Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 01.08.2023 - B 1 SF 5/23 S
BSG 01.08.2023 - B 1 SF 5/23 S
Tenor
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Die zur ehrenamtlichen Richterin beim Bundessozialgericht berufene B wird von ihrem Amt entbunden.
Gründe
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I. Die ehrenamtliche Richterin ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts dem 1. und 2. Senat als ehrenamtliche Richterin aus dem Kreis der Arbeitgeber zugewiesen. Sie hatte ihre berufliche Tätigkeit durch Eintritt in den Ruhestand bereits im Jahr 2021 aufgegeben. Mit Schreiben vom 5.6.2023 und 24.7.2023 hat sie nunmehr mitgeteilt, zum 1.6.2023 eine geringfügige Nebentätigkeit aufgenommen zu haben. Die Tätigkeiten umfassten insbesondere Telefondienst, Terminverwaltung und Postbearbeitung in einer Anwaltskanzlei einen Nachmittag pro Woche. Ihr Denken und Handeln habe sich hierdurch nicht verändert. Sie sei über 40 Jahre als Personalchefin tätig gewesen. Auch nach dem Ausscheiden aus der aktiven Berufstätigkeit seien ihre Ansichten noch von der Tätigkeit als Arbeitgeber geprägt. In das Lager der Versicherten sei sie daher allenfalls "auf dem Papier" gewechselt.
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II. Die ehrenamtliche Richterin ist nach § 47 Satz 2 iVm § 22 Abs 1 Satz 3 und § 17 Abs 2 bis 4 SGG von ihrem Amt zu entbinden. Die Amtsentbindung findet danach nur statt, wenn eine Voraussetzung für die Berufung im Laufe der Amtszeit wegfällt, und dadurch eine paritätische Besetzung nach § 12 Abs 2 bis 4 SGG nicht mehr gewährleistet werden kann (vgl hierzu bereits BSG vom 6.5.2022 - B 1 SF 1/22 S und BSG vom 15.10.2020 - B 1 SF 2/19 S, beide juris).
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Den Senaten des Bundessozialgerichts, die für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten aufgrund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung zuständig sind, gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Zu diesen Senaten gehören auch der 1. und 2. Senat des Bundessozialgerichts, denen die ehrenamtliche Richterin zugewiesen ist.
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Ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Versicherten kann sein, wer als solcher aufgrund einer Pflichtversicherung oder einer Selbstversicherung - freiwillige Versicherung oder Weiterversicherung - einem Zweig der Sozialversicherung angehört. Die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitgeber schließt die Möglichkeit aus, als Versicherter ehrenamtlicher Richter zu sein (vgl zB Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 16 RdNr 4 mwN).
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Die Zugehörigkeit der ehrenamtlichen Richterin zum Kreis der Arbeitgeber ist bereits durch ihren Eintritt in den Ruhestand weggefallen. Nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGG ist ein ehrenamtlicher Richter aber nicht von seinem Amt zu entbinden, wenn eine Voraussetzung für seine Berufung im Laufe seiner Amtszeit wegfällt, es sei denn, eine paritätische Besetzung nach § 12 Abs 2 bis 4 SGG kann anderenfalls nicht gewährleistet werden. Dies bedeutet, dass ein ehrenamtlicher Richter seinem bisherigen Kreis trotz Wegfalls der Berufungsvoraussetzungen zugerechnet wird, solange er nicht in das "gegnerische" Lager wechselt (vgl BSG vom 6.5.2022 - B 1 SF 1/22 S - juris RdNr 5). Die ehrenamtliche Richterin ist durch die Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig geworden, unabhängig von der Frage des Eintritts von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung oder Erreichens der Altersgrenze der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die Pflichtversicherung aufgrund Beschäftigung in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs 1 Nr 1 iVm § 4 SGB VII) ist nicht durch Tatbestände der Versicherungsfreiheit überlagert, so dass die ehrenamtliche Richterin zumindest einem Zweig der Sozialversicherung als Versicherte mit allen Rechten und Pflichten angehört.
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Dies führt dazu, dass von einem Wechsel in das "gegnerische" Lager auszugehen ist. Maßgeblich hierfür ist eine formale Betrachtungsweise. Das Fortbestehen vorzüglicher Sachkenntnisse (vgl hierzu bereits BSG vom 12.12.2018 - B 1 SF 4/18 S - juris) und auch eine weiterhin bestehende Prägung durch jahrzehntelange Tätigkeit als Arbeitgeber haben gegenüber den formalen Kriterien des Wegfalls einer Berufungsvoraussetzung und des Eintritts der Voraussetzung, für das "gegnerische" Lager als ehrenamtlicher Richter berufen werden zu können, zurückzutreten.
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Der erkennende Senat hat die ehrenamtliche Richterin zur Entbindung von ihrem Amt angehört.
Schlegel
Estelmann
Scholz
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