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BAG 15.12.2022 - 2 AZR 162/22
BAG 15.12.2022 - 2 AZR 162/22 - Betriebliches Eingliederungsmanagement - Integrationsamt
Normen
§ 167 Abs 2 SGB 9 2018, § 1 Abs 1 KSchG, § 1 Abs 2 KSchG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 19. Mai 2021, Az: 15 Ca 3932/20, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 10. Februar 2022, Az: 17 Sa 57/21, Urteil
Leitsatz
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Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung begründet nicht die Vermutung, dass ein (unterbliebenes) betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung nicht hätte verhindern können.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Februar 2022 - 17 Sa 57/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf krankheitsbedingte Gründe gestützten Kündigung.
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Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1999 beschäftigt, zuletzt als Versicherungssachbearbeiterin. Sie ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und seit dem 12. Dezember 2014 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt.
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Am 24. Mai 2019 fand auf Initiative der Klägerin ein Präventionsgespräch statt, an dem auch Mitarbeiter des Integrationsamts teilnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag lud die Beklagte die Klägerin zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) ein. Die Klägerin teilte mit, dass sie an einem bEM teilnehmen wolle, sie unterzeichnete aber die ihr diesbezüglich von der Beklagten übermittelte datenschutzrechtliche Einwilligung nicht, sondern stellte Rückfragen und wählte eigene Formulierungen. Hierauf erhielt die Klägerin eine Einladung zu einem Gespräch am 24. Juli 2019. In diesem wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ohne ihre Unterschrift unter die vorformulierte Datenschutzerklärung ein bEM-Verfahren nicht durchgeführt werden könne. In der Folgezeit wies die Beklagte die Klägerin mehrfach, zuletzt in einem Gespräch vom 27. August 2019, darauf hin, dass die Durchführung eines bEM ohne die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht möglich sei. In der Zeit vom 17. September 2019 bis zum 29. Oktober 2019 war die Klägerin bei der Beklagten im Rahmen einer Wiedereingliederung tätig.
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Die Beklagte beantragte am 10. Dezember 2019 beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin, die der Beklagten mit Bescheid vom 18. Mai 2020 erteilt wurde.
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Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2020.
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Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt und geltend gemacht, die Kündigung sei mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam. Eine negative Zukunftsprognose habe ebenso wenig vorgelegen wie eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Darüber hinaus hätten mildere Mittel zur Verfügung gestanden. Durch einen Einsatz in einem Einzelbüro oder alternativ die Bereitstellung eines sog. Active-Noise-cancelling-Headsets hätte zB ihre Konzentrationsfähigkeit erheblich gesteigert sowie die Belastung und der Stress durch Tinnitus gesenkt werden können.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - sinngemäß beantragt:
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1.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Mai 2020 nicht aufgelöst wurde.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 31. Dezember 2020 hinaus arbeitsvertragsgemäß als Sachbearbeiterin in S bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Kündigung sei aus krankheitsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Die lang andauernde Erkrankung verbunden mit einer Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 4. März 2020 begründe die negative Prognose, dass es sich um eine dauerhafte gesundheitliche Einschränkung handele. Das Arbeitsverhältnis habe seit Jahren nur noch als sinnentleerte Hülle bestanden. Es sei nicht damit zu rechnen, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern werde, weshalb ihr ein Festhalten hieran unzumutbar sei. Der Klägerin könne kein ihrem Gesundheitszustand entsprechender Arbeitsplatz zugewiesen werden. Zu dessen Ausgestaltung habe sie sich auch im Verfahren vor dem Integrationsamt nicht eingelassen. Die fehlende Bereitschaft der Klägerin, die datenschutzrechtliche Einwilligung zu unterzeichnen, stehe einer fehlenden Zustimmung zur Durchführung eines bEM gleich. Eine Veranlassung, vor Ausspruch der Kündigung einen weiteren Versuch der Durchführung eines bEM zu unternehmen, habe daher nicht bestanden. Ein milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung sei nicht ersichtlich, was auch aufgrund der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung zu vermuten sei.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und der Klage stattgegeben. Seine Annahme, die Kündigung der Beklagten vom 26. Mai 2020 sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG), hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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I. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts findet auf die Kündigung der Beklagten vom 26. Mai 2020 der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG).
