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BAG 18.12.2019 - 10 AZR 325/17
BAG 18.12.2019 - 10 AZR 325/17 - Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft - SokaSiG
Normen
Art 9 Abs 3 GG, § 7 SokaSiG, Art 12 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 S 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 5 TVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 51 Abs 1 S 1 EUGrdRCh, Art 107 Abs 1 AEUV, Art 11 MRK, Art 1 Abs 1 MRKZProt
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 5. Juli 2016, Az: 64 Ca 80952/16, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 21. Juli 2017, Az: 9 Sa 1538/16, Urteil
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Juli 2017 - 9 Sa 1538/16 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
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Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich verpflichtet, die Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft einzuziehen. Er nimmt die Beklagte auf der Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der jeweils maßgeblichen Fassung (VTV) auf Durchschnittsbeiträge für mindestens einen gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum von November 2011 bis Januar 2012 iHv. insgesamt 1.155,00 Euro in Anspruch.
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Die nicht verbandsangehörige Beklagte unterhält einen Betrieb, in dem Abbrucharbeiten ausgeführt werden.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde die begehrten Beiträge. Der Anspruch ergebe sich aus dem SokaSiG und aus dem wirksam für allgemeinverbindlich erklärten VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 15. Dezember 2005 (VTV 2005), der iSv. § 4 Abs. 5 TVG nachwirke.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.155,00 Euro zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sei nicht an die Verfahrenstarifverträge der Bauwirtschaft gebunden. Das mittlerweile in Kraft getretene SokaSiG sei verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Rückwirkungsverbot, den Grundsatz der Gewaltenteilung und die Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Es verletze die negative Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie, die Berufsfreiheit sowie den allgemeinen Gleichheitssatz und sei ein unzulässiges Einzelfallgesetz. Des Weiteren verstoße das SokaSiG gegen die GRC, Art. 107 AEUV und die EMRK. Der VTV 2005 wirke auch nicht iSv. § 4 Abs. 5 TVG nach.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zunächst durch Versäumnisurteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf den form- und fristgerechten Einspruch des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen und die Klage als begründet angesehen.
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I. Die Revision ist zulässig.
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1. Die Beklagte konnte die Revision nach der Verkündung des Berufungsurteils bereits vor dessen Zustellung wirksam einlegen (vgl. BAG 26. März 2015 - 2 AZR 483/14 - Rn. 13).
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2. Die Beklagte hat sich in ihrer Revisionsbegründung hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils auseinandergesetzt (vgl. BAG 24. September 2019 - 10 AZR 562/18 - Rn. 11 mwN). Dem steht nicht entgegen, dass sie in der Revisionsbegründung ausführt, sie sei in den Vorinstanzen zu Unrecht verurteilt worden, „Zinsen“ zu zahlen, obwohl in dem Rechtsstreit, über den hier zu entscheiden ist, nicht über Zinsen, sondern über Beiträge gestritten wird. Es handelt sich dabei um ein offensichtliches Versehen. Inhaltlich setzt sich die Beklagte in der Revisionsbegründung mit den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils auseinander.
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II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig. Sie ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Klage in der Berufungsinstanz sowohl auf das SokaSiG als auch auf einen aus seiner Sicht nachwirkenden allgemeinverbindlichen VTV gestützt hat. Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die vom Kläger herangezogenen unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen verschiedene Streitgegenstände darstellen. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unvereinbare alternative Klagehäufung (vgl. dazu BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 523/17 - Rn. 11; 2. August 2018 - 6 AZR 437/17 - Rn. 18 mwN, BAGE 163, 205; BGH 21. November 2017 - II ZR 180/15 - Rn. 8 f.). Für den Fall, dass mehrere Streitgegenstände vorliegen, hat der Kläger hinreichend klargestellt, dass er seine Beitragsansprüche vorrangig auf das SokaSiG und nur hilfsweise auf eine mögliche Nachwirkung stützt. Insbesondere hat er ausgeführt, dass es auf eine mögliche Nachwirkung seit Inkrafttreten des SokaSiG nicht mehr ankomme und der Rechtsstreit bereits auf der Grundlage des SokaSiG zu entscheiden sei. Damit hat er eine Rangfolge festgelegt.
