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BAG 16.10.2019 - 5 AZR 241/18
BAG 16.10.2019 - 5 AZR 241/18 - Bürgenhaftung für Arbeitsentgeltansprüche nach dem AEntG - Unternehmerbegriff
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 3. Mai 2017, Az: 14 Ca 14814/16, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 25. Januar 2018, Az: 21 Sa 1231/17, Urteil
Leitsatz
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Die in § 14 AEntG angeordnete Bürgenhaftung verlangt eine besondere Verantwortungsbeziehung zwischen Auftraggeber und Nachunternehmer. Eine solche liegt nicht vor, wenn ein Bauherr den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes an einen Generalunternehmer vergibt, um das zu errichtende Gebäude zu vermieten und zu verwalten.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2018 - 21 Sa 1231/17 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung von Nettoarbeitsentgelt aus Bürgenhaftung nach § 14 AEntG.
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Die Beklagte, deren Geschäftszweck die Verwaltung und Vermietung von Gebäuden ist, hat zusammen mit einer weiteren Gesellschaft in den Jahren 2011 bis 2014 ein Einkaufszentrum errichten lassen. Dieses besteht aus zwei Gebäudekomplexen, die sich über zwei Grundstücke erstrecken, von denen eines im Eigentum der Beklagten steht. Mit der Errichtung wurde eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der B GmbH (iF B GmbH) und der F GmbH (iF F GmbH), beauftragt. Nachdem im Jahr 2013 über das Vermögen der B GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die F GmbH das Bauvorhaben als alleinige Generalunternehmerin fortgeführt. Weitere Subunternehmen, darunter die O GmbH (iF O GmbH), wurden beauftragt. Dann wurde auch über das Vermögen der F GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Der Kläger hat zunächst von seiner Arbeitgeberin, der O GmbH, Vergütung für die Zeit von August bis Oktober 2014 verlangt. Aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2016 (- 3 Sa 2005/15 -) über einen Bruttobetrag von 5.372,40 Euro abzüglich gezahlter 200,00 Euro netto hat der Kläger von der O GmbH keine Zahlung erlangen können.
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Mit der vorliegenden Klage fordert der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Nettoarbeitsentgelt aus Bürgenhaftung nach § 14 AEntG für die Zeit vom 1. August bis zum 1. Oktober 2014. Er habe vom 25. April bis zum 1. Oktober 2014 in einem Arbeitsverhältnis mit der O GmbH gestanden, sei auf der Baustelle des Einkaufszentrums als Bauhelfer tätig und schwerpunktmäßig auf dem Grundstück der Beklagten eingesetzt gewesen. Die O GmbH sei von der F GmbH als Subunternehmerin beauftragt worden. Er habe in diesem Zeitraum insgesamt 484 Stunden gearbeitet, wofür ihm der tarifliche Mindestlohn im Baugewerbe in Höhe von 11,10 Euro brutto/Stunde zustehe, mithin ein Gesamtbetrag von 5.372,40 Euro brutto. Erhalten habe er lediglich 200,00 Euro netto. Die Klageforderung errechnet der Kläger unter Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nach den im Jahr 2014 geltenden Beitragssätzen. Lohnsteuer sei nicht in Abzug zu bringen.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weiteren Lohn iHv. insgesamt 4.133,51 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Als Bauherrin unterliege sie nicht der Bürgenhaftung aus § 14 AEntG.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann die Beklagte nicht aufgrund der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 14 AEntG aus Bürgenhaftung für das Nettoarbeitsentgelt in Anspruch nehmen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Daher ist auch die Revision zurückzuweisen.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Die Klage ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger fordert für den Zeitraum vom 1. August bis zum 1. Oktober 2014 einen konkreten Betrag als Nettoarbeitsentgelt für insgesamt 484 Stunden von ihm geleisteter Arbeit. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 27. März 2019 - 5 AZR 94/18 - Rn. 13).
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2. Der Bestimmtheit der Nettolohnklage steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht im Einzelnen die zur schlüssigen Begründung der Klage erforderlichen, für den Tag des Zuflusses des Arbeitsentgelts geltenden Besteuerungsmerkmale dargelegt hat. § 14 AEntG enthält eine Sonderregelung, die eine Nettolohnklage in Höhe der sich im Jahr des Tätigwerdens ergebenden Vergütung zulässt (vgl. zu § 1a AEntG aF BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu I 3 der Gründe, BAGE 113, 149).