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II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung vom 26. Mai 2020 sei unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, die Kündigung durch mildere Maßnahmen zu vermeiden.
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1. Eine auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt. Solche Maßnahmen können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - seinem Gesundheitszustand entsprechenden - Arbeitsplatz sein. Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, es dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung zu ermöglichen, die im Rahmen eines bEM als zielführend erkannten Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch künftige Fehlzeiten auszuschließen oder zumindest signifikant zu verringern (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 12; 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24, BAGE 150, 117).
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2. Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich zwar im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zunächst auf die Behauptung beschränken, für den Arbeitnehmer bestehe keine andere - seinem Gesundheitszustand entsprechende - Beschäftigungsmöglichkeit. War der Arbeitgeber jedoch gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Durchführung eines bEM verpflichtet und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Durchführung eines bEM ist zwar nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden (BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 13; zu § 84 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [aF]: BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38, BAGE 150, 117). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Kündigung durch mildere Mittel hätte voraussichtlich vermieden werden können, ist der Zeitpunkt ihres Zugangs.
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3. Hat der Arbeitgeber nicht gänzlich davon abgesehen, ein bEM anzubieten, sind ihm dabei oder bei der weiteren Durchführung aber Fehler unterlaufen, ist für den Umfang seiner Darlegungslast von Bedeutung, ob der Fehler Einfluss auf die Möglichkeit hatte oder hätte haben können, Maßnahmen zu identifizieren, die zu einer relevanten Reduktion der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers hätten führen können. Das kann der Fall sein, wenn dieser gerade aufgrund der verfahrensfehlerhaften Behandlung durch den Arbeitgeber einer (weiteren) Durchführung des bEM nicht zugestimmt hat, was regelmäßig einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung bedarf. Anderenfalls spricht der Umstand, dass ein Arbeitnehmer nicht zu seiner (weiteren) Durchführung bereit ist, grundsätzlich dagegen, dass durch ein bEM mildere Mittel als die Kündigung hätten identifiziert werden können (BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 16). Angesichts der unterschiedlichen sozial- und kündigungsrechtlichen Bedeutung des bEM haben jedenfalls nicht alle Verfahrensfehler bei seiner Durchführung Bedeutung für eine später ausgesprochene Kündigung.
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4. Danach hat der Beklagten die Darlegung oblegen, dass auch mit Hilfe eines bEM keine milderen Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten erkannt oder entwickelt werden können. Sie war nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, der seit dem 12. Dezember 2014 durchgehend arbeitsunfähig erkrankten Klägerin ein bEM anzubieten. Dieser Verpflichtung ist sie nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Die Beklagte durfte die Einleitung des bEM-Verfahrens nicht davon abhängig machen, dass die Klägerin die von der Beklagten vorformulierte Datenschutzerklärung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen sowie Gesundheitsdaten unterzeichnet.
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a) § 167 Abs. 2 SGB IX sieht die schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner im Rahmen eines bEM erhobenen personenbezogenen und Gesundheitsdaten nicht als tatbestandliche Voraussetzung für die Durchführung eines bEM vor. Nach § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX sind die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter lediglich zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen (vgl. zu § 84 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32, BAGE 150, 117). Die vorherige Unterzeichnung einer Einwilligung in die Verarbeitung von personenbezogenen und Gesundheitsdaten sieht § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vor. Dessen Satz 4 regelt nur aus Transparenzgründen (vgl. Düwell in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 167 Rn. 104) eine Hinweispflicht über Art und Umfang der im konkreten bEM zu verarbeitenden Daten.
