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BAG 22.04.2010 - 2 AZR 80/09
BAG 22.04.2010 - 2 AZR 80/09 - Ausschluss einer betriebsbedingten Änderungskündigung durch die Regelungen der AVR Caritas
Normen
§ 14 Abs 5 DWArbVtrRL, § 15 DWArbVtrRL
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 30. Januar 2008, Az: 75 Ca 16488/07, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 22. Juli 2008, Az: 19 Sa 748/08, Urteil
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Juli 2008 - 19 Sa 748/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
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Der Beklagte betreibt ein Krankenhaus in Berlin. Die im Februar 1950 geborene Klägerin ist dort seit dem 1. April 1990 vertragsgemäß als Krankenschwester in der Nachtschicht(sog. „Dauernachtwache“) mit einer monatlichen Arbeitszeit von 80 Stunden beschäftigt.
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Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien wird auf die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (im Folgenden: AVR) Bezug genommen. §§ 14, 15 AVR lauten:
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„§ 14
Ordentliche Kündigung
(1) Befristete und unbefristete Dienstverhältnisse können von beiden Vertragsparteien ordentlich gekündigt werden.
(2) Die Kündigungsfrist beträgt für den Dienstgeber und den Mitarbeiter in den ersten zwölf Monaten des Dienstverhältnisses einen Monat zum Monatsschluss. Darüber hinaus beträgt sie für den Dienstgeber und Mitarbeiter bei einer Beschäftigungszeit
a) bis zu fünf Jahren
6 Wochen
b) von mindestens fünf Jahren
3 Monate
c) von mindestens acht Jahren
4 Monate
d) von mindestens zehn Jahren
5 Monate
e) von mindestens zwölf Jahren
6 Monate
zum Schluss des Kalendervierteljahres.
(3) (entfällt)
(4) Kündigt der Dienstgeber das Dienstverhältnis und bietet er dem Mitarbeiter die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an (Änderungskündigung), so finden die Kündigungsfristen nach Abs. 2 und Abs. 3 uneingeschränkt Anwendung. Der Mitarbeiter kann eine Änderungskündigung unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Diesen Vorbehalt muss der Mitarbeiter dem Dienstgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung schriftlich erklären. Der Vorbehalt erlischt, wenn der Mitarbeiter nicht fristgerecht das Arbeitsgericht anruft.
(5) Nach einer Beschäftigungszeit (§ 11) von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber, frühestens jedoch nach dem vollendeten 40. Lebensjahr des Mitarbeiters, ist eine ordentliche Kündigung durch den Dienstgeber ausgeschlossen, soweit nicht § 15 etwas anderes bestimmt.
§ 15
Sonderregelung für unkündbare Mitarbeiter
(1) Dem grundsätzlich unkündbaren Mitarbeiter kann vom Dienstgeber außer nach § 16 Abs. 2 gekündigt werden, wenn der Mitarbeiter nicht weiterbeschäftigt werden kann, weil die Einrichtung, in der er tätig ist,
a)
wesentlich eingeschränkt oder
b)
aufgelöst wird.
(2) Liegen keine Kündigungsgründe nach § 15 Abs. 1 oder § 16 Abs. 2 vor, ist dem Dienstgeber eine Kündigung des Dienstverhältnisses aus anderen Gründen nicht gestattet. Der Dienstgeber kann jedoch beim Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe das Dienstverhältnis zum Zwecke der Herabgruppierung des Mitarbeiters um eine Vergütungsgruppe kündigen. Sonstige wichtige Gründe sind dann gegeben, wenn ... .“
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Im Jahr 2007 beschloss der Beklagte, Mitarbeiter künftig nur noch in einem Drei-Schicht-System einzusetzen. Eine Beschäftigung von Dauernachtwachen sollte entfallen. Nach Anhörung der Mitarbeitervertretung kündigte er mit Schreiben vom 27. September 2007 das Arbeitsverhältnis der Klägerin und bot ihr eine Fortsetzung ab dem 1. April 2008 zu den Bedingungen eines Drei-Schicht-Betriebs an. Die Klägerin nahm das Vertragsangebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an.
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Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis sei gemäß § 14 Abs. 5 AVR ordentlich nicht mehr kündbar, auch nicht im Wege einer Änderungskündigung.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 27. September 2007 sozial ungerechtfertigt ist.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, § 14 Abs. 5 AVR differenziere zwischen Änderungs- und Beendigungskündigungen und schließe die betriebsbedingte Änderungskündigung eines ansonsten ordentlich unkündbaren Mitarbeiters nicht aus. Nachdem sich die gesetzlichen Rahmenbedingen für Krankenhäuser geändert hätten, sei das Konzept angepasst und die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Mitarbeiter nur noch im Drei-Schicht-System zu beschäftigen. Für eine Beschäftigung der Klägerin als Dauernachtwache sei deshalb das Bedürfnis entfallen.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass sich die Arbeitsbedingungen der Parteien durch die Kündigung vom 27. September 2007 nicht geändert haben.
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I. Die Änderungskündigung vom 27. September 2007 ist wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 5 AVR unwirksam und nichtig(§ 2 Arbeitsvertrag iVm. § 14 Abs. 5, § 15 Abs. 2 Satz 1 AVR, § 134 BGB).
