugeben sowie alle vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen Entscheidungen zu erfassen, bevor es eine einstweilige Verfügung erlassen kann. Diese Gefahr ist noch größer, wenn es um ein Verfahren geht, das unter Verstoß gegen den in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 garantierten Transparenzgrundsatz durchgeführt wurde. In solchen Fällen ist es nämlich sehr wahrscheinlich, dass das Gericht langwierige und komplexe Ermittlungen durchführen muss. Solange seine Ermittlungen andauern, ist es dem Gericht jedoch nicht möglich, die vom Antragsteller beanstandeten Beschaffungen des öffentlichen Auftraggebers auszusetzen.
Eine solche Verpflichtung, der ein Gericht unterliegt, das im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens zu entscheiden hat, ist somit offensichtlich derart unverhältnismäßig, dass das durch Art. 47 der Charta gewährleistete Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf beeinträchtigt wird.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 in Frage gestellt wird, wenn der einzige mögliche Rechtsbehelf jener im Verfahren der Tatsacheninstanz ist. Die Möglichkeit, gegen den Vertrag selbst eine Nichtigkeitsklage zu erheben, ist nämlich nicht geeignet, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass es unmöglich ist, gegen den Akt der Zuschlagserteilung zu klagen, bevor der Vertrag geschlossen ist. Ist der Vertrag bereits unterzeichnet worden, läuft der Umstand, dass es sich bei der einzigen vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle um eine nachträgliche Prüfung handelt, darauf hinaus, die Möglichkeit auszuschließen, einen Rechtsbehelf in einem Stadium einzulegen, in dem Verstöße noch beseitigt werden können, und ermöglicht es daher nicht, dem Kläger vor Vertragsschluss einen umfassenden Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. April 2008, Kommission/Spanien, C-444/06, EU:C:2008:190, Rn. 38, vom 11. Juni 2009, Kommission/Frankreich, C-327/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:371, Rn. 58, und vom 23. Dezember 2009, Kommission/Irland, C-455/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:809, Rn. 28).
Unter diesen Umständen verstößt eine nationale Regelung, die ein mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung befasstes Gericht daran hindert, über diesen Antrag zu entscheiden, bis zum einen die oben in Rn. 92 genannten Informationen eingeholt worden sind und in der Folge davon zum anderen der Antragsteller die Pauschalgebühren entrichtet hat, sowohl gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 als auch gegen Art. 47 der Charta.
Dagegen gilt das Raschheitsgebot nicht mit der gleichen Intensität, wenn ein Rechtsuchender bei einem nationalen Gericht einen Nachprüfungsantrag stellt, der auf die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers gerichtet ist, wie wenn der Rechtsuchende vorsorglich einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stellt. Daher verstößt eine nationale Regelung wie die österreichische, die die Übermittlung der oben in Rn. 92 genannten Informationen im Rahmen eines Verfahrens zur Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vorschreibt, nicht gegen das Unionsrecht.
Daher ist auf die jeweils dritte und vierte Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist,
dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Gericht, das mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem Beschaffungen des öffentlichen Auftraggebers verhindert werden sollen, befasst ist, ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Antragsteller insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über diesen Antrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung im Zusammenhang mit diesem Verfahren noch nicht veröffentlicht worden ist;
dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein Gericht, das mit einem Nachprüfungsantrag, der auf die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers gerichtet ist, befasst ist, ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Antragsteller insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über diesen Antrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss.
Zur jeweils zehnten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils zehnten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag stellt, Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. gegebenenfalls ohne spätere Vergabebekanntmachung entschieden hat, so dass der Rechtsuchende möglicherweise nicht wissen kann, wie hoch der geschätzte Auftragswert ist und wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber erlassen hat.
Zunächst ist mit der österreichischen Regierung darauf hinzuweisen, dass dem Steller eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder eines Nachprüfungsantrags die Modalitäten der Berechnung der Pauschalgebühren, die er im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu entrichten hat, im Voraus bekannt sein können, da sie sich eindeutig aus § 340 BVergG in Verbindung mit der oben in Rn. 29 genannten Pauschalgebührenverordnung 2018 ergeben.
Greift der öffentliche Auftraggeber jedoch auf ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zurück, so kann der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag gestellt hat, weder wissen wie hoch der geschätzte Wert des betreffenden Auftrags ist noch wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber bereits erlassen hat.
Daher kann der Rechtsuchende die Höhe der von ihm zu entrichtenden Pauschalgebühren möglicherweise nicht vorhersehen.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts war EPIC unter den Umständen des Ausgangsrechtsstreits aus dem Grund, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, zum einen die Art des vom öffentlichen Auftraggeber durchgeführten Vergabeverfahrens zu ermitteln und zum anderen die von diesem erlassenen anfechtbaren Entscheidungen zu beziffern, dazu veranlasst, zunächst die 21 vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Rahmenvereinbarungen und die drei auf der Grundlage jeder dieser Rahmenvereinbarungen getroffenen Entscheidungen anzufechten. Da EPIC sich dafür entschieden habe, einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und einen Nachprüfungsantrag gegen all diese Entscheidungen zu stellen, habe sie sich zur Zahlung von Pauschalgebühren in Höhe von über einer Million Euro verpflichtet.
