Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
EuGH 22.06.2021 - C-682/18, C-683/18
EuGH 22.06.2021 - C-682/18, C-683/18 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) - 22. Juni 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Bereitstellung und Betreiben einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform – Haftung des Betreibers für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durch Nutzer seiner Plattform – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 3 und Art. 8 Abs. 3 – Begriff ‚öffentliche Wiedergabe‘ – Richtlinie 2000/31/EG – Art. 14 und 15 – Voraussetzungen, unter denen die Haftungsbefreiung geltend gemacht werden kann – Fehlende Kenntnis von konkreten Rechtsverletzungen – Meldung solcher Rechtsverletzungen als Voraussetzung für die Erwirkung einer gerichtlichen Anordnung“
Leitsatz
In den verbundenen Rechtssachen C-682/18 und C-683/18
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidungen vom 13. September 2018 bzw. vom 20. September 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2018, in den Verfahren
Frank Peterson
gegen
Google LLC,
YouTube Inc.,
YouTube LLC,
Google Germany GmbH (C-682/18)
und
Elsevier Inc.
gegen
Cyando AG (C-683/18)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, M. Vilaras, E. Regan und M. Ilešič (Berichterstatter), der Richter E. Juhász, M. Safjan, D. Šváby, S. Rodin und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Frank Peterson, vertreten durch die Rechtsanwälte P. Wassermann und J. Schippmann,
der Elsevier Inc., vertreten durch die Rechtsanwältinnen K. Bäcker und U. Feindor-Schmidt sowie durch Rechtsanwalt M. Lausen,
der Google LLC, der YouTube Inc., der YouTube LLC und der Google Germany GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Wimmers und M. Barudi,
der Cyando AG, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Waldhauser und M. Junker,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und E. Lankenau als Bevollmächtigte,
der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères, A. Daniel und R. Coesme als Bevollmächtigte,
der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf, S. L. Kalėda und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juli 2020
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10, im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie), von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1) sowie von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16, im Folgenden: Rechtsdurchsetzungsrichtlinie).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Frank Peterson auf der einen und der Google LLC sowie der YouTube LLC auf der anderen Seite (Rechtssache C-682/18) sowie zwischen der Elsevier Inc. und der Cyando AG (Rechtssache C-683/18) wegen mehrerer Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums von Herrn Peterson und Elsevier, die von Nutzern der von YouTube betriebenen Video-Sharing-Plattform bzw. der von Cyando betriebenen Sharehosting-Plattform begangen worden sind.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag (im Folgenden: WCT) an, der mit dem Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. 2000, L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde und am 14. März 2010 für die Europäische Union in Kraft trat (ABl. 2010, L 32, S. 1).
Art. 8 („Recht der öffentlichen Wiedergabe“) des WCT bestimmt:
„Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 11 Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 11 bis Absatz 1 Ziffern 1 und 2, Artikel 11 ter Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 14 Absatz 1 Ziffer 2 und Artikel 14 bis Absatz 1 der [am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten] Berner Übereinkunft [zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. September 1979] haben die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht, die öffentliche drahtlose oder drahtgebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschließlich der Zugänglichmachung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“
Die Diplomatische Konferenz gab am 20. Dezember 1996 Vereinbarte Erklärungen zum WCT ab.
In der Vereinbarten Erklärung zu Art. 8 des WCT heißt es:
„Die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt für sich genommen keine Wiedergabe im Sinne dieses Vertrags oder der Berner Übereinkunft dar. …“
Unionsrecht
Urheberrechtsrichtlinie
In den Erwägungsgründen 4, 5, 8 bis 10, 16, 23, 27, 31 und 59 der Urheberrechtsrichtlinie heißt es:
Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. Auf diese Weise können Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die technische Entwicklung hat die Möglichkeiten für das geistige Schaffen, die Produktion und die Verwertung vervielfacht und diversifiziert. Wenn auch kein Bedarf an neuen Konzepten für den Schutz des geistigen Eigentums besteht, so sollten die Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte doch angepasst und ergänzt werden, um den wirtschaftlichen Gegebenheiten, z. B. den neuen Formen der Verwertung, in angemessener Weise Rechnung zu tragen.
…
Angesichts der verschiedenen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Informationsgesellschaft ist die Besonderheit des Inhalts von Produkten und Dienstleistungen zu berücksichtigen.
Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. … Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.
…
… Die vorliegende Richtlinie sollte in einem ähnlichen Zeitrahmen wie die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr umgesetzt werden, da jene Richtlinie einen einheitlichen Rahmen für die Grundsätze und Vorschriften vorgibt, die auch für wichtige Teilbereiche der vorliegenden Richtlinie gelten. Die vorliegende Richtlinie berührt nicht die Bestimmungen der genannten Richtlinie zu Fragen der Haftung.
…
Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. …
…
Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.
…
Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. Die von den Mitgliedstaaten festgelegten Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf Schutzrechte müssen vor dem Hintergrund der neuen elektronischen Medien neu bewertet werden. …
…
Insbesondere in der digitalen Technik können die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. Oftmals sind diese Vermittler selbst am besten in der Lage, diesen Verstößen ein Ende zu setzen. Daher sollten die Rechtsinhaber – unbeschadet anderer zur Verfügung stehender Sanktionen und Rechtsbehelfe – die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk oder einen anderen Schutzgegenstand in einem Netz überträgt. Diese Möglichkeit sollte auch dann bestehen, wenn die Handlungen des Vermittlers nach Artikel 5 freigestellt sind. Die Bedingungen und Modalitäten für eine derartige gerichtliche Anordnung sollten im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden.“
Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“
Art. 8 („Sanktionen und Rechtsbehelfe“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen bei Verletzungen der in dieser Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vor und treffen alle notwendigen Maßnahmen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(2) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Rechtsinhaber, deren Interessen durch eine in seinem Hoheitsgebiet begangene Rechtsverletzung beeinträchtigt werden, Klage auf Schadenersatz erheben und/oder eine gerichtliche Anordnung sowie gegebenenfalls die Beschlagnahme von rechtswidrigem Material sowie von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen im Sinne des Artikels 6 Absatz 2 beantragen können.
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.“
Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr
Die Erwägungsgründe 41 bis 46, 48 und 52 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr lauten:
Diese Richtlinie schafft ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen und legt die Grundsätze fest, auf denen Übereinkommen und Standards in dieser Branche basieren können.
Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, dass der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.
Ein Diensteanbieter kann die Ausnahmeregelungen für die ‚reine Durchleitung‘ und das ‚Caching‘ in Anspruch nehmen, wenn er in keiner Weise mit der übermittelten Information in Verbindung steht. Dies bedeutet unter anderem, dass er die von ihm übermittelte Information nicht verändert. Unter diese Anforderung fallen nicht Eingriffe technischer Art im Verlauf der Übermittlung, da sie die Integrität der übermittelten Informationen nicht verändern.
Ein Diensteanbieter, der absichtlich mit einem der Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, leistet mehr als ‚reine Durchleitung‘ und ‚Caching‘ und kann daher den hierfür festgelegten Haftungsausschluss nicht in Anspruch nehmen.
Die in dieser Richtlinie festgelegten Beschränkungen der Verantwortlichkeit von Vermittlern lassen die Möglichkeit von Anordnungen unterschiedlicher Art unberührt. Diese können insbesondere in gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bestehen, die die Abstellung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung verlangen, einschließlich der Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen.
Um eine Beschränkung der Verantwortlichkeit in Anspruch nehmen zu können, muss der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von Information besteht, unverzüglich tätig werden, sobald ihm rechtswidrige Tätigkeiten bekannt oder bewusst werden, um die betreffende Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Im Zusammenhang mit der Entfernung oder der Sperrung des Zugangs hat er den Grundsatz der freien Meinungsäußerung und die hierzu auf einzelstaatlicher Ebene festgelegten Verfahren zu beachten. Diese Richtlinie lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, spezifische Anforderungen vorzuschreiben, die vor der Entfernung von Informationen oder der Sperrung des Zugangs unverzüglich zu erfüllen sind.
…
Diese Richtlinie lässt die Möglichkeit unberührt, dass die Mitgliedstaaten von Diensteanbietern, die von Nutzern ihres Dienstes bereitgestellte Informationen speichern, verlangen, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern.
…
Die effektive Wahrnehmung der durch den Binnenmarkt gebotenen Freiheiten macht es erforderlich, den Opfern einen wirksamen Zugang zu Möglichkeiten der Beilegung von Streitigkeiten zu gewährleisten. Schäden, die in Verbindung mit den Diensten der Informationsgesellschaft entstehen können, sind durch ihre Schnelligkeit und ihre geographische Ausbreitung gekennzeichnet. Wegen dieser spezifischen Eigenheit und der Notwendigkeit, darüber zu wachen, dass die nationalen Behörden das Vertrauen, das sie sich gegenseitig entgegenbringen müssen, nicht in Frage stellen, verlangt diese Richtlinie von den Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass angemessene Klagemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, ob ein Bedürfnis für die Schaffung eines Zugangs zu gerichtlichen Verfahren auf elektronischem Wege besteht.“
Art. 14 („Hosting“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Der Anbieter hat keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information, und, in bezug auf Schadenersatzansprüche, ist er sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder
der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.
(3) Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.“
Art. 15 („Keine allgemeine Überwachungspflicht“) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.“
Art. 18 („Klagemöglichkeiten“) Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nach innerstaatlichem Recht verfügbaren Klagemöglichkeiten im Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft es ermöglichen, dass rasch Maßnahmen, einschließlich vorläufiger Maßnahmen, getroffen werden können, um eine mutmaßliche Rechtsverletzung abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht.“
Rechtsdurchsetzungsrichtlinie
In den Erwägungsgründen 17, 22 und 23 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie heißt es:
Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung gebührend Rechnung getragen wird.
…
Ferner sind einstweilige Maßnahmen unabdingbar, die unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Verhältnismäßigkeit der einstweiligen Maßnahme mit Blick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, sowie vorbehaltlich der Sicherheiten, die erforderlich sind, um dem Antragsgegner im Falle eines ungerechtfertigten Antrags den entstandenen Schaden und etwaige Unkosten zu ersetzen, die unverzügliche Beendigung der Verletzung ermöglichen, ohne dass eine Entscheidung in der Sache abgewartet werden muss. Diese Maßnahmen sind vor allem dann gerechtfertigt, wenn jegliche Verzögerung nachweislich einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für den Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums mit sich bringen würde.
