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BAG 12.01.2021 - 4 AZR 271/20
BAG 12.01.2021 - 4 AZR 271/20 - Anforderungen an eine Revisionsbegründung
Normen
§ 72 Abs 5 ArbGG, § 551 Abs 3 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Regensburg, 13. August 2019, Az: 3 Ca 441/19, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht München, 14. Januar 2020, Az: 7 Sa 606/19, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Januar 2020 - 7 Sa 606/19 - wird als unzulässig verworfen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
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3. Der Streitwert wird auf 16.614,36 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
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Der Kläger ist examinierter Krankenpfleger und Fachpfleger für Psychiatrie und seit 1999 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) Anwendung.
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Seit dem 1. Februar 2018 ist der Kläger als sog. Teamleiter in der Tagesklinik mit Institutsambulanz (Erwachsenenpsychiatrie) in A tätig. In dieser werden Patienten tagsüber von Montag bis Freitag behandelt. Sie verfügt über 20 Pflegeplätze und gehört zum Zentrum für Psychiatrie der Beklagten, das sich in C befindet. Dort gibt es ebenfalls eine Tagesklinik mit Institutsambulanz (Jugendpsychiatrie) sowie zwei bettenführende psychiatrische Stationen. Dem Kläger sind - umgerechnet auf Vollzeitbeschäftigte - vier Pflegekräfte unterstellt. Außerdem sind dort eine Ergotherapeutin, eine Sozialpädagogin, eine Psychologin, eine Psychologin in Ausbildung und eine medizinische Fachangestellte sowie zwei Ärzte beschäftigt. Vorgesetzter des Klägers ist der in C tätige Leiter des Patienten- und Pflegemanagements in seiner Funktion als Bereichsleiter.
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Die Beklagte vergütet den Kläger nach Entgeltgruppe P 10 Fallgruppe 1 Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 („Beschäftigte … als Teamleiter“) der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA (nachfolgend TVöD/VKA).
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er übe die Tätigkeit eines Stationsleiters iSd. Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA aus. Ihm sei die Gesamtverantwortung für die Organisationseinheit bestehend aus Tagesklinik und Institutsambulanz übertragen worden. Er sei mit etwa 60 vH seiner Arbeitszeit mit Leitungsaufgaben betraut. Ein Einwirken des Leiters des Patienten- und Pflegemanagements auf die täglichen Arbeitsabläufe erfolge nicht, dies wäre organisatorisch aufgrund der örtlichen Gegebenheiten auch nicht möglich. Er habe vor Ort als einziger die Verantwortung für den Pflegeprozess und die Therapiemaßnahmen. Weiterhin sei er in das Belegungsmanagement der Tagesklinik verantwortlich eingebunden. Ihm obliege die Kontrolle der Erfüllung bestimmter Aufnahmebedingungen der Patienten. Er sei auch für das sogenannte Ausfallmanagement verantwortlich, leite und koordiniere die pflegerischen Abläufe, wenn sich bestimmte Aufgabeneinteilungen für das Pflegepersonal nicht von selbst ergäben. Da er keinen ständigen Stellvertreter habe, müsse er für seine Abwesenheitszeit bestimmte Tätigkeiten auf andere Mitarbeiter delegieren.
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Der Kläger hat beantragt:
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn mit Wirkung ab 1. Februar 2018 in Entgeltgruppe P 12 der Entgeltordnung VKA (Teil B Nr. XI 2) einzugruppieren und entsprechend zu vergüten.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Annahme einer Station im Tarifsinn scheitere schon am Fehlen einer bettenführenden Einheit. In einer bettenführenden Station gebe es einen Dreischichtbetrieb rund um die Uhr mit der Versorgung von Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, weshalb der Organisationsaufwand, der Personaleinsatz und die Arbeitsbelastung für die Leitungsebene um ein Vielfaches höher seien als in einer Tagesklinik und Ambulanz. Die vom Kläger ausgeführte Leitungstätigkeit entspreche der eines Teamleiters, denn er sei für das ihm unterstellte Pflegepersonal, nicht jedoch für das eingesetzte sonstige Fachpersonal zuständig.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
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II. Die Revision des Klägers ist mangels ausreichender Begründung unzulässig. Sie war daher nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 552 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO zu verwerfen. Die Entscheidung konnte gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss ergehen.
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1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Allein die Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ebenso wenig wie die Wiedergabe des bisherigen Vorbringens. Es reicht auch nicht aus, wenn der Revisionsführer die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts lediglich mit formelhaften Wendungen rügt. Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die genaue Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will. Dazu muss auch die Kausalität zwischen Verfahrensmangel und Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden (st. Rspr., zuletzt zB BAG 18. November 2019 - 4 AZR 105/19 - Rn. 10 mwN). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (st. Rspr., zuletzt zB BAG 30. Januar 2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 20, BAGE 165, 168; 6. Juli 2016 - 4 AZR 966/13 - Rn. 16).
