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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 29.11.2023 - B 5 SF 9/22 S
BSG 29.11.2023 - B 5 SF 9/22 S
Tenor
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Auf die Erinnerung wird die Schlusskostenrechnung der Kostenbeamtin des BSG vom 2.9.2022 im Verfahren B 5 R 47/21 R aufgehoben.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
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I. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Ansatz von Gerichtsgebühren.
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Der Erinnerungsführer, eine gemeinsame Einrichtung iS des § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II, begehrte im zugrunde liegenden Rechtsstreit die Erstattung des Arbeitslosengelds II, das er einer Versicherten des beklagten Rentenversicherungsträgers während einer Rehabilitationsmaßnahme gezahlt hatte. Die Klage blieb auch in der Berufungsinstanz ohne Erfolg. Die Revision des Erinnerungsführers gegen das Berufungsurteil wies der 5. Senat des BSG zurück (Urteil vom 7.4.2022 - B 5 R 47/21 R). Gleichzeitig legte er dem Erinnerungsführer die Kosten des Revisionsverfahrens auf. Der Streitwert wurde auf 1099 Euro festgesetzt (Beschluss vom 7.4.2022). Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des BSG stellte dem Erinnerungsführer mit Schlusskostenrechnung vom 2.9.2022 gemäß Nr 7130 der Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG (Kostenverzeichnis - KV) eine 5,0-Gebühr aus einem Streitwert von 1099 Euro in Höhe von 390 Euro in Rechnung.
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Der Erinnerungsführer beruft sich mit seiner Erinnerung, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat, auf seine Kostenbefreiung nach § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X.
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II. 1. Über die Erinnerung entscheidet der 5. Senat des BSG als Kostensenat (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 1 Satz 1 GKG und Teil A Abschnitt 1 RdNr 5 Ziffer 10 Satz 1 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2023). Die senatsintern zuständige Berichterstatterin hat gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 6 Satz 2 GKG das Verfahren dem Senat übertragen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Rechtsfrage nach dem Verhältnis der Regelung in § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X zu derjenigen in § 197a Abs 3 SGG für die hier betroffenen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
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2. Die zulässige Erinnerung (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 1 GKG) ist begründet. Die Erhebung von Gerichtskosten beim Erinnerungsführer verletzt das Kostenrecht. Dieser ist im zugrunde liegenden Rechtsstreit von Gerichtskosten befreit und könnte allenfalls von der Beklagten wegen etwaiger außergerichtlicher Kosten in Anspruch genommen werden.
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a) Die Kostenbefreiung ergibt sich aus § 2 Abs 3 Satz 1 GKG iVm § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X. Danach wird den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende im sozialgerichtlichen Verfahren unabhängig vom Verfahrensgegenstand eine Kostenbefreiung gewährt. Diese Kostenbefreiung erfasst den Erinnerungsführer. Zwar sind gemeinsame Einrichtungen iS des § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II selbst nicht Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS des § 12 Satz 1 SGB I iVm § 6 Abs 1 Satz 1 SGB II; das sind die Bundesagentur für Arbeit und die kommunalen Träger. Den gemeinsamen Einrichtungen ist jedoch die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II kraft Gesetz (§ 44b Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II) übertragen (Grundsatz der Gesamtwahrnehmung, vgl zB BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 7/14 AS 25/21 R - SozR 4 <vorgesehen> RdNr 21 mwN). Sie erlassen die Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide (§ 44b Abs 1 Satz 3 SGB II). Im sich ggf anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren sind sie beteiligtenfähig iS des § 70 Nr 1 SGG (vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - juris RdNr 11). Aufgrund ihrer besonderen Stellung partizipieren gemeinsame Einrichtungen an der Kostenfreiheit der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X, die andernfalls weitgehend leer laufen würde.
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b) Die Kostenbefreiung der SGB II-Träger gilt unverändert, wenn diese wie hier an Erstattungsstreitigkeiten mit einem anderen Träger beteiligt sind. Abweichendes lässt sich insbesondere § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X iVm § 197a Abs 3 SGG nicht entnehmen. Das entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl Evers in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 197a RdNr 56; Hauck in Zeihe, SGG, Stand Mai 2023, § 197a RdNr 17; Nguyen in Hennig, SGG, Stand Mai 2018; § 197a RdNr 51; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 197a RdNr 2a; Stotz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 197a SGG, Stand 15.6.2022, RdNr 33; Straßfeld in Jansen, SGG, 4. Aufl 2012, § 197a RdNr 21; aA Timme in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl 2022, § 64 RdNr 8; unklar Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 64 RdNr 25).
