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BAG 25.05.2016 - 5 AZR 614/15
BAG 25.05.2016 - 5 AZR 614/15 - Annahmeverzug - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen
§ 74 Abs 1 S 1 ArbGG, § 233 ZPO, § 85 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Köln, 1. April 2014, Az: 16 Ca 4960/13, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 4. September 2015, Az: 4 Sa 823/14, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. September 2015 - 4 Sa 823/14 - wird als unzulässig verworfen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.
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Der Kläger war bei der Beklagten als Tankwagenfahrer beschäftigt und transportierte Mineralöle, die Gefahrgüter darstellen. Hierfür ist eine regelmäßig zu wiederholende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung erforderlich.
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Ärztliche Untersuchungen des Klägers ergaben befristete gesundheitliche Bedenken. Die Beklagte sprach im Dezember 2012 eine Kündigung aus, die rechtskräftig für unwirksam erklärt wurde. Weiterhin wurden dem Kläger die Gehälter für Dezember 2012 bis Februar 2013 zugesprochen. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung im Januar 2014 ergab keine Bedenken mehr gegen die Fahrtauglichkeit des Klägers. Die Beklagte sprach im März 2014 eine weitere Kündigung aus. Die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen.
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Der Kläger fordert Vergütung wegen Annahmeverzugs für März 2013 bis Januar 2014 und meint, in diesem Zeitraum leistungsfähig gewesen zu sein.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
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1.
für März 2013
2.637,70 Euro brutto abzüglich 1.126,20 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2013,
2.
für April bis Dezember 2013 jeweils
2.823,90 Euro brutto abzüglich 1.126,20 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats,
3.
für Januar 2014
weitere 1.411,95 Euro brutto abzüglich 562,89 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2014
zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
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Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 16. Oktober 2015 zugestellt worden. Die Revision des Klägers ist am 26. Oktober 2015 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Revisionsbegründung vom 15. Dezember 2015 ist per Post am 17. Dezember 2015 eingegangen.
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Mit gerichtlichem Schreiben, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Januar 2016 zugestellt, ist auf den Eingang der Revisionsbegründung erst am 17. Dezember 2015 hingewiesen worden.
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Mit am 21. Januar 2016 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten des Prozessbevollmächtigten beigefügt.
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Der Kläger trägt vor, die seit fünf Jahren in der Kanzlei tätige, bisher stets zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte habe die Revisionsbegründung am 15. Dezember 2015 unterzeichnet vom Prozessbevollmächtigten mit der Anweisung erhalten, es handele sich um einen fristgebundenen Schriftsatz, der am selben Tag vorab per Telefax und auf dem Postweg an das Bundesarbeitsgericht zu übersenden sei. Die Angestellte habe vergessen, den Schriftsatz per Telefax zu versenden. Dieses Versäumnis sei erst aufgrund des gerichtlichen Hinweises festgestellt worden.
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Mit weiterem Schriftsatz trägt der Kläger vor, die Anweisung zur Versendung per Telefax sei mit Übergabe des unterzeichneten Schriftsatzes mündlich erteilt worden. Solche mündlichen Anweisungen seien in der Kanzlei vor allen anderen Arbeiten unverzüglich zu erledigen. Dies habe die Rechtsanwaltsfachangestellte auch so verstanden, aber während der Ausführung des Postversands die Anweisung zum Telefaxversand vergessen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unzulässig. Der Kläger hat die Revisionsbegründungsfrist versäumt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet.
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I. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, denn sie ist nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist begründet worden.
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Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils.
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Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. Oktober 2015 zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist ist am Mittwoch, dem 16. Dezember 2015, abgelaufen (§ 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Der am 17. Dezember 2015 beim Bundesarbeitsgericht eingegangene Schriftsatz hat diese Frist nicht gewahrt.
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II. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 ZPO), aber unbegründet. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, er sei ohne sein Verschulden bzw. ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der fristgemäßen Einreichung der Revisionsbegründungsschrift verhindert gewesen.
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1. Eine Wiedersetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Dabei steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Ist das Fristversäumnis allerdings infolge eines Fehlverhaltens von Büropersonal des Prozessbevollmächtigten eingetreten, liegt kein der Partei zuzurechnendes Verschulden vor, wenn der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei ordnungsgemäß organisiert, insbesondere zuverlässiges Personal ausgewählt und dieses ausreichend überwacht hat (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 38/10 - Rn. 14 mwN).
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2. Danach hat der Kläger keinen Wiedereinsetzungsgrund dargetan. Nach seiner Darlegung ist ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen.
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a) Im Rahmen der Ausgangskontrolle gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen (vgl. BAG 2. November 2010 - 5 AZR 456/10 (F) - Rn. 4).
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Der Anwalt darf zwar das Absenden eines Telefaxes einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen. Es besteht keine Verpflichtung, sich über die Ausführung anschließend zu vergewissern. Ein Rechtsanwalt darf auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung befolgt. Der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt, der die Absendung fristwahrender Schriftsätze seinem Büropersonal überlässt, ist allerdings verpflichtet, eine hinreichende Ausgangskontrolle sicherzustellen (vgl. BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 432/06 - Rn. 10).
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Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird (st. Rspr., vgl. BGH 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15 - Rn. 8 mwN). Bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Die Überprüfung des Sendeberichts kann lediglich dann entfallen, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzleiangestellten angewiesen hat, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (vgl. BGH 25. Februar 2016 - III ZB 42/15 - Rn. 10).
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b) Die Einrichtung und Anwendung einer solchen Fristen- und Ausgangskontrolle hat der Kläger nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht.
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aa) Den Darlegungen im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich nicht entnehmen, dass eine Kanzleianweisung bestand, nach Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax die entsprechende Frist erst nach vorheriger Überprüfung des Sendeprotokolls zu streichen. Ebenso wenig ist eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten dargetan, die sicherstellt, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wurde.
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bb) Es liegt auch keine hinreichend konkrete anwaltliche Einzelanweisung vor, die das Fehlen allgemeiner organisatorischer Regelungen ausgleichen könnte. Nur dann, wenn ein Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall genaue Anweisungen erteilt, die eine Fristwahrung gewährleisten, sind diese allein maßgeblich und kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen nicht mehr an (vgl. BGH 25. Februar 2016 - III ZB 42/15 - Rn. 12 mwN).
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Eine Weisung, den Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich beim Empfänger durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, hat der Kläger im Wiedereinsetzungsverfahren nicht behauptet. Sein Vortrag erschöpft sich darin, der Prozessbevollmächtigte habe angewiesen, den Schriftsatz sogleich per Post und per Telefax zu übersenden. Konkrete Anweisungen, die an die Stelle einer allgemeinen Ausgangskontrolle hätten treten können, wurden nicht gegeben. Die Einzelweisung bestand lediglich darin, die Art und Weise, den Zeitpunkt sowie den Adressaten der Übermittlung zu bestimmen. Sie machte eine allgemeine organisatorische Regelung zur Kontrolle der Übersendung per Telefax und die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze nicht entbehrlich und war nicht geeignet, etwa bestehende Kontrollmechanismen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen, außer Kraft zu setzen (vgl. BGH 25. Februar 2016 - III ZB 42/15 - Rn. 12).
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III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
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