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II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 14 AEntG, denn diese ist kein Unternehmer im Sinne der Norm. Der Begriff des Unternehmers ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vorgängerregelung in § 1a AEntG aF einschränkend auszulegen. Erfasst wird nur der Unternehmer, der sich zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient.
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1. Nach § 14 Satz 1 AEntG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an einen Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Nach § 14 Satz 2 AEntG umfasst das Mindestentgelt iSd. Satzes 1 nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer auszuzahlen ist (Nettoentgelt).
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2. Eine Legaldefinition des Unternehmerbegriffs enthält § 14 Satz 1 AEntG nicht. Der Begriff ist daher durch Auslegung zu bestimmen.
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a) Maßgebend für die Gesetzesauslegung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter diesen Methoden hat keine unbedingten Vorrang. Welche Regelungskonzeption der Gesetzgeber mit dem von ihm gefundenen Wortlaut tatsächlich verfolgt, ergibt sich uU erst aus den anderen Auslegungsgesichtspunkten. Wird daraus der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar, ist dieser zu achten (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 ua. - Rn. 74 f., BVerfGE 149, 126; BAG 7. Februar 2019 - 6 AZR 75/18 - Rn. 16 mwN).
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b) Der Wortlaut des § 14 Satz 1 AEntG spricht nicht für eine Einschränkung des Unternehmerbegriffs. Auch die amtliche Überschrift der Norm - Haftung des Auftraggebers - erzwingt eine solche nicht. Verstünde man jedoch Überschrift und Gesetzestext wörtlich, träfe die Haftung jeden Unternehmer, der Leistungen von einem anderen Unternehmen bezieht. Dies würde selbst dann gelten, wenn an der Abwicklung des Auftrags nur zwei Unternehmen beteiligt wären (vgl. Moll/Päßler/Reich MDR 2015, 125, 130; Bayreuther DB 2011, 706, 707; insbesondere wegen des Wortlauts eine einschränkende Auslegung ablehnend Koberski/Asshoff/Eustrup/Winkler AEntG 3. Aufl. § 14 Rn. 18 f.).
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c) Der Wortlaut allein ist indessen nicht maßgeblich, vielmehr ist auch der Zweck der Norm in den Blick zu nehmen. Nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Sinn und Zweck hat das Bundesarbeitsgericht bereits die in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. Juni 2007 geltende Vorgängerregelung in § 1a AEntG aF einschränkend ausgelegt.
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aa) In diesem Zeitraum war die gesetzlich angeordnete Bürgenhaftung (vgl. zur Abgrenzung von der bestellten Bürgschaft iSv. § 401 Abs. 1 BGB BAG 8. Dezember 2010 - 5 AZR 95/10 - Rn. 14, BAGE 136, 263) dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Beauftragung Dritter mit der Erbringung von Bauleistungen iSd. § 211 Abs. 1 SGB III aF als Anknüpfungspunkt für den Haftungstatbestand festlegte. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit § 1a AEntG aF eine Haftung des Generalunternehmers eingeführt werden. Er sollte darauf achten, dass seine Subunternehmer die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten (vgl. BT-Drs. 14/45 S. 17 f.). In Übereinstimmung damit ging die Bundesregierung davon aus, dass die Generalunternehmer künftig verstärkt Aufträge an zuverlässige kleine und mittlere Unternehmen vergeben würden, von denen sie wüssten, dass sie die gesetzlichen Bestimmungen einhielten (vgl. Plenarprotokoll 14/14 Verhandlung des Deutschen Bundestags vom 10. Dezember 1998 S. 868 D). Die Durchgriffshaftung treffe die Generalunternehmer, die wüssten, dass die von den Nachunternehmern angebotenen Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen überhaupt nicht zu erbringen seien. Die Norm richte sich gegen Schmutzkonkurrenz und diene damit dem Schutz kleiner Betriebe, die in der Vergangenheit vom Markt gedrängt worden seien (vgl. Plenarprotokoll 14/14 aaO S. 877 C, D).