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§ 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X ordnet an, dass § 197a SGG unberührt bleibt. Nach dessen Abs 3 werden Gerichtskosten von den - nach § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X grundsätzlich kostenbefreiten - Trägern der Sozialhilfe einschließlich der Teilhabeleistungen nach Teil 2 des SGB IX erhoben, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind. Die Regelung in § 197a Abs 3 SGG findet schon nach ihrem Wortlaut keine Anwendung auf die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zu einer weitergehenden Auslegung wäre der Senat allenfalls befugt, wenn nur hierdurch dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen werden könnte (vgl zu den Voraussetzungen und Grenzen verfassungskonformer Auslegung im Rahmen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung zB BVerfG Beschluss vom 14.6.2007 - 2 BvR 1447/05 ua - BVerfGE 118, 212, 234 - juris RdNr 91; BVerfG Beschluss vom 6.6.2018 - 1 BvL 7/14 ua - BVerfGE 149, 126 RdNr 73, jeweils mwN; vgl auch BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 25 f mwN). Für den gesetzgeberischen Willen, in Erstattungsstreitigkeiten eine Ausnahme von der grundsätzlichen Kostenbefreiung der SGB II-Träger in sozialgerichtlichen Verfahren zu machen, gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt.
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Die Regelung im heutigen § 64 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X war bereits bei Inkrafttreten des SGB X zum 1.1.1981 im Gesetz enthalten und privilegierte in der Ursprungsfassung die Träger der Sozialhilfe, Jugendhilfe und Kriegsopferfürsorge. Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurde der Halbsatz 2 angefügt, demzufolge § 197a SGG unberührt bleibt (vgl Art 0 des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes 7. SGGÄndG> vom 9.12.2004 - BGBl I 3302). Zugleich wurde der letztgenannten Norm ein Absatz 3 angefügt, wonach die Sozialhilfeträger gerichtskostenpflichtig sind, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind (vgl Art 1 Nr 14a des 7. SGGÄndG). Regelungsanlass war, dass den Sozialgerichten mit Wirkung zum 1.1.2005 die Rechtswegzuständigkeit für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende und für Sozialhilfeangelegenheiten übertragen wurde (vgl Entwurfsbegründung zum 7. SGGÄndG in BT-Drucks 15/3169, S 1 zu A). Die Änderungen gingen auf eine Anregung des Bundesrates zurück (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung in BT-Drucks 15/3867 S 2 zu Art 0 und S 3 zu Art 1 Nr 14a). Dieser hatte das Anliegen formuliert, zur finanziellen Entlastung der Kommunen die Sozialhilfeträger in Anlehnung an die bisherige Regelung in § 188 Satz 2 VwGO von Gerichtskosten, insbesondere den Pauschgebühren nach § 184 SGG freizustellen; ausgenommen von der Freistellung sollten lediglich Erstattungsstreitigkeiten sein (vgl Stellungnahme des Bundesrates zum 7. SGGÄndG in BT-Drucks 15/3169 S 13 zu Art 1 Nr 14a - neu -). Das Zusammenspiel der Regelungen in § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X und § 197a Abs 3 soll damit sicherstellen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden (vgl BSG Beschluss vom 28.1.2016 - B 13 SF 3/16 S - juris RdNr 9).
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Es spricht nichts dafür, dass eine vergleichbare Inanspruchnahme der SGB II-Träger gewollt war. Die Formulierung der Regelung in § 64 Abs 3 Satz 2 SGB X zeigt, dass der Gesetzgeber gerade hinsichtlich der Kostenbefreiung zwischen den Trägern der Sozialhilfe und denjenigen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sprachlich klar differenziert. Bei Schaffung des SGB II unterblieb zunächst eine Erstreckung der Kostenbefreiung des § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X auf die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Entsprechend wurden die SGB II-Träger anfangs als kostenpflichtig in sozialgerichtlichen Verfahren angesehen (vgl aus der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung zB LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 5.1.2006 - L 2 SF 1028/05 - juris RdNr 5 mwN; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 8.1.2008 - L 5 SF 3/06 - juris RdNr 11 mwN). Mit Wirkung zum 1.8.2006 wurden ua die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende in die Regelung des § 64 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X aufgenommen (vgl Art 6 Nr 1 Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706). Erst seitdem sind sie von Gerichtskosten in sozialgerichtlichen Verfahren befreit (aA Groth, SGb 9/07, 536, 536; vgl aber inzwischen ders in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap XII RdNr 108c). Eine gleichzeitige Anpassung der Regelung in § 197a Abs 3 SGG unterblieb. Sie ist auch seitdem nicht erfolgt, obwohl der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2020 eine anderweitige Änderung des § 197a Abs 3 SGG im Hinblick auf das novellierte Teilhaberecht vorgenommen hat (vgl Art 20 Abs 2 Nr 4 Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016 - BGBl I 3234: Einbeziehung der Träger der Eingliederungshilfe).
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Es mag sachlich gerechtfertigt sein, die SGB II-Träger in Erstattungsstreitigkeiten in kostenrechtlicher Hinsicht genauso zu behandeln wie die Träger der Sozialhilfe einschließlich der Teilhabeleistungen nach Teil 2 des SGB IX. Eine solche Änderung, etwa durch Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 197a Abs 3 SGG auf die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, muss jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.
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3. Die Kostenentscheidung dieses Beschlusses beruht auf § 66 Abs 8 GKG.
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