Unbeschadet anderer verfügbarer Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten Rechtsinhaber die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen eine Mittelsperson zu beantragen, deren Dienste von einem Dritten dazu genutzt werden, das gewerbliche Schutzrecht des Rechtsinhabers zu verletzen. Die Voraussetzungen und Verfahren für derartige Anordnungen sollten Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bleiben. Was Verletzungen des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte betrifft, so gewährt die [Urheberrechtsrichtlinie] bereits ein umfassendes Maß an Harmonisierung. Artikel 8 Absatz 3 der [Urheberrechtsrichtlinie] sollte daher von dieser Richtlinie unberührt bleiben.“
Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.
(2) Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“
Art. 11 („Gerichtliche Anordnungen“) der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der [Urheberrechtsrichtlinie] stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.“
Art. 13 („Schadensersatz“) der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.
Bei der Festsetzung des Schadensersatzes verfahren die Gerichte wie folgt:
Sie berücksichtigen alle in Frage kommenden Aspekte, wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers, sowie in geeigneten Fällen auch andere als die rein wirtschaftlichen Faktoren, wie den immateriellen Schaden für den Rechtsinhaber,
oder
sie können stattdessen in geeigneten Fällen den Schadensersatz als Pauschalbetrag festsetzen, und zwar auf der Grundlage von Faktoren wie mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums eingeholt hätte.
(2) Für Fälle, in denen der Verletzer eine Verletzungshandlung vorgenommen hat, ohne dass er dies wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen, dass die Gerichte die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung von Schadensersatz anordnen, dessen Höhe im Voraus festgesetzt werden kann.“
Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen
Rechtssache C-682/18
Herr Peterson ist Musikproduzent und trägt vor, Inhaber der Gesellschaft Nemo Studios zu sein.
YouTube betreibt die gleichnamige Internetplattform, auf der Nutzer kostenlos eigene Videodateien hochladen („upload“) und sie anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Google ist alleinige Gesellschafterin und gesetzliche Vertreterin von YouTube. Die YouTube Inc. und die Google Germany GmbH sind am Rechtsstreit nicht mehr beteiligt.
Am 20. Mai 1996 schloss die Gesellschaft Nemo Studio Frank Peterson mit der Künstlerin Sarah Brightman einen weltweit gültigen Künstlerexklusivvertrag zur Auswertung von Ton- und Bildtonaufnahmen ihrer Darbietungen. Dieser Vertrag wurde im Jahr 2005 durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt. Am 1. September 2000 schloss Herr Peterson für sich und die Gesellschaft Nemo Studios mit der Capitol Records Inc. eine Lizenzvereinbarung über den exklusiven Vertrieb von Aufnahmen und Darbietungen von Sarah Brightman durch Capitol Records.
Im November 2008 erschien das Album „A Winter Symphony“ mit von der Künstlerin interpretierten Musikwerken. Am 4. November 2008 begann Sarah Brightman eine Tournee namens „Symphony Tour“, auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot.
Am 6. und 7. November 2008 waren auf der Internetplattform YouTube Musikstücke aus diesem Album und aus privaten Konzertmitschnitten dieser Tournee eingestellt, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren. Mit Schreiben vom 7. November 2008 wandte sich Herr Peterson unter Bezugnahme auf Bildschirmausdrucke, die den von ihm beanstandeten Sachverhalt belegen sollten, an Google Germany und forderte sowohl diese als auch Google zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen auf. Google Germany wandte sich sodann an YouTube, die anhand der von Herrn Peterson übermittelten Bildschirmausdrucke händisch die Internetadressen (URLs) der fraglichen Videos ermittelte und Sperrungen vornahm, über deren Umfang die Parteien streiten.
Am 19. November 2008 waren auf der Internetplattform YouTube erneut Tonaufnahmen von Darbietungen der Künstlerin abrufbar, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren.
Infolgedessen erhob Herr Peterson beim Landgericht Hamburg (Deutschland) gegen Google und YouTube (im Folgenden zusammen: Beklagte des Ausgangsverfahrens) Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht. Zur Stützung dieser Klage berief er sich auf eigene Rechte als Hersteller des Tonträgers „A Winter Symphony“ sowie auf eigene und von der Künstlerin abgeleitete Rechte an den unter seiner künstlerischen Mitwirkung als Produzent und Chorsänger entstandenen Darbietungen der in diesem Album enthaltenen Musikstücke. Darüber hinaus macht er in Bezug auf die Konzertmitschnitte der „Symphony Tour“ geltend, er sei Komponist oder Textautor verschiedener Albumtitel. Ferner stünden ihm als Verleger von den Autoren abgeleitete Rechte an verschiedenen Musiktiteln zu.
Mit Urteil vom 3. September 2010 gab das angerufene Gericht der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel statt und wies sie im Übrigen ab.
Gegen diese Entscheidung legten sowohl Herr Peterson als auch die Beklagten des Ausgangsverfahrens beim Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) Berufung ein. Herr Peterson beantragte, den Beklagten des Ausgangsverfahrens zu verbieten, zwölf Tonaufnahmen oder Darbietungen aus dem von ihm produzierten Album „A Winter Symphony“ der Künstlerin Sarah Brightman sowie zwölf von ihm komponierte Musikwerke aus Konzerten der „Symphony Tour“ in Synchronisationsfassungen oder in sonstigen Verbindungen mit fremden Drittinhalten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zugänglich zu machen oder – hilfsweise – es Dritten zu ermöglichen, die betreffenden Werke öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem verlangte er die Erteilung von Auskünften über Verletzungshandlungen und den damit erzielten Umsatz oder Gewinn. Er beantragte ferner, YouTube zur Zahlung von Schadensersatz und Google zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zu verurteilen. Hilfsweise begehrte er Auskunft über die Nutzer der Internetplattform YouTube, die die fraglichen Musiktitel unter Pseudonymen hochgeladen hatten.
Mit Urteil vom 1. Juli 2015 änderte das Oberlandesgericht Hamburg das erstinstanzliche Urteil teilweise ab und verurteilte die Beklagten des Ausgangsverfahrens, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin aus dem Album „A Winter Symphony“ in Synchronisationsfassungen oder in sonstigen Verbindungen mit fremden Drittinhalten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zugänglich zu machen. Außerdem verurteilte das Gericht die Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Angabe der Namen und Postanschriften von Nutzern der Plattform, die Musiktitel unter einem Pseudonym auf die Plattform hochgeladen hatten, bzw. zur Angabe ihrer E-Mail-Adressen, soweit keine Postanschrift vorliegen sollte. Im Übrigen wies das Berufungsgericht die Klage als zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet ab.
Hinsichtlich der sieben Musiktitel aus dem Album „A Winter Symphony“ befand das Berufungsgericht, dass die Rechte von Herrn Peterson dadurch verletzt worden seien, dass diese Titel unberechtigt auf der Video-Sharing-Plattform von YouTube eingestellt und mit Bewegtbildern wie etwa Filmaufnahmen aus dem Promotionsvideo der Künstlerin verbunden worden seien. Für diese Rechtsverletzung hafte YouTube zwar nicht als Täterin oder Teilnehmerin, da sie keine aktive Rolle bei der Erstellung der streitgegenständlichen Inhalte oder ihrem Einstellen auf der Plattform gespielt und sich diese fremden Inhalte auch nicht zu eigen gemacht habe. Zudem fehle ihr für eine Haftung als Teilnehmerin der insoweit erforderliche Vorsatz, weil sie keine Kenntnis von konkreten Rechtsverletzungen gehabt habe. Allerdings hafte YouTube als „Störerin“, da sie gegen die ihr obliegenden Verhaltenspflichten verstoßen habe. So habe sie, obwohl sie in Bezug auf die fraglichen Werke auf Verletzungshandlungen hingewiesen worden sei, die beanstandeten Inhalte nicht unverzüglich gelöscht oder den Zugang zu ihnen gesperrt.
Hinsichtlich der Konzertaufnahmen der „Symphony Tour“ habe YouTube dagegen keine Verhaltenspflichten verletzt. Zwar seien die Videos mit den elf näher bezeichneten Musiktiteln rechtswidrig von Dritten auf die Video-Sharing-Plattform eingestellt worden. YouTube sei aber über diese Rechtsverletzungen nicht zureichend in Kenntnis gesetzt worden oder habe die gebotenen Sperrungen der fraglichen Inhalte rechtzeitig vorgenommen, oder ihr sei kein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Sperrung dieser Inhalte vorzuwerfen.
Das Berufungsgericht stellte u. a. folgende Tatsachen fest:
Auf die Internetplattform YouTube würden bis zu 35 Stunden Videomaterial pro Minute und mehrere Hunderttausend Videos pro Tag hochgeladen. Das Einstellen der Videos auf die Server von Google erfolge in einem automatisierten Verfahren, ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch die Beklagten des Ausgangsverfahrens.
Um Videos auf die Internetplattform YouTube hochladen zu können, sei es erforderlich, ein Konto mit einem Benutzernamen und einem Passwort einzurichten und die allgemeinen Nutzungsbedingungen dieser Plattform zu akzeptieren. Ein Nutzer, der nach einer solchen Registrierung ein Video hochlade, habe die Wahl, es im „privaten“ Bereich zu belassen oder es auf der Plattform zu veröffentlichen. Im zweiten Fall könne jeder Internetnutzer das fragliche Video von der genannten Plattform aus in Echtzeit betrachten („Streaming“).
In den allgemeinen Nutzungsbedingungen von YouTube sei geregelt, dass jeder Nutzer ihr an den hochgeladenen Videos bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie von der Plattform entferne, eine weltweite, nicht exklusive und gebührenfreie Lizenz bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, des Vertriebs, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Plattform und den Geschäften von YouTube einschließlich der Werbung einräume.
Mit der Akzeptanz dieser allgemeinen Bedingungen bestätige der Nutzer, dass er über sämtliche erforderlichen Lizenzen, Rechte, Zustimmungen und Erlaubnisse bezüglich der von ihm hochgeladenen Videos verfüge. Im Übrigen rufe YouTube die Nutzer ihrer Plattform in den „Community-Richtlinien“ dazu auf, das Urheberrecht zu respektieren. Die Nutzer würden zudem bei jedem Hochladevorgang in grafisch hervorgehobener Weise darauf hingewiesen, dass keine urheberrechtsverletzenden Videos auf die Plattform eingestellt werden dürften.