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b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe vor Ausspruch der Kündigung ein bEM mit der Klägerin durchführen müssen. Diese war zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung weit mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat die ihr nach § 167 Abs. 2 SGB IX obliegende Verpflichtung jedoch nicht erfüllt. Die Parteien haben anlässlich ihres Gesprächs am 24. Juli 2019 kein bEM im Sinne eines verlaufs- und ergebnisoffenen „Suchprozesses“ durchgeführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin ein bEM nicht abgelehnt. Sie hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem bEM erklärt. Vielmehr war es die Beklagte, die die Durchführung eines bEM entgegen den in § 167 Abs. 2 SGB IX enthaltenen Vorgaben von der Unterzeichnung der von ihr vorformulierten Datenschutzerklärung abhängig gemacht und keine Bereitschaft gezeigt hat, den Klärungsprozess ohne das schriftliche Einverständnis der Klägerin in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen und Gesundheitsdaten fortzusetzen. Ein rechtfertigender Grund, von der Einleitung eines bEM abzusehen, lag selbst unter Beachtung des Normzwecks des § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vor. Es war der Beklagten auch ohne die verlangte Einwilligung möglich und zumutbar, zunächst mit dem beabsichtigten bEM zu beginnen. Sie konnte mit der Klägerin in einem Erstgespräch den möglichen Verfahrensablauf besprechen und versuchen, die offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorbehalte auszuräumen. Die Beklagte musste - da es sich beim bEM um ein konsensuales Verfahren handelt - die diesbezüglichen Vorstellungen der Klägerin zur Kenntnis nehmen und diese soweit wie möglich bei dem weiteren Verfahrensablauf berücksichtigen. Daneben hätten die Parteien den Kreis der am Verfahren nach § 167 Abs. 2 SGB IX mitwirkenden Stellen und Personen festlegen können. Erst in einem weiteren Termin wären dann mit den Verfahrensbeteiligten die in Betracht kommenden Möglichkeiten zu erörtern gewesen, ob und ggf. auf welche Weise die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin reduziert werden können. In diesem Zusammenhang wäre von ihnen auch darüber zu befinden gewesen, ob und ggf. welche Angaben über den Gesundheitszustand hierfür voraussichtlich erforderlich sind und auf welche Weise etwaige Gesundheitsdaten rechtskonform zu erheben und verarbeiten sind. Nur wenn die Klägerin nicht bereit gewesen wäre, an dem weiteren Klärungsprozess beispielsweise durch die Vorlage der dafür möglicherweise - je nach Lage des Einzelfalls - erforderlichen Diagnosen und Arztberichte konstruktiv mitzuwirken, hätte die Beklagte zur Verfahrensbeendigung berechtigt sein können, ohne dass sie bei einer nachfolgenden Kündigung verfahrensrechtliche Nachteile zu gewärtigen gehabt hätte. Der Abbruch des bEM wäre dann „kündigungsneutral“.
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5. Das Landesarbeitsgericht hat ohne revisionsrechtlich erheblichen Fehler angenommen, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein von der Beklagten durchzuführendes bEM dazu hätte beitragen können, neuerliche Krankheitszeiten der Klägerin bezogen auf den maßgeblichen Prognosezeitpunkt des Kündigungszugangs zumindest zu vermindern und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten.
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a) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen Anpassung oder Veränderung entsprechend dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers möglich gewesen sei und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (vgl. zu § 84 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39, BAGE 150, 117). Darüber hinaus muss er dartun, dass künftige Fehlzeiten auch nicht durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können (vgl. zu § 84 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 48 ff., aaO). Es ist nicht erforderlich, dass sich der Arbeitnehmer im Verfahren auf eine bestimmte Umgestaltungsmaßnahme, Beschäftigungsalternative oder Hilfe bzw. Leistung des Rehabilitationsträgers beruft. Da der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für die Nutzlosigkeit eines bEM trägt, muss vielmehr er von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten oder zur Nutzlosigkeit anderer, ihm zumutbarer Maßnahmen vortragen. Allerdings gilt dies nur im Rahmen des ihm Möglichen und des nach den Umständen des Streitfalls Veranlassten. Das heißt, der Arbeitgeber hat von sich aus alle vernünftigerweise in Betracht kommenden - und vom Arbeitnehmer ggf. bereits außergerichtlich genannten Alternativen - zu würdigen und, soweit ihm aufgrund seines Kenntnisstands möglich, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - seinem Gesundheitszustand entsprechenden - Arbeitsplatz noch eine Maßnahme des Rehabilitationsträgers in Betracht kommt. Dabei ist eine Abstufung seiner Darlegungslast vorzunehmen, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 42).
