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BAG 26.09.2012 - 10 AZR 330/11
BAG 26.09.2012 - 10 AZR 330/11 - Tarifliche Sonderzahlung - Bemessungsgrundlage - Auslegung des TV Versorgungsbetriebe
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Oberhausen, 1. September 2010, Az: 3 Ca 560/10, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 8. April 2011, Az: 10 Sa 1376/10, Urteil
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. April 2011 - 10 Sa 1376/10 - aufgehoben.
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2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 1. September 2010 - 3 Ca 560/10 - abgeändert:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 360,13 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2010 zu zahlen.
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3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Sonderzahlung für das Jahr 2009.
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Die Klägerin ist für die Beklagte in Teilzeit als Hausmeisterin tätig gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 540,19 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung, der den Anspruch auf Sonderzahlung wie folgt regelt:
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„§ 16
Sonderzahlung
(1)
Der Arbeitnehmer, der am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht, hat Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung, über deren Höhe der Arbeitgeber jährlich neu entscheidet. Diese beträgt jedoch mindestens 100 v. H. des dem Arbeitnehmer im Oktober zustehenden Arbeitsentgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden bezahlte Arbeitsentgelt (mit Ausnahme der dienstplanmäßig vorgesehenen Überstunden), Leistungszulagen (§ 6 Abs. 5), Leistungsprämien (§ 6 Abs. 6) sowie besondere Zahlungen (§ 17 Abs. 1). Betrieblich kann ein von Satz 2 abweichender Bemessungszeitraum vereinbart werden. Der Anspruch ermäßigt sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt (§ 6), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 13) oder Fortzahlung des Entgelts während des Erholungsurlaubs (§ 14) hat.
(2)
Die Sonderzahlung wird mit dem für November zustehenden Entgelt ausgezahlt. Ein Teilbetrag kann zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden.“
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Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall regelt der TV-V wie folgt:
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„§ 13
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1)
Wird der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, erhält er für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von bis zu sechs Wochen sowie nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bei Wiederholungserkrankungen das Arbeitsentgelt (§ 6 Abs. 3) fortgezahlt. Nach Ablauf des nach Satz 1 maßgebenden Zeitraums erhält der Arbeitnehmer, der zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine Betriebszugehörigkeit (§ 4) von sechs Monaten erreicht hat, für die Zeit, für die ihm Krankengeld oder entsprechende Leistungen zustehen, einen Krankengeldzuschuss.
(2)
Der Krankengeldzuschuss ergibt sich aus der Höhe der Differenz zwischen dem festgesetzten Nettokrankengeld und dem sich nach Absatz 1 Satz 1 ergebenden Nettoarbeitsentgelt. Er wird längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung gezahlt. Zahlt die Krankenkasse wegen Verschuldens des Arbeitnehmers kein oder nur anteiliges Krankengeld, so entfällt oder vermindert sich der Anspruch auf den Krankengeldzuschuss. Für den Arbeitnehmer, der nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, ist der Zuschussberechnung der Krankengeldhöchstsatz für versicherungspflichtige Arbeitnehmer zugrunde zu legen.
(3)
Das Entgelt im Krankheitsfall und der Krankengeldzuschuss werden nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus gezahlt. ...“
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Die Klägerin war seit dem 13. Januar 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Sie erhielt bis zum 23. Februar 2009 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und daran anschließend bis zum 19. Oktober 2009 den tarifvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld. Die Beklagte hat die Kalendermonate, in denen sie einen Krankengeldzuschuss gezahlt hat, bei der Bemessung der tarifvertraglichen Sonderzahlung nicht berücksichtigt und lediglich anteilig für die Kalendermonate Januar und Februar 2009 eine Sonderzahlung in Höhe von 90,03 Euro brutto geleistet.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Anspruch habe sich nach § 16 Abs. 1 Satz 4 TV-V nicht für die Kalendermonate ermäßigt, in denen sie einen Krankengeldzuschuss bezogen habe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 360,13 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2010 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nur Kalendermonate mit gesetzlicher Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien von der Kürzung der Sonderzahlung ausgenommen.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat nach § 16 Abs. 1 TV-V einen Anspruch in Höhe von 10/12 der vollen Sonderzahlung für das Jahr 2009. Nach § 16 Abs. 1 Satz 4 TV-V hat sich der Anspruch nur für die Kalendermonate ermäßigt, in denen sie weder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch einen Krankengeldzuschuss bezogen hat.
