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BAG 03.06.2020 - 3 AZR 255/20 (F)
BAG 03.06.2020 - 3 AZR 255/20 (F) - Anhörungsrüge - Rechtliches Gehör - Betriebliche Altersversorgung - Betriebsrentenanpassung - Überschussanteile
Normen
§ 78a Abs 1 S 1 ArbGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Bonn, 10. April 2018, Az: 6 Ca 2643/17, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 20. Februar 2019, Az: 5 Sa 399/18, Urteil
nachgehend Landesarbeitsgericht Köln, 9. September 2020, Az: 5 Sa 399/18, Urteil
Tenor
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Die Anhörungsrüge der Beklagten vom 12. Mai 2020 gegen das Urteil des Senats vom 18. Februar 2020 - 3 AZR 137/19 - wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat die Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.
Gründe
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I. Im Ausgangsverfahren (- 3 AZR 137/19 -) haben die Parteien darüber gestritten, ob die Beklagte die Betriebsrente des Klägers nach § 16 BetrAVG anzupassen hat. Die Beklagte hat vorgebracht, dem stehe § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG entgegen. Ihre Versorgungszusage werde über den Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes a.G. (nunmehr BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G.; im Folgenden BVV), eine Pensionskasse, durchgeführt und ab Rentenbeginn würden sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet. Soweit für das Rügeverfahren erheblich hat der Senat in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen der Klage stattgegeben.
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Der Senat hat darauf abgestellt, dass die Betriebsrente des Klägers teilweise auf dem Tarif B des BVV beruhe. In § 34 Abs. 2 der Tarifbedingungen zu diesem Tarif sei vorgesehen, dass die Überschüsse zur Erhöhung von Sterbegeld verwendet würden. Da letzteres keine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes darstelle, würden nicht die laufenden Betriebsrentenleistungen erhöht. Damit lägen zu diesem Punkt die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht vor.
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Die Beklagte rügt insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Problem des Sterbegelds sei in den Vorinstanzen nicht erörtert worden. Der Senat habe seine Prozessleitungspflicht verletzt, indem er auf diese Rechtsfrage nicht hingewiesen habe. Sie hätte sonst vorgetragen, dass der BVV von § 34 Abs. 2 der Tarifbedingungen nie Gebrauch gemacht habe. Die Bestimmung werde auf der nächsten Mitgliederversammlung des BVV ersatzlos gestrichen werden. Ebenso wie hinsichtlich der auf anderen Tarifen des BVV beruhenden Rente habe die Sache deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müssen.
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II. Damit kann die Beklagte nicht durchdringen. Eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ArbGG, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
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1. Der Senat war nicht gehalten, den von der Beklagten verlangten Hinweis zu erteilen.
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a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will, damit sie bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht. Das führt auch die Beklagte zu Recht aus. Jedoch müssen Verfahrensbeteiligte, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (zum Ganzen nur BVerfG 27. September 2018 - 1 BvR 426/13 - Rn. 2 mwN).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze bestand vorliegend keine Hinweispflicht.
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Das Ausgangsverfahren lag hinsichtlich des maßgeblichen Tarifs B gleich wie der vom Senat bereits am 10. Dezember 2019 entschiedene Rechtsstreit - 3 AZR 122/18 -. Zu diesem Urteil ist bereits an diesem Tag - und damit zehn Wochen vor der mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren - eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlicht worden (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 44/19). In dieser war das Problem des Sterbegelds ausdrücklich angesprochen (sechster Absatz am Ende). Wie gewissenhafte und kundige Prozessbevollmächtigte wissen, gibt das Bundesarbeitsgericht bei Entscheidungen zu grundlegenden Rechtsfragen Pressemitteilungen heraus. Ein gewissenhafter Prozessbevollmächtigter prüft, wenn er - wie hier die Prozessbevollmächtigten der Beklagten - ein Revisionsverfahren zur sog. Escapeklausel führt, in dem es auf eine grundlegende Rechtsfrage ankommt, ob bereits Entscheidungen des maßgeblichen Spruchkörpers vorliegen und dazu eine Pressemitteilung veröffentlicht ist. Das gilt umso mehr, wenn Prozessbevollmächtigte, wie diejenigen der Beklagten, ihre Sachkunde bereits öffentlich gemacht haben (vgl. Kielkowski/Schmalz BB 2019, 2420), insbesondere wenn ihnen die betreffenden Aktenzeichen der beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Revisionsverfahren zu dieser Frage bekannt sind (vgl. Kielkowski/Schmalz BB 2019, 2420, 2423 Fußnote 41).
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2. Im Übrigen wäre der Vortrag, den die Beklagte auf einen Hinweis nach ihrem Vorbringen gehalten hätte, auch nicht entscheidungserheblich.
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Der Senat hat bei seiner Entscheidung im Ausgangsverfahren (Rn. 51 ff.) darauf abgestellt, dass die in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG genannten Voraussetzungen aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Regelung bei Eintritt des Versorgungsfalls rechtlich feststehen, was im Übrigen auch bereits im vorangegangenen, insoweit gleichgelagerten Rechtsstreit (BAG 10. Dezember 2019 - 3 AZR 122/18 -) entschieden wurde und auch der Pressemitteilung zugrunde lag. Maßgeblich war danach allein die Regelung in § 34 Abs. 2 des Tarifs B, nicht die tatsächliche Praxis des BVV. Damit stand aufgrund der Bestimmung jedenfalls nicht rechtlich fest, dass Überschussanteile nicht teilweise für Sterbegeld verwendet würden. Im Übrigen ist die Aufstockung des Sterbegelds aus den Überschussanteilen, soweit die Voraussetzungen der Regelung vorliegen, danach zwingend ausgestaltet. Unerheblich wäre auch ein Vortrag zur Prognose der Beklagten gewesen, dass auf der nächsten Mitgliederversammlung des BVV die Vorschrift aufgehoben würde. Diese Versammlung liegt in der Zukunft und kann die Rechtslage bei Eintritt des Versorgungsfalls des Klägers nicht mehr beeinflussen.
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3. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Senat keinen Hinweis auf die Sterbegeldproblematik aktenkundig gemacht hat (§ 139 Abs. 4 ZPO).
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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