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b) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 40, BAGE 150, 117).
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c) Das Landesarbeitsgericht hat die vorstehenden Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine darauf bezogene Würdigung hält sich im Rahmen des ihm zustehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
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aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Im Rahmen der durchgeführten Wiedereingliederung habe sich gezeigt, dass es die Verwendung eines höhenverstellbaren Schreibtisches der Klägerin erlaube, trotz ihrer vorhandenen Rückenbeschwerden jedenfalls die reduzierte Arbeitszeit von drei Stunden täglich abzuleisten. Dies decke sich auch mit der im Zustimmungsbescheid des Integrationsamts zusammengefassten Stellungnahme der behandelnden Ärztin. Es erscheine daher nicht ausgeschlossen, dass im Hinblick auf die der Arbeitsunfähigkeit zugrunde liegenden Diagnosen „Sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerung“ und „Spondylose, nicht näher bezeichnet: Nicht näher bezeichnete Lokalisation“ im Rahmen eines bEM eine Lösung, zB durch eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit auf weniger als vier Stunden in Verbindung mit der Verwendung eines höhenverstellbaren Schreibtisches, hätte gefunden werden können, die die hierdurch verursachten Fehlzeiten maßgeblich reduziert hätten. In einem bEM hätten zudem weitere Maßnahmen geprüft und ggf. erprobt werden können, bei denen nicht ausgeschlossen erscheine, dass diese zu einer Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit und damit auch zu einer für den Erhalt des Arbeitsplatzes hinreichenden Erhöhung der Leistungen der Klägerin in qualitativer und quantitativer Hinsicht hätten führen können. So sei nicht ausgeschlossen, dass Fehlzeiten, die auf der Diagnose „Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben“ beruhten, durch die Zuweisung eines Einzelbüros oder der Verwendung eines Active-Noise-cancelling-Headsets hätten vermindert werden können.
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bb) Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
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(1) Die Frage, ob auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist eine im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, deren tatrichterliche Beantwortung nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle daraufhin unterliegt, ob die Würdigung des Berufungsgerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 20. Mai 2020 - 7 AZR 100/19 - Rn. 38). Diesem Maßstab hält die angegriffene Entscheidung stand. Das Landesarbeitsgericht hat alle maßgeblichen Aspekte in den Blick genommen und widerspruchslos dahingehend gewürdigt, es könne in der konkreten Situation der Klägerin - auch unter Berücksichtigung des Verlaufs des
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Wiedereingliederungsverfahrens und der weiteren denkbaren Maßnahmen zur leidensgerechten Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes - nicht ausgeschlossen werden, dass ein bEM dazu hätte beitragen können, Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Die Beklagte setzt insoweit lediglich ihre Ansicht gegen die des Landesarbeitsgerichts, ohne revisionsrechtlich erhebliche Fehler aufzuzeigen. Soweit sie meint, es hätte der Klägerin - ggf. auch ohne bEM - oblegen, die Möglichkeit eines leidensgerechten Arbeitsplatzes aufzuzeigen, trifft dies nicht zu (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 42).