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2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat für den Zeitraum von November 2011 bis Januar 2012 Anspruch auf die geltend gemachten Beiträge aus § 7 Abs. 6 und Abs. 7 iVm. den Anlagen 31 und 32 SokaSiG. Die Anlagen 31 und 32 SokaSiG enthalten den vollständigen Text des VTV vom 18. Dezember 2009 (VTV 2009) und des VTV vom 18. Dezember 2009 idF vom 21. Dezember 2011 (VTV 2011; vgl. den Anlageband zum BGBl. I Nr. 29 vom 24. Mai 2017 S. 323 bis 350). Die Pflicht der Beklagten zur Beitragszahlung folgt aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. V Nr. 29, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 18 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 des VTV 2009 und des VTV 2011.
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a) Der Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge (§ 1 Abs. 1 VTV 2009 und VTV 2011). Die bei der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer werden vom persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VTV 2009 und VTV 2011). Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 VTV 2009 und VTV 2011 eröffnet. Im Betrieb der Beklagten werden Abbrucharbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 VTV 2009 und VTV 2011 ausgeführt.
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b) Der Kläger ist nicht gehindert, die Beitragsansprüche für den gewerblichen Arbeitnehmer im Weg einer sog. Durchschnittsbeitragsklage zu verfolgen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft berechtigt, die geschuldeten Beiträge mit einer Durchschnittsbeitragsklage geltend zu machen und dafür die vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Bauwirtschaft heranzuziehen (BAG 27. November 2019 - 10 AZR 476/18 - Rn. 40 f.; 30. Oktober 2019 - 10 AZR 38/18 - Rn. 14). Über die Höhe der geforderten Beiträge besteht zwischen den Parteien kein Streit.
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c) Gegen die Geltungserstreckung des VTV 2009 und des VTV 2011 auf die nicht tarifgebundene Beklagte durch § 7 Abs. 6 und Abs. 7 iVm. den Anlagen 31 und 32 SokaSiG bestehen aus Sicht des Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 38/18 - Rn. 15 ff.; 30. Oktober 2019 - 10 AZR 371/18 - Rn. 16 ff.; 30. Oktober 2019 - 10 AZR 523/17 - Rn. 16 ff.; 24. September 2019 - 10 AZR 562/18 - Rn. 20 ff.; 28. August 2019 - 10 AZR 549/18 - Rn. 84 ff.; 28. August 2019 - 10 AZR 550/18 - Rn. 23 ff.; 3. Juli 2019 - 10 AZR 498/17 - Rn. 39 ff.; 3. Juli 2019 - 10 AZR 499/17 - Rn. 81 ff.; 8. Mai 2019 - 10 AZR 559/17 - Rn. 29 ff.; 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 47 ff.; 27. März 2019 - 10 AZR 512/17 - Rn. 32 ff.; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 42 ff., BAGE 164, 201).
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aa) § 7 SokaSiG ist mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar.
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(1) Etwaige Eingriffe in die Tarifautonomie sind jedenfalls gerechtfertigt (BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 371/18 - Rn. 18 mwN).
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(2) Nach Auffassung des Senats verletzt das SokaSiG auch nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde (BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 38/18 - Rn. 22 mwN).
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(3) Die Revision gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung, soweit sie darauf abstellt, dass der Kläger keine grundrechtlichen Schutzpositionen geltend machen könne. Für die Abwägung kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten allein auf die Belange der vom SokaSiG betroffenen Arbeitgeber und den vom Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgten Zweck an, das Sozialkassensystem der Bauwirtschaft zu sichern.
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bb) Das SokaSiG greift nicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit der verpflichteten Arbeitgeber ein. Die durch die Beitragspflicht bezweckte Umlagefinanzierung des Urlaubskassenverfahrens, der Berufsbildung und der zusätzlichen Altersversorgung in der Bauwirtschaft betrifft lediglich den Interessenausgleich zwischen den branchenzugehörigen Arbeitgebern untereinander und zu den Arbeitnehmern auf übertariflicher Ebene (BAG 24. September 2019 - 10 AZR 562/18 - Rn. 22; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 55 mwN, BAGE 164, 201).
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cc) § 7 SokaSiG „kassiert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt werden. Das hält der Senat für verfassungsrechtlich unbedenklich (BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 499/17 - Rn. 95; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 92 ff., BAGE 164, 201).