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bb) Der Gesetzgeber wollte daher ersichtlich nicht jeden Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB, der eine Bauleistung in Auftrag gibt, in den Geltungsbereich des § 1a AEntG aF einbeziehen. Ziel des Gesetzes war es vielmehr, Bauunternehmer, die sich verpflichtet haben, ein Bauwerk zu errichten, und dies nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigen, sondern sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmen bedienen, als Bürgen haften zu lassen, damit sie letztlich im eigenen Interesse verstärkt darauf achten, dass die Nachunternehmer die nach § 1 AEntG geltenden zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten. Da diesen Bauunternehmen der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmern zugutekam, sollten sie für die Lohnforderungen der dort beschäftigten Arbeitnehmer nach § 1a AEntG aF einstehen (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 10 AZR 190/11 - Rn. 16 f., BAGE 141, 299; 28. März 2007 - 10 AZR 76/06 - Rn. 12 f.; 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu III 2 b aa und bb der Gründe, BAGE 113, 149).
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cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trafen diese Gesetzesziele des § 1a AEntG aF nicht auf andere Unternehmer zu, die als Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben. Diese Unternehmer beschäftigen keine eigenen Bauarbeitnehmer. Sie beauftragen auch keine Subunternehmer, die für sie eigene Leistungspflichten erfüllen. Bauherren fielen daher nicht in den Geltungsbereich des § 1a AEntG aF (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 10 AZR 190/11 - Rn. 18, BAGE 141, 299; 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu III 2 b bb der Gründe, BAGE 113, 149). Dagegen sind Bauträger als Unternehmer iSd. § 1a AEntG aF und nicht als bloße Bauherren angesehen worden. Wesentlicher Inhalt der Tätigkeit eines Bauträgers ist, dass er sich zur Errichtung eines Bauwerks auf einem eigenen oder von ihm noch zu beschaffenden Grundstück verpflichtet und dem Erwerber das Eigentum am Grundstück und dem darauf erstellten Gebäude verschafft. Der Bauträger tritt im Regelfall im eigenen Namen auf, sodass Vertragspartner des Bauunternehmers der Bauträger selbst und nicht der Erwerber wird (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 10 AZR 190/11 - Rn. 20, BAGE 141, 299). Das Bauträgerunternehmen fungiert damit nicht als bloßer Bauherr oder Letztbesteller, der lediglich einen Eigenbedarf befriedigt. Die Beauftragung von Bauleistungen ist vielmehr wesentlicher, unmittelbarer Gegenstand des Unternehmens. Der Bauträger baut nicht aus privaten Gründen oder um durch den Bau anderen eigenen gewerblichen Zwecken zu dienen, sondern um die errichteten Gebäude vor, während oder spätestens nach Abschluss der Bauarbeiten gewinnbringend zu veräußern. Dabei erfüllt er mit der Bautätigkeit eine, ggf. vorweggenommene, eigene Leistungspflicht gegenüber dem Erwerber, die sich bei einem Erwerb während der Bauphase in eine unmittelbare Leistungspflicht umwandelt. Diese Leistungspflicht kann er entweder durch eigenes Personal erfüllen oder - typischerweise - an ein anderes Unternehmen weitergeben. Damit kommt auch dem Bauträger der wirtschaftliche Vorteil der Beauftragung von Nachunternehmen zugute, er nutzt den Vorteil von Subunternehmerketten für seine gewerbsmäßige Tätigkeit (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 10 AZR 190/11 - Rn. 21, BAGE 141, 299).
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d) Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung des § 1a AEntG aF (vgl. BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu IV der Gründe, BAGE 113, 149; 6. November 2002 - 5 AZR 617/01 (A) - zu B IV der Gründe, BAGE 103, 240) entspricht den Anforderungen einer verfassungskonformen Normanwendung. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2007 bestätigt (vgl. BVerfG 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - Rn. 32 ff.). Danach griff § 1a AEntG aF als Berufsausübungsregelung zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit der Bauunternehmer ein, indem er ihnen unmittelbar für den Fall, dass sie sich zur Durchführung des ihnen erteilten Bauauftrags eines Nachunternehmers bedienen, eine verschuldensunabhängige Haftung gegenüber den Arbeitnehmern des Nachunternehmers auferlegte, und indem er sie mittelbar veranlassen wollte, sowohl bei der Auswahl des Nachunternehmers als auch bei der Durchführung des Nachunternehmervertrags auf die Einhaltung der nach § 1 AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen zu achten. Art. 12 Abs. 1 GG schützt jedoch vor solchen, gerade auf die berufliche Betätigung bezogenen staatlichen Eingriffen. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit war indes verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber mit der Bürgenhaftung des Hauptunternehmers für die Mindestlohnansprüche der beim Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer verfassungsrechtlich legitime Ziele verfolgte und die durch die Bürgenhaftung bedingte Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Hauptunternehmers auch verhältnismäßig im engeren Sinne war. Der Hauptunternehmer hafte zwar verschuldensunabhängig, aber nicht ohne hinreichende Verantwortungsbeziehung zu dem die Haftung auslösenden Sachverhalt. Erfülle der vom Hauptunternehmer beauftragte Nachunternehmer die Mindestlohnansprüche seiner Arbeitnehmer nicht, verwirkliche sich genau das zusätzliche Risiko, das der Hauptunternehmer geschaffen habe, indem er sich des Nachunternehmers zur Ausführung der von ihm geschuldeten, aber nicht durch eigene Arbeitnehmer erbrachten Bauleistungen bedient habe. Weil er dadurch die Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand gegeben und die Durchsetzung der Regelungsziele des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erschwert habe, sei es gerechtfertigt, ihm die Mitverantwortung für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der auch in seinem Interesse auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer zuzuweisen (BVerfG 20. März 2007 - 1 BvR 1047/05 - Rn. 54).