YouTube habe eine Reihe von technischen Vorkehrungen getroffen, um Rechtsverletzungen auf ihrer Plattform zu beenden und zu unterbinden. Jeder könne ihr schriftlich, per Fax, E-Mail oder Web-Formular das Vorhandensein eines rechtswidrigen Videos anzeigen. Es sei ein „Meldebutton“ eingerichtet, mit dem anstößige oder rechtsverletzende Inhalte gemeldet werden könnten. Die Rechtsinhaber hätten zudem über ein spezielles Benachrichtigungsverfahren die Möglichkeit, unter Angabe der entsprechenden Internetadressen (URLs) bis zu zehn konkret bezeichnete Videos pro Beanstandungsvorgang von der Plattform entfernen zu lassen.
YouTube habe außerdem ein Programm zur Inhaltsprüfung („Content Verification Program“) bereitgestellt, das dem Rechtsinhaber die Bezeichnung der Videos erleichtere, indem er in einer Liste von Videos diejenigen ankreuzen könne, die er für rechtsverletzend halte. Dieses Programm stehe nur Unternehmen zur Verfügung, die sich hierfür gesondert registrieren müssten, nicht jedoch Einzelpersonen. Sofern ein Video wegen einer Benachrichtigung durch den Rechtsinhaber gesperrt werde, erhalte der Nutzer, der es hochgeladen habe, eine Mitteilung, mit der die Sperrung seines Kontos im Wiederholungsfall angekündigt werde.
Ferner habe YouTube zur Identifizierung rechtsverletzender Inhalte die Inhaltserkennungsprogramme „Content ID“ bzw. „YouTube Audio ID“ und „YouTube Video ID“ entwickelt. Hierfür habe der jeweilige Rechtsinhaber eine Audio- oder Videoreferenzdatei bereitzustellen, die es YouTube ermögliche, auf ihrer Plattform andere Videos mit ganz oder teilweise gleichem Inhalt zu identifizieren. Werde ein solches Video identifiziert, erhalte der Rechtsinhaber hierüber eine Mitteilung von YouTube. Er könne dann entweder die Sperrung des fraglichen Inhalts veranlassen oder diesen Inhalt genehmigen und an den Werbeeinnahmen partizipieren.
YouTube biete eine Suchfunktion an und ermittle die geografische Relevanz der Suchergebnisse, die auf der Startseite in Form von „Rankings“ unter den Rubriken „Derzeit abgespielte Videos“, „Promotete Videos“ und „Angesagte Videos“ zusammengefasst würden. Weitere Übersichten des Angebots würden unter den Überschriften „Videos“ und „Kanäle“ mit Unterrubriken wie „Unterhaltung“, „Musik“ oder „Film & Animation“ bereitgehalten. Soweit ein registrierter Nutzer die Plattform verwende, würden ihm in einer Übersicht „empfohlene Videos“ angezeigt, deren Inhalt sich an den von ihm bereits angesehenen Videos orientiere.
Am Rand der Startseite befänden sich länderspezifische Bannerwerbungen von Drittanbietern. Eine weitere Möglichkeit der Werbevermarktung auf YouTube seien Videoanzeigen, deren Schaltung den Abschluss eines gesonderten Vertrags zwischen dem einstellenden Nutzer und YouTube voraussetze. Hinsichtlich der im vorliegenden Streitfall betroffenen Videos sei allerdings eine Verbindung mit Werbung nicht ersichtlich.
Der Bundesgerichtshof (Deutschland) hat die Revision gegen das Berufungsurteil im Umfang der vom Berufungsgericht für zulässig erachteten Klageanträge zugelassen. Herr Peterson verfolgt mit seiner Revision diese Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht sie als unbegründet abgewiesen hat. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens erstreben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.
Das vorlegende Gericht führt aus, die Begründetheit der Revision von Herrn Peterson hänge an erster Stelle davon ab, ob das im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Verhalten von YouTube eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstelle. Dies könne nur bei den sieben Musikwerken des Albums „A Winter Symphony“ der Fall sein, die YouTube nicht unverzüglich gelöscht oder gesperrt habe, obwohl sie über den vom Berufungsgericht festgestellten Umstand informiert worden sei, dass diese Werke rechtswidrig über ihre Plattform öffentlich zugänglich gemacht worden seien.
Mit dem Betrieb ihrer Plattform nehme YouTube nämlich keine für die Annahme einer Handlung der Wiedergabe erforderliche zentrale Rolle im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein, sofern sie nach Erlangung der Kenntnis von der öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtsverletzender Inhalte diese unverzüglich lösche oder den Zugang zu ihnen unverzüglich sperre. Dass YouTube eine solche Rolle zukomme, könne nur angenommen werden, wenn sie sich der Folgen ihres Handelns und insbesondere der fehlenden Erlaubnis des Rechtsinhabers vollkommen bewusst sei. Da die Einstellung von Videos automatisch erfolge, habe YouTube jedoch bis zu einem Hinweis des Rechtsinhabers keine Kenntnis von der öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtsverletzender Inhalte. Hervorzuheben sei, dass YouTube die Nutzer in ihren allgemeinen Nutzungsbedingungen und auch später während des Hochladevorgangs darauf hinweise, dass sie über ihre Plattform keine Urheberrechte verletzen dürften, und den Rechtsinhabern Hilfsmittel zur Verfügung stelle, mit denen sie solchen Rechtsverletzungen entgegenwirken könnten.
Sofern das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verhalten von YouTube nicht als öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie eingestuft werden könne, sei an zweiter Stelle zu klären, ob die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing-Plattform wie YouTube in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr falle, so dass für diesen Betreiber eine Haftungsprivilegierung hinsichtlich der auf seiner Plattform gespeicherten Informationen gelten könne. Wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergebe, habe YouTube die Videos, die die Urheberrechte von Herrn Peterson verletzten, nicht mit Werbung verbunden. Es stelle sich jedoch die Frage, ob YouTube unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des vorliegenden Falles – wie in Rn. 30 des vorliegenden Urteils zusammengefasst – gleichwohl eine aktive Rolle gespielt habe, die der Anwendung dieser Bestimmung entgegenstehe.
Falls die Rolle von YouTube als neutral einzustufen sei und ihre Tätigkeit daher in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr falle, stelle sich an dritter Stelle die Frage, ob sich die „tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information“ und das „[Bewusstsein von] Tatsachen oder Umstände[n], aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird“, im Sinne dieser Bestimmung auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen müssten. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist diese Frage zu bejahen. Aus dem Wortlaut und der Systematik dieser Bestimmung ergebe sich nämlich, dass es nicht genüge, wenn dem Anbieter allgemein bewusst sei, dass seine Dienste für irgendwelche rechtswidrigen Tätigkeiten genutzt würden. Daher müsse eine Rechtsverletzung dem Anbieter so konkret und genau angezeigt werden, dass er sie ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung feststellen könne.
Sofern das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verhalten von YouTube in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr falle, stelle sich an vierter Stelle die weitere Frage, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar sei, wenn der Rechtsinhaber eine gerichtliche Anordnung gegen einen Betreiber einer Video-Sharing-Plattform, dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden seien, erst erlangen könne, wenn der Betreiber nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung nicht unverzüglich tätig geworden sei, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu ihm zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholten. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, diese Frage sei zu bejahen, da sich aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ergebe, dass eine gerichtliche Anordnung gegen einen solchen Betreiber im nationalen Recht der Mitgliedstaaten nur für den Fall vorgesehen werden könne, dass der Betreiber tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information habe.
Falls das Verhalten von YouTube nicht in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr falle, stelle sich an fünfter Stelle die Frage, ob YouTube selbst bei Nichtvorliegen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie als „Verletzer“ anzusehen sei, der im Gegensatz zu einem „Vermittler“ nach den Art. 11 und 13 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Zahlung von Schadensersatz und Herausgabe von Gewinnen in Anspruch genommen werden könne.
Sollte der in der vorstehenden Randnummer genannte Fall vorliegen und der Gerichtshof insoweit der Auffassung des vorlegenden Gerichts folgen, dass YouTube als Verletzer anzusehen sei, stelle sich an sechster und letzter Stelle die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie davon abhängig gemacht werden dürfe, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die konkrete Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt habe.
Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Nimmt der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vor, wenn
er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt,
der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,
der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,
der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt,
sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt?
Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Fällt die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr?
Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen?
Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist?
Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie anzusehen?
Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:
Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie davon abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?
Rechtssache C-683/18
Elsevier ist ein internationaler Fachverlag und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werken.
Cyando betreibt die Sharehosting-Plattform „Uploaded“, die über die Websites uploaded.net, uploaded.to und ul.to zugänglich ist. Diese Plattform bietet jedem Internetnutzer kostenlos Speicherplatz für das Hochladen („Upload“) von Dateien beliebigen Inhalts. Um Dateien auf die Plattform hochladen zu können, ist es erforderlich, ein Konto – mit einem Benutzernamen und einem Passwort – einzurichten und dabei insbesondere eine elektronische Adresse anzugeben. Eine von einem Nutzer hochgeladene Datei wird automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch Cyando online gestellt. Für jede hochgeladene Datei erstellt Cyando automatisch einen „Download-Link“, über den direkt auf die betreffende Datei zugegriffen werden kann, und teilt ihn automatisch dem Nutzer mit, der die Datei hochgeladen hat.
Cyando bietet für die auf ihrer Plattform gespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis noch eine Suchfunktion an. Allerdings können die Nutzer die ihnen von Cyando mitgeteilten Download-Links im Internet teilen, etwa in Blogs, Foren oder „Linksammlungen“. Diese Sammlungen, die von Dritten angeboten werden, indexieren die Links, liefern Informationen über den Inhalt der Dateien, zu denen die Links führen, und ermöglichen es den Internetnutzern somit, die Dateien zu suchen, die sie herunterladen möchten. Auf diese Weise können andere Internetnutzer auf die Dateien zugreifen, die auf der Plattform von Cyando gespeichert sind.
Das Herunterladen („Download“) von Dateien von der Plattform von Cyando ist kostenlos möglich. Allerdings sind Menge und Geschwindigkeit für nicht registrierte Nutzer und solche mit einer kostenfreien Mitgliedschaft beschränkt. Nutzer, die über ein kostenpflichtiges Abonnement verfügen, bekommen täglich ein Download-Kontingent von 30 GB, maximal sammelbar auf bis zu 500 GB, ohne Beschränkungen der Downloadgeschwindigkeit. Sie können beliebig viele Downloads parallel tätigen und müssen zwischen einzelnen Downloads keine Wartezeit in Kauf nehmen. Der Preis für ein solches Abonnement liegt zwischen 4,99 Euro für zwei Tage und 99,99 Euro für zwei Jahre. Cyando zahlt den Nutzern, die Dateien hochgeladen haben, eine Vergütung nach Maßgabe der Zahl der Downloads dieser Dateien. So werden für 1000 Downloads bis zu 40 Euro gezahlt.
Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Cyando ist es den Nutzern ihrer Plattform untersagt, Urheberrechtsverstöße über die Plattform zu begehen.
Das vorlegende Gericht führt aus, diese Plattform werde sowohl für legale Anwendungen genutzt als auch für solche, die Urheberrechte verletzten. Cyando sei darüber informiert worden, dass auf ihre Plattform mehr als 9500 Werke hochgeladen worden seien, zu denen unter Verletzung des Urheberrechts Download-Links auf ca. 800 verschiedenen Websites (Linksammlungen, Blogs, Foren) geteilt worden seien.
Insbesondere zeigte Elsevier Cyando auf der Grundlage von Recherchen, die vom 11. bis zum 19. Dezember 2013 durchgeführt worden waren, mit zwei Schreiben vom 10. und vom 17. Januar 2014 an, dass drei der Werke, an denen sie die ausschließlichen Nutzungsrechte innehabe, nämlich „Gray’s Anatomy for Students“, „Atlas of Human Anatomy“ und „Campbell-Walsh Urology“, über die Linksammlungen rehabgate.com, avaxhome.ws und bookarchive.ws als Datei auf der Plattform Uploaded abgerufen werden könnten.
Elsevier erhob beim Landgericht München I (Deutschland) Klage gegen Cyando. Sie nahm Cyando insbesondere auf Unterlassung in Anspruch, und zwar in erster Linie als Täterin der Urheberrechtsverletzungen an den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werken, hilfsweise als Teilnehmerin an diesen Verletzungshandlungen und weiter hilfsweise als „Störerin“. Ferner beantragte Elsevier, Cyando zur Erteilung bestimmter Auskünfte zu verurteilen und ihr wegen dieser Rechtsverletzungen Schadensersatz zu leisten.
Mit Urteil vom 18. März 2016 verurteilte das Landgericht München I Cyando als Teilnehmerin an den Urheberrechtsverletzungen hinsichtlich dreier der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werke, nämlich der in den Schreiben vom 10. und vom 17. Januar 2014 genannten, zur Unterlassung.
Gegen diese Entscheidung legten Elsevier und Cyando beim Oberlandesgericht München (Deutschland) jeweils Berufung ein.
Mit Urteil vom 2. März 2017 änderte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil ab. Es verurteilte Cyando als „Störerin“ hinsichtlich der Urheberrechtsverletzungen an den drei in den Schreiben vom 10. und vom 17. Januar 2014 genannten Werken zur Unterlassung und wies die Klage im Übrigen ab.
Das Berufungsgericht war u. a. der Ansicht, Elsevier könne Cyando nicht als Täterin der fraglichen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch nehmen. Der Beitrag von Cyando beschränke sich nämlich darauf, die technischen Mittel für die öffentliche Zugänglichmachung der in Rede stehenden Werke bereitzustellen. Mangels Kenntnis solcher von den Nutzern ihrer Plattform begangenen Rechtsverletzungen könne Cyando auch nicht als Teilnehmerin an diesen angesehen werden. Jedoch sei Cyando als „Störerin“ verpflichtet, die Urheberrechtsverletzungen an den drei in den Schreiben vom 10. und vom 17. Januar 2014 genannten Werken zu unterbinden. Hinsichtlich des ebenfalls vom Ausgangsverfahren erfassten Werkes „Robbins Basic Pathology“ habe sie hingegen ihre Prüfpflichten nicht verletzt, da eine nochmalige Veröffentlichung dieses Werkes erst zweieinhalb Jahre nach Feststellung der ersten die Prüfpflichten auslösenden Verletzung erfolgt sei. Im Übrigen hafte Cyando als „Störerin“ nicht auf Schadensersatz.
Im Rahmen seiner Prüfung stellte das Berufungsgericht insbesondere fest, dass Cyando durch die Gestaltung ihres Vergütungssystems, durch die Bereitstellung von Download-Links, die direkten Zugang zu den heruntergeladenen Dateien ermöglichten, und durch die Möglichkeit der anonymen Nutzung ihrer Plattform einen erheblichen Anreiz dafür schaffe, dass die Plattform zu unerlaubten Zwecken genutzt werde. Am Herunterladen von Dateien interessierte Nutzer neigten eher zum Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements, durch das sie Anspruch auf einen Premium-Account erhielten, wenn sie über diese Plattform attraktive, urheberrechtlich geschützte Werke herunterladen könnten. Cyando motiviere ihre Nutzer zum Hochladen von Dateien, die voraussichtlich oft heruntergeladen würden, indem sie ihnen eine Vergütung für häufige Downloads der von ihnen hochgeladenen Dateien zahle und sie an den Einnahmen für neu gewonnene Account-Inhaber beteilige. Da diese Vergütung von der Anzahl der Downloads einer Datei und damit von deren Attraktivität für die Öffentlichkeit abhänge, bestehe ein Anreiz für die Nutzer, urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, die anderweitig nur kostenpflichtig zu erlangen seien. Zudem sei es den hochladenden Nutzern dadurch, dass die Download-Links einen direkten Zugang zu den hochgeladenen Dateien verschafften, unproblematisch möglich, diese Dateien etwa durch Linksammlungen mit den am Herunterladen interessierten Nutzern zu teilen. Schließlich verringere die Anonymität bei der Nutzung der Plattform das Risiko für die Nutzer, für Urheberrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Obwohl Elsevier in der Berufungsinstanz geltend gemacht hatte, 90 bis 96 % der auf der Plattform von Cyando abrufbaren Dateien entfielen auf rechtsverletzende Inhalte – was Cyando bestreitet –, stellte das Berufungsgericht hingegen nicht fest, zu welchem Anteil diese Plattform legal und zu welchem Anteil sie zu unerlaubten Zwecken genutzt wird.
Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision, deren Zurückweisung Cyando beantragt, verfolgt Elsevier ihre Anträge weiter.
Das vorlegende Gericht führt aus, die Begründetheit der Revision hänge an erster Stelle davon ab, ob das Verhalten des Betreibers einer Sharehosting-Plattform wie der von Cyando eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstelle. Es komme in Betracht, dass Cyando eine zentrale Rolle im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs einnehme, was erforderlich sei, um ihr Verhalten als Handlung der Wiedergabe einstufen zu können. Insoweit sei festzustellen, dass Cyando zwar bis zu einem Hinweis des Rechtsinhabers keine Kenntnis von der rechtswidrigen Zugänglichmachung geschützter Inhalte habe, da diese Inhalte von Dritten hochgeladen würden. Auch weise sie ihre Nutzer in den Nutzungsbedingungen ihrer Plattform darauf hin, dass sie über die Plattform keine Urheberrechte verletzen dürften. Allerdings habe Cyando Kenntnis davon, dass über ihre Plattform in erheblichem Umfang geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht würden. Zudem erhöhe sie durch ihr Vergütungssystem, durch die Bereitstellung von Download-Links, die direkten Zugang zu den hochgeladenen Dateien ermöglichten, und durch die Möglichkeit der anonymen Nutzung ihrer Plattform erheblich die Gefahr, dass ihre Plattform zu unerlaubten Zwecken genutzt werde.
Für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass das Verhalten des Betreibers einer Sharehosting-Plattform wie der von Cyando keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstellt, stellt das vorlegende Gericht im Wesentlichen dieselben Fragen wie die Fragen 2 bis 6 in der Rechtssache C-682/18.
Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
-
Nimmt der Betreiber eines Sharehosting-Dienstes, über den Nutzer Dateien mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vor, wenn
der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
der Betreiber in den Nutzungsbedingungen darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
er mit dem Betrieb des Dienstes Einnahmen erzielt,
der Dienst für legale Anwendungen genutzt wird, der Betreiber aber Kenntnis davon hat, dass auch eine erhebliche Anzahl urheberrechtsverletzender Inhalte (mehr als 9500 Werke) verfügbar sind,
der Betreiber kein Inhaltsverzeichnis und keine Suchfunktion anbietet, die von ihm bereitgestellten unbeschränkten Download-Links aber von Dritten in Linksammlungen im Internet eingestellt werden, die Informationen zum Inhalt der Dateien enthalten und die Suche nach bestimmten Inhalten ermöglichen,
er durch die Gestaltung der von ihm nachfrageabhängig gezahlten Vergütung für Downloads einen Anreiz schafft, urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, die anderweitig für Nutzer nur kostenpflichtig zu erlangen sind,
und
durch die Einräumung der Möglichkeit, Dateien anonym hochzuladen, die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass Nutzer für Urheberrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden?
Ändert sich diese Beurteilung, wenn über den Sharehosting-Dienst in einem Umfang von 90 bis 96 % der Gesamtnutzung urheberrechtsverletzende Angebote bereitgestellt werden?
Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Fällt die Tätigkeit des Betreibers eines Sharehosting-Dienstes unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr?
Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen?
Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist?
Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist der Betreiber eines Sharehosting-Dienstes unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie anzusehen?
Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:
Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Rechtsdurchsetzungsrichtlinie davon abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?
-
Durch Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2018 sind die Rechtssachen C-682/18 und C-683/18 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Eingangs ist klarzustellen, dass die in den vorliegenden Rechtssachen gestellten Fragen die Urheberrechtsrichtlinie, die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und die Rechtsdurchsetzungsrichtlinie betreffen, die zur Zeit der Ereignisse der Ausgangsverfahren anwendbar waren. Die vom Gerichtshof in Beantwortung dieser Fragen vorgenommenen Auslegungen betreffen nicht die nach dieser Zeit anwendbar gewordene Regelung, die durch Art. 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29 (ABl. 2019, L 130, S. 92) eingeführt wurde.
Zur ersten Frage in den Rechtssachen C-682/18 und C-683/18
Mit seiner ersten Frage in jeder der beiden Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, unter Umständen, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede stehen, selbst eine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte im Sinne dieser Bestimmung vornimmt.
Nach Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise zu erlauben oder zu verbieten, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.
Nach dieser Bestimmung verfügen die Urheber damit über ein Recht vorbeugender Art, das es ihnen erlaubt, sich bei Nutzern ihrer Werke vor der öffentlichen Wiedergabe, die diese Nutzer möglicherweise durchzuführen beabsichtigen, einzuschalten, und zwar, um diese zu verbieten (Urteil vom 9. März 2021, VG Bild-Kunst, C-392/19, EU:C:2021:181, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sollte der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie, wie in deren 23. Erwägungsgrund hervorgehoben, in weitem Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfasst. Aus den Erwägungsgründen 4, 9 und 10 dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass deren Hauptziel darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten (Urteil vom 9. März 2021, VG Bild-Kunst, C-392/19, EU:C:2021:181, Rn. 26 und 27).