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(2) Hat der Arbeitgeber ein bEM unterlassen, kann er gegenüber seiner Verpflichtung, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen, nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen noch hätten sie ihm bekannt sein können (vgl. zu § 84 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 49, BAGE 150, 117). Anders als die Beklagte meint, hat das Landesarbeitsgericht auch die sie treffende Darlegungslast nicht überspannt, nachdem die Klägerin die ihren Arbeitsunfähigkeitszeiten zugrunde liegenden ärztlichen Diagnosen im Rechtsstreit offengelegt hat (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 43). Ohne Erfolg rügt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht habe den erst in der Berufungsbegründung gehaltenen Vortrag der Klägerin zu ihren gesundheitlichen Einschränkungen nicht berücksichtigen dürfen. Hat das Berufungsgericht Vorbringen zugelassen, ist dies im Revisionsverfahren unanfechtbar, weil die von § 67 ArbGG bezweckte Beschleunigungswirkung nicht wieder herstellbar ist (BAG 18. Dezember 2019 - 10 AZR 141/18 - Rn. 25). Soweit die Beklagte ihrerseits in der Revisionsbegründung neue Tatsachen vorträgt, ist dies nach § 559 Abs. 1 ZPO unbeachtlich.
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6. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts vom 18. Mai 2020 begründe keine Vermutung dafür, dass ein bEM eine Kündigung nicht hätte verhindern können.
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a) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit angenommen, dass nach einer Zustimmung des Integrationsamts zu einer verhaltensbedingten Kündigung nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden könne, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX aF (jetzt: § 167 Abs. 1 SGB IX) die Kündigung hätte verhindern können (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, BAGE 120, 293).
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b) Unbeschadet der Frage, ob an dieser vereinzelt gebliebenen Senatsentscheidung festzuhalten ist (zweifelnd bereits BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 41), kann der vorstehende Rechtssatz auf das Verhältnis zwischen einem bEM und dem Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt nicht übertragen werden. Eine vom Senat in der Entscheidung vom 7. Dezember 2006 (- 2 AZR 182/06 - BAGE 120, 293) angenommene Vermutungswirkung der Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts findet bereits im Wortlaut des § 167 Abs. 2 SGB IX keine Stütze. Das bEM und das Verfahren nach den §§ 168 ff. SGB IX haben zudem unterschiedliche Ziele, prozedurale Abläufe und Beteiligte. Das bEM ist ein verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (vgl. BAG 18. November 2021 - 2 AZR 138/21 - Rn. 28). Hieran kann eine Vielzahl von Personen - insbesondere aus dem Betrieb - beteiligt werden (vgl. § 167 Abs. 2 SGB IX), die nach sachgerechten Lösungen zur Verbesserung des Arbeitsumfelds suchen. Damit soll im Ergebnis gerade der Ausspruch einer Kündigung vermieden werden. Demgegenüber überprüft das Integrationsamt einen vom Arbeitgeber bereits gefassten Kündigungsentschluss (vgl. §§ 168 ff. SGB IX) und trifft eine Ermessensentscheidung, bei welcher das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen ist (vgl. BVerwG 22. Mai 2013 - 5 B 24.13 - Rn. 12). Bei dieser Entscheidung unterliegt das Integrationsamt zum Teil Einschränkungen, wonach es in einer Reihe von Fallgestaltungen eine Zustimmung erteilen „soll“ (vgl. § 172 SGB IX). Der stattgebenden Entscheidung des Integrationsamts kann schließlich deshalb keine Bedeutung für die erweiterte Darlegungslast des Arbeitgebers zukommen, da sich die Wirksamkeit einer nachfolgend erklärten Kündigung nach arbeitsrechtlichen Normen aufgrund des von den Parteien im Kündigungsschutzverfahren gehaltenen Sachvortrags beurteilt und allein den Gerichten für Arbeitssachen obliegt (vgl. BAG 22. Juli 2021 - 2 AZR 193/21 - Rn. 15).
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7. Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO). Soweit sich die Beklagte gegen tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts wendet, könnten etwaige Unrichtigkeiten im Berufungsurteil im Übrigen nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden (vgl. BAG 5. August 2021 - 5 AZR 121/21 - Rn. 17).
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III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (vgl. BAG 27. Juni 2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 31). Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits gerichtet. Dieser ist mit der Entscheidung des Senats rechtskräftig abgeschlossen.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Niemann
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