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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BAG 27.09.2022 - 2 AZR 508/21
BAG 27.09.2022 - 2 AZR 508/21 - Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Tat- und Verdachtskündigung - Nichtbonieren von Warenverkäufen - Abstufung der Darlegungslasten - Beschränkung der Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO auf das schlüssige und substantiierte Parteivorbringen
Normen
§ 241 Abs 2 BGB, § 626 BGB, § 138 Abs 1 ZPO, § 138 Abs 3 ZPO, § 286 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Frankfurt, 25. Mai 2020, Az: 21 Ca 8122/19, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 23. August 2021, Az: 7 Sa 1190/20, Urteil
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. August 2021 - 7 Sa 1190/20 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
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Der Kläger war bei der Beklagten als Stationskellner beschäftigt. Seine Aufgabe war der Verkauf von Speisen und Getränken. Er arbeitete allein an einer Kasse, an der er sich mit einer Karte anmelden musste, deren Weitergabe an Kollegen untersagt war. Der Kläger war gehalten, jeden Verkauf zu erfassen. Eine ordnungsgemäße Bonierung der verkauften Waren war bei geöffneter Kassenlade nicht möglich. Trinkgelder durften nicht in der Kasse aufbewahrt und nicht mit dem Umsatz und dem Wechselgeld vermischt werden. Nicht getrennt gehaltenes Trinkgeld sollte der Beklagten zustehen.
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Am 2. November 2019 erhielten Mitarbeiter der Beklagten den Hinweis, dass die Kassenlade des Klägers über einen längeren Zeitraum offen stand. Bei ihrem Eintreffen arbeitete der Kläger an der Kaffeemaschine. Die Lade der ihm zugewiesenen Kasse war nach wie vor geöffnet. Seine Kassenkarte lag daneben. Daraufhin wurde eine Kassenkontrolle durchgeführt, die eine positive Differenz zwischen dem Ist- und dem Soll-Bestand der Kasse iHv. 28,90 Euro ergab.
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Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 kündigte die Beklagte - nach Anhörung des Klägers und des Betriebsrats - das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
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Dagegen hat sich Kläger rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er habe die Kasse nicht bewusst offen gelassen. Ein Überschuss in der festgestellten Höhe könne sich leicht ergeben, zB durch versehentlich zu wenig herausgegebenes Wechselgeld oder den Erhalt eines „kleinen“ Trinkgelds. Außerdem habe er am 2. November 2019 die Toilette aufgesucht und Wechselgeld geholt. Während solcher Pausen könne es vorkommen, dass er seine Karte liegen lasse und ein Kollege mit ihr an seiner - des Klägers - Kasse arbeite. Dessen ungeachtet habe die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
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Der Kläger hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 3. Dezember 2019 nicht aufgelöst worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. als Stationskellner III im Flughafen F bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die offen stehende Kassenlade und die erhebliche positive Kassendifferenz begründeten zumindest den dringenden Verdacht, dass der Kläger Verkäufe absichtlich nicht boniert habe.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufung gegen das klagestattgebende erstinstanzliche Urteil mit rechtsfehlerhafter Begründung zurückgewiesen. Da der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden kann, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO).
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I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Unstreitig wurde sowohl die Berufungseinlegungs- als auch die Berufungsbegründungsschrift von einem zugelassenen Rechtsanwalt der von der Beklagten zur Prozessführung bevollmächtigten Kanzlei unterzeichnet. Daraus, dass ein anderer Anwalt über dem maschinenschriftlichen Namenszusatz des sachbearbeitenden Anwalts unterschrieben hat, folgt nicht, er habe nicht die volle Verantwortung für die - wenn auch nicht von ihm gefertigte - Berufungsbegründung übernehmen wollen. Die vom Kläger in der Revisionserwiderung herangezogene Entscheidung des Fünften Senats (14. September 2020 - 5 AZB 23/20 - Rn. 19, BAGE 172, 186) betrifft den anders gelagerten Fall, dass es an einer einfachen Signatur bzw. Unterschrift fehlt.
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II. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen.