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e) Für die Regelung des § 14 AEntG verbleibt es bei der zu § 1a AEntG aF entwickelten einschränkenden Auslegung, auch wenn der Bezugspunkt der Haftung nunmehr der Auftrag zur Erbringung von „Werk- und Dienstleistungen“ ist (vgl. bereits BAG 17. August 2011 - 5 AZR 490/10 - Rn. 17, BAGE 139, 36). Es gibt keinerlei Hinweise, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung eine weitergefasste Haftung in Bezug auf den Unternehmerbegriff schaffen wollte.
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aa) Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (BGBl. I 2007, 576) wurde § 1a AEntG mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 dahingehend geändert, dass Anknüpfungspunkt der Haftung der Auftrag zur Erbringung von „Werk- oder Dienstleistungen“ sein sollte. Die Gesetzesmaterialien zeigen, dass der Gesetzgeber damit lediglich eine redaktionelle Folgeänderung zu der Erweiterung des Gesetzes auf das Gebäudereinigerhandwerk beabsichtigte (vgl. BT-Drs. 16/3064 S. 8). Die im Streitfall geltende Fassung des § 14 Satz 1 AEntG, gültig ab dem 24. April 2009 aufgrund des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (BGBl. I 2009, 799), hat diesen Anknüpfungspunkt der Haftung übernommen, auch wenn die Gesetzesmaterialien weniger eindeutig sind (hierauf weist auch Bayreuther NZA 2015, 961, 962 hin), denn danach haftet „insbesondere ein sogenannter Generalunternehmer“. Doch findet sich dort ebenfalls, dass die bislang in § 1a AEntG enthaltene Bestimmung übernommen werden sollte (vgl. BT-Drs. 16/10486 S. 14).
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bb) Diese Genese des § 14 AEntG zeigt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der einschränkenden Auslegung des Unternehmerbegriffs, insbesondere durch die Entscheidungen des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2002 (- 5 AZR 617/01 (A) - BAGE 103, 240) und vom 12. Januar 2005 (- 5 AZR 617/01 - BAGE 113, 149), die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2007 gebilligt wurde (- 1 BvR 1047/05 -), keine weitergefasste Haftung mit der Regelung des § 14 AEntG begründen wollte. Für die Absicht einer Erweiterung der Haftung auf jeden gewerblichen Auftraggeber lassen sich weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte finden. Die in § 14 AEntG angeordnete Bürgenhaftung verlangt deshalb eine besondere Verantwortungsbeziehung zwischen Auftraggeber und Nachunternehmer. Diese besteht nur dann, wenn der Auftraggeber eine eigene Verpflichtung an seinen Auftragnehmer weitergibt, wenn also der Auftragnehmer eine Werk- oder Dienstleistung erbringen soll, die für die vom Auftraggeber am Markt angebotene Leistung geschäftsprägend ist (so Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 13 Rn. 20) bzw. sich im Rahmen seines üblichen Geschäftsgegenstands bewegt (so Bayreuther NZA 2015, 961, 964). Nach § 14 AEntG soll sich ein Unternehmer nicht dadurch seinen eigenen Verpflichtungen zur Zahlung von Mindestentgelten entziehen können, dass er eine Werk- oder Dienstleistung nicht durch eigene Arbeitnehmer ausführen lässt, sondern Nachunternehmer einsetzt, ohne diese zu kontrollieren.
