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BAG 11.01.2011 - 1 AZR 375/09
BAG 11.01.2011 - 1 AZR 375/09 - Betriebsvereinbarung - Vereinbarung zu Lasten Dritter - Sozialplanabfindung
Normen
§ 77 BetrVG, § 613a Abs 1 BGB, § 112 Abs 1 S 3 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG München, 20. Juni 2008, Az: 19a Ca 16202/07, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht München, 22. April 2009, Az: 11 Sa 963/08, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 22. April 2009 - 11 Sa 963/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung und eine Bleibeprämie.
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Der Kläger war seit dem 1. März 1996 bei der S AG beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 1. Oktober 2005 auf die B GmbH & Co. OHG über. Dort belief sich sein Jahreszieleinkommen zuletzt auf 94.200,00 Euro.
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Am 31. Mai 2006 vereinbarte die B GmbH & Co. OHG mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat eine „Protokollnotiz zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der B GmbH & Co. OHG, Customer Care, zur I GmbH übergehenden Mitarbeiter“ (Protokollnotiz). Darin ist ua. Folgendes bestimmt:
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„…
2. Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter Kündigung
Aus heutiger Sicht sind keine betriebsbedingten Kündigungen vorgesehen.
…
Sollte es jedoch in M dennoch vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten Kündigungen/Aufhebungsverträgen zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bei I kommen, erhalten Mitarbeiter, die aus I ausscheiden, ohne gleichzeitig in den Ruhestand zu gehen, von I eine Abfindung auf Basis des Bruttomonatseinkommens im Übertrittszeitpunkt nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand: 30.05.2006) bestehenden/letztgültigen S/B-Sozialplanregelung.…“
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Die Protokollnotiz ist arbeitgeberseitig unterzeichnet mit dem Zusatz „B GmbH & Co. OHG“.
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Zum 1. Juli 2006 übertrug die B GmbH & Co. OHG die Aktivitäten der Abteilung „Customer Care“, in welcher der Kläger beschäftigt war, auf die I GmbH. Diese ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der B GmbH & Co. OHG. Die rechtlichen Grundlagen dieser Übertragung sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 1. Juli 2006 auf die I GmbH über.
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In einem in englischer Sprache verfassten Schreiben vom 26. Juni 2006 hat die I GmbH dem Kläger nach zwei Jahren durchgehender Beschäftigung eine Bleibeprämie in Höhe von 60 % des Jahreszieleinkommens angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen.
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Das Amtsgericht München ordnete mit Beschluss vom 29. September 2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der I GmbH an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 1. Januar 2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ab dem 1. Oktober 2006 fortgeführt. Es endete durch einen Aufhebungsvertrag zum 28. Februar 2007.
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Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe aufgrund der zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der B GmbH & Co. OHG vereinbarten Protokollnotiz ein Abfindungsanspruch in rechnerisch unstreitiger Höhe von 44.722,47 Euro zu, der zur Insolvenztabelle festzustellen sei. Des Weiteren habe er einen zumindest zeitanteiligen Anspruch auf den Retentionbonus in Höhe von 18.840,00 Euro aus der Zusage vom 26. Juni 2006. Dem Zahlungsanspruch stehe nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Zweijahreszeitraums geendet habe, weil der Aufhebungsvertrag betrieblich veranlasst gewesen sei.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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1.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.840,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen;
2.
zur Insolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I GmbH, H, M, Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt 44.722,47 Euro zustehen.
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Der Beklagte hat zur Begründung seines Abweisungsantrags ausgeführt, dem Kläger stehe keine Sozialplanabfindung zu. Die Protokollnotiz begründe keine Zahlungspflichten der Schuldnerin. Dem Bonusanspruch stehe entgegen, dass der Kläger bereits zum 28. Februar 2007 auf eigenen Wunsch ausgeschieden sei.
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Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Teilanerkenntnisurteil vom 28. Mai 2008 verurteilt, eine - weitergehende - Forderung in Höhe von 17.825,00 Euro zur Insolvenztabelle festzustellen. Durch Endurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, für den Kläger 44.722,47 Euro zur Insolvenztabelle zu nehmen, und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 18.840,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, die erstinstanzlich noch auf den vollen Bonus gerichtet war. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht insgesamt abgewiesen.
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung. Die zwischen der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Protokollnotiz konnte keine normativen Zahlungspflichten der Schuldnerin begründen.
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1. Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist der Sozialplan die Einigung zwischen dem Unternehmer und dem jeweils zuständigen Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen. Ein solcher Sozialplan hat gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung und kommt durch eine Einigung der Betriebsparteien oder einen diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zustande. In beiden Fällen sind Vertragsparteien des Sozialplans die jeweiligen Betriebsparteien. Sie können Rechte und Pflichten nur im Verhältnis zueinander, nicht jedoch normative Ansprüche gegenüber und zu Lasten Dritter begründen. Hierzu fehlt ihnen die durch das Betriebsverfassungsgesetz vermittelte Regelungsbefugnis.