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1. Das vom Berufungsgericht keiner Auslegung entsprechend § 133 BGB unterzogene Klagebegehren ist dahin zu verstehen, dass der Kläger zunächst zwei Anträge nach § 4 Satz 1 KSchG gestellt hat. Mit einem Hauptantrag wendet er sich gegen die - eine - außerordentliche, mit einem unechten Hilfsantrag gegen die - eine - hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Dezember 2020 - 2 AZR 308/20 - Rn. 9, BAGE 173, 233). Für den Fall, dass er mit beiden Kündigungsschutzanträgen obsiegen sollte, begehrt der Kläger mit einem weiteren unechten Hilfsantrag seine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer der Bestandsstreitigkeit.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat - der Sache nach - dem Hauptantrag gegen die außerordentliche fristlose Kündigung rechtsfehlerhaft mit der Begründung entsprochen, es mangele an einem wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB.
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a) Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers könne grundsätzlich eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Manipulation eines Kassenvorgangs zum Zweck, sich selbst auf Kosten des Arbeitgebers zu bereichern, ist „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Verschafft sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil, verletzt er erheblich seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB). Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende und unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Handlungen kommen daher typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 16, BAGE 156, 370). So liegt es auch, wenn ein Arbeitnehmer Waren bewusst ohne Bonierung verkauft. Bereits mit der fehlenden Erfassung der vereinnahmten Beträge im Kassensystem wird das Vermögen des Arbeitgebers gefährdet und das Vertrauen in die Redlichkeit des Mitarbeiters erschüttert.
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b) Weiter ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch der dringende Verdacht einer solchen Kassenmanipulation einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden kann (vgl. BAG 6. Juli 2000 - 2 AZR 454/99 - zu II 2 b dd der Gründe).
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c) Allerdings hat es rechtsfehlerhaft gemeint, es könne nicht angenommen werden, dass der Kläger die am 2. November 2019 festgestellte positive Kassendifferenz iHv. 28,90 Euro im Verlauf seiner Schicht absichtlich „aufgebaut“ habe. Insofern hat es die Anforderungen an die Darlegungen der Beklagten gemäß § 138 Abs. 1 ZPO überspannt sowie verkannt, dass zulasten des Klägers eine sekundäre Darlegungslast eingreifen könnte. Zudem hat es seine Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO nicht auf das schlüssige und substantiierte Vorbringen der Parteien dazu beschränkt, wie sich der Kassenüberschuss ergeben habe(n könnte).
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aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen. Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen (BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 40).
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bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 41; 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 28).
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cc) Im Streitfall hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe die positive Differenz zwischen dem Ist- und dem Soll-Bestand der Kasse bis zur Kassenaufnahme in vollem Umfang absichtlich erzeugt, indem er von ihm getätigte Verkäufe bewusst nicht im Kassensystem erfasst habe. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Beklagte habe mehr zum von ihr angenommenen Vorgehen des Klägers vortragen können, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie in zumutbarer Weise Vortrag dazu halten könnte, ob der Kläger am 2. November 2019 tatsächlich mehr Verkäufe getätigt hat als boniert. Zugleich hat weder die Beklagte ihre Behauptung völlig „aus der Luft gegriffen“ noch drängen sich unmittelbar andere, „redliche“ Gründe für die Entstehung der Kassendifferenz auf. Zum einen stand die Lade der dem Kläger zugewiesenen Kasse für einen längeren Zeitraum offen, ohne dass er dabei einen Verkaufsvorgang abgewickelt hätte. Bei geöffneter Lade ist eine ordnungsgemäße Bonierung von Verkaufsvorgängen nicht möglich. Ein Wirtschaften „an der Kasse vorbei“ wird dadurch erleichtert, weil der Arbeitnehmer gegenüber dem Kunden das Bild eines ordnungsgemäßen Verkaufsvorgangs - ggf. einschließlich der Herausgabe von Wechselgeld - vermitteln kann. Zum anderen müsste bei den nur rund 50 in der Transaktionsliste für den 2. November 2019 erfassten Barverkäufen durch den Kläger mit ganz überwiegend geringen Gesamtbeträgen ein insoweit beträchtlicher Kassenüberschuss von fast 30,00 Euro (durchschnittlich etwa 60 Cent) entstanden sein. Letzteres liegt zumindest nicht unmittelbar auf der Hand.