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I. Der Anspruch ist nach § 16 Abs. 1 TV-V entstanden, da die Klägerin am 1. Dezember 2009 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden hat. Der volle Anspruch betrug nach § 16 Abs. 1 Satz 2 TV-V 540,19 Euro entsprechend dem Entgelt, das der Klägerin zugestanden hätte, wenn sie den ganzen Monat Oktober gearbeitet hätte (vgl. zur Berechnung Scheuring/Lang/Hoffmann § 16 TV Versorgungsbetriebe Rn. 1.2).
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II. Der volle Anspruch hat sich nach § 16 Abs. 1 Satz 4 TV-V nur für die Kalendermonate November und Dezember 2009 um je 1/12 ermäßigt, in denen die Klägerin weder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch einen Krankengeldzuschuss bezogen hat, nicht aber für die Monate März bis Oktober 2009, in denen die Beklagte den tarifvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld gezahlt hat. Dies sind Zeiten der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iSv. § 16 Abs. 1 Satz 4 TV-V, die von der Kürzung ausgenommen sind. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
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1. Der Wortlaut, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 16. November 2011 - 10 AZR 549/10 - Rn. 9, AP TVöD § 20 Nr. 2), ist nicht eindeutig. Denkbar ist, dass nur Kalendermonate mit gesetzlicher Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG von der Kürzung ausgenommen sind; der Klammerzusatz „(§ 13)“ spricht aber eher dafür, dass dies für alle Kalendermonate gilt, in denen der Arbeitgeber nach § 13 TV-V Leistungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und daran anschließend Leistungen des Zuschusses zum Krankengeld erbringt.
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2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang des TV-V bestätigt dies. Die Überschriften der Tarifnormen geben das tarifliche Verständnis des nachfolgenden Regelungszusammenhangs wieder. Enthält eine Tarifnorm mehrere Regelungsgegenstände, so ergibt sich dies aus der Überschrift (§ 2 TV-V „Arbeitsvertrag, Probezeit“, § 15 TV-V „Sonderurlaub, Arbeitsbefreiung“). § 13 TV-V („Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“) regelt danach, was nach tariflichem Verständnis als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verstanden werden soll. Wegen des Klammerzusatzes „(§ 13)“ liegt es nahe, dieses tarifliche Verständnis auch der Kürzungsregel des § 16 Abs. 1 Satz 4 TV-V zugrunde zu legen (vgl. zu § 46 BMT-AW II: BAG 2. September 1992 - 10 AZR 355/90 - Zahlung eines Krankengeldzuschusses als „Bezug“, der nicht zu einer Kürzung einer tarifvertraglichen Zuwendung führt).
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3. Verbleibende Zweifel beseitigt die Tarifgeschichte. Der TV-V hat als Spartentarifvertrag Arbeitnehmer aus dem BMT-G und dem BAT nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 TV-V erstmalig in ein einheitliches Tarifrecht überführt (vgl. Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G § 1a Rn. 3.1); der TV-V ersetzt nach § 1a BMT-G und § 1a BAT in seinem Anwendungsbereich beide Tarifverträge. Für Arbeiter und Angestellte in kommunalen Versorgungsbetrieben konnte damit der BMT-G, der BAT oder der TV-V zur Anwendung kommen. Nach den Zuwendungstarifverträgen besteht der Anspruch auf eine Zuwendung unabhängig davon, ob der Angestellte oder Arbeiter im Zuwendungsjahr arbeitsunfähig erkrankt ist und ob er Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder einen Krankengeldzuschuss bezieht; auch nach Ablösung beider Tarifwerke unterbleibt nach § 20 Abs. 4 TVöD/TV-L eine Minderung des Anspruchs für Zeiten, in denen Krankengeldzuschuss gezahlt wird. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch auf Sonderzahlung nach § 16 TV-V in diesem Punkt grundlegend anders ausgestaltet ist als in den zunächst weiter geltenden Tarifwerken bzw. dem TVöD/TV-L, sind nicht erkennbar und hätten deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Dies ist unterblieben.
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III. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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