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2. Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger vom Beklagten nicht die Feststellung der beanspruchten Sozialplanabfindung zur Insolvenztabelle verlangen.
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a) Nach den nicht mit begründeten Rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die Protokollnotiz zwischen der B GmbH & Co. OHG und dem dort gebildeten Gesamtbetriebsrat abgeschlossen. Allein diese sind Parteien der Vereinbarung. Zur Normierung von Zahlungspflichten zu Lasten Dritter fehlte ihnen die Regelungskompetenz. Dies gilt auch, soweit dem Gesamtbetriebsrat kraft Übergangsmandat (§ 21a BetrVG) eine Regelungsbefugnis zugestanden haben könnte. In diesem Fall hätte er eine Vereinbarung mit der Schuldnerin, nicht hingegen mit der Rechtsvorgängerin treffen müssen. Aus dem Umstand, dass die Schuldnerin eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der B GmbH & Co. OHG ist, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass diese bei Abschluss der Protokollnotiz für die Schuldnerin gehandelt und für diese Verbindlichkeiten begründet hat. Dies ist in der Vereinbarung nicht zum Ausdruck gekommen. Als Partei auf Arbeitgeberseite ist durchgehend, insbesondere bei der Bezeichnung der die Vereinbarung abschließenden Parteien und vor der Unterschrift die B GmbH & Co. OHG genannt. Das macht deutlich, dass die Protokollnotiz nur zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat vereinbart wurde. Durch sie konnten keine Verpflichtungen der Schuldnerin begründet werden. Ob die Betriebsparteien für den Fall des Arbeitsplatzverlustes bei der Schuldnerin Abfindungsansprüche der übergegangenen Arbeitnehmer gegen die B GmbH & Co. OHG begründen konnten, bedarf keiner Entscheidung, weil dies in der Protokollnotiz nicht erfolgt ist und der Kläger solche Ansprüche auch nicht verfolgt.
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b) Darüber hinaus steht einem Abfindungsanspruch entgegen, dass der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat, den Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung abgeschlossen zu haben. Er hat lediglich behauptet, der Aufhebungsvertrag sei betrieblich veranlasst gewesen, nachdem der Beklagte seine Absicht, den Betrieb fortzuführen und als Ganzes zu veräußern, aufgegeben habe. Das schließt jedoch nicht ein, dass der Beklagte auch beabsichtigt hat, den Kläger betriebsbedingt zu kündigen. Hierfür gibt es auch nach dem weiteren Vortrag der Parteien keine Anhaltspunkte. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Beklagten ist es zur Jahreswende 2006/2007 zu einer „Betriebsaufspaltung“ in einen sog. Reparaturbetrieb in B und einen sog. Service-Logistikbetrieb in M gekommen. Es ist vom Kläger nicht behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass im Anschluss daran für den Kläger in M keine angemessenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten mehr bestanden hätten. Der Erwerber des Service-Logistikbetriebs in M wäre nach § 613a Abs. 1 BGB an die zwischen dem Kläger und der Schuldnerin getroffene Vereinbarung gebunden gewesen.
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II. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des Retentionbonus als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.
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1. Zwischen der Schuldnerin und dem Kläger wurde - wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend klargestellt haben - vereinbart, dass die Schuldnerin dem Kläger nach Maßgabe des Schreibens vom 26. Juni 2006 nach zwei Jahren durchgehender Beschäftigung eine Bleibeprämie in Höhe von 60 % des Jahreszieleinkommens zahlt.
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2. Der Kläger erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die Bonuszahlung, denn er hat nicht durchgehend bis zum 30. Juni 2008 für die Schuldnerin oder deren Rechtsnachfolger gearbeitet. Sein Arbeitsverhältnis hat vielmehr einvernehmlich zum 28. Februar 2007 geendet. Es kann dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - die Bonusvereinbarung einschränkend dahin auszulegen ist, dass sie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betrieblicher Veranlassung nicht erfasst. Dies unterstellt bestünde gleichwohl kein Anspruch auf die begehrte Bonuszahlung. Der Aufhebungsvertrag ist unstreitig auf Wunsch des Klägers zustande gekommen. Nach seinem Vortrag wollte er das Arbeitsverhältnis beenden, nachdem der Beklagte den Betrieb nicht mehr fortführen und als Ganzes veräußern wollte. Damit sind schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen der Bonuszahlung nicht gegeben. Seine Darlegungen lassen nicht erkennen, dass er mit dem Aufhebungsvertrag einer betriebsbedingten Kündigung durch den Beklagten zuvorgekommen ist.
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