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dd) Deshalb war der Kläger gehalten, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast die ihm zumutbaren Angaben zu dem von ihm angenommenen, „redlichen“ Zustandekommen des Kassenüberschusses zu machen. Das hat er nach den Feststellungen im Berufungsurteil allenfalls teilweise ausreichend getan.
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(1) Der Kläger hat es - soweit ersichtlich - selbst nicht für denkbar gehalten, dass er vergessen haben könnte, Verkaufsvorgänge im Kassensystem zu erfassen.
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(2) Zu seinen Gunsten kann unterstellt werden, der Kläger habe vorgetragen, dass er es gerade auch für den 2. November 2019 für möglich erachte, bei Barverkäufen versehentlich zu wenig Wechselgeld an die Kunden herausgegeben zu haben. Eine weitere Festlegung konnte von ihm insofern nicht verlangt werden, soll es sich doch um unbemerkte (mögliche) Nachlässigkeiten gehandelt haben.
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(3) Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, dass er am 2. November 2019 die Toilette aufgesucht und Wechselgeld geholt habe, bleibt schon unklar, ob er während dieser Zeiten seine Karte liegen gelassen haben und behaupten möchte, ein Kollege habe sich damit an seiner - des Klägers - Kasse angemeldet. Vor allem ist nicht ersichtlich, dass der Kläger vortragen will, ein Kollege oder eine Kollegin habe eventuell den Ist- gegenüber dem Soll-Bestand erhöht.
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(4) Schließlich hat der Kläger nicht vorgetragen, ob er gerade am 2. November 2019 Trinkgeld(er) erhalten haben will und ggf. in welcher ungefähren Höhe. Dessen ungeachtet hätte er darlegen müssen, wie er mit ihm von Kunden neben einer Bar- oder Kartenzahlung gewährten Trinkgeldern verfahren ist. Nach den Anweisungen der Beklagten sollten diese gerade nicht in der Kasse aufbewahrt werden.
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ee) Vor diesem Hintergrund hätte das Landesarbeitsgericht in seine Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO, ob im Sinn einer „Tat“ oder doch eines dringenden Verdachts davon auszugehen ist, der Kläger habe den Kassenüberschuss gezielt aufgebaut, allein die von ihm - dem Kläger - schlüssig und substantiiert dargestellte Alternative einbeziehen dürfen, die Differenz sei durch Wechselgeldfehler zulasten von Kunden entstanden (vgl. Rn. 22).
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3. Der Senat kann nicht abschließend selbst über den vorrangigen Antrag gegen die außerordentliche Kündigung entscheiden.
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III. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren sind folgende Hinweise veranlasst:
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1. Das Landesarbeitsgericht wird im Rahmen des Hauptantrags die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung als Tat- oder doch Verdachtskündigung unter Beachtung der wechselseitigen Vortragslasten der Parteien zu prüfen haben. Dabei wird es nur davon ausgehen können, die Beklagte habe ihre primäre Darlegungslast nicht erfüllt, wenn sie eine zumutbare Möglichkeit haben sollte nachzuprüfen, ob der Kläger während seiner Schicht am 2. November 2019 tatsächlich mehr Waren verkauft hat als im Kassensystem erfasst. Andernfalls wird dem Kläger Gelegenheit zu geben sein, sein Vorbringen zur Erfüllung der ihn treffenden sekundären Darlegungslast unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen (Rn. 17 f.) klarzustellen und zu ergänzen. Sollte sich die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Kassenüberschuss bewusst aufgebaut, danach nicht schon aufgrund unzureichenden Vorbringens des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig erweisen, wird das Berufungsgericht auf der Grundlage und im Rahmen des schlüssigen und substantiierten Parteivorbringens nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen haben, ob es im Sinn einer „Tat“ oder wenigstens eines dringenden Verdachts davon ausgeht, der Kläger habe die Kassendifferenz - wenigstens teilweise - absichtlich erzeugt. Dabei könnte zum einen bedeutsam sein, dass er kein Interesse daran hatte, ihm zugedachte Trinkgelder an die Beklagte weiterzureichen. Zum anderen wäre zu beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kläger durch die - jeweils vom Kunden entweder nicht bemerkte oder doch nicht beanstandete - Herausgabe von zu wenig Wechselgeld im Zug der lediglich ca. 50 und ganz überwiegend „kleineren“ Barverkäufe am 2. November 2019 insgesamt einen Kassenüberschuss von nahezu 30,00 Euro erzeugt hat. Darüber hinaus könnten etwaige widersprüchliche Erklärungen des Klägers im Rahmen seiner Anhörungen ebenso in die Würdigung einzubeziehen sein wie der Umstand, dass er - soweit ersichtlich - erstmals in zweiter Instanz mögliche Wechselgeldfehler und den Erhalt von Trinkgeldern in den Raum gestellt hat. Schließlich könnte es, ohne dass es darauf noch ankommen müsste, für die Überzeugungsbildung eine Rolle spielen, ob der Kläger - was ggf. von der Beklagten darzulegen und zu beweisen wäre - vor dem 2. November 2019 nie auch nur geringfügige Kassenüberschüsse „abgeliefert“ hat. Dies könnte indiziell dahin deuten, dass er das von der Beklagten beschriebene Wirtschaften „an der Kasse vorbei“ unter passgenauer Entnahme der unredlich vereinnahmten Beträge (erst) am Schichtende nach Ziehen eines Auszugs aus dem Kassenjournal betrieb.