Somit macht eine nationale Regelung, wonach der Rechtsuchende Pauschalgebühren in einer Höhe zu entrichten hat, die bei der Stellung seines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder seines Nachprüfungsantrags nicht vorhersehbar ist, die Ausübung seines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf praktisch unmöglich oder erschwert sie übermäßig und verstößt folglich gegen Art. 47 der Charta, und zwar auch dann, wenn diese Höhe nur einem ganz geringen Bruchteil des Wertes des betreffenden Auftrags oder der betreffenden Aufträge entspricht.
Daher ist auf die jeweils zehnte Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 zu antworten, dass Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag stellt, Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. gegebenenfalls ohne spätere Vergabebekanntmachung entschieden hat, so dass der Rechtsuchende möglicherweise nicht wissen kann, wie hoch der geschätzte Wert des betreffenden Auftrags ist und wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber erlassen hat.
Zur jeweils siebten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21
Mit seiner jeweils siebten Frage in den Rechtssachen C-274/21 und C-275/21 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 47 und 48 der Charta einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein in einem Vergaberechtsstreit beklagter öffentlicher Auftraggeber sowohl im Rahmen eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als auch im Rahmen eines Nachprüfungsantrags sämtliche von ihm erbetenen Informationen und Unterlagen vorlegen muss, und zwar selbst dann, wenn zum einen eine Versäumnisentscheidung gegen ihn ergehen kann und zum anderen die Auskunftserteilung oder Unterlagenvorlage dazu führen kann, dass sich seine Organwalter oder Mitarbeiter strafrechtlich belasten.
Hierzu ist im Einklang mit der Ansicht der österreichischen Regierung und den Ausführungen oben in Rn. 53 festzuhalten, dass sich aus den Vorabentscheidungsersuchen ergibt, dass die mögliche Relevanz der Antwort auf diese Frage im vorliegenden Fall bei etwaigen künftigen Ermittlungen durch die medial transportierte Strafanzeige gegen gewisse Organwalter in Zusammenhang mit den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Antigentestbeschaffungen dokumentiert wird.
Damit macht das vorlegende Gericht selbst die hypothetische Natur der siebten Frage in den vorliegenden Rechtssachen deutlich. Außerdem beschränkt sich das vorlegende Gericht darauf, auf die strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung hinzuweisen, ohne einen Zusammenhang zwischen dieser strafrechtlichen Verfolgung und den vorliegenden Rechtssachen herzustellen.
Darüber hinaus ist die jeweils siebte Frage, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, unerheblich, da das vorlegende Gericht nicht darlegt, wie das Verbot der Selbstbezichtigung in einer Situation Anwendung finden könnte, in der die Organwalter oder Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers einem nationalen Gericht Informationen über das Verhalten des öffentlichen Auftraggebers übermitteln und hierbei selbst grundsätzlich keine strafrechtlichen Folgen zu befürchten haben.
Schließlich beschränkt sich das vorlegende Gericht darauf, allgemein auf die Art. 47 und 48 der Charta Bezug zu nehmen und geltend zu machen, dass die österreichische Regelung die Wirksamkeit des durch die Richtlinie 89/665 gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes stark einschränke, ohne jedoch die Bestimmungen des Unionsrechts zu benennen, die auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anwendbar sein und somit bewirken könnten, dass diese beiden Artikel der Charta auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar sind.
Daraus folgt, dass die siebte Frage hypothetisch und damit unzulässig ist.
Kosten
Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG dem Abschluss des in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung genannten Vertrags entspricht.
Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Vergabe eines neuen Auftrags nicht mehr auf eine Rahmenvereinbarung, bei der die darin festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind, stützen kann, es sei denn, die Vergabe dieses Auftrags führt zu keiner wesentlichen Änderung der Rahmenvereinbarung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie.
Der Äquivalenzgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Nachprüfungsanträge in Vergabeverfahren Verfahrensvorschriften vorsieht, die sich von denjenigen unterscheiden, die u. a. für Zivilverfahren gelten.
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der es dem Rechtsuchenden obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder in seinem Nachprüfungsantrag das betreffende Vergabeverfahren und die von ihm beanstandete gesondert anfechtbare Entscheidung zu benennen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung noch nicht veröffentlicht worden ist.
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen,
dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Gericht, das mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem Beschaffungen des öffentlichen Auftraggebers verhindert werden sollen, befasst ist, ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Antragsteller insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über diesen Antrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Aufhebung einer Entscheidung im Zusammenhang mit diesem Verfahren noch nicht veröffentlicht worden ist;
dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein Gericht, das mit einem Nachprüfungsantrag, der auf die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers gerichtet ist, befasst ist, ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Antragsteller insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über diesen Antrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss.
Art. 47 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Rechtsuchende, der einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag stellt, Pauschalgebühren in nicht absehbarer Höhe zu entrichten hat, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. gegebenenfalls ohne spätere Vergabebekanntmachung entschieden hat, so dass der Rechtsuchende möglicherweise nicht wissen kann, wie hoch der geschätzte Wert des betreffenden Auftrags ist und wie viele gesondert anfechtbare Entscheidungen, nach denen sich die Höhe der Pauschalgebühren richtet, der öffentliche Auftraggeber erlassen hat.
Jääskinen
Piçarra
Gavalec
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juli 2022.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident der Achten Kammer
N. Jääskinen
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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