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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 13.12.2023 - B 7 AS 40/23 B
BSG 13.12.2023 - B 7 AS 40/23 B
Tenor
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Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 2022 gewährt.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 2022 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt vom beklagten Jobcenter höheres Alg II, zu erbringen als Zuschuss. Der Beklagte bewilligte ihr einmalig 866 Euro als Überbrückungsdarlehen (Bescheid vom 3.2.2020, Widerspruchsbescheid vom 27.8.2020). Die hiergegen von der Klägerin erhobene und auf einen Zuschuss von 925 Euro gerichtete Klage hat teilweise Erfolg gehabt. Das SG hat das bewilligte Darlehen iHv 136,96 Euro in einen rückzahlungsfreien Zuschuss umgewandelt und die Klage im Übrigen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29.3.2021, zugestellt am 30.3.2021). Die Entscheidung enthält zwei unterschiedliche Rechtsmittelbelehrungen, wobei die erste mit "Rechtsmittelbelehrung (für Klägerin)" und die zweite mit "Rechtsmittelbelehrung (für Beklagten)" überschrieben ist. Die Rechtmittelbelehrung für die Klägerin lautet: "Dieser Gerichtsbescheid kann von der Klägerin mit der Berufung angefochten werden. …". In der Rechtsmittelbelehrung für den Beklagten wird auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung oder den Antrag auf mündliche Verhandlung verwiesen. Mit am 22.4.2021 eingegangenem Schreiben hat die Klägerin "Nichtzulassungsbeschwerde § 145 SGG und Antrag auf mündliche Verhandlung" eingelegt bzw gestellt. Sie hat mit weiterem Schreiben vom 30.8.2021 beantragt, die Beschwerde gegen den Gerichtsbescheid als Berufung zu erfassen. Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil vom 23.3.2022).
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Divergenz- und Verfahrensrüge.
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II. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (vgl § 67 SGG) wegen ihrer fristgerechten Stellung eines PKH-Antrags und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung ihres Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH durch den Senat.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist zurückzuweisen. Als Divergenzrüge ist sie jedenfalls unbegründet, soweit die Klägerin bemängelt, dass das LSG anstelle der gebotenen Auslegung der Prozesserklärung der Klägerin (als Berufung) nur eine Umdeutung geprüft habe (dazu 1.). Selbst wenn die Klägerin hiermit zugleich eine Verfahrensrüge zulässig erhoben hätte, hat das LSG sich nicht zu Unrecht auf eine Prozessentscheidung beschränkt, als es die Berufung der Klägerin als unzulässig verwarf (dazu 2.). Soweit die Klägerin geltend macht, die verweigerte Wiedereinsetzung begründe einen Verfahrensmangel, ist die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig (dazu 3.).
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1. Auf die Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist die Revision zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Solche Abweichungen liegen nicht vor. Die Klägerin macht geltend, dass das LSG entgegen den Aussagen von BVerfG und BSG zur Auslegung von Prozesserklärungen (ua BSG vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - und vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 3; BVerfG vom 2.12.1987 - 1 BvR 1291/85 - BVerfGE 77, 275 ff und vom 22.9.2021 - 2 BvR 955/17) entschieden habe. Die höchstrichterliche Vorgabe, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern den wirklichen Willen der Erklärungen zu erforschen, habe das LSG verletzt. Es habe angenommen, dass der fachsprachliche klare Wortlaut jedweder (weitergehenden) Auslegung entgegenstehe und ausschließlich die Umdeutung zulasse. Einen entsprechenden abweichenden Rechtssatz hat das LSG jedoch weder entwickelt noch tragend zur Anwendung gebracht. Im Ergebnis sah sich das LSG hier zwar gehindert, in dem ausdrücklich nicht als Berufung bezeichneten, am 22.4.2021 erhobenen Rechtsmittel eine solche zu erkennen. Dies war aber das Resultat der Auslegung des LSG, das sich dabei auf das von der Klägerin zur Darlegung der vermeintlichen Divergenz ebenfalls herangezogene Urteil des BSG vom 25.6.2002 (B 11 AL 23/02 R) gestützt hat. Die Klägerin rügt allein das Ergebnis der Auslegung durch das LSG und insofern die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall. Nur die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag aber die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl BSG vom 8.3.2023 - B 7 AS 129/22 B - RdNr 10).
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2. Dahinstehen kann, ob die Klägerin mit ihrem Vortrag zur vermeintlichen Divergenz zugleich einen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet hat, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist insoweit jedenfalls unbegründet. Das LSG hat sich nicht zu Unrecht auf eine Prozessentscheidung beschränkt, als es die Berufung der Klägerin als unzulässig verwarf ("Prozessurteil statt Sachurteil"; hierzu zuletzt BSG vom 13.12.2022 - B 7 AS 181/22 BH - RdNr 7). Es ist nicht zu beanstanden, dass es eine Auslegung oder Umdeutung des ausdrücklich als Nichtzulassungsbeschwerde bezeichneten Rechtsmittels in eine statthafte Berufung nicht für möglich gehalten hat (vgl BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, Vor § 143 RdNr 15b, § 151 RdNr 11 f). Dabei hat es sich auf die zutreffende Rechtsmittelbelehrung bezogen, die die Klägerin über die in ihrem Fall statthafte Berufung belehrt hat. Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass es im Tenor des von der Klägerin angegriffenen Gerichtsbescheids heißt, die Berufung werde für den Beklagten nicht zugelassen, und in den Entscheidungsgründen, es bestehe kein Grund, gemäß § 144 Abs 2 SGG die Berufung zuzulassen. Beides bezieht sich erkennbar allein auf das für den Beklagten statthafte Rechtsmittel, während es für die Klägerin bei der zulassungsfreien Berufung blieb.
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3. Soweit die Klägerin zuletzt den Verfahrensmangel "Prozessurteil statt Sachurteil" wegen eines Verstoßes gegen § 67 SGG rügt, genügt die Beschwerdebegründung nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl BSG vom 31.7.2023 - B 9 V 2/23 B - RdNr 4).
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Die Beschwerdebegründung bemängelt, dass das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung, das Schreiben vom 30.8.2021 sei die Berufungsschrift - der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu Unrecht verwehrt habe. Gemäß § 67 Abs 1 SGG ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist aber binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, es sei denn, innerhalb der Antragsfrist wurde die versäumte Rechtshandlung nachgeholt (§ 67 Abs 2 SGG). Das LSG erkennt den Wegfall des Hindernisses im Zugang eines gerichtlichen Hinweisschreibens vom 14.5.2021 und bewertet so das Schreiben vom 30.8.2021 wiederum als verspätet. Die Rüge der Klägerin, dass das LSG ohne Zustellnachweis zum Hinweisschreiben vom 14.5.2021 dessen Zugang nicht hätte unterstellen dürfen, greift allein die Beweiswürdigung des LSG an. Diese ist der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglich (§§ 128, 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm
Siefert
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