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f) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus § 13 MiLoG kein anderes Normverständnis zu § 14 AEntG. Die in § 13 MiLoG in Bezug auf die Haftung des Auftraggebers für den gesetzlichen Mindestlohn aufgenommene Regelung, wonach § 14 AEntG entsprechende Anwendung findet, bestätigt vielmehr das gefundene Auslegungsergebnis. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 13 MiLoG wollte der Gesetzgeber die Rechtslage für den gesetzlichen Mindestlohn an die Rechtslage bei § 14 AEntG angleichen. Die dortige Ausgestaltung der Haftung, wie sie insbesondere durch die Rechtsprechung vorgenommen worden sei, habe „sich über Jahre bewährt“ (vgl. BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 23). Auch die überwiegende Meinung im Schrifttum hält eine einschränkende Auslegung insoweit gleichermaßen für geboten (vgl. zu § 13 MiLoG MüKo/BGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 13 MiLoG Rn. 3; ErfK/Franzen 19. Aufl. MiLoG § 13 Rn. 2; HK-MiLoG/Reinfelder 2. Aufl. § 13 Rn. 13 f.; Lelley in Thüsing MiLoG/AEntG 2. Aufl. § 13 MiLoG Rn. 14 f.; Lembke NZA 2015, 70, 78; Sittard/Sassen NJW 2016, 364, 366 f.; Moll/Päßler/Reich MDR 2015, 125, 130; Oltmanns/Fuhlrott NZA 2015, 392, 393).
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3. Danach ist die Beklagte im Streitfall kein Unternehmer iSd. § 14 Satz 1 AEntG.
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a) Die Beklagte hat lediglich als Bauherrin den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt. Damit gibt sie nicht die Erfüllung eigener Verpflichtungen an Subunternehmer weiter. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass Geschäftszweck der Beklagten die Verwaltung und Vermietung von Gebäuden ist. Diese Feststellung wurde von der Revision nicht angegriffen und ist daher für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Mit der Vergabe des Bauauftrags schaffte die Beklagte nur die Grundlage dafür, ihrem Geschäftszweck nachgehen zu können.
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b) Entgegen der Revision erfüllte die Beklagte mit dem Bau des Gebäudes keine Verpflichtung gegenüber ihren Mietern. Die Errichtung von Gebäuden durch eigene Arbeitnehmer der Beklagten ist nicht geschäftsprägend. Die Verpflichtung, welche die Beklagte gegenüber Dritten, den Mietern des Gebäudes eingegangen ist, besteht nicht darin, das Gebäude herzustellen. Ihre Verpflichtung beinhaltet lediglich, den Mietern den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, dh. zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen (vgl. § 535 Abs. 1 BGB). Daneben verpflichtet sich die Beklagte gegenüber ihren Kunden zur Verwaltung des Gebäudes. Beides schließt nicht die eigene Verpflichtung der Beklagten gegenüber ihren Mietern ein, das Gebäude zu bauen. Eine etwaige nicht termingerechte Fertigstellung des Gebäudes, insbesondere bei einer Erstvermietung nach Errichtung, würde nur eine Sekundärfolge darstellen.
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c) Einem Bauträger kann die Beklagte nicht gleichgestellt werden. Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass er ein Gebäude errichtet, um es zu veräußern. Dagegen erfüllt die Beklagte mit der Errichtung des Gebäudes einen - gewerblichen - Eigenbedarf. Sie lässt für eigene Zwecke bauen, weil sie selbst Eigentümerin des Gebäudes bleibt, um es in Ausübung ihres Geschäftszwecks zu vermieten und zu verwalten. Mit dem Bau des Gebäudes schafft die Beklagte lediglich die Betriebsmittel, um ihrem Geschäftszweck entsprechend handeln zu können.
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d) Entgegen der Revision ist kein systemisch angelegter Missbrauch in dem Sinne erkennbar, dass regelmäßig sowohl Generalunternehmer als auch Subunternehmer zahlungsunfähig werden und damit die Bürgenhaftung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz leerliefe. In Bezug auf die Beklagte ist auch nicht vorgetragen, dass die Insolvenz des Generalunternehmers vorhersehbar gewesen wäre, womit es an Anhaltspunkten für ein missbräuchliches Verhalten fehlt.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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