Gleichzeitig geht aus den Erwägungsgründen 3 und 31 der Urheberrechtsrichtlinie hervor, dass die durch die Richtlinie bewirkte Harmonisierung insbesondere vor dem Hintergrund der elektronischen Medien einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Inhaber von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten am Schutz ihres durch Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Rechts am geistigen Eigentum einerseits und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen, insbesondere ihrer durch Art. 11 der Charta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, sowie dem Gemeinwohl andererseits sichern soll (Urteile vom 8. September 2016, GS Media, C-160/15, EU:C:2016:644, Rn. 31, sowie vom 29. Juli 2019, Pelham u. a., C-476/17, EU:C:2019:624, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Daraus folgt, dass bei der Auslegung und Anwendung der Urheberrechtsrichtlinie, insbesondere ihres Art. 3 Abs. 1, dieser angemessene Ausgleich anzustreben ist, wobei auch die besondere Bedeutung des Internets für die durch Art. 11 der Charta gewährleistete Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C-160/15, EU:C:2016:644, Rn. 45).
Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, vereint der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieses Art. 3 Abs. 1 zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werks und seine öffentliche Wiedergabe, und erfordert eine individuelle Beurteilung (Urteil vom 9. März 2021, VG Bild-Kunst, C-392/19, EU:C:2021:181, Rn. 29 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (Urteil vom 9. März 2021, VG Bild-Kunst, C-392/19, EU:C:2021:181, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof zum einen die zentrale Rolle des Betreibers der Plattform und die Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Der Betreiber nimmt nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das verbreitete Werk grundsätzlich nicht abrufen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C-610/15, EU:C:2017:456, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zum anderen hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Begriff „Öffentlichkeit“ eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten umfasst und im Übrigen recht viele Personen voraussetzt (Urteil vom 28. Oktober 2020, BY [Fotografisches Beweismittel], C-637/19, EU:C:2020:863, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Gerichtshof hat ferner darauf hingewiesen, dass es nach ständiger Rechtsprechung für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich ist, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum“ wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das der Rechtsinhaber nicht bereits gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (Urteil vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C-263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 70 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die potenziell rechtsverletzenden Inhalte nicht vom Betreiber, sondern von den Nutzern, die selbständig und in eigener Verantwortung handeln, auf die betreffende Plattform hochgeladen werden.
Außerdem sind es die Nutzer der Plattform, die bestimmen, ob die von ihnen hochgeladenen Inhalte über diese Plattform anderen Internetnutzern zugänglich gemacht werden, damit diese von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl darauf zugreifen können.
So steht hinsichtlich der Sharehosting-Plattform Uploaded fest, dass der Download-Link, der den Zugang zu einem hochgeladenen Inhalt ermöglicht, ausschließlich dem Nutzer übermittelt wird, der den Hochladevorgang durchgeführt hat, und dass diese Plattform selbst nicht die Möglichkeit bietet, diesen Link und damit den hochgeladenen Inhalt mit anderen Internetnutzern zu teilen. Um diesen Inhalt teilen zu können, muss der Nutzer daher entweder den Download-Link unmittelbar den Personen mitteilen, denen er Zugang zu diesem Inhalt gewähren möchte, oder den Link im Internet, etwa in Blogs, Foren oder „Linksammlungen“, veröffentlichen.
Was die Video-Sharing-Plattform YouTube betrifft, besteht die Hauptfunktion dieser Plattform zwar im öffentlichen Teilen von Videos mit allen Internetnutzern, doch ermöglicht sie es ihren Nutzern offenbar auch, Inhalte „privat“ auf sie hochzuladen und somit zu wählen, ob und gegebenenfalls mit wem sie diese Inhalte teilen möchten.
Daher ist zum einen festzustellen, dass die Nutzer der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Plattformen eine „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne der in Rn. 68 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung vornehmen, wenn sie ohne Zustimmung der Rechtsinhaber anderen Internetnutzern über diese Plattformen Zugang zu geschützten Werken gewähren, die jene anderen Internetnutzer, wären die erstgenannten Nutzer nicht tätig geworden, nicht hätten abrufen können. Zum anderen besteht nur dann, wenn diese Nutzer die hochgeladenen Inhalte der „Öffentlichkeit“ im Sinne der in Rn. 69 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zugänglich machen, indem sie diese Inhalte mit jedem Internetnutzer auf der Plattform YouTube teilen bzw. die Download-Links, die Zugang zu den Inhalten auf der Plattform Uploaded verschaffen, im Internet veröffentlichen, die Möglichkeit, dass diese Nutzer und infolgedessen der Betreiber der Plattform, über die diese Zugänglichmachung erfolgt, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie durchführen.
Mit seiner ersten Frage in jeder der beiden Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform selbst eine „Handlung der Wiedergabe“ vornimmt, die zu der gegebenenfalls vom Nutzer der Plattform vorgenommenen Handlung der Wiedergabe hinzutritt.
Hierzu ist festzustellen, dass der Betreiber einer solchen Plattform hinsichtlich der von seinen Nutzern bewirkten Zugänglichmachung potenziell rechtsverletzender Inhalte eine zentrale Rolle spielt. Ohne die Bereitstellung und Verwaltung einer solchen Plattform wäre es nämlich unmöglich oder zumindest komplexer, diese Inhalte im Internet frei zu teilen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C-610/15, EU:C:2017:456, Rn. 36 und 37).
Wie sich aus der in den Rn. 67 und 68 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist die zentrale Rolle des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform jedoch nicht das einzige Kriterium, das im Rahmen der maßgeblichen individuellen Beurteilung zu berücksichtigen ist, sondern dieses Kriterium ist vielmehr in seinem Zusammenwirken mit anderen Kriterien, insbesondere dem der Vorsätzlichkeit des Handelns eines solchen Betreibers, anzuwenden.
Würde nämlich der bloße Umstand, dass die Nutzung einer Plattform erforderlich ist, damit die Öffentlichkeit das Werk tatsächlich abrufen kann, oder sogar schon der Umstand, dass die Plattform den Abruf lediglich erleichtert, automatisch dazu führen, dass das Tätigwerden des Betreibers dieser Plattform als „Handlung der Wiedergabe“ einzustufen wäre, würde jede „Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken“, eine solche Handlung darstellen, was der 27. Erwägungsgrund der Urheberrechtsrichtlinie, der im Wesentlichen die Vereinbarte Erklärung zu Art. 8 des WCT aufgreift, jedoch explizit ausschließt.
Daher ist sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rolle, die ein solches Tätigwerden des Betreibers einer Plattform bei der Wiedergabe durch den Nutzer dieser Plattform spielt, als auch im Hinblick auf dessen Vorsätzlichkeit zu beurteilen, ob das betreffende Tätigwerden unter Berücksichtigung des spezifischen Kontexts als Handlung der Wiedergabe einzustufen ist.
Insoweit ergibt sich aus der in Rn. 68 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass insbesondere ein Tätigwerden in voller Kenntnis der Folgen des betreffenden Verhaltens und mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, zur Einstufung dieses Tätigwerdens als „Handlung der Wiedergabe“ führen kann.
Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bereitstellung und das Betreiben der Filesharing-Plattform The Pirate Bay, die durch die Indexierung von Metadaten zu geschützten Werken und durch das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern dieser Plattform ermöglicht, diese Werke aufzufinden und sie im Rahmen eines „Peer-to-peer“-Netzes zu teilen, eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Insoweit hat der Gerichtshof insbesondere hervorgehoben, dass die Betreiber von The Pirate Bay in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens tätig geworden waren, um Zugang zu den geschützten Werken zu gewähren, dass sie in den auf dieser Plattform verfügbaren Blogs und Foren ausdrücklich ihr Ziel kundgetan hatten, den Nutzern geschützte Werke zur Verfügung zu stellen, und dass sie die Nutzer dazu animiert hatten, Kopien solcher Werke zu erstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C-610/15, EU:C:2017:456, Rn. 36, 45 und 48).
Um festzustellen, ob der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens bei der unerlaubten Wiedergabe geschützter Inhalte durch Nutzer seiner Plattform tätig wird, um anderen Internetnutzern Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen, sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die betreffende Situation kennzeichnen und es ermöglichen, direkt oder indirekt Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage zu ziehen, ob der Betreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich tätig wird oder nicht.
Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten zählen namentlich die Tatsache, dass ein solcher Betreiber, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, sowie die Tatsache, dass dieser Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
Der bloße Umstand, dass der Betreiber allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat, genügt hingegen nicht, um anzunehmen, dass er mit dem Ziel handelt, den Internetnutzern Zugang zu diesen Inhalten zu verschaffen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern.
Des Weiteren ist es zwar nicht gänzlich unerheblich, ob das fragliche Tätigwerden Erwerbszwecken dient (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C-610/15, EU:C:2017:456, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung), doch allein die Tatsache, dass der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform Erwerbszwecke verfolgt, erlaubt weder die Feststellung, dass er hinsichtlich der rechtswidrigen Wiedergabe geschützter Inhalte durch einige seiner Nutzer vorsätzlich handelt, noch eine dahin gehende Vermutung. Der Umstand, dass Dienste der Informationsgesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht erbracht werden, bedeutet nämlich keineswegs, dass der Anbieter solcher Dienste damit einverstanden wäre, dass diese Dienste von Dritten für Urheberrechtsverletzungen genutzt werden. Insoweit ergibt sich insbesondere aus der Systematik von Art. 8 der Urheberrechtsrichtlinie, u. a. aus Art. 8 Abs. 3 in Verbindung mit dem 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass nicht vermutet werden kann, dass bloße Anbieter von Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, und andere Vermittler, deren Dienste von einem Dritten für Urheberrechtsverletzungen genutzt werden, selbst eine öffentliche Wiedergabe vornehmen, auch wenn sie in der Regel mit Gewinnerzielungsabsicht handeln.
Eine dahin gehende Vermutung lässt sich nicht aus dem Urteil vom 8. September 2016, GS Media (C-160/15, EU:C:2016:644), ableiten.
