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BAG 26.01.2021 - 3 AZR 119/19 (A)
BAG 26.01.2021 - 3 AZR 119/19 (A) - Tod einer Prozesspartei - Prozessbevollmächtigung - Aussetzungsantrag - Aufnahme des Verfahrens
Normen
§ 246 Abs 1 S 1 Halbs 2 ZPO, § 72 Abs 5 ArbGG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 14. Februar 2018, Az: 30 Ca 4624/17, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 13. März 2019, Az: 4 Sa 39/18, Urteil
Tenor
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Das Verfahren wird ausgesetzt.
Gründe
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I. Der frühere Kläger und die Beklagte haben über von der Beklagten angeblich zu wenig gezahlte Versorgungsleistungen in den Jahren 2011 bis 2016 gestritten. Geschäftsführer der Beklagten ist der Sohn des ehemaligen Klägers. Der frühere Kläger ist am 1. Juni 2020 verstorben. Er wurde jeweils zur Hälfte vom Geschäftsführer der Beklagten und Frau S beerbt.
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Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2020 reichten die Prozessbevollmächtigten des früheren Klägers den vom 24. November 2020 stammenden Erbschein zur Akte. Gleichzeitig teilten sie mit, ihnen seien die Rechtsverhältnisse innerhalb der Erbengemeinschaft nicht bekannt, weswegen sie das Ruhen des Verfahrens anregten. Ferner teilten sie mit, dass sie das Mandat in der Angelegenheit mit sofortiger Wirkung niedergelegt hätten.
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Die Beklagte ist der Auffassung, ein Aussetzungsantrag liege angesichts der Formulierungen im genannten Schriftsatz nicht vor. Die Aussetzung sei auch unbehelflich, weil sie als Gegenseite die Weiterführung des Verfahrens durchsetzen könne, soweit die Aufnahme verzögert würde. Diesen Antrag stelle sie höchstvorsorglich. Die Voraussetzungen einer Verzögerung lägen vor.
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II. Das Verfahren ist auszusetzen.
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1. Nach § 246 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO tritt beim Tod einer Partei, die - wie hier - durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, eine Unterbrechung des Verfahrens entgegen der Regel des § 239 ZPO nicht ein. Etwas Anderes gilt nach Halbs. 2 der Vorschrift ua. dann, wenn der Bevollmächtigte der früheren Prozesspartei dies beantragt.
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2. Die Erklärungen des Bevollmächtigten des früheren Klägers sind als Antrag auf Aussetzung des Verfahrens auszulegen.
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a) Maßgeblich für die Auslegung von Prozesserklärungen sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus der Sicht des Erklärenden nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen (vgl. BAG 26. Juli 2012 - 6 AZR 221/11 - Rn. 29 mwN).
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b) Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Aussetzungsantrag des Bevollmächtigten des ehemaligen Klägers vor. Dieser ist auch begründet.
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Antragsberechtigt hinsichtlich der Aussetzung ist - anders als die Beklagte meint - der Prozessbevollmächtigte, nicht die von ihm vertretene Partei (so bereits für die vergleichbare Aussetzung wegen Wegfalls eines gesetzlichen Vertreters nach §§ 241, 246 ZPO: RG 17. November 1910 - 558/09 IV - JW 1911, 99 f.). Das folgt daraus, dass das Gesetz das Antragsrecht dem Bevollmächtigten zuerkennt. Nur für den Fall, dass der Antrag von der Gegenseite gestellt ist, benennt es den Gegner, nicht jedoch dessen Bevollmächtigten, als antragsberechtigt.
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Diese Auslegung der gesetzlichen Regelung macht auch Sinn. Denn der Bevollmächtigte hat ein eigenes Interesse daran, bei sich möglicherweise ergebenden Unklarheiten in Folge des Todes einer Partei einen vorläufigen Stillstand des Verfahrens herbeizuführen. Diese sind oft mit faktischen Einschränkungen seiner Vertretungsmöglichkeit verbunden. Der vorläufige Stillstand des Verfahrens kann ihn vor möglichen Schadensersatzansprüchen schützen.
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Auf genau derartige Schwierigkeiten hat der Prozessbevollmächtigte des vormaligen Klägers hingewiesen. Die Aussetzung entspricht seiner wohlverstandenen Interessenlage. Der Prozessbevollmächtigte hat auch nicht lediglich den Tod des früheren Klägers mitgeteilt und angenommen, damit sei das Verfahren von Gesetzes wegen unterbrochen (so der Fall bei BGH 3. März 1993 - XII ZR 243/92 -), sondern auf ein gerichtliches Handeln hingewirkt.
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Berechtigte Interessen der Gegenseite stehen nicht entgegen, weil sie die Möglichkeit hat, die Aufnahme des Verfahrens nach § 246 Abs. 2 iVm. § 239 Abs. 2 ZPO durchzusetzen.
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3. Der Aussetzungsantrag ist auch begründet.
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a) Das Antragsrecht besteht noch. Es ist unerheblich, wie lange das die Antragsberechtigung auslösende Ereignis zurückliegt. Der Aussetzungsantrag kann - entgegen der Annahme der Beklagten - noch gestellt werden, wenn der Rechtsnachfolger schon zweifelsfrei feststeht. Das Gesetz zwingt den Antragsberechtigten nicht zu einer alsbaldigen Zwangswahl (MüKoZPO/Stackmann 6. Aufl. § 246 Rn. 14). Die Aussetzung stellt auch keine unnötige Förmelei dar, weil die Voraussetzungen einer Ladung zur Aufnahme nach § 239 Abs. 2 und 3 ZPO vorlägen. Die Aufnahme kann erst verzögert werden, wenn das Verfahren ausgesetzt ist.
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Für eine treuwidrige Handlung des klägerischen Prozessbevollmächtigten bestehen keine Anhaltspunkte. Er hat den Antrag unmittelbar nach Erteilung des Erbscheins und damit nach nachlassgerichtlicher Klärung der Situation gestellt.
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b) Damit ist die Aussetzung zwingend. Dem Gericht ist es versagt, im Rahmen der auf den Antrag des § 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO zu treffenden Entscheidung eine Billigkeitsabwägung anzustellen, ob diese oder jene Möglichkeit die eine oder andere Partei stärker belastet. Die Entscheidungsreife der Sache ist kein Argument gegen die Aussetzung. Der Gegner wird in seinem Interesse, die Unzulässigkeit des Rechtsmittels oder die Unbegründetheit der Klage feststellen zu lassen, auch insoweit dadurch hinreichend geschützt, dass er die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens betreiben kann (MüKoZPO/Stackmann 6. Aufl. § 246 Rn. 18).
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