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BAG 01.10.2020 - 2 AZR 214/20
BAG 01.10.2020 - 2 AZR 214/20 - Eigenkündigung - Feststellungsklage des Arbeitgebers
Normen
§ 256 Abs 1 ZPO, § 256 Abs 2 ZPO, § 139 Abs 3 ZPO, § 4 S 1 KSchG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Suhl, 16. Oktober 2018, Az: 1 Ca 533/18, Teilurteil
vorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 18. Februar 2020, Az: 1 Sa 387/18, Urteil
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 18. Februar 2020 - 1 Sa 387/18 - wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
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Der Beklagte war beim Kläger angestellt und absolvierte auf dessen Kosten bis Ende 2016 die Laufbahnausbildung des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes. In der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung über die Rückerstattung von Fortbildungskosten (Nebenabrede) heißt es ua.:
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„§ 6
Rückzahlung
(1)
Die in § 4 aufgeführten Kosten sind in vollem Umfange zu erstatten, wenn
1.
der/die Beschäftigte nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 5 genannten Bindungsdauer beendet, ohne dass der Arbeitgeber hierzu Veranlassung gegeben hat,
…
(2)
Der Rückzahlungsbetrag vermindert sich in den Fällen des Absatzes 1 für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Beendigung der Fortbildung entsprechend der Bindungsdauer nach § 5 Abs. 2 um 1/60 bei einer Bindungsdauer von 5 Jahren.“
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Mit Schreiben vom 15. Februar 2018, dem Kläger zugegangen am 19. Februar 2018, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2018.
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Der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass das Arbeitsverhältnis nach § 34 TVöD-VKA erst zum 30. Juni 2018 ende und er verpflichtet sei, die gemäß § 6 Abs. 2 Nebenabrede geminderten Fortbildungskosten zu erstatten. In der Folge kürzte er die Nettobezüge des Beklagten für die Monate Februar und März 2018 um jeweils ca. 600,00 Euro.
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Mit Schreiben vom 16. April 2018, dem Kläger zugegangen am 19. April 2018, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen der Vergütungsabzüge außerordentlich zum 30. April 2018, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.
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Der Kläger hat gemeint, die außerordentliche Eigenkündigung des Beklagten sei unwirksam gewesen.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 16. April 2018 zum 30. April 2018 nicht aufgelöst worden ist, sondern durch die ordentliche Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 30. Juni 2018 sein Ende gefunden hat.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist unzulässig.
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I. Der Klageantrag ist in seinem ersten Teil am Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG orientiert. Diese Vorschrift ist für eine Klage - zumal des Arbeitgebers - gegen eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht einschlägig (für eine Klage des kündigenden Arbeitnehmers vgl. BAG 21. September 2017 - 2 AZR 57/17 - Rn. 13 ff., BAGE 160, 221). Der Antrag ist daher gemäß dem vom Kläger nicht beanstandeten Verständnis beider Vorinstanzen insgesamt - nur - als Feststellungsklage (§ 256 ZPO) auszulegen, mit der der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis zum 30. Juni 2018 festgestellt werden soll (vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 84, 255).
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II. Für den Antrag, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2018 festzustellen, fehlt ein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
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1. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Es handelt sich um eine - auch noch im Revisionsverfahren zu prüfende - Prozessvoraussetzung. Sie stellt sicher, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, einer Partei zu bescheinigen, ob sie im Recht war oder nicht, oder eine alle Prozessbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu beantworten. Erforderlich ist damit grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist sie lediglich zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben. Für einen Feststellungsantrag, der ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes. Wird ein solches während des Rechtsstreits durch Zeitablauf oder Änderung tatsächlicher Umstände zu einem vergangenen, bleibt die Feststellungsklage nur zulässig, wenn sich aus der erstrebten Feststellung konkrete gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen ableiten lassen. Dabei muss das rechtliche Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses selbst bestehen; ein Interesse an der Klärung streitiger Vorfragen genügt nicht (vgl. BAG 20. Januar 2015 - 1 ABR 1/14 - Rn. 18 zu einem Feststellungsantrag im Beschlussverfahren; BGH 17. Juni 2016 - V ZR 272/15 - Rn. 13 ff.).
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2. Der Kläger hat auch auf einen Hinweis des Senats nach § 139 Abs. 3 ZPO keine Tatsachen vorgebracht, die ein rechtliches Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung begründen.
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a) Die ursprünglich von ihm für sein Feststellungsbegehren gegebene Begründung, er müsse zur Planung seiner Arbeitsorganisation darauf vertrauen können, dass Kündigungsfristen eingehalten werden, trägt jedenfalls seit dem 1. Juli 2018 nicht mehr. Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2018 durch eine ordentliche Eigenkündigung des Beklagten aufgelöst worden. Seither konnte der Kläger in keinem Fall mehr eine Arbeitsleistung des Beklagten beanspruchen.