Der Gerichtshof hat nämlich mit der in jenem Urteil vorgenommenen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie die Verantwortlichkeit der Personen, die Hyperlinks zu geschützten Werken setzen, in Anbetracht der besonderen Bedeutung, die solche Links für den Meinungs- und Informationsaustausch im Internet haben, und angesichts der Schwierigkeiten, die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung eines Werks auf einer anderen Website zu überprüfen, beschränkt. So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bereitstellung eines Hyperlinks eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie darstellt, wenn die Person, die den Link gesetzt hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Link Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft, wenn dieser Link es ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der das geschützte Werk enthaltenden Website getroffen wurden, oder wenn der Link mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wird, was bedeutet, dass die Person, die den Link gesetzt hat, die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen muss, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der der Hyperlink führt, nicht unbefugt veröffentlicht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C-160/15, EU:C:2016:644, Rn. 44 bis 55).
Die Situation einer einen Hyperlink setzenden Person, die aus eigener Initiative handelt und zum Zeitpunkt dieser Linksetzung Kenntnis von dem Inhalt hat, zu dem dieser Link führen soll, ist aber nicht mit der Situation des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform vergleichbar, wenn dieser Betreiber keine konkrete Kenntnis von den geschützten Inhalten hat, die von Nutzern auf diese Plattform hochgeladen wurden, und über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus nicht dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Folglich kann die vom Gerichtshof im genannten Urteil vorgenommene Auslegung nicht auf einen solchen Betreiber übertragen werden, um festzustellen, ob er bei der unbefugten öffentlichen Wiedergabe geschützter Werke im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vorsätzlich tätig wurde.
In Bezug auf die Betreiber der beiden in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Plattformen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, insbesondere anhand der in Rn. 84 des vorliegenden Urteils aufgezählten Kriterien zu bestimmen, ob diese Betreiber hinsichtlich der geschützten Inhalte, die von den Nutzern ihrer Plattform auf diese hochgeladen werden, selbst Handlungen der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vornehmen.
Der Gerichtshof kann dem vorlegenden Gericht jedoch einige Hinweise insbesondere zu den tatsächlichen Umständen geben, auf die sich die Fragen beziehen.
In der Rechtssache C-682/18 geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass YouTube an der Erstellung oder Auswahl der von den Nutzern ihrer Plattform auf diese hochgeladenen Inhalte nicht beteiligt ist und diese Inhalte vor ihrem Hochladen, das in einem automatisierten Verfahren erfolgt, weder sichtet noch kontrolliert.
Ferner ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass YouTube ihre Nutzer in ihren allgemeinen Nutzungsbedingungen und bei jedem Hochladevorgang klar über das Verbot informiert, geschützte Inhalte unter Verletzung des Urheberrechts auf diese Plattform einzustellen. Darüber hinaus ruft sie ihre Nutzer in ihren „Community-Richtlinien“ dazu auf, das Urheberrecht zu respektieren. Wird ein Video aufgrund einer Benachrichtigung durch den Rechtsinhaber gesperrt, wird der Nutzer, der es hochgeladen hat, zudem gewarnt, dass sein Konto im Wiederholungsfall gesperrt wird.
Weiter heißt es, YouTube habe verschiedene technische Vorkehrungen getroffen, um Urheberrechtsverletzungen auf ihrer Plattform zu unterbinden und zu beenden, wie etwa einen Meldebutton und ein spezielles Benachrichtigungsverfahren, um rechtsverletzende Inhalte zu melden und entfernen zu lassen, sowie ein Programm zur Inhaltsprüfung und Inhaltserkennungsprogramme, die die Identifizierung und die Bezeichnung solcher Inhalte erleichterten. Somit ist davon auszugehen, dass dieser Betreiber technische Maßnahmen ergriffen hat, um Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen.
Außerdem nimmt YouTube dem vorlegenden Gericht zufolge auf ihrer Plattform zwar eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vor und lässt registrierten Nutzern eine an von ihnen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen, doch zielen diese Ranglisten, inhaltlichen Rubriken und Übersichten mit empfohlenen Videos weder darauf ab, das unerlaubte Teilen geschützter Inhalte zu erleichtern, noch darauf, ein solches Teilen zu fördern.
Im Übrigen erzielt YouTube zwar Werbeeinnahmen mit ihrer Plattform und ermöglicht es den Nutzern, die Inhalte hochgeladen haben, sowie den Inhabern urheberrechtlich geschützter Inhalte, an diesen Einnahmen zu partizipieren, doch ist nicht ersichtlich, dass das Geschäftsmodell dieser Plattform auf der Präsenz rechtsverletzender Inhalte beruht oder die Nutzer dazu verleiten soll, solche Inhalte hochzuladen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Ziel oder die hauptsächliche Nutzung von YouTube im unerlaubten Teilen geschützter Inhalte besteht.
In der Rechtssache C-683/18 geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass auch Cyando, der Betreiber der Sharehosting-Plattform Uploaded, die auf ihre Plattform hochgeladenen Inhalte nicht erstellt, auswählt, sichtet oder kontrolliert. Zudem weist sie ihre Nutzer in den Nutzungsbedingungen ihrer Plattform darauf hin, dass es ihnen untersagt ist, Urheberrechtsverstöße über diese Plattform zu begehen.
Wie in Rn. 73 des vorliegenden Urteils festgestellt, können Nutzer geschützte Inhalte nicht dadurch unmittelbar der Öffentlichkeit zugänglich machen, dass sie sie auf die Plattform Uploaded hochladen, da der Zugang zum hochgeladenen Inhalt nur über einen Download-Link möglich ist, der nur dem Nutzer übermittelt wird, der den Hochladevorgang durchgeführt hat. Ferner steht fest, dass diese Plattform es selbst nicht ermöglicht, diesen Link und damit den hochgeladenen Inhalt mit anderen Internetnutzern zu teilen. Somit bietet Cyando nicht nur keine Hilfsmittel an, die speziell dazu bestimmt wären, das unerlaubte Teilen geschützter Inhalte auf ihrer Plattform zu erleichtern oder ein solches Teilen zu fördern, sondern diese Plattform enthält, ganz allgemein, keine Hilfsmittel, die es anderen Internetnutzern ermöglichen würden, darüber Kenntnis zu erlangen, welche Inhalte dort gespeichert sind, und Zugang zu diesen zu erhalten. Cyando beteiligt sich auch nicht am etwaigen Setzen von Download-Links auf Drittquellen wie Blogs, Foren oder „Linksammlungen“. Im Übrigen bietet eine Sharehosting-Plattform wie Uploaded ihren Nutzern verschiedene zulässige Nutzungsmöglichkeiten.
Indessen macht Elsevier geltend, die Dateien mit rechtsverletzenden Inhalten machten 90 bis 96 % der auf Uploaded abrufbaren Dateien aus, was von Cyando bestritten wird, die vorträgt, dass nur 1,1 % aller tatsächlich abgerufenen Dateien urheberrechtlich geschützte Inhalte beträfen, was 0,3 % des Gesamtvolumens der gespeicherten Daten entspreche.
Insoweit ist zum einen daran zu erinnern, dass, wie in Rn. 75 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nur dann, wenn der Nutzer der Plattform beschließt, den hochgeladenen Inhalt der „Öffentlichkeit“ zugänglich zu machen, die Möglichkeit besteht, dass dieser Nutzer und infolgedessen der Betreiber der Plattform, über die diese Zugänglichmachung erfolgt, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vornehmen. Zum anderen ist hervorzuheben, dass, falls sich herausstellen sollte, dass die hauptsächliche oder überwiegende Nutzung der von Cyando betriebenen Plattform in der unrechtmäßigen öffentlichen Zugänglichmachung geschützter Inhalte besteht, dieser Umstand zu den Gesichtspunkten zählen würde, die relevant sind, um zu ermitteln, ob dieser Betreiber vorsätzlich tätig wurde. Die Relevanz eines solchen Umstands wäre umso bedeutsamer, wenn der Betreiber es unterließe, die geeigneten technischen Maßnahmen zu ergreifen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen.
Unabhängig davon, ob das Vorbringen von Elsevier hinsichtlich des hohen Anteils an geschützten Inhalten, die über Uploaded rechtswidrig öffentlich wiedergegeben werden, tatsächlich zutrifft, könnte sich die Vorsätzlichkeit des Betreibers dieser Plattform bei seinem Tätigwerden aus dem Umstand ergeben, dass das von diesem Betreiber gewählte Geschäftsmodell auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte auf seiner Plattform beruht und seine Nutzer dazu verleiten soll, solche Inhalte über diese Plattform zu teilen; ob dies der Fall ist, hat indessen das vorlegende Gericht zu prüfen.
Nach alledem ist auf die erste Frage in jeder der beiden Rechtssachen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass seitens des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, keine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, es sei denn, er trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betreiber von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt, oder wenn er, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, oder auch, wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
Zur zweiten und zur dritten Frage in den Rechtssachen C-682/18 und C-683/18
Mit den in jeder der beiden Rechtssachen gestellten Fragen 2 und 3, die gemeinsam zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt, soweit diese Tätigkeit die von Nutzern seiner Plattform auf diese hochgeladenen Inhalte betrifft. Bejahendenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein solcher Betreiber nur dann gemäß dieser Vorschrift von der in Art. 14 Abs. 1 vorgesehenen Haftungsbefreiung ausgeschlossen ist, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden.
Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern entweder die Voraussetzung erfüllt ist, dass der Anbieter keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat und, in Bezug auf Schadensersatzansprüche, sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder die Voraussetzung erfüllt ist, dass der Anbieter, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Vorschrift nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs und der Ziele auszulegen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 26. Januar 2021, Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie, C-16/19, EU:C:2021:64, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Um in ihren Anwendungsbereich fallen zu können, muss der Anbieter eines Internetdienstes ein „Vermittler“ in dem vom Gesetzgeber im Rahmen von Kapitel II Abschnitt 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr gemeinten Sinne sein. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem 42. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass die in ihr hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen nur die Fälle erfassen, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft rein technischer, automatischer und passiver Art ist, was bedeutet, dass der Anbieter weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2010, Google France und Google, C-236/08 bis C-238/08, EU:C:2010:159, Rn. 112 und 113).
Um zu ermitteln, ob der Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr von seiner Verantwortung für die geschützten Inhalte befreit werden kann, die Nutzer rechtswidrig über seine Plattform öffentlich wiedergeben, ist daher zu prüfen, ob die Rolle dieses Betreibers neutral ist, d. h., ob sein Verhalten rein technisch, automatisch und passiv ist, was bedeutet, dass keine Kenntnis oder Kontrolle über die von ihm gespeicherten Inhalte besteht, oder ob der Betreiber im Gegenteil eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Inhalte oder eine Kontrolle über sie zu verschaffen vermag (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C-324/09, EU:C:2011:474, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Sollte das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Prüfung von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie feststellen, dass YouTube bzw. Cyando über die bloße Bereitstellung ihrer Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung des Urheberrechts geschützte Inhalte zugänglich zu machen, könnte sich der betreffende Betreiber nicht auf die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Haftungsbefreiung berufen.