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dd) Das SokaSiG verletzt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG oder den aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, abzuleitenden allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Die grundgesetzliche Garantie des Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C I 1 der Gründe mwN, BVerfGE 107, 395). Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (BVerfG 9. Juni 2015 - 2 BvR 965/15 - Rn. 17 mwN). Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistungen ist nicht ersichtlich. Eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Allgemeinverbindlicherklärungen der Verfahrenstarifverträge hat stattgefunden. Ob das SokaSiG seinerseits rechtmäßig ist, unterliegt ebenfalls der gerichtlichen Kontrolle.
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ee) § 7 SokaSiG verletzt nach Auffassung des Senats nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden (BAG 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 68 ff., BAGE 164, 201). Der gegenteiligen Auffassung der Beklagten stimmt der Senat nicht zu.
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(1) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rechtsunterworfene könne bei einer unechten Rückwirkung bis zur Einbringung der Neuregelung in den Bundestag auf ein Nichthandeln des Gesetzgebers vertrauen, das müsse erst recht bei der echten Rückwirkung gelten. Sie übersieht, dass die Einbringung eines Gesetzes in den Bundestag lediglich ein Umstand ist, der das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage ab diesem Zeitpunkt zerstören kann (vgl. BVerfG 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - Rn. 151, BVerfGE 148, 217). Das lässt nicht umgekehrt den von der Revision gezogenen Schluss zu, dass vor der Einbringung in jedem Fall ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage bestand.
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(2) Die Beklagte beruft sich vergeblich darauf, sie habe nicht mit einem „Systemwechsel“ dahingehend rechnen müssen, dass der Gesetzgeber die unwirksame Allgemeinverbindlicherklärung durch ein Gesetz ersetze. Dem Gesetzgeber steht die Wahl einer anderen Rechtsform als der in § 5 TVG geregelten Allgemeinverbindlicherklärung für die Erstreckung eines Tarifvertrags auf Außenseiter frei (BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 371/18 - Rn. 22; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 51, BAGE 164, 201).
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ff) Das SokaSiG ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die gesetzliche Geltungsanordnung der Verfahrenstarifverträge führt zu einer Gleichbehandlung aller Baubetriebe, die vom räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der in § 7 SokaSiG benannten Verfahrenstarifverträge erfasst werden. Die Beschränkung auf die Baubranche verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 57; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 63 ff., BAGE 164, 201).
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gg) Nach Auffassung des Senats ist § 7 SokaSiG kein nach Art. 19 Abs. 1 GG unzulässiges Einzelfallgesetz. Die Bestimmung greift nicht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle einen einzelnen Fall oder eine bestimmte Gruppe heraus (BAG 30. Oktober 2019 - 10 AZR 371/18 - Rn. 23; 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Rn. 105 ff., BAGE 164, 201).
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d) Auch ein Verstoß gegen die GRC liegt nicht vor. Deren Anwendungsbereich ist nicht eröffnet.
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aa) Nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 gilt die GRC für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Um festzustellen, ob eine nationale Maßnahme die Durchführung des Rechts der Union iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC betrifft, ist insbesondere zu prüfen, ob mit der fraglichen nationalen Regelung die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann. Ferner ist zu untersuchen, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann (EuGH 10. Juli 2014 - C-198/13 - [Julian Hernández ua.] Rn. 37; BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 - Rn. 21; 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 103 mwN, BAGE 156, 213; zu der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH näher EuArbRK/Schubert 3. Aufl. GRC Art. 51 Rn.13 ff.; Preis/Sagan/Pötters 2. Aufl. Rn. 3.19 ff.). Wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Bereich einen bestimmten Aspekt nicht regeln und den Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt keine bestimmten Verpflichtungen auferlegen, fällt die nationale Regelung eines solchen Aspekts durch einen Mitgliedstaat nicht in den Anwendungsbereich der GRC. Für die Beurteilung des betreffenden Sachverhalts können deren Bestimmungen nicht herangezogen werden (EuGH 19. November 2019 - C-609/17 ua. - [TSN] Rn. 52 mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat der deutsche Gesetzgeber mit der Erstreckung der Verfahrenstarifverträge auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber durch § 7 Abs. 6 und Abs. 7 iVm. den Anlagen 31 und 32 SokaSiG kein Unionsrecht durchgeführt (vgl. zu der Allgemeinverbindlicherklärung der