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b) Es kann dahinstehen, ob die Feststellung, ein Arbeitsverhältnis habe bis zu einem bestimmten Termin fortbestanden, geeignet sein kann, den Arbeitgeber hinsichtlich der zur Grundlage einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers gemachten Vorwürfe zu rehabilitieren (vgl. BAG 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - zu B I 3 b und c der Gründe). Das ist zweifelhaft, weil es sich beim Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB bzw. der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung um eine bloße, nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage der begehrten Feststellung handelt. Jedenfalls ist im Streitfall eine fortwirkende, rehabilitierungsbedürftige Herabsetzung des Klägers in Bezug auf den vom Beklagten angeführten Kündigungsgrund weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (zu den Anforderungen an ein Feststellungsinteresse aufgrund eines Rehabilitierungsinteresses vgl. BGH 17. Juni 2016 - V ZR 272/15 - Rn. 17 ff.). Die Parteien streiten ausschließlich über die Rechtsfrage, ob die Nebenabrede wirksam ist und dem Kläger hieraus - fällige - Rückzahlungsansprüche zustanden. Der Beklagte hat die außerordentliche Eigenkündigung nicht auf streitige, ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gestützt.
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c) Der Kläger möchte nicht die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten aufgrund einer rechtswidrigen Lösung aus dem Arbeitsverhältnis vorbereiten. Dazu wäre der gewählte Antrag auch untauglich, weil auf ihn lediglich eine Vorfrage bzw. ein Element des Rechtsverhältnisses „Schadensersatzanspruch“, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erst mit Ablauf des 30. Juni 2018, festgestellt (vgl. BGH 17. Juni 2016 - V ZR 272/15 - Rn. 15) und damit keine abschließende Klärung über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen den Beklagten bewirkt würde.
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d) Ein Feststellungsinteresse ergibt sich nicht daraus, dass die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in einem bestimmten Zeitraum rechtlich gebunden wären. Eine solche präjudizielle Wirkung müsste gesetzlich vorgeschrieben sein. Das ist nicht der Fall (vgl. BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/98 - zu B III 2 e aa der Gründe, BAGE 95, 141).
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e) Der Kläger bedarf der erstrebten Feststellung nicht, um seine Pflichten gegenüber der Zusatzversorgungskasse Thüringen erfüllen zu können. Er hat für die Monate Mai und Juni 2018 in keinem Fall mehr Beiträge für den Beklagten abzuführen. Das folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) vom 1. März 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 8. Juni 2017. Danach entspricht das zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem steuerpflichtigen Arbeitslohn. Von diesem ist ein bestimmter Vomhundertsatz an die Zusatzversorgungseinrichtung abzuführen. Dem Beklagten stünde mangels Arbeitsleistung auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für beide Monate kein der Besteuerung unterliegender Arbeitslohn mehr zu.
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f) Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses in anderer Hinsicht zwischen den Parteien im Streit wäre (vgl. dazu BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 84, 255; 9. September 1992 - 2 AZR 142/92 - zu II 1 b der Gründe) und deshalb ein rechtliches Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung bestünde.
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g) Ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung liegt schließlich nicht im Hinblick auf die in der Nebenabrede bestimmte Pflicht des Beklagten vor, unter bestimmten Umständen einen Teil der Fortbildungskosten zu erstatten. Mit einer stattgebenden Entscheidung erwüchse allein in Rechtskraft, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30. Juni 2018 fortbestanden hat. Hingegen nähme die Vorfrage, ob die außerordentliche Eigenkündigung des Beklagten unwirksam war, nicht an der materiellen Rechtskraft eines Feststellungsurteils teil. Erst recht stünde nicht in der Rechtskraft fähiger Weise fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Veranlassung des Klägers iSv. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nebenabrede geendet hat bzw. die Monate Mai und Juni 2018 nicht als „Monate der Beschäftigung“ iSv. § 6 Abs. 2 Nebenabrede anzusehen sind. Dessen ungeachtet könnten selbst solche Feststellungen dem Kläger eine Leistungsklage nicht ersparen. Der Beklagte leugnet einen Rückzahlungsanspruch nicht - wenigstens nicht nur - deshalb, weil das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Klägers geendet habe oder die Höhe der Rückforderung übersetzt sei. Vielmehr hält er dem Rückzahlungsverlangen - zumindest auch - andere Einwände betreffend den Anspruchsgrund, nämlich die Wirksamkeit der Nebenabrede, entgegen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass er das Rückzahlungsbegehren des Klägers auch nur teilweise als berechtigt ansähe, sobald die außerordentliche Eigenkündigung für unwirksam befunden würde. Die begehrte Feststellung schüfe keinen Rechtsfrieden (vgl. BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 208/19 - Rn. 24 ff.; 7. Februar 2019 - 6 AZR 84/18 - Rn. 15 f.).
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III. Die Klage ist auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dazu müsste der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2018 für die Entscheidung über einen Hauptantrag vorgreiflich sein (vgl. BAG 21. Mai 2019 - 9 AZR 260/18 - Rn. 20). Die Vorgreiflichkeit ist zwar von Amts wegen zu beachten, doch findet eine Amtsermittlung nicht statt (für das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vgl. BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 22, BAGE 133, 75). Der Kläger hat trotz eines Hinweises des Senats gemäß § 139 Abs. 3 ZPO schon nicht vorgetragen, dass zwischen den Parteien weitere Klage- oder Widerklageanträge aus dem vormals einheitlichen Verfahren noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (vgl. BAG 7. Februar 2019 - 6 AZR 84/18 - Rn. 18 f.) in erster oder zweiter Instanz rechtshängig gewesen seien.
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