Zwar ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 138 bis 140 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Frage, ob ein solcher Betreiber eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie vornimmt, für sich genommen für die Beurteilung, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr anwendbar ist, nicht entscheidend. Gleichwohl erfüllt ein solcher Betreiber, der über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung des Urheberrechts Zugang zu solchen Inhalten zu gewähren, nicht die in der letztgenannten Bestimmung aufgestellten, in den Rn. 105 und 106 des vorliegenden Urteils dargelegten Anwendungsvoraussetzungen.
Für den Fall, dass das vorlegende Gericht nicht die in Rn. 107 des vorliegenden Urteils genannte, sondern eine gegenteilige Feststellung trifft, ist – über den in den Rn. 92 und 97 des vorliegenden Urteils genannten Umstand hinaus, dass die Betreiber der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Plattformen die auf diese hochgeladenen Inhalte nicht erstellen, auswählen, sichten oder kontrollieren – darauf hinzuweisen, dass die vom vorlegenden Gericht angeführte Tatsache, dass der Betreiber einer Video-Sharing-Plattform wie YouTube technische Maßnahmen anwendet, um unter den mittels seiner Plattform öffentlich wiedergegebenen Videos potenziell urheberrechtsverletzende Inhalte zu erkennen, nicht bedeutet, dass dieser Betreiber damit eine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis vom Inhalt dieser Videos oder Kontrolle über sie verschafft, da andernfalls Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft, die Maßnahmen ergreifen, um gerade solche Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen, von der Haftungsbefreiungsregelung in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ausgeschlossen wären.
Darüber hinaus muss der betreffende Betreiber aber auch die Voraussetzungen erfüllen, denen seine Haftungsbefreiung nach dieser Vorschrift unterliegt.
Was die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr genannte Voraussetzung anbelangt, so kann diese nicht allein deshalb als nicht erfüllt angesehen werden, weil sich der Betreiber allgemein der Tatsache bewusst ist, dass seine Plattform auch dazu verwendet wird, Inhalte zu teilen, die möglicherweise Rechte des geistigen Eigentums verletzen, und somit eine abstrakte Kenntnis von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 172 bis 190 und 196 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich nämlich aus dem Wortlaut, dem Zweck und der Systematik von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr sowie aus dem allgemeinen Kontext, in den sich diese Vorschrift einfügt, dass sich die von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a erfassten Fälle, d. h. der Fall, dass der betreffende Diensteanbieter „tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information“ hat, und der Fall, dass sich ein solcher Anbieter „Tatsachen oder Umstände[n] bewusst [ist], aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird“, auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten und Informationen beziehen.
Abgesehen davon, dass sich schon nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr die Rechtswidrigkeit der Tätigkeit oder Information aus einer tatsächlichen Kenntnis ergeben oder offensichtlich, d. h. konkret festgestellt oder leicht erkennbar, sein muss, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Art. 14 Abs. 1, wie sich aus den Erwägungsgründen 41 und 46 der Richtlinie ergibt, Ausdruck des mit der Richtlinie angestrebten Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Interessen ist, zu denen die Achtung der durch Art. 11 der Charta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung zählt. So ist es einerseits nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie unzulässig, den betreffenden Anbietern von Diensten eine allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Andererseits müssen diese Anbieter nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, sobald sie tatsächlich Kenntnis von einer rechtswidrigen Information erlangen, unverzüglich tätig werden, um diese Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, und zwar unter Wahrung des Grundsatzes der Freiheit der Meinungsäußerung. Diese Pflicht kann ein solcher Anbieter aber, wie auch das vorlegende Gericht hervorgehoben hat, nur in Bezug auf konkrete Inhalte erfüllen.
Insoweit kann der Umstand, dass der Betreiber einer Internetplattform, die das Teilen von Inhalten ermöglicht, eine automatisierte Indexierung der auf diese Plattform hochgeladenen Inhalte vornimmt, dass diese Plattform eine Suchfunktion enthält und dass sie Videos nach Maßgabe des Profils oder der Präferenzen der Nutzer empfiehlt, nicht für die Annahme ausreichen, dass dieser Betreiber eine „konkrete“ Kenntnis von rechtswidrigen Tätigkeiten, die auf der Plattform erfolgen, oder von rechtswidrigen Informationen, die dort gespeichert sind, hat.
Was speziell den zweiten der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehenen Fälle betrifft, nämlich den der „[Kenntnis von] Tatsachen oder Umstände[n], aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird“, so hat der Gerichtshof festgestellt, dass es genügt, wenn dem betreffenden Diensteanbieter in der einen oder anderen Weise Tatsachen oder Umstände bewusst geworden sind, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die in Rede stehende Rechtswidrigkeit hätte feststellen und nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie hätte vorgehen müssen. Damit ist u. a. die Situation erfasst, in der ein solcher Anbieter aufgrund einer aus eigenem Antrieb vorgenommenen Prüfung feststellt, dass eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information vorliegt, wie auch die, in der ihm das Vorliegen einer solchen Tätigkeit oder einer solchen Information angezeigt wird. Zwar kann im zweitgenannten Fall eine Anzeige nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die Inanspruchnahme der in Art. 14 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahme von der Verantwortlichkeit ausgeschlossen wäre, da sich Anzeigen vermeintlich rechtswidriger Tätigkeiten oder Informationen als unzureichend genau und unzureichend belegt erweisen können, doch stellt eine solche Anzeige in der Regel einen Anhaltspunkt dar, dem das nationale Gericht bei der Würdigung Rechnung zu tragen hat, ob sich der Anbieter in Anbetracht der ihm so übermittelten Informationen etwaiger Tatsachen oder Umstände bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die Rechtswidrigkeit hätte feststellen müssen (Urteil vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C-324/09, EU:C:2011:474, Rn. 122).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Meldung eines geschützten Inhalts, der über eine Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform rechtswidrig öffentlich wiedergegeben wurde, ausreichende Angaben enthalten muss, um es dem Betreiber dieser Plattform zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass diese Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre.
Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage in jeder der beiden Rechtssachen zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, sofern dieser Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft.
Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass ein solcher Betreiber nur dann gemäß dieser Vorschrift von der in Art. 14 Abs. 1 vorgesehenen Haftungsbefreiung ausgeschlossen ist, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden.
Zur vierten Frage in den Rechtssachen C-682/18 und C-683/18
Mit seiner vierten Frage in jeder der beiden Rechtssachen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, wenn der Rechtsinhaber eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler, dessen Dienste von einem Dritten zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden, erst dann erlangen kann, wenn eine solche Rechtsverletzung dem Vermittler angezeigt wurde und sich dann wiederholt.
Aus den Vorlagebeschlüssen geht hervor, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage für den Fall der Feststellung, dass YouTube und Cyando selbst keine öffentliche Wiedergabe der von Nutzern ihrer jeweiligen Plattform hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalte vornehmen und in den Anwendungsbereich der in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehenen Haftungsbefreiungsregelung fallen, klären möchte, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar ist, dass auf Sachverhalte wie die der Ausgangsverfahren die im deutschen Recht vorgesehene „Störerhaftung“ angewandt wird.
Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, dass nach seiner Rechtsprechung Vermittler, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums genutzt würden, als „Störer“ auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnten. So könne im Fall einer solchen Rechtsverletzung als „Störer“ in Anspruch genommen werden, wer, ohne Täter oder Teilnehmer der betreffenden Rechtsverletzung zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zu ihr beitrage, obwohl er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zu ihrer Verhinderung gehabt habe. Die „Störerhaftung“ setze also die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimme, ob und inwieweit dem „Störer“ eine Prüfung oder Überwachung zuzumuten sei, um Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durch Dritte zu verhindern.
Sei der „Störer“ ein Anbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen bestehe, könne er grundsätzlich erst dann durch gerichtliche Anordnung zur Unterlassung verpflichtet werden, wenn nach einem Hinweis auf eine klare Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums dieses Recht erneut verletzt werde oder seine Verletzung anhalte, weil der Anbieter nach diesem Hinweis nicht unverzüglich tätig geworden sei, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholten.
Im Übrigen ist den Vorlagebeschlüssen zu entnehmen, dass die Anwendung der Störerhaftung nur für den Fall vorgesehen ist, dass der Diensteanbieter bis zum Zeitpunkt der Meldung einer solchen Rechtsverletzung noch keine „Kenntnis“ von dieser im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr hatte.
Daraus folgt, dass das vorlegende Gericht mit seiner in beiden Rechtssachen gestellten vierten Frage im Kern wissen möchte, ob Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass der Rechtsinhaber nach nationalem Recht eine gerichtliche Anordnung gegen den Vermittler, dessen Dienst von einem Dritten zur Verletzung seines Rechts genutzt wurde, ohne dass der Vermittler hiervon Kenntnis im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr gehabt hätte, erst erlangen kann, wenn diese Rechtsverletzung vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Vermittler gemeldet wurde und dieser nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen.
Nach Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie „stellen [die Mitgliedstaaten] sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden“.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll die den nationalen Gerichten nach dieser Bestimmung übertragene Zuständigkeit diesen Gerichten die Möglichkeit geben, solchen Vermittlern Maßnahmen aufzugeben, die nicht nur die mittels ihrer Dienste der Informationsgesellschaft bereits begangenen Verletzungen von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten beenden, sondern auch neuen Verletzungen vorbeugen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, SABAM, C-360/10, EU:C:2012:85, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie aus dem 59. Erwägungsgrund der Urheberrechtsrichtlinie hervorgeht, sind die Modalitäten der von den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie vorzusehenden gerichtlichen Anordnungen, wie diejenigen, die die zu erfüllenden Voraussetzungen und das einzuhaltende Verfahren betreffen, im nationalen Recht zu regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, SABAM, C-360/10, EU:C:2012:85, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die von den Mitgliedstaaten aufgestellten Regeln und ihre Anwendung durch die nationalen Gerichte müssen jedoch den Zielen der Urheberrechtsrichtlinie entsprechen (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juli 2016, Tommy Hilfiger Licensing u. a., C-494/15, EU:C:2016:528, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) und die Beschränkungen beachten, die sich aus dieser Richtlinie sowie aus den Rechtsquellen ergeben, auf die sie Bezug nimmt. So dürfen diese Regeln entsprechend dem 16. Erwägungsgrund der Urheberrechtsrichtlinie nicht die Bestimmungen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zu Fragen der Haftung – d. h. deren Art. 12 bis 15 – berühren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, SABAM, C-360/10, EU:C:2012:85, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die im deutschen Recht aufgestellte Voraussetzung, wonach der Rechtsinhaber, der der Auffassung sei, dass eine Verletzung seines Urheberrechts oder seines verwandten Schutzrechts durch die öffentliche Wiedergabe seines Werks auf einem Speicherplatz eines Diensteanbieters begangen worden sei, zunächst diesen Anbieter hiervon in Kenntnis setzen müsse, um ihm die Möglichkeit zu geben, diese Rechtsverletzung unverzüglich zu beenden und deren Wiederholung vorzubeugen, ohne insbesondere Prozesskosten ausgesetzt zu sein, gerade darauf abziele, der Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr innewohnenden Logik sowie dem in Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verbot Rechnung zu tragen, einem solchen Anbieter eine allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen, die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Art. 14 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr von den Mitgliedstaaten nicht verlangt, eine solche Voraussetzung vorzusehen.