Verfahrenstarifverträge BAG 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 102 ff., BAGE 156, 213; 21. September 2016 - 10 ABR 48/15 - Rn. 85 ff., BAGE 156, 289). Es bestehen keine unionsrechtlichen Regelungen, die den Bereich der Teilnahme nicht originär tarifgebundener im Inland ansässiger Arbeitgeber an einem tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren betreffen. Der Sachverhalt gibt auch keine Veranlassung, die Frage zu klären, ob § 7 Abs. 11 SokaSiG der Durchführung von Unionsrecht iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC dient. Danach finden die Regelungen in § 7 Abs. 1 bis Abs. 10 SokaSiG auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern Anwendung, soweit die tarifvertraglichen Rechtsnormen, auf die in den Absätzen 1 bis 10 verwiesen wird, Arbeitsbedingungen iSd. § 5 Satz 1 Nr. 3 AEntG sind. § 5 AEntG setzt Art. 3 der Entsenderichtlinie 96/71/EG um. Dieser Rechtsstreit hat jedoch nicht die Fallgestaltung zum Gegenstand, dass der betroffene Arbeitgeber im Ausland ansässig ist. Damit scheidet eine Prüfung der Geltungserstreckung auf die nicht verbandsgebundene Beklagte am Maßstab der GRC aus. Bereits aus diesem Grund kommt es hier auch nicht auf die Frage an, ob sich ein Einzelner im Rahmen eines ausschließlich zwischen Privaten geführten Rechtsstreits auf Art. 16 GRC berufen kann (vgl. dazu BAG 30. Januar 2019 - 10 AZR 299/18 (A) - Rn. 100 ff., BAGE 165, 233, vor dem EuGH anhängig unter - C-341/19 - [MH Müller Handel]).
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cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2019 (- 1 BvR 16/13 -) nicht, dass § 7 Abs. 6 und Abs. 7 SokaSiG am Maßstab der GRC zu prüfen wäre. Das Bundesverfassungsgericht führt dort aus, dass es unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes prüft (BVerfG 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Rn. 42). Eine Prüfung unmittelbar an den Grundrechten der GRC kommt jedoch in Betracht, wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte gegeben sind, dass durch eine Prüfung an den Grundrechten des Grundgesetzes das grundrechtliche Schutzniveau des Unionsrechts ausnahmsweise nicht gewährleistet wird (BVerfG 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Rn. 63 ff.). Das setzt zwingend voraus, dass die „Durchführung von Unionsrecht“ iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC in Frage steht (BVerfG 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Rn. 43). Die Beklagte übersieht, dass der deutsche Gesetzgeber mit § 7 Abs. 6 und Abs. 7 SokaSiG gerade nicht Unionsrecht iSv. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC durchführt.
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dd) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht um Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ersuchen. Er kann eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die GRC beurteilen, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt (EuGH 26. Februar 2013 - C-617/10 - [Åkerberg Fransson] Rn. 19; BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 - Rn. 23).
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e) Entgegen der Ansicht der Beklagten verletzt das SokaSiG auch nicht Art. 107 Abs. 1 AEUV. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Bei den Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft handelt es sich nicht um staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV. „Beihilfen“ iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV liegen nur vor, wenn sie unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und dem Staat zuzurechnen sind (EuGH 13. September 2017 - C-329/15 - [ENEA] Rn. 20; 13. März 2001 - C-379/98 - [PreussenElektra] Rn. 58 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, weil Sozialkassenbeiträge weder unmittelbar noch mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Auch insoweit muss der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union nicht um Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ersuchen. Die Unionsrechtslage zu den Voraussetzungen einer Beihilfe iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist durch den Gerichtshof in einer Weise geklärt, dass für diese Fallgestaltung keine vernünftigen Zweifel verbleiben („acte éclairé“; vgl. zu den Vorlagevoraussetzungen BVerfG 9. Mai 2018 - 2 BvR 37/18 - Rn. 29; BAG 23. Januar 2019 - 4 AZR 445/17 - Rn. 43 ff., 48).
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f) Die Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, das SokaSiG verstoße gegen die EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits entschieden, dass die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe Unternehmen der Bauwirtschaft weder in ihren Rechten auf Vereinigungsfreiheit nach Art. 11 EMRK noch in ihren Rechten auf Schutz des Eigentums nach Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verletzt (EGMR 2. Juni 2016 - 23646/09 - [Geotech Kancev GmbH gegen Deutschland] Rn. 79 ff., 102 ff.). Der Senat hat sich dem in seinen Beschlüssen vom 21. September 2016 angeschlossen (- 10 ABR 33/15 - Rn. 96, BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - Rn. 79, BAGE 156, 289).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gallner
Brune
Pulz
Baschnagel
R. Bicknase
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