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2. Sollte das Berufungsgericht indes annehmen, es bestehe „lediglich“ der dringende Verdacht, dass der Kläger den bei der Kontrolle festgestellten Kassenüberschuss - zumindest teilweise - bewusst generiert habe, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ergriffen hat (vgl. BAG 25. April 2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 31). Dazu hätte es - sofern dies seinerzeit (noch) in zumutbarer Weise möglich gewesen wäre - gehört, eine Abweichung des Ist-Bestands an Waren vom Soll-Bestand zu ermitteln. Demgegenüber musste die Beklagte - wovon das Landesarbeitsgericht offenbar ausgegangen ist - den Kläger schon deshalb nicht bis zum Schichtende weiterarbeiten lassen, um ihn ggf. bei der Entnahme von Gelder zu ertappen, weil die Pflichtverletzung, derer der Kläger ggf. dringend verdächtig wäre, in der bewussten Erzeugung eines Kassenüberschusses lag (Rn. 14, 21). Hinsichtlich der vor einer Verdachtskündigung zwingend gebotenen Anhörung gilt, dass diese sich nur auf Tatsachen erstreckt, die der eigenen Wahrnehmung des Arbeitnehmers unterlagen (vgl. BAG 25. April 2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 38). Deshalb musste die Beklagte den Kläger nicht mit ihren Erfahrungswerten aus anderen Arbeitsverhältnissen konfrontieren. Auch dies hat das Berufungsgericht verkannt.
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3. Falls das Landesarbeitsgericht einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB - sei es im Sinn einer Tat-, sei es im Sinn einer Verdachtskündigung - annehmen sollte, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Hingegen wird es auf die - naheliegende - Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nur ankommen, wenn der Kläger diese Rüge entweder bereits in erster Instanz angebracht hat oder er sie erstmals im Berufungsverfahren mit Erfolgsaussicht erheben konnte, weil das Arbeitsgericht ihm keinen Hinweis nach § 6 KSchG erteilt hatte (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12 ff., BAGE 140, 261).
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4. Sollte das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag stattgeben, fiele der Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung zur Entscheidung an. Insofern wird ggf. zu beachten sein, dass die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für eine ordentliche Tat-, aber auch Verdachtskündigung nicht gilt (zu Letzterer vgl. BAG 31. Januar 2019 - 2 AZR 426/18 - Rn. 31, BAGE 165, 255). Sollte der Kläger die diesbezügliche Rüge rechtzeitig erhoben haben (Rn. 30), wäre ggf. zu prüfen, ob das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG bei Zugang der Kündigung abgeschlossen war (zur Fristberechnung und zu den Anforderungen an eine abschließende Stellungnahme des Gremiums vgl. BAG 25. Mai 2016 - 2 AZR 345/15 - Rn. 24 ff., BAGE 155, 181). Daneben wären ggf. die betrieblichen Voraussetzungen für das Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes (§ 23 Abs. 1 KSchG) vom Berufungsgericht festzustellen, woran es bislang fehlt.
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