Aus Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr im Licht ihres 45. Erwägungsgrundes ergibt sich nämlich, dass die in Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehene Haftungsbefreiung die Möglichkeit unberührt lässt, dass ein nationales Gericht oder eine nationale Verwaltungsbehörde von dem betreffenden Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, einschließlich der Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen. Folglich können nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats erlassene Verfügungen an einen Diensteanbieter gerichtet werden, selbst wenn er eine der in diesem Art. 14 Abs. 1 angeführten alternativen Voraussetzungen erfüllt, d. h. auch in dem Fall, dass er selbst nicht als verantwortlich angesehen wird (Urteil vom 3. Oktober 2019, Glawischnig-Piesczek, C-18/18, EU:C:2019:821, Rn. 24 und 25).
Allerdings ist hervorzuheben, dass Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auch die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten verankert, Verfahren für die Entfernung rechtswidriger Informationen oder die Sperrung des Zugangs zu ihnen festzulegen. Somit sind die Mitgliedstaaten zwar nach Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie verpflichtet, den Inhabern der von dieser Richtlinie erfassten Rechte einen Rechtsbehelf gegen Diensteanbieter zu garantieren, deren Dienste von Dritten zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden, doch können sie ein der Inanspruchnahme dieses Rechtsbehelfs vorgeschaltetes Verfahren vorsehen, das der Tatsache Rechnung trägt, dass der betreffende Diensteanbieter gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht für die fragliche Rechtsverletzung verantwortlich ist.
Im Rahmen eines solchen vorgeschalteten Verfahrens kann ein Mitgliedstaat eine Voraussetzung wie die in Rn. 129 des vorliegenden Urteils genannte vorsehen. Eine solche Voraussetzung lässt nämlich die Entfernung oder Sperrung rechtswidriger Informationen durchaus zu, soll insoweit aber den Rechtsinhaber verpflichten, in einem ersten Schritt dem Diensteanbieter die Möglichkeit einzuräumen, die betreffende Rechtsverletzung unverzüglich zu beenden und deren Wiederholung vorzubeugen, ohne dass dieser Anbieter, der für die Rechtsverletzung nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verantwortlich ist, ungerechtfertigterweise Prozesskosten ausgesetzt wäre und ohne dass der Rechtsinhaber die Möglichkeit verlöre, in einem zweiten Schritt, sofern der Anbieter seinen Pflichten nicht nachkommt, nach Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie den Erlass einer gerichtlichen Anordnung gegen den Anbieter zu beantragen.
Was sodann Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr anbelangt, so verbietet dieser den Mitgliedstaaten, einem Diensteanbieter eine allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen, die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass Maßnahmen, die darin bestehen, einem Diensteanbieter aufzugeben, allein auf eigene Kosten Filtersysteme einzurichten, die mit einer allgemeinen und ständigen Überwachung verbunden sind, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr unvereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2011, Scarlet Extended, C-70/10, EU:C:2011:771, Rn. 36 bis 40, sowie vom 16. Februar 2012, SABAM, C-360/10, EU:C:2012:85, Rn. 34 bis 38).
Mit einer Voraussetzung, wie sie das deutsche Recht für den Erlass gerichtlicher Anordnungen aufstellt, wird aber gerade vermieden, dass ein Diensteanbieter wie der Betreiber einer Internetplattform, auf der Inhalte geteilt werden können, solchen Anordnungen und den damit verbundenen Prozesskosten selbst dann ausgesetzt ist, wenn er vor der Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht über eine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums durch einen Nutzer dieser Plattform informiert worden war und somit nicht die Möglichkeit hatte, einer solchen Rechtsverletzung abzuhelfen und die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbeugung gegen erneute Rechtsverletzungen zu ergreifen. Ohne eine solche Voraussetzung wäre ein solcher Betreiber gezwungen, alle von den Nutzern der Plattform hochgeladenen Inhalte aktiv zu überwachen, um derartigen Rechtsverletzungen vorzubeugen und es zu vermeiden, aufgrund dieser Rechtsverletzungen gerichtlichen Anordnungen und Prozesskosten ausgesetzt zu sein.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass eine Voraussetzung, wie sie das nationale Recht in den Ausgangsverfahren aufstellt, mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vereinbar ist.
Was schließlich die Frage anbelangt, ob eine Voraussetzung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende mit den Zielen der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar ist, so geht aus den Rn. 63 und 64 des vorliegenden Urteils sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die nationalen Behörden und Gerichte im Rahmen der zum Schutz der Rechtsinhaber erlassenen Maßnahmen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einerseits dem Schutz des Rechts des geistigen Eigentums, den die Rechtsinhaber nach Art. 17 Abs. 2 der Charta genießen, und andererseits dem Schutz der unternehmerischen Freiheit, der Diensteanbietern nach Art. 16 der Charta zukommt, sowie der den Internetnutzern durch Art. 11 der Charta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sicherstellen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2011, Scarlet Extended, C-70/10, EU:C:2011:771, Rn. 45 und 46, sowie vom 16. Februar 2012, SABAM, C-360/10, EU:C:2012:85, Rn. 43 und 44).
Eine Voraussetzung, wie sie das deutsche Recht für den Erlass gerichtlicher Anordnungen aufstellt, beeinträchtigt dieses Gleichgewicht nicht.
Insbesondere schützt eine solche Voraussetzung den Diensteanbieter vor den in Rn. 136 des vorliegenden Urteils dargelegten Folgen und nimmt zugleich dem Rechtsinhaber nicht die Möglichkeit, die Verletzungen seines Urheberrechts oder seines verwandten Schutzrechts, die von Dritten über den fraglichen Dienst begangen wurden, wirksam abzustellen und weiteren Rechtsverletzungen vorzubeugen. So genügt es, dass der Rechtsinhaber das Vorliegen einer solchen Rechtsverletzung dem Diensteanbieter mitteilt, damit dieser verpflichtet ist, den fraglichen Inhalt unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu ihm zu sperren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um der Begehung erneuter Rechtsverletzungen vorzubeugen. Unterlässt er dies, ist der Rechtsinhaber berechtigt, den Erlass einer gerichtlichen Anordnung zu beantragen.
Es obliegt jedoch den nationalen Gerichten, sich bei der Anwendung dieser Voraussetzung und insbesondere bei der Auslegung des Adverbs „unverzüglich“ zu vergewissern, dass die Voraussetzung nicht dazu führt, dass die tatsächliche Beendigung einer Urheberrechtsverletzung oder eines verwandten Schutzrechts derart verzögert wird, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen. Hierbei sind die Schnelligkeit und die geografische Ausbreitung zu berücksichtigen, mit denen solche Schäden, wie im 52. Erwägungsgrund der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr hervorgehoben wird, in Verbindung mit den Diensten der Informationsgesellschaft entstehen können.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr sicherstellen, dass die nach innerstaatlichem Recht verfügbaren Klagemöglichkeiten im Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft es ermöglichen, dass rasch Maßnahmen, einschließlich vorläufiger Maßnahmen, getroffen werden können, um eine mutmaßliche Rechtsverletzung abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht.
Nach alledem ist auf die vierte Frage in jeder der beiden Rechtssachen zu antworten, dass Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechtsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass der Inhaber eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts nach nationalem Recht eine gerichtliche Anordnung gegen den Vermittler, dessen Dienst von einem Dritten zur Verletzung seines Rechts genutzt wurde, ohne dass der Vermittler hiervon Kenntnis im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr gehabt hätte, erst erlangen kann, wenn diese Rechtsverletzung vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Vermittler gemeldet wurde und wenn dieser nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen. Es obliegt jedoch den nationalen Gerichten, sich bei der Anwendung einer solchen Voraussetzung zu vergewissern, dass diese nicht dazu führt, dass die tatsächliche Beendigung der Rechtsverletzung derart verzögert wird, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen.
Zur fünften und zur sechsten Frage in den Rechtssachen C-682/18 und C-683/18
Da diese Fragen nur für den Fall gestellt worden sind, dass sowohl die erste als auch die zweite Frage verneint werden, sind sie nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass seitens des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform, auf der Nutzer geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen können, keine „öffentliche Wiedergabe“ dieser Inhalte im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, es sei denn, er trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betreiber von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt, oder wenn er, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, oder auch, wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, sofern dieser Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft.
Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass ein solcher Betreiber nur dann gemäß dieser Vorschrift von der in Art. 14 Abs. 1 vorgesehenen Haftungsbefreiung ausgeschlossen ist, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden.
Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass der Inhaber eines Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts nach nationalem Recht eine gerichtliche Anordnung gegen den Vermittler, dessen Dienst von einem Dritten zur Verletzung seines Rechts genutzt wurde, ohne dass der Vermittler hiervon Kenntnis im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 gehabt hätte, erst erlangen kann, wenn diese Rechtsverletzung vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Vermittler gemeldet wurde und wenn dieser nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den fraglichen Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass sich derartige Rechtsverletzungen nicht wiederholen. Es obliegt jedoch den nationalen Gerichten, sich bei der Anwendung einer solchen Voraussetzung zu vergewissern, dass diese nicht dazu führt, dass die tatsächliche Beendigung der Rechtsverletzung derart verzögert wird, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen.
Lenaerts
Silva de Lapuerta
Bonichot
Vilaras
Regan
Ilešič
Juhász
Safjan
Šváby
Rodin
Biltgen
Jürimäe
Lycourgos
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Juni 2021.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
Kontakt zur AOK Rheinland/Hamburg
Persönlicher Ansprechpartner
Firmenkundenservice
E-Mail-Service