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1. Nach § 2 des Arbeitsvertrags richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den AVR Caritas. Die Verweisung erfasst auch die Unkündbarkeitsregelung des § 14 Abs. 5 AVR. Danach ist eine ordentliche Kündigung unter den dort genannten Bedingungen ausgeschlossen. Die Klägerin erfüllt die entsprechenden Voraussetzungen. Sie hatte zum Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet und wies eine Beschäftigungszeit von über 15 Jahren bei demselben Dienstgeber auf.
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2. Entgegen der Auffassung der Revision erfasst der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit auch eine aus betriebsbedingten Gründen erklärte ordentliche Änderungskündigung(so im Ergebnis auch LAG Köln 4. September 2008 - 7 Sa 208/08 - und - ohne Begründung - Papenheim in Beyer/Papenheim Arbeitsrecht der Caritas § 14 Rn. 21). Dies folgt aus der Auslegung des § 14 AVR.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Auslegung von Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas nach den für die Tarifauslegung maßgeblichen Grundsätzen(BAG 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03 - zu II 2 a der Gründe, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 3; 26. Juli 2007 - 7 AZR 515/05 - Rn. 12, BAGE 119, 157; zuletzt 18. November 2009 - 4 AZR 493/08 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 13). Danach ist vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei einem nicht eindeutigen Wortsinn ist der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den systematischen Zusammenhang der Regelungen. Verbleiben Zweifel, können die Gerichte weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte der AVR und deren praktische Handhabung heranziehen (vgl. BAG 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03 - aaO; 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 33, BAGE 118, 141).
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b) Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 5 AVR ist unter den entsprechenden Voraussetzungen auch eine ordentliche Änderungskündigung ausgeschlossen. Der Begriff der „ordentlichen Kündigung“ erfasst als Oberbegriff sowohl die Beendigungs- als auch die Änderungskündigung. Dies entspricht dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch, wie er etwa den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zugrunde liegt. Dem Wortlaut des § 14 Abs. 5 AVR ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass hinsichtlich der Unkündbarkeit zwischen Beendigungs- und Änderungskündigung differenziert werden sollte. Hätten die Richtliniengeber insoweit eine Einschränkung vornehmen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass sie dies deutlich zum Ausdruck gebracht hätten. Dies gilt umso mehr, als § 14 Abs. 5 AVR in seinem letzten Absatz für Ausnahmen vom Ausschluss der ordentlichen Kündigung ausdrücklich auf § 15 AVR verweist und dort eine Änderungskündigung nur zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe - und zwar nur bei Vorliegen „wichtiger Gründe“ - gestattet(§ 15 Abs. 2 AVR).
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c) Systematische Aspekte sprechen ebenfalls dafür, dass die Änderungskündigung unter § 14 Abs. 5 AVR fällt.
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Zum einen ist § 14 AVR überschrieben mit „Ordentliche Kündigung“. Die Regelung behandelt sodann in Abs. 1 die Möglichkeit für beide Vertragsparteien, befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse ordentlich zu kündigen, in Abs. 2 die Dauer der Kündigungsfrist und in Abs. 4 den Fall der Kündigung unter gleichzeitigem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen („Änderungskündigung“). In Abs. 5 wird anschließend - unterschiedslos - der Ausschluss der „ordentlichen Kündigung“ geregelt. Der Aufbau der Bestimmung gibt auf diese Weise deutlich zu erkennen, dass die länger beschäftigten und lebensälteren Arbeitnehmer vor jeder Form der „ordentlichen Kündigung“ - sowohl der ohne als auch der mit Änderungsangebot - geschützt werden sollen.
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Zum anderen hätte es der in § 14 Abs. 5 AVR erfolgten Verweisung auf § 15 Abs. 2 AVR und einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung nicht bedurft, wenn die ordentliche Änderungskündigung auch eines lang beschäftigten und älteren Mitarbeiters stets möglich wäre.
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Schließlich spricht der Umstand, dass die Änderungskündigung im Fall einer vorbehaltslosen Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer auf die in ihr enthaltene Beendigungskündigung „reduziert“ wird, gegen eine Differenzierung von Beendigungs- und Änderungskündigung in § 14 Abs. 5 AVR. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht zumindest unter Vorbehalt an, so streiten die Parteien letztlich über die Wirksamkeit einer Beendigungskündigung. In diesem Fall würde der Schutz von § 14 Abs. 5 AVR allemal eingreifen. Es ist nicht erkennbar, dass die Richtliniengeber dessen Eintreten von der Reaktion des betroffenen Arbeitnehmers auf das Änderungsangebot hätten abhängig machen wollen.
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d) Entgegen der Auffassung der Revision kann aus der Ausnahmeregelung des § 15 AVR nicht geschlossen werden, dass andere, weniger schwere Eingriffe in die Vertragsbeziehung als die Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe „erst recht“ eine Änderungskündigung ermöglichen müssen. Das lässt sich weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Bestimmung vereinbaren.
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3. Die Voraussetzungen für eine Änderungskündigung nach § 15 Abs. 2 AVR sind nicht gegeben. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht zum Zwecke der Herabgruppierung der Klägerin um eine Vergütungsgruppe, sondern allein zur Anpassung der Arbeitszeit gekündigt.
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II. Eine Umdeutung der ordentlichen Änderungskündigung vom 27. September 2007 in eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist scheidet aus. Selbst wenn dies überhaupt in Betracht käme(ablehnend BAG 12. September 1974 - 2 AZR 535/73 - zu III der Gründe, AP TVAL II § 44 Nr. 1 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 3; diese Möglichkeit grundsätzlich bejahend: Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 251; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 620 BGB Rn. 62; offengelassen von BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B II der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3), ist doch im Streitfall ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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