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2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung auf zwei - jeweils für sich tragende - Begründungen gestützt. Zunächst nimmt es umfassend auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts nach § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug und schließt sich diesen ausdrücklich an. Sodann folgen - auch nach der Gliederung der Entscheidung - zwei eigenständige Begründungen für die Zurückweisung der Berufung des Klägers. Unter dem Gliederungspunkt II 1 a der Entscheidungsgründe benennt das Landesarbeitsgericht zunächst Grundsätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Begriff des Arbeitsvorgangs. Unter II 1 b der Entscheidungsgründe führt es sodann aus, der Kläger habe bereits in zeitlicher Hinsicht nicht aufgezeigt, dass durch die Tätigkeit als Stationsleiter wenigstens die Hälfte seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen werde („Hieran fehlt es aber...“). Auch die Überleitung zum zweiten Begründungsstrang unter II 2 der Entscheidungsgründe („Die vom Kläger erstrebte Eingruppierung setzt weiter aber auch voraus, …“) macht die Eigenständigkeit dieser Begründung deutlich. In dieser zweiten Begründungslinie knüpft das Landesarbeitsgericht sodann an die Argumentation des Arbeitsgerichts an. Dieses hatte angenommen, dass eine Station im Tarifsinn zwar auch ohne eine bettenführende Organisationseinheit angenommen werden könne und der Kläger für die ihm unterstellten Pflegekräfte eine Leitungstätigkeit ausübe. Im Hinblick auf seine begrenzte Verantwortung für die Durchführung und Koordination der wesentlichen Arbeitsabläufe leite er aber keine Station, sondern ein Team. Dem schließt sich das Landesarbeitsgericht unter II 2 der Entscheidungsgründe an.
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b) Mit dem ersten Begründungsansatz des Landesarbeitsgerichts, der fehlenden Darlegung des zeitlichen Anteils der Stationsleitungstätigkeiten, setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander.
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aa) Eine Verfahrensrüge erhebt die Revision im Revisionsbegründungsschriftsatz nicht.
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bb) Die Revisionsbegründung enthält eine Sachrüge im Hinblick auf den zweiten Begründungsansatz des Landesarbeitsgerichts. Die Revision meint, aus dem Umstand, dass die Station die kleinste organisatorische Einheit darstelle, das Vorliegen einer Station von den Vorinstanzen bejaht worden sei und der Kläger unstreitig Leitungsaufgaben ausübe, müsse sich nach der Struktur der tarifvertraglichen Regelungen zwangsläufig eine Vergütung nach Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA ergeben. Die Annahme einer Teamleitung scheide aus, wenn die Leitungstätigkeit sich organisatorisch auf eine Station beziehe. Auf die Reichweite der Leitungstätigkeit komme es insoweit nicht an. Die Revisionsbegründung rügt insoweit in ausreichendem Maße eine fehlerhafte Tarifauslegung.
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cc) Mit dem selbständig tragenden Begründungsansatz des Landesarbeitsgerichts zum zeitlichen Anteil der Stationsleitungstätigkeit setzt sich die Revision hingegen nicht auseinander. Im ersten Teil der Revisionsbegründung, als „Sachverhalt, Streitgegenstand und Gang des Verfahrens“ bezeichnet, wird zwar erwähnt, dass das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der zeitlichen Bedeutung der Leitungs-/Organisationsaufgaben „insoweit nach diesseitiger Einschätzung zunächst etwas unklar“ bleibe. Jedoch - so meint der Revisionsführer weiter - gehe letztlich auch das Landesarbeitsgericht von einem einheitlichen Arbeitsvorgangsbegriff aus. Obwohl die Revision also zu erkennen scheint, dass das Landes-arbeitsgericht an dieser Stelle möglicherweise eine andere Auffassung als das Arbeitsgericht vertritt, findet sich im zweiten Teil der Revisionsbegründung („Begründetheit der Revision“) keinerlei Eingehen auf diese Thematik. Jede - auch nur knappe oder vorsorgliche - Rüge nebst entsprechender Begründung fehlt. Eine solche wäre aber auch dann erforderlich gewesen, wenn der Revisionsführer die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts etwa als offensichtlich rechtsfehlerhaft - weil erkennbar von der Rechtsprechung des Senats abweichend - angesehen hätte.
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dd) Aus dem weiteren Schriftsatz vom 21. Dezember 2020, mit dem der Kläger dem Hinweis des Senats auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision begegnet, ergibt sich nichts anderes. Vielmehr wird in diesem gerade bestätigt, der Revisionsführer habe bemerkt, dass das Landesarbeitsgericht Ausführungen zum zeitlichen Anteil der Tätigkeit als Stationsleiter gemacht habe. Allein auf seine Einschätzung, diese seien aber nicht selbständig tragend, weil sonst das Landesarbeitsgericht von einem anderen Arbeitsvorgangsbegriff als das Arbeitsgericht ausgegangen wäre, konnte sich der Kläger angesichts der Gliederung und des Inhalts der Entscheidungsgründe nicht stützen. Vielmehr hätte er jedenfalls vorsorglich eine entsprechende Sach- oder Verfahrensrüge erheben müssen. Soweit nunmehr gerügt wird, es handele sich insoweit um eine Überraschungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts, da kein Hinweis zum Thema „Arbeitsvorgang“ erfolgt sei, kann eine solche Rüge nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht mehr zulässig erhoben werden. Wenn der Kläger schließlich meint, den Parteien „ging und geht“ es - auch wegen eines Parallelverfahrens - um die Klärung der Frage, ob die Leitungstätigkeit des Klägers als Team- oder Stationsleitung im Tarifsinn anzusehen ist, weshalb vom Landesarbeitsgericht auch die Revision zugelassen wurde, kann eine solche Klärung nur erfolgen, wenn die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Revision erfüllt sind. Dies ist nicht der Fall.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